König Heinrich der vierte. Der Zweyte Theil, der seinen Tod, und die Crönung von - 2

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Was? Mich in den Bach werfen? Ich will dich in den Bach werfen.
Willt du? willt du? Du--Mörder! Mörder!--
Falstaff.
Bardolph, halt sie zurük.
Fang.
Succurs! Succurs!
Wirthin.
Liebe Leute, holt noch einen Mann oder zwey; du willt, willt du?
Du willt, willt du? Thu's, thu's, du Raker, du, du Hanfsaamen!
Falstaff.
--
(Dumme Schimpfwörter.)

Zweyte Scene.
(Der Lord Ober-Richter mit seinem Gefolge.)

Ober-Richter.
Was giebts hier? Haltet Frieden hier, he!
Wirthin.
O mein lieber Gnädiger Herr, haltet zu mir; ich bitte euch, nehmt
euch meiner an.
Ober-Richter.
Wie, Sir John? Was für saubre Händel habt ihr hier? Schikt sich
das für eure Bedienung, und für das Geschäfte, so euch aufgetragen
ist? Ihr solltet schon weit auf der Landstrasse nach York seyn.
Laß ihn gehen, Bursche; was hängst du dich an ihn an?
Wirthin.
O allergnädigster Herr Lord, ich bin mit Euer Gestreng Erlaubniß
eine arme Wittfrau von East-Cheap, und er wird auf mein Ansuchen in
Verhaft genommen.
Ober-Richter.
Für was für eine Summe?
Wirthin.
Für alles, Gnädiger Herr, für alles was ich habe. Er hat mich von
Haus und Hof gefressen, er hat mein ganzes Vermögen in seinen diken
Bauch da hinein gestopft; aber ich will doch nicht alles verlohren
haben, ich will wieder was herauskriegen, oder ich will dich des
Nachts reiten wie eine Hexe.
Falstaff (Eine Zote.)
--
Ober-Richter.
Wie kommt das, Sir John? Fie! welcher ehrliche Mann wollte sich
dergleichen nachreden lassen? Schämt ihr euch nicht, eine arme
Wittfrau zu solchen Mitteln zu treiben, um zum Ihrigen zu gelangen?
Falstaff.
Wie viel bin ich dir dann schuldig?
Wirthin.
Meiner Six! Wenn du ein Bidermann wär'st, dich selbst und das Geld
dazu; du schwur'st mir auf einen verguldten Becher, es war in der
Delphin-Stube, du sassest an der runden Tafel, bey einem See-Kohlen-
Feuer, am Dienstag in der Pfingst-Woche, war es, wie dir der Prinz
ein Loch in den Kopf schlug, daß du ihn mit einem Bänkel-Singer von
Windsor verglichen hattest, schwur'st du mir nicht, indem ich deine
Wunde wusch, du wollst mich heurathen, und mich zu Milady deiner
Frau zu machen? Kanst du's läugnen? Kam nicht eben Frau Cathrine,
die Mezgerin, in die Stube, und nannte mich Gevatterin Quikly? Sie
kam, und wollte eine Maaß Eßich bey mir entlehnen, und da sagte sie,
sie hätte eine gute Schüssel voll gebakne Pflaumen, und da sagtest
du, du habest Lust etliche davon zu essen, und da sagt' ich dir,
sie taugten nicht zu einer frischen Wunde; und batest du mich nicht
damals, wie sie wieder die Stiege hinunter war, ich sollte mit
solchem armem Volk nicht mehr so gemein thun, und sagtest, es solle
nicht mehr lang währen, so würden sie mich Madam heissen müssen?
Und gabst du mir nicht einen Kuß, und batest mich, ich sollte dir
dreyßig Schillinge holen? Ich treib dich izt auf deinen Eid;
läugn' es, wenn du kanst.*
{ed. * So viel mag zur Probe von dieser und der folgenden Scene
genug seyn, worinn Falstaff und die Wirthin, indeß daß Gower dem
Lord Ober-Richter die Zeitung von Yorks und Northumberlands Empörung
bringt, sich unter der Hand wieder mit einander aussöhnen.}

Vierte Scene.
(Eine andre Strasse in London.)
(Prinz Heinrich und Poins.)

Prinz Heinrich.
Du kanst mirs glauben, ich bin entsezlich müde.
Poins.
Wie, ist es dazu gekommen? Ich dachte, die Müdigkeit dürfte keinen
Königssohn angreiffen.
Prinz Heinrich.
Es ist doch so, ob meine Hoheit sich gleich entfärbt, es zu
gestehen. Kommt es nicht pöbelhaft an mir heraus, daß ich einen
Gelust nach Schmahl-Bier habe?
Poins.
In der That, ein Prinz sollte sich nie so sehr vergessen, an eine
so schwache Composition nur zu denken.
Prinz Heinrich.
Mein Appetit ist also vermuthlich nicht von königlicher Abkunft;
denn, in gutem Ernst, ich denke izt an die arme Creatur, Schmahl-
Bier. Aber in der That, diese gedemüthigen Gedanken erleiden mir
meine Hoheit gewaltig. Was für eine Unanständigkeit, daß ich mich
deines Namens erinnere? Oder daß ich morgen dein Gesicht noch
kenne? Oder daß ich weiß, wie viele paar seidene Strümpfe du hast,
(z. Ex. diese hier, und deine Pfersich-Blüth farbene;) oder daß
ich ein Inventarium über deine Hemder bey mir trage, z. Ex. eines
für die Noth, und eins zum Ueberfluß, usw.
Poins.
Wie übel das zusammenhängt, daß ihr izt so alberne Dinge sagt,
nachdem ihr kaum so grosse Dinge gethan habt! Sagt mir einmal, wie
viele wakre junge Prinzen sind in der Welt die es so machen würden
wie ihr, wenn ihr Vater so krank läge, als der eurige izt ist?
Prinz Heinrich.
Sol ich dir was sagen, Poins?
Poins.
Ja, aber einmal etwas recht gutes.
Prinz Heinrich.
Es soll für wizige Köpfe von so edler Geburt wie du, gut genug seyn.
Poins.
So sagt es denn, ich kan alles anhören.
Prinz Heinrich.
Ich sage dir, es schikt sich nicht, daß ich izt traurig aussehe,
weil mein Vater krank ist; und doch könnt' ich dir sagen, (als
einem, den mir's beliebt, aus Mangel eines bessern, meinen Freund
zu nennen,) daß ich traurig seyn könnte, im Ernst traurig.
Poins (spöttisch.)
In der That, die Ursache ist auch darnach.
Prinz Heinrich.
Bey dieser Hand, du denkst ich sey ein so verstokter Bube, als du
und Falstaff. Laß das Ende den Mann bewähren. Aber ich sage dir,
mein Herz blutet innwendig, daß mein Vater so krank ist, wenn mir
gleich der Umgang mit so schlimmer Gesellschaft als du bist, die
Freyheit benimmt, äusserliche Zeichen von Schmerz an mir sehen zu
lassen.
Poins.
Und warum das?
Prinz Heinrich.
Was würdest du von mir denken, wenn ich weinte?
Poins.
Ich dächte, du seyest ein so durchlauchtiger Heuchler, als ein Cron-
Prinz je gewesen ist.
Prinz Heinrich.
So würde jedermann denken, und du bist ein glüklicher Geselle, daß
du immer denkst wie jedermann denkt. Keines Menschen in der Welt
seine Gedanken bleiben besser in der allgemeinen Landstrasse als
die deinigen. Jedermann würde denken, ich sey ein Heuchler, so ist
es. Und was bewegt eure hochzuverehrende Gedanken, so zu denken?
Poins.
Was? Weil ihr so lüderlich zu seyn geschienen habt, und mit
Falstaffen in so vertrauter Freundschaft gelebt habt.
Prinz Heinrich.
Und mit dir.
Poins.
Nein, bey diesem Tageslicht! Ich bin in keinem schlimmen Ruf, ich
darf zuhören, wenn von mir gesprochen wird. Das ärgste was die
Leute von mir sagen können, ist, daß ich ein jüngerer Bruder bin,
und daß ich flinke Hände habe; und für diese zwey Dinge, ich muß es
gestehen, kan ich nichts. Seht, seht, da kommt Bardolph--
Prinz Heinrich.
Und der Junge, den ich Falstaffen gab; der Junge sah doch wie ein
Christenmensch aus, da er ihn von mir bekam, und sieh, ob ihn der
feiste Spizbube nicht in einen ausgemachten Affen verwandelt hat?

Fünfte Scene.
(Bardolph mit dem kleinen Lakeyen zu den Vorigen.) (Bardolph
bringt dem Prinzen einen abgeschmakten Brief von Falstaffen; der
kleine Lakey berichtet, daß sein Herr im Bärenkopf in East-Cheap
mit der Frau Quikly und Jgfr. Dortchen Tear-Scheet zu Nacht essen
werde, und der Prinz verabredet sich mit Poins, sie beym Nacht-
Essen zu überraschen. Es ist eine Art von Wiz und Humor in dieser
Scene; aber auch das, was nach Abzug der Wortspiele und platten
oder schmuzigen Einfälle übrig bleibt, verdient keine Uebersezung;
ein paar Einfälle des Prinzen ausgenommen, um deren willen das
übrige von folgender Stelle mitgehen mag.)

Prinz Heinrich.
Aber ist es wahr, Ned, daß ihr so vertraut mit mir thut? Muß ich
eure Schwester heurathen?
Poins.
Mag das Mensch keinen schlechtem Anstand haben! Aber das hab' ich
nie gesagt.
Prinz Heinrich.
Wol--so treiben wir den Narren mit der Zeit, und die Geister der
Weisen sizen in den Wolken und spotten unser--Ist euer Herr hier in
London?
Bardolph.
Ja, Milord.
Prinz Heinrich.
Wo ißt er zu Nacht?
Bardolph.
Am alten Ort, Milord, in East-Cheap.
Prinz Heinrich.
In was für Gesellschaft?
Page.
Mit Ephesiern, Milord, von der alten Kirche.
Prinz Heinrich.
Wird er Weibsleute beym Essen haben?
Page.
Niemand, als die alte Frau Quikly, und Jungfer Dortchen Tear-Scheet.
Prinz Heinrich.
Was für eine Heidin mag das seyn?
Page.
Es ist ein ganz hübsches Frauenzimmer, Milord, und eine Base zu
meinem Herrn.
Prinz Heinrich.
Von der Art Basen, wie die Pfarr-Kühe zum Stadt-Bullen sind.
Wollen wir sie beym Nacht-Essen überraschen, Ned?
Poins.
In bin euer Schatten, Milord.
Prinz Heinrich.
Aber holla, ihr Junge, und Bardolph, sagt euerm Herrn kein Wort
davon, daß ich in der Stadt bin--Da ist was für eure
Verschwiegenheit.
Bardolph.
Ich habe keine Zunge, Milord.
Page.
Und ich will schon Meister über meine seyn.
Prinz Heinrich.
Fahrt ihr wohl, geht--
(Zu Poins.)
Diese Dortchen Tear-Scheet wird vermuthlich was Allgemeines seyn?
Poins.
Ich stehe euch davor, so gemein, wie die Landstrasse zwischen hier
und St. Albans.
Prinz Heinrich.
Wie müßten wir's machen, wenn wir Falstaffen heute Nacht (in
naturalibus) sehen wollten, ohne daß er uns sähe?
Poins.
Wir müßten lederne Brust-Tücher anthun, und Schürze, und ihm bey
Tisch aufwarten.
Prinz Heinrich.
Von einem Gott zu einem Stier? Eine tieffe Herablassung! Es war
Jupiters Fall. Aus einem Prinzen ein Keller-Junge? Eine unedle
Verwandlung! Das soll mein Fall seyn. Wenn man eine Narrheit
machen will, so muß man sie ganz machen. Folge mir, Ned.
(Sie gehen ab.)

Sechste Scene.
(Northumberlands-Burg.)
(Northumberland, Lady Northumberland, und Lady Percy.)

Northumberland.
Ich bitte dich, mein liebes Weib, und euch, meine werthe Tochter,
laßt den Entschliessungen ihren Lauff, wozu die Zeit mich nöthigt.
Beunruhigt mich nicht länger durch Vorstellungen, welchen Gehör zu
geben nicht mehr in meiner Macht ist.
Lady Northumberland.
Ich hab es aufgegeben, ich will nichts mehr sagen: thut was ihr
wollt; eure Klugheit sey eure Rathgeberin.
Northumberland.
Ich habe meine Ehre zum Pfand gegeben, liebstes Weib; und nichts
kan sie wieder einlösen, als wenn ich gehe.
Lady Percy.
O, um des Himmels willen, bleibet dem ungeachtet zurük. Es war
eine Zeit, Vater, da ihr euer Wort brachet, obgleich weit mehr
daran gelegen war es zu halten, als izt. Wie manchen Blik schikte
euer Percy, euer Sohn, mein liebster Harry, nordwärts, dem Beystand
entgegen, den ihm sein Vater zuführen sollte? aber er wartete
umsonst. Wer beredete euch damals daheim zu bleiben? In einem so
entscheidenden Zeitpunct, und da durch euer Zurükbleiben eure und
euers Sohnes Ehre verlohren gieng? Was die eurige betrift, möge
himmlische Glorie sie umglänzen! Die seinige stand über ihm wie
die Sonne im arzurnen Gewölbe des Himmels: Und die ganze
Ritterschaft von England bewegte sich bey seinem Licht, in der
Laufbahn ruhmwürdiger Thaten. Er war der Spiegel, vor dem die edle
Jugend ihre Gestalt untersuchte. Er sah keine Füsse, die nicht
seinen Gang nachahmten; und mit der Zunge anstossen, welches bey
ihm ein Natur-Fehler war, wurde der allgemeine Accent der Tapfern;
so groß war die Begierde, ihm ähnlich zu seyn. Nicht nur seine
kriegrischen Vorzüge, selbst seine Sprache, sein Gang, seine Art
sich zu kleiden, seine Manieren, seine Neigungen, sogar seine Laune
und sein Humor, waren das Muster, wornach alle andre sich bildeten;
ein jeder schäzte sich selbst nur so viel, als er ihm ähnlich zu
seyn glaubte. Und diesen Mann, o! dieses Wunder von einem Mann,
ihn, der an Verdiensten niemand über sich hatte, ihn ließt ihr
allein, mit einer Hand voll Leute, die ganze Gewalt des Kriegs-
Gottes auszuhalten; verließt ihn, in Umständen, wo nichts als der
Schall von Hot-Spurs Namen fähig war Widerstand zu thun--O! nimmer,
nimmer beleidigt seinen abgeschiednen Geist so sehr, daß ihr euer
Wort andern besser haltet als ihm! Laßt sie allein: Der Marschall
und der Erzbischoff sind stark genug. Hätte mein liebster Harry
nur die Hälfte ihrer Anzahl gehabt, so würd' ich diesen Augenblik,
an Hot-Spurs Naken hangend, von Monmouths Grabe reden können.
Northumberland.
Uebel mög' es euch bekommen, schöne Tochter, daß ihr durch frische
Klagen eine alte Wunde wieder aufreisset. Aber ich muß gehen, und
mich der Gefahr dort entgegen stellen, oder sie wird mich anderswo
selbst suchen, und mich weniger gerüstet finden.
Lady Northumberland.
Flieht nach Schottland, bis der Adel und die empörten Gemeinen ihre
Stärke ein wenig versucht haben.
Lady Percy.
Wenn sie einen Vortheil über den König erhalten haben, dann
vereiniget euch mit ihnen, und macht die Starken stärker. Aber, um
unsrer Aller willen, laßt sie vorher ihre Kräfte allein versuchen.
Das mußt euer Sohn thun, ihr ließ't es geschehen, so wurd' ich eine
Wittwe; und nimmer werd' ich Leben genug haben, sein Andenken* aus
meinen Augen so lange zu beregnen, bis es zum Gedächtniß meines
edeln Gemals an den Himmel empor wachse.
{ed. * Eine Anspielung auf den Rosmarin, der, weil er ein (Cephalicon)
ist, in unsers Autors Zeiten (Remembrance), Andenken, genannt wurde.}
Northumberland.
Kommt, kommt, geht mit mir hinein; mein Gemüth ist izt wie die
Fluth, wenn sie zu ihrer grösten Höhe hinaufgeschwollen ist; sie
steht dann still, und fliesset weder vorwärts noch zurük. Ich
wünschte herzlich, daß ich mit dem Erzbischoff mich vereinbaren
könnte; aber tausend Ursachen halten mich zurük. Ich will mich
entschliessen nach Schottland zu gehen, und dort warten, bis Zeit
und bessere Umstände meinen Beytritt fordern.
(Sie gehen ab.)
([Die übrigen sechs Scenen in diesem Aufzug, stellen dasjenige vor,
was bey dem) Soupé (des Sir John Falstaff in Gesellschaft der
liebenswürdigen Dortchen Tear-Scheet und der Frau Wirthin zum
Bärenkopf in East-Cheap vorgegangen; die Händel zwischen Falstaff
und Pistol, die Verwandlung des Prinzen in einen Keller-Buben, und
den zärtlichen Abschied zwischen Dortchen Tear-Scheet und Falstaff,
welcher mitten aus seinen Vergnügungen fortgerissen wird, um zur
Armee abzugehen. Es sind Scenen aus Bierschenken und Bordelhäusern,
in Ostadens Geschmak nach dem Leben gemahlt. Der Genie unsers
Autors zeigt sich vielleicht in gewisser Maaße so groß darinn, als
in den schönsten Scenen des Hamlet oder des Kauffmanns von Venedig;
aber die ekelhafte Unsittlichkeit derselben verbietet uns sie zu
übersezen, und würde auf jedem anderm Theater als dem zu London,
auch ihre öffentliche Aufführung verbieten.])


Dritter Aufzug.

Erste Scene.
(Der Palast in London.)
(König Heinrich in seinem Nachtrok, und ein Edelknabe treten auf.)

König Heinrich.
Geh, ruffe die Grafen von Surrey und Warwik; aber eh sie kommen,
sag ihnen, daß sie diese Briefe lesen, und den Inhalt wol überlegen
sollen: Halte dich nicht auf.
(Der Edelknabe geht ab.)
Wie viele tausende von meinen ärmsten Unterthanen schlafen in
dieser Stunde! O holder Schlaf, wohlthätige Amme der Natur, womit
hab' ich dich erschrekt, daß du meine Auglieder nicht mehr
schliessen, meine Sinnen nicht mehr in süsses Vergessen aller
Sorgen wiegen willst? Warum ligst du lieber in rauchigen Krippen,
auf unbequemen Strohsäken ausgestrekt, und von summenden
Nachtfliegen in deinen Schlummer eingezischet, als in den
parfümirten Zimmern der Grossen, unter goldnen Thronhimmeln, und
von den angenehmsten Symphonien eingewiegt? O warum liegst du bey
den Niedrigsten in ekelhaften Betten, und verlässest das königliche
Lager wie ein Schilderhäuschen bey einer Sturmgloke? Kanst du, zu
oberst auf dem wankenden Mast des Schiff-Jungens Augen versiegeln,
und sein Gehirn in der Wiege der ungestümen Woge einwiegen, den
Winden ausgesezt, welche die aufrührischen Wellen beym Schopf
ergreiffen, ihre ungeheuren Häupter krümmen, und sie unter
betäubendem Geschrey an den schlüpfrigen Mast-Tauen aufhängen--
Kanst du, o partheyischer Schlaf, dem nassen See-Jungen in einer so
rauhen Stunde Ruhe geben, und versagst sie in der stillesten Nacht,
bey allen ersinnlichen Mitteln sie zu befördern, einem Könige? So
schlummre dann sanft, glüklicher Bettler! Das Haupt ligt übel, das
eine Crone trägt.

Zweyte Scene.
(Warwik und Surrey treten auf.)

Warwik.
Unzählbare glükliche Morgen, Gnädigster Herr!
König Heinrich.
Ist es schon Morgen, Lords?
Warwik.
Es ist schon über ein Uhr.
König Heinrich.
Nun dann, so wünsch ich euch einen guten Morgen--Gut, Milords, habt
ihr die Briefe gelesen, die ich euch schikte?
Warwik.
Wir haben, Gnädigster Herr.
König Heinrich.
Ihr habt also daraus ersehen, in welch einem verdorbnen Zustand
unser Staats-Körper ligt, wie sehr seine innerliche Schäden
zunehmen, und wie nahe die Gefahr zu seinem Herzen gedrungen ist.
Warwik.
Die Krankheit ist nicht so gefährlich, daß dieser fiebrische Körper
nicht durch gute Diät und ein wenig Medicin zu seiner vorigen
Stärke hergestellt werden könnte; Milord von Northumberland wird
bald abgekühlt seyn.
König Heinrich.
O Himmel, wer im Buche des Schiksals lesen könnte, was für
Veränderungen die kommenden Zeiten mit sich bringen, wie sie
Gebürge ebnen, und das feste Land, troz seiner unbeweglichen
Dauerhaftigkeit, in die See zerschmelzen werden; oder wie zu einer
andern Zeit der felsichte Gürtel des Oceans zu weit für Neptuni
Hüften wird; wie ein Wechsel den andern verdrängt, und der Zufall
den Becher des Glüks bald mit süssem bald mit bitterm Getränk
anfällt! O, könnte diß gesehen werden, der glüklichste Jüngling,
wenn er durch diese Aussicht vergangner und zukünftiger
Widerwärtigkeiten hindurchschaute, würde das Buch zumachen, sich
niederlegen und sterben! Es sind noch nicht zehn Jahre, daß
Richard und Northumberland als die besten Freunde einander Bankette
gaben, und zwey Jahre darauf lagen sie gegen einander zu Felde. Es
ist kaum acht Jahre, daß dieser Percy meinem Herzen der nächste war,
daß er sich mit dem Eifer eines Bruders für mich bearbeitete, und
seine Liebe und sein Leben unter meine Füsse legte. Er gieng so
weit, daß er um meinetwillen Richarden ins Gesicht den Gehorsam
aufkündigte. War nicht einer von euch dabey? Ihr, Vetter Nevil,
denke ich--als Richard, von Northumberland mit bittern Vorwürfen
angefallen, mit thränenvollen Augen diese Worte sagte, die nun zu
einer Propheceyung geworden sind: Northumberland, du Leiter, auf
welcher Bolingbroke zu meinem Thron hinaufsteigt, (obgleich damals,
der Himmel weiß es, eine solche Absicht weit von mir entfernt war,
und in der Folge erst die Umstände des Staats mich zu Uebernehmung
der Crone nöthigten;) die Zeit wird kommen, fuhr er fort, daß dein
schändliches Verbrechen, wie ein reiffes Geschwür, in faulen Eiter
ausfliessen wird; und so fuhr er fort, diesen Bruch unsrer
Freundschaft und die Umstände worinn wir izt sind, vorher zu sagen.
Warwik.
Das menschliche Leben ist seinen hauptsächlichsten Zügen nach eine
blosse Abbildung der vormaligen Zeiten; das künftige ligt wie ein
Embryon in dem Gegenwärtigen eingehüllt, und wer also das Vergangne
und Gegenwärtige wohl beobachtet hat, mag oft mit vieler
Richtigkeit vorhersagen, was für noch ungebohrne Veränderungen die
Zukunft ausbrüten wird. Auf diese Art konnte König Richard mit
einer Art von gewisser Vermuthung vorhersehn, daß der mächtige
Northumberland, der damals ihm untreu war, aus dem nemlichen Saamen
in eine noch größre Untreue aufschiessen würde, die keinen andern
Grund, um Wurzeln zu fassen, finden könnte als euch.
König Heinrich.
Sind denn alle diese Dinge unvermeidliche Nothwendigkeiten? Nun so
laßt uns ihnen auch als Nothwendigkeiten entgegen gehen--Man sagt,
der Bischoff und Northumberland seyen fünfzig tausend Mann stark.
Warwik.
Das kan nicht seyn; das Gerücht verdoppelt, wie ein Echo, die
Anzahl der Gefürchteten. Geruhet euch zu Bette zu begeben,
Gnädigster Herr. Bey meinem Leben, die Macht die Eu. Majestät
ihnen bereits entgegen gestellt hat, ist hinlänglich, den Sieg
davon zu tragen. Zu eurer noch grössern Beruhigung bring' ich die
gewisse Nachricht, daß Glendower todt ist. Eu. Majestät hat sich
diese vierzehn Tage her übel befunden, und dieses unzeitige Wachen
muß eure Unpäßlichkeit nothwendig vermehren.
König Heinrich.
Ich will euerm Rath folgen, und wären wir nur einmal dieser
einheimischen Unruhen los, so wollten wir bedacht seyn, liebste
Lords, unsern beschloßnen Zug ins gelobte Land auszuführen.
(Sie gehen ab.)

Dritte Scene.
(Verwandelt sich in den Ritter-Siz des Friedens-Richters Schallow
in Glocesterschire.)
(Schallow und Silence, mit Schimmel, Schatten, Warze, Schwächlich,
und Bullkalb treten auf.)

Schallow.
Kommt herein, kommt, kommt; gebt mir eure Hand, Sir; ihr seyd früh
auf, früh auf, wahrhaftig! Und was lebt denn meine werthe Frau
Base Silence?
Silence.
Guten Morgen, lieber Vetter Schallow.
Schallow.
Was macht meine Base, eure Bettgesellin? und eure hübsche Tochter,
und die meinige, meine Pathe Elschen?
Silence.
O das Mädel wird so schwarz wie eine Kohl-Amsel, Vetter Schallow.
Schallow.
Auf mein Wort, Sir, ich sag es nicht, weil ihr's hört, aber mein
Vetter Williams ist ein guter Student worden; ist er noch immer zu
Oxford? Ist er nicht?
Silence.
Ja, Sir, mein Beutel empfindt es wol.
Schallow.
So müßt ihr eben machen, daß ihr ihn bald ins Juristen-Stipendium
bringt; ich war ehmals in Clements-Inn; ich denke, man wird noch
vom närrischen Schallow drinn zu sagen wissen.
Silence.
Man nannte euch den lustigen Schallow, Vetter.
Schallow.
Man nannte mich was man wollte, und ich machte auch alles mit was
man wollte, mein Seel! und das frisch weg, dazu. Es waren da, ich,
und der kleine John Deut von Staffordshire, und der schwarze Georg
Bare, und Franz Pik-Bone und William Squele von Cotes-Wold
(in Glocesterschire)
, vier grössere Rauffer waren nicht im ganzen Collegio, das
versichr' ich euch; ich kan's euch sagen, wir wußten wo die Bona-
Roba's waren, und wir hatten immer die hübschesten davon zu unsern
Diensten. Hänschen Falstaff, (izt Sir John) war damals noch ein
junger Bursche, und Edelknabe von Thomas Mowbray, Herzogen von
Norfolk.
Silence.
Ist das der Sir John, Vetter, der heute mit Soldaten hieher kommen
soll?
Schallow.
Eben der Sir John, eben der; ich erinnre mich noch, wie er vor der
Thür des Collegii dem Schoggan ein Loch in den Kopf schlug, da er
nur noch eine kleine Krabbe war, kaum so hoch, was ich sage; und
noch am nemlichen Tag schlug er sich hinter Grays-Inn mit einem
gewissen Samson Stokfisch einem Obst-Händler herum, daß die Fezen
davon flogen. O das närrische Zeug das wir angegeben haben! Und
wenn ich denke, wie viele von meinen alten Bekannten schon todt
sind!
Silence.
Die Reyhe wird an uns auch kommen, Vetter.
Schallow.
Gewiß, o das ist gewiß, wahrhaftig, wahrhaftig; der Tod ist, wie
der Psalmist sagt, allen gewiß; alle Menschen müssen sterben. Habt
ihr ein hübsches Joch Ochsen auf dem Stamforder Markt verkauft?
Silence.
Meiner Treu, Vetter, ich war nicht dort.
Schallow.
Alle Menschen müssen sterben, ja wol! Ey, lebt auch der alte
Double noch in eurer Stadt?
Silence.
Er ist todt, Sir.
Schallow.
Ist er todt? Seht doch, seht doch; er spannte einen guten Bogen;
und ist er todt? Er war ein guter Bogenschüze. John von Gaunt
mochte ihn wol leiden, und wettete viel Geld auf seinen Kopf. Todt!
Er schoß euch auf zweyhundert und vierzig Schritte das Centrum
heraus, daß es eine Lust war zuzusehen--Was gilt izt die Mandel
Schaafe?
Silence.
Darnach sie sind; eine Mandel gute Schaafe mag izt sieben bis acht
Pfund werth seyn.
Schallow.
So ist der alte Double todt!

Vierte Scene.
(Bardolph und der kleine Lakay zu den Vorigen.)

Silence.
Hier kommen zween von Sir John Falstaffs Leuten, denk' ich.
Schallow.
Guten Morgen, mein werther Herr.
Bardolph.
Ich bitte euch, wer ist Junker Schallow, der Friedens-Richter?
Schallow.
Ich bin Robert Schallow, Sir, ein armer Land-Edelmann in dieser
Gegend, und einer von Sr. Majestät Friedens-Richtern; worinn kan
ich zu euern Diensten seyn?
Bardolph.
Mein Hauptmann, Sir, empfiehlt sich euch; mein Hauptmann Sir John
Falstaff; ein ansehnlicher Edelmann, beym Himmel! und ein braver
Officier.
Schallow.
Er empfiehlt sich seinem Diener; ich weiß daß er ein Mann ist, der
seinen Degen versteht. Was lebt der gute Ritter? Darf ich fragen,
wie sich Milady, seine Gemalin, befindt?
Bardolph.
Um Vergebung, Sir, ein Soldat ist besser accommodirt als mit einer
Frau.
Schallow.
Das ist wol gegeben, Sir; und recht wol gegeben, dazu, in der That--
Besser accommodirt--es ist gut, ja in der That ist es; gute Phrases,
sicher, sind, und waren immer in grossem Werth, accommodirt--es
kommt von (accommodo;) recht gut, eine recht gute Phrasis.
Bardolph.
Um Vergebung, Sir, ich habe das Wort so gehört. Phrases nennt
ihr's? Beym Element, ich weiß nicht was Phrases ist; aber was
dieses Wort betrift, da will ich mit meinem Degen behaupten, daß es
ein gutes soldatenmässiges Wort ist, und ein Wort das einem
unvergleichliche Dienste thun kan. Accommodirt, das ist, wenn
einer--wie sie's nennen--accomodirt ist; oder wenn einer, es mag
nun seyn was es will, wovon man denken kan, es accommodire ihn; ihr
versteht mich schon, es ist ein vortreffliches Ding darum.

Fünfte Scene.
(Falstaff zu den Vorigen.)

Schallow.
Ihr habt vollkommen recht. Seht, hier kommt der gute Sir John.
Gebt mir eure gute Hand: gebt mir Eurer Herrlichkeit gute Hand: Bey
meiner Treu, ihr seht recht gut aus, recht gut für einen Mann von
euern Jahren. Willkommen, guter Sir John.
Falstaff.
Es erfreut mich, euch zu sehen, mein lieber Herr Robert Schallow:
das ist Herr Sure-Card, wo mir recht ist--

Schallow.
Nein, Sir John, es ist mein Vetter Silence; Mein College in der
königlichen Commißion.
Falstaff.
Mein guter Herr Silence, es ist nicht mehr als billig daß ihr des
Friedens wegen da seyd.
Silence.
Eu. Herrlichkeit ist willkommen.
Falstaff.
Ey, das ist heisses Wetter, meine Herren; habt ihr mir um ein halb
Duzend wakre Kerle gesehen?
Schallow.
Sapperment, das haben wir, Sir: Wollt ihr euch nicht sezen?
Falstaff.
So laßt mich sie sehen, wenn ich bitten darf.
Schallow.
Wo ist der Rodel? wo ist der Rodel? wo ist der Rodel? Laßt sehen,
laßt sehen, laßt sehen; so, so, so, So; ja, meiner Six, Sir Ralph
Schimmlich; sie sollen herbey kommen, so wie ich sie aufruffe; sie
sollen auftreten wie ich sie aufruffe, das sollen sie. Laßt sehen,
wo ist Schimmlicht?
Schimmlich.
Hier, mit Verlaub.
Schallow.
Was sagt ihr zu diesem da, Sir John? Ein guter grobgliediger
Geselle; jung, stark, und aus einer guten Freundschaft.
Falstaff.
Ist dein Name Schimmlich?
Schimmlich.
Ja, mit Eurer Erlaubniß.
Falstaff.
So ist es die höchste Zeit, daß man dich brauche.
Schallow.
Ha, ha, ha, ein vortrefflicher Einfall, mein Treu! Ein Ding wird
schimmlicht, wenn man's nicht braucht; unvergleichlich gut. Ein
guter Einfall, Sir John, ein guter Einfall!
Falstaff.
Zeichnet ihn auf.
Schimmlich.
Ich bin gezeichnet genug, wenn ihr mich meines Wegs gehen lassen
wolltet; meine Großmutter wird ihre liebe Noth haben jemand zu
finden, der ihr ihre Haushaltung versieht; ihr brauchtet mich gar
nicht zu zeichnen, daß ihr's wißt; es sind Leute genug die gehen
können, ohne mich.
Falstaff.
Geh, geh; nur ruhig, Schimmlich, du must gehen, Schimmlich; es ist
Zeit, daß du gebraucht wirst.
Schimmlich.
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