König Heinrich der vierte. Der Zweyte Theil, der seinen Tod, und die Crönung von - 1

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Der Zweyte Theil von König Heinrich dem vierten
der seinen Tod, und die Crönung von Heinrich dem fünften enthält.
William Shakespeare
Übersetzt von Christoph Martin Wieland

Personen.
König Heinrich der vierte.
Prinz Heinrich, nachmals König Heinrich der fünfte.
Prinz John von Lancaster, Humphrey von Glocester und Thomas von
Clarence, Söhne König Heinrichs des vierten.
Northumberland, der Erzbischoff von York, Mowbray, Hastings, Lord
Bardolph, Travers, Morton (nd Coleville, Gegner von König
Heinrich.
Marwik, Westmorland, Surrey, Gower, Harcourt und Lord Ober-
Richter, von der Königlichen Parthey.
Falstaff, Poins, Bardolph, Pistol, Peto und ein kleiner Lakey,
zügellose Humoristen.
Schallow und Silence, zween Friedens-Richter vom Lande.
Davy, Schallows Bedienter.
Fang und Schlinge, zween Häscher.
Schimlich, Schatten, Warze, Schwächlich und Bulkalb, Recruten
von der Land-Miliz.
Lady Northumberland.
Lady Percy.
Wirthin Quikly.
Dortchen Tear-Scheat.
Bediente, Büttel, und andre stumme Personen.
Die Scene ist in England.

Erster Aufzug.

Erste Scene.
(Northumberlands Burg.)
(Der Lord Bardolph tritt auf; der Pförtner an der Pforte.)

Bardolph.
Wer ist hier bey der Pforte, he? Wo ist der Graf?
Pförtner.
Wie soll ich euch anmelden?
Bardolph.
Sag dem Grafen, der Lord Bardolph warte hier auf ihn.
Pförtner.
Er ist in den Garten gegangen; wenn Eu. Gnaden nur an die Thüre
klopfen will, so wird er selbst antworten. (Northumberland zu den
Vorigen.)
Bardolph.
Hier ist der Graf.
Northumberland.
Was bringt ihr Neues, Lord Bardolph? jede Minute sollte izt die
Mutter einer grossen Handlung seyn; die Zeiten sind wild;
einheimische Zwietracht, ist, wie ein zu wol gefüttertes Pferd,
toller Weise ausgebrochen, und sprengt alles nieder, was ihr im
Wege ligt.
Bardolph.
Edler Graf, ich bring euch zuverläßige Zeitungen von Schrewsbury.
Northumberland.
Gute, wenn Gott will!
Bardolph.
So gute als man nur wünschen kan. Der König ist auf den Tod
verwundet, und der Prinz Heinrich von euers Sohns, und beyde Blunts
von Dowglassens Hand erschlagen; der junge Prinz John, Westmorland
und Stafford haben die Flucht ergriffen--Kurz, ein solcher Tag, so
erfochten, und von so herrlichen Folgen ist seit Cäsars Zeiten
nicht gesehen worden.
Northumberland.
Woher habt ihr die Nachricht? Wart ihr selbst auf dem Plaz? Kommt
ihr von Schrewsbury?
Bardolph.
Ich sprach mit einem der von dort herkam, Milord, einem Edelmann
von Erziehung und gutem Namen, der mir diese Zeitung für zuverläßig
gab.
Northumberland.
Hier kommt Travers, mein Diener, den ich lezten Dienstag abschikte,
um zu sehen wie es ablauffen werde.
Bardolph.
Milord, ich ließ ihn unterwegs hinter mir; er bringt nichts
gewissers noch umständlichers, als was ich euch schon gemeldet habe.

Zweyte Scene.
(Travers zu den Vorigen.)

Northumberland.
Nun, Travers, was für gute Zeitungen bringt ihr mit?
Travers.
Gnädiger Herr, Sir John Umfrevil bewog mich durch die erfreulichen
Neuigkeiten die er ankündigte, zurük zu kehren, und weil er besser
beritten war, kam er mir zuvor. Allein nach ihm kam ein andrer
Ritter in vollem Galopp angerennt, der, selbst ganz ausser Athem,
bey mir still hielt, sein blutendes Pferd verschnauben zu lassen;
er fragte mich, wo der Weg nach Chester gienge; ich erkundigte mich
bey ihm nach Neuigkeiten von Schrewsbury, und da sagt' er mir, es
sey unglüklich für die Rebellion ausgefallen, und der junge Hot-
Spur sey erschlagen; und mit diesem stieß er seinen armen
keuchenden Klepper in die Rippen, und rannte, ohne auf meine
fernere Fragen zu warten, so hastig davon, daß er den Weg zu
verschlingen schien.
Northumberland.
He! Sag es noch einmal! Sagte er, es sey unglüklich für die
Rebellion ausgefallen, und der junge Hot-Spur sey erschlagen?
Bardolph.
Milord, ich sag' euch, wenn euer Sohn den Sieg nicht erhalten hat,
so will ich, auf meine Ehre, meine Baronie für einen seidenen Spiz
geben. Verlaßt euch darauf.
Northumberland.
Warum sagte dann der Edelmann, der bey Travers vorbey ritt, gerad
das Gegentheil?
Bardolph.
Er? Das war irgend ein elender Kerl, der das Pferd gestohlen hatte,
worauf er ritt, und, bey meinem Leben, es nur so auf Gerathwohl
hinsagte. Seht, hier kommen mehr Zeitungen.

Dritte Scene.
(Morton zu den Vorigen.)

Northumberland.
O dieses Manns Stirne kündigt wie ein Titelblatt einen tragischen
Inhalt an; so sieht der Strand aus, auf dem die gewaltthätige Fluth
Zeugnisse ihrer zerstörenden Wuth gelassen hat. Sprich, Morton,
kommst du von Schrewsbury?
Morton.
Ich bin von Schrewsbury hieher gerennt, Milord, wo der verhaßte Tod
seine scheußlichste Maske umgethan hat, unsre Parthey zu schreken.
Northumberland.
Was macht mein Sohn und mein Bruder?--Du zitterst? Die Blässe
deiner Wangen verkündigt, was deine Zunge nicht aussprechen kan.
Eben so ein Mann, so bebend, so athemlos, so bestürzt, so todt in
seinem Blik, so trostlos, zog in der Todesstille der Nacht den
Vorhang von Priams Bette, und wollt' ihm sagen, sein halbes Troja
lige schon in Asche; aber Priam fand das Feuer, eh der Mann seine
Zunge fand, und ich meines Percy Tod, eh du ihn ankündigst. Du
wolltest sagen: Euer Sohn that diß und das, euer Bruder, diß; so
focht der edle Dowglas; aber wenn du mein gieriges Ohr mit ihren
kühnen Thaten vollgestopft gehabt hättest, dann würdest du alles
dieses Lob mit einem einzigen Seufzer weggeblasen und damit
beschlossen haben, daß mein Bruder, mein Sohn und alle geblieben
seyen.
Morton.
Dowglas lebt, und euer Bruder auch noch; aber Milord euer Sohn--

Northumberland.
Nun, er ist todt. Sieh, was für eine fertige Zunge der Argwohn hat!
Wer das fürchtet, was er nicht wissen will, ließt, wie durch
Instinct, in andrer Augen, daß was er fürchtet geschehen ist. Aber,
rede Morton; sag dem Grafen von Northumberland, seine Ahnung lüge,
und ich will dich reich für eine so angenehme Beleidigung machen.
Morton.
Eure Ahnung ist nur allzurichtig.
Northumberland.
Und mit alle dem sagst du doch nicht, daß Percy todt sey. Du
schüttelst den Kopf, als ob du läugnen wollest, was dein düstrer
Blik bekennet; du hältst es für Gefahr oder Sünde eine Wahrheit zu
sagen. Wenn er erschlagen ist, so sag es; die Zunge begeht kein
Verbrechen, die seinen Tod berichtet; der sündigt, der den Todten
belügt, nicht der, welcher sagt, der Todte lebe nicht mehr. Und
doch hat der Ueberbringer unwillkommner Zeitungen eine undankbare
Mühe; seine Zunge tönt uns nachher immer wie eine Todten-Gloke, die
uns erinnert, daß sie einem geliebten Freund zu Grabe gelidten hat.
Bardolph.
Ich kan es nicht glauben, Milord, daß euer Sohn todt seyn soll.
Morton.
Es ist mir leid, daß ich euch nöthigen muß, etwas zu glauben, daß
ich nicht gesehen zu haben wünschte. Aber diese meine Augen sahen
ihn in seinem Blute sich wälzen, sahen ihn, in dem Augenblik, da er
langsamathmend und mit schwachem Ton die lezten Worte gegen
Heinrich von Monmouth aushauchte, dessen feuriger Grimm den nie
zuvor besiegten Percy zur Erde niedergeschlagen hatte. Mit einem
Wort, wie vorher sein Geist selbst dem plumpesten Fußknecht in
seinem Lager Feuer geliehen hatte, so blies izt sein Tod, sobald er
ruchtbar wurde, alle Hize in den Herzhaftesten aus; seine
scheidende Seele, gleich als wäre sie die allgemeine Seele seiner
Parthey gewesen, ließ lauter leblose Klöze zurük, die izt von der
Furcht allein fortgeschleudert wurden; und wie die schwersten
Körper, wenn sie durch eine fremde Gewalt in Bewegung gesezt werden,
desto schneller fliegen, so fliegt kein Pfeil vom Bogen abgedrükt
schneller seinem Ziele zu, als unsre Soldaten vom Felde ihrer
Rettung zu flohen. In diesem Tumult wurde allzufrüh der edle
Worcester gefangen, und dieser feuerathmende Schotte, dieser
blutige Dowglas, dessen unermüdetes Schwerdt dreymal die vermeynte
Gestalt des Königs erschlagen hatte; selbst er begann seinen Muth
zu verhüllen, und verminderte durch seine Flucht die Schmach derer
die den Rüken gewendet hatten, gerieth aber durch einen Fall vom
Pferd in die feindlichen Hände. Kurz, die Summe von allem ist, daß
der König gewonnen, und bereits ein eilfertiges Heer, unter
Anführung des jungen Lancasters und Westmorlands gegen euch
abgeschickt hat.
Northumberland.
Diese Neuigkeiten zu betrauren, werd' ich immer Zeit genug haben.
Gift kan manchmal zur Arzney werden; und diese Zeitungen, die mich,
wär' ich gesund gewesen, krank gemacht hätten, haben izt, da ich
krank bin, mich in gewisser Maasse gesund gemacht. Und wie der
Elende, dessen vom Fieber geschwächte Gelenke, wie losgerißne
Angeln, unter der Gewalt des Lebens wanken, in einem ungeduldigen
Anstoß von Hize, wie ein Feuer aus seines Hüters Armen ausbricht;
so sind meine von Gram geschwächte Glieder, nun vom Gram zur Wuth
getrieben, dreymal stärker als sonst. Weg also, du schwache Krüke,
ein beschupter Handschuh mit Gelenken von Stahl soll hinfort diese
Hand umgeben. Und weg mit dir, du sieche Kopf-Hülle, du bist ein
zu schwacher Schirm für einen Kopf, nach welchem siegende Könige
zielen. Nun gürtet meine Stirne mit Eisen, und dann laßt das
Aergste kommen, was Zeit und Verhängniß gegen den wüthenden
Northumberland vermögen! Laßt den Himmel die Erde küssen! Halte
nicht länger, o Natur, die wilden Fluthen eingekerkert; laß die
Ordnung sterben, und diese Welt nicht länger einen Schauplaz seyn,
wo die Zwietracht genährt wird, um durch langsame Qualen
aufgerieben zu werden; sondern laß einen mördrischen Geist, den
Geist des erstgebohrnen Cains, in jedem Busen herrschen; laß in
einer wüthenden Stunde, die blutdurstenden Menschen, alle in einen
Hauffen getrieben, sich würgen, bis mit der allgemeinen Niederlage
die Scene sich schließt, und ewige Finsterniß begrabe dann die
Todten!
Bardolph.
Diese heftige Leidenschaft thut euch Schaden, Milord; liebster Graf,
gestattet keine Scheidung zwischen eurer Klugheit und eurer Ehre.
Morton.
Die Leben von allen euern getreuen Anhängern hangen an den eurigen,
und dieses muß nothwendig unterligen, wenn ihr euch diesem Sturm
der Leidenschaft überlaßt. Ihr überlegtet ja ohne Zweifel die
Zufälle und den ungewissen Ausgang des Kriegs, Milord, eh ihr
sagtet, wir wollen einen Aufstand erregen; ihr konntet leicht
vorhersehen, daß ein hiziges Gefecht euerm Sohn das Leben kosten
könne; ihr wußtet daß er, so zu sagen, auf der Schneide eines
Messers über einen gefährlichen Abgrund gieng, wo es
wahrscheinlicher war, daß er hineinfallen, als daß er hinüber
kommen werde: ihr wußtet daß sein Fleisch verwundbar war, und daß
ihn sein ungestümer Geist mitten in die grösten Gefahren treiben
würde; und doch sagtet ihr: Ziehe hin, und keine von diesen
Betrachtungen, so stark sie euch rühren müßten, konnte euern
gefaßten Entschluß wanken machen. Und was ist nun begegnet, oder
was hat diese kühne Unternehmung hervorgebracht, als was
wahrscheinlicher Weise erfolgen mußte?
Bardolph.
Wir alle, die an diesem Verlust Theil haben, wußten, daß wir uns
auf ein so gefährliches Meer wagten, daß kaum einer unter zehen das
Leben davon bringen werde; und doch wagten wir's für den
vorgestekten Preis, sezten die Betrachtung einer augenscheinlichen
Gefahr bey Seite, und sind nun, da wir hinüber gekommen sind,
bereit noch mehr zu wagen. Kommt, wir wollen alles dran sezen,
Vermögen und Leben.
Morton.
Es ist die höchste Zeit, Milord; und was unsern Muth erhöhen soll,
ist eine Nachricht, die ich euch für gewiß geben kan. Der beliebte
Erzbischoff von York ist mit einer ansehnlichen und wolgerüsteten
Macht auf. Er ist ein Mann, der seine Anhänger mit einer doppelten
Sicherheit gürtet. Milord, euer Sohn, hatte nur Leiber unter
seiner Anführung, nur Schatten und Gestalten von Männern, welche
fechten sollten; denn das Wort Rebellion schied die Würksamkeit
ihrer Seelen und ihrer Leiber von einander, sie fochten mit Grauen
und Widerwillen, ihre Waffen allein waren auf unsrer Seite, denn
ihre Geister und Seelen hatte das Wort Rebellion so frostig gemacht,
wie die Fische in einem Teiche. Aber nun verwandelt der Bischoff
den Aufruhr in Rebellion; das Vorurtheil, daß er ein rechtschaffner
und heiliger Mann sey, macht, daß man ihm mit Leib und Seele folgt,
krazt das Blut Königs Richards von den Steinen von Pomfret, um
seinem Aufstand eine Farbe zu geben, leitet seine Sache vom Himmel
ab, sagt ihnen, er eile einem blutenden Lande zu Hülfe, das unter
dem tyrannischen Bolingbroke in lezten Zügen lige; und so treibt es
ihm schaarenweis Anhänger und Freunde zu.
Northumberland.
Ich wußte diß bereits; aber die Wahrheit zu sagen, dieser
gegenwärtige Schmerz hat es aus meinem Gemüth gewischt. Kommt mit
mir hinein, und ein jeder eröffne das beste, was er zu unsrer
gemeinschaftlichen Erhaltung und Rache rathen kan. Schiket
Couriers, schreibet Briefe, macht Freunde so schnell als möglich;
noch nie waren unsrer so wenig, und noch nie hätten wir Viele so
nöthig.
(Sie gehen ab.)

Vierte Scene.
(Verwandelt sich in eine Strasse von London.)
(Sir John Falstaff* tritt mit einem kleinen Lakayen auf, der ihm
sein Schwerdt und seinen Schild nachträgt.)
{ed. * Die Falstaffischen Scenen machen einen grossen Theil dieser
gegenwärtigen Haupt- und Staats-Action aus, ob sie gleich als
blosse Zwischen-Spiele, die dem Pöbel für seine sechs Pfennige was
zu lachen geben sollen, mit dem Stük selbst keinen nothwendigen
Zusammenhang haben. Wir werden fortfahren, uns damit die nemliche
Freyheit zu nehmen, wie in dem vorigen Stüke; und wir sind
destomehr hiezu genöthiget, da der Humor und das Lächerliche, so
darinn herrscht, gröstentheils in sehr pöbelhaften Schwänken, Zoten,
Wortspielen, und einer ekelhaften Art von falschem und schmuzigem
Wiz besteht, und wir vermuthlich keine Leser von derjenigen Classe
haben werden, zu der die Zuhörer gehörten, die man damit belustigen
wollte.}

Falstaff.
Holla, du, Riese! was sagt der Doctor zu meinem Wasser?
Lakay.
Er sagt, Herr, das Wasser an sich selbst sey ein gutes gesundes
Wasser; aber was die Person anlange, von der es komme, die möchte
wohl mehr Krankheiten an sich haben, als sie sich einbilde.
Falstaff.
Alle Arten von Leute bilden sich was drauf ein, auf mich zu
sticheln. Das Hirn dieser närrischen Composition von Erdschollen,
die man Mensch heißt, ist nicht fähig mehr Lächerliches zu erfinden
als ich erfinde, oder wozu ich den Stoff hergebe. Ich bin nicht
nur für mich selbst wizig, sondern auch die Ursach, daß andre Leute
wizig sind. Ich geh hier vor dir her, wie ein Mutterschwein, das
alle seine Jungen, bis auf eins, aufgefressen hat. Wenn der Prinz
eine andre Ursach, warum er dich in meine Dienste gethan, gehabt
hat, als mich lächerlich zu machen, so weiß ich nicht was rechts
und links ist. Du H**sohn von einem Alraun, du taugtest besser daß
ich dich an meiner Müze trüge, als daß du hinter mir drein gehen
sollst. Ich habe noch nie kein Agtstein-Männchen zum Diener gehabt
bis izt, aber ich will dich weder in Gold noch Silber einfassen
lassen, darauf verlaß dich; in Bley sollst du mir gefaßt werden,
und so will ich dich deinem Herrn wieder zurük schiken, damit er
dich für ein Kleinod tragen kan. Dieser Juvenal, der Prinz dein
Herr, dessen Kinn noch nicht einmal Gauchfedern hat; es soll mir
eher ein Bart in meiner flachen Hand wachsen, eh er einen im
Gesicht kriegen wird; und doch ist er unverschämt genug, und
behauptet, sein Gesicht sey ein königliches Gesicht. Der Himmel
mag es völlig ausmachen wenn er will, izt ist noch kein Haar daran
auszusezen; er kan es immer als ein königliches Gesicht inne haben,
denn ein Barbier wird sein Lebtag nicht sechs Pfenninge daraus
ziehen, und doch kräht er immer, als ob er schon ein Mann gewesen
sey, wie sein Vater noch ein Junggeselle war. Er mag seine Gnade
für sich selbst sparen, denn die meinige hat er ziemlich verlohren,
das kan ich ihn versichern. Was sagt Herr Dombledon, wegen des
Atlas zu meinem kurzen Mantel und zu meinen Pluder-Hosen?
Lakay.
Er sagt, Herr, ihr müßtet ihm einen bessern Bürgen stellen als
Bardolph; er verlange nicht mit eurer und seiner Handschrift zu
thun zu haben, die Versicherung sey ihm nicht hinlänglich.
Falstaff.
Möcht' er verdammt werden wie der reiche Schlemmer, und seine Zunge
noch heisser seyn! Der H**sohn von einem Ahitophel, der Schurke,
der den Handschlag eines Edelmanns hat, und noch Versicherung
fordert! Die H*ds-f*tische Kahlköpfe tragen heutigs Tags nichts
als hohe Absäze, und ein Gebund Schlüssel an ihrem Gürtel; und wenn
ein Bidermann so höflich ist und bey ihnen borgen will, so
verlangen sie Sicherheit! Es wäre mir eben so lieb gewesen, wenn
er mir das Maul mit Mausgift gestopft hätte, als mit dieser
unverschämten Versicherung, die er verlangt. Ich erwartete, der
Flegel würde mir zween und zwanzig Stab Atlas schiken, so wahr ich
ein rechtschaffner Ritter bin, und er schikt mir Versicherung. Gut,
er mag in Sicherheit schlaffen, denn er hat das Horn des
Ueberflusses.** Seiner Frauen Galanterie*** scheint daraus hervor,
und doch sieht er nichts, ob er gleich seine Laterne an der Stirne
trägt.--Wo ist Bardolph?
{ed. ** Dieser Spaß scheint augenscheinlich von einem
Plautinischen entlehnt zu seyn: (Quo ambulas tu, qui Vulcanum in
cornu conclusum geris? Amph. Act. L Sc. 1.) Daß Plautus hier
eine scherzhafte Anspielung im Sinne gehabt habe, daran dürfen wir
nicht zweifeln, da die Proverbial-Redensart, Hörner für
Hahnreyschaft zu sagen, sehr alt ist, wie aus einer Stelle des
Artemidorus erhellet, welcher sagt: Proseipein autv oti h gunh sou
porneusei, kai to legomenon, KERATA AUTW POIHSEI--Oneirocr. L. II.
c. 12. Warburton.}
{ed. *** Im Englischen ist hier ein Wortspiel mit
dem Wort (Lightness), dessen Doppelsinn schon anderswo bemerkt
worden. Weil es sich im Deutschen nicht ausdrüken läßt, so geht
der ganze Spaß verlohren. Auf schweizerisch, wo Licht und leicht
beydes liecht ausgesprochen wird, gieng es vielleicht an.}
Lakay.
Er ist nach Schmidtfield gegangen, Eu. Herrlichkeit ein Pferd zu
kauffen.
Falstaff.
Ich kaufte ihn in Paul's, und er kauft mir izt dafür ein Pferd in
Smithfield. Wenn ich izt nur noch ein Weib aus einem B**l kriegen
könnte, so wär' ich bemannt, begault und beweibt!

Fünfte Scene.
(Der Lord Ober-Richter und seine Bediente zu den Vorigen.) (Wir
müssen diese Scene gänzlich weglassen. Der gröste Spaß darinn
besteht in dem Einfall, den Falstaff hat, sich zu stellen als ob er
nicht wohl höre; und in den unverschämten Antworten die er, auf das
Privilegium der Taubheit hin dem Lord Ober-Richter giebt, der ihn
wegen seiner heillosen Lebensart beschilt.)

Sechste Scene.
(Verwandelt sich in den Palast des Erzbischoffs von York.)
(Der Erz-Bischoff Hastings, Thomas Mowbray und Lord Bardolph
treten auf.)

York.
Ihr habt nun die Beschaffenheit unsrer Sache vernommen, und kennet
unsre Mittel. Entdeket uns izt, meine edlen Freunde, ich bitte
euch alle, entdeket ungescheut, was ihr von unsern Hoffnungen
denket. Was saget ihr dazu, Lord Marschall?
Mowbray.
Ich billige gänzlich die Sache unsrer Waffen, aber ich wünschte
besser überzeugt zu seyn, wie wir mit den Mitteln die wir haben
einer so furchtbaren Macht als des Königs, die Stirne bieten können.
Hastings.
Unsre dermalige Stärke ist auf fünf und zwanzig tausend Mann
auserlesener Leute angewachsen; und der grosse Northumberland,
dessen Brust von gerechtester Rache glüht, giebt uns die
zuverläßige Hoffnung einer mächtigen Unterstüzung.
Bardolph.
Die Frage, Lord Hastings, ist also diese: Ob wir mit diesen fünf
und zwanzig tausend Mann, die wir haben, ohne Northumberland, eine
Unternehmung wagen können?
Hastings.
Mit ihm können wir's.
Bardolph.
Gut, das ist also der Umstand auf den alles ankommt. Wenn wir ohne
ihn zu schwach sind, so ist meine Meynung, wir sollen uns nicht zu
tief einlassen, bis wir seinen Beystand haben. Bey einem so
blutigen Vorhaben wie das unsrige, können Vermuthungen, Wünsche,
Erwartungen einer ungewissen Unterstüzung, nicht in die Rechnung
gebracht werden.
York.
Diß ist sehr richtig, Lord Bardolph; des jungen Hot-Spurs Fall zu
Schrewsbury giebt uns diese Lection.
Bardolph.
In der That, Milord, was verursachte seinen Fall, als daß er seine
kleine Anzahl durch die Hoffnung versprochner Hülfe doppelte; daß
er sich selbst mit Ausrechnungen einer eingebildeten Macht täuschte,
die in der That kleiner war, als der kleinste seiner Gedanken; daß
er in der Schwärmerey einer erhizten Einbildungskraft seine Leute
zum Tod führte, und taumelnd in sein Verderben sprang.
Hastings.
Es kan, dem ungeachtet, mit eurer Erlaubniß, nicht schaden, die
Vortheile, auf die man sich mit der grösten Wahrscheinlichkeit
Rechnung machen kan, in den Ueberschlag unsrer Unternehmung zu
bringen.
Bardolph.
Ja, wenn uns die Umstände nicht zu einer augenbliklichen
Entschliessung nöthigten. Eine auf blosse Hoffnung hin würklich
angefangne Sache gleicht den Trag-Knospen eines zu frühzeitigen
Frühlings, von denen man gleichviel Ursache hat zu hoffen, daß sie
Früchte geben, als zu fürchten, daß Fröste sie verderben werden.
Wenn wir bauen wollen, so überlegen wir zuerst wie wir es angelegt
haben wollen; hernach machen wir den Riß davon, und dann müssen wir
nothwendig die Unkosten der Aufführung berechnen. Finden wir, daß
sie unsre Kräfte übersteigen, was thun wir dann? Wir ziehen unsern
Plan zusammen, wir machen ein kleineres Modell, oder wir geben den
Bau gar auf. Sollten wir bey einem so grossen Werk, als das
Vorhaben ein Königreich niederzureissen, und ein anders
aufzurichten, weniger Vorsichtigkeit gebrauchen? Um wie viel
nöthiger ist es, daß wir eines wolüberlegten Entwurfs einig seyen,
daß wir des Fundaments versichert seyen, worauf wir bauen wollen;
daß wir unsre Mittel überrechnen und genau erkundigen, wie weit sie
zu einem solchen Werke zureichen, und ob sie die entgegenstehende
Schwierigkeiten überwiegen? Denn sonst bauen wir auf Papier,
zählen blosse Namen von Männern für die Männer selbst, und befinden
uns am Ende im Fall desjenigen der einen Bau angefangen hat, der
sein Vermögen übersteigt, und wenn er's zur Hälfte gebracht hat,
genöthigt ist es ligen zu lassen, und als einen nakten Gegenstand
weinender Wolken, den Stürmen und dem verwüstenden Winter preis zu
geben.
Hastings.
Gesezt auch, unsre Hoffnungen sollten wider allen Anschein in der
Geburt erstiken, und wir hätten nicht einen einzigen Mann mehr als
wir schon haben zu erwarten, so denke ich doch, wir sind, so wie
wir sind, stark genug, uns mit dem König zu messen.
Bardolph.
Wie? hat er etwann nur fünf und zwanzig tausend Mann?
Hastings.
Gegen uns, nicht mehr; nicht einmal so viel, Lord Bardolph; Er ist
genöthiget, seine Macht in drey Heere zu theilen; eines gegen die
Franzosen, eines gegen Glendower, und ein drittes gegen uns; diese
Theilung muß den König desto schwächer machen, da sein Schaz
erschöpft und seine Kisten leer sind.
York.
Daß er seine verschiedne Schaaren zusammenziehen, und uns mit
gesammter Macht angreiffen sollte, haben wir nicht zu besorgen.
Hastings.
Wenn er das thun wollte, so ließ' er seinen Rüken unbeschüzt, und
er sezte sich in die unvermeidliche Gefahr, von allen Seiten
eingeschlossen zu werden; das ist nimmermehr zu besorgen.
Bardolph.
Wem wird er wohl die Anführung seiner Truppen gegen uns geben?
Hastings.
Dem Herzog von Lancaster und Westmorland; er selbst und Harry
Monmouth ziehen gegen die Welschen, aber wer gegen die Franzosen
commandieren wird, ist noch nicht bekannt.
York.
Wolan dann, laßt uns Hand ans Werk legen, und die Ursachen bekannt
machen, warum wir die Waffen ergreiffen--Die Gemeinen sind ihrer
eignen Wahl überdrüssig, ihre heißhungrige Liebe hat sie überfüllt.
Der hat eine wankende und unsichre Wohnung, der auf das Herz des
Pöbels baut. O du schwärmerischer Hauffe! Mit was für einem
lauten Zujauchzen, mit welchem Getümmel von Segnungen schlugst du
den Himmel, eh Bolingbroke war, was du wolltest daß er seyn sollte?
Und nun, da er zugerichtet ist, wie du ihn wünschtest, nun bist du
so voll von ihm, daß du dich selber reizest, ihn wieder von dir zu
geben. So, so entludest du, du gemeiner Gassen-Hund, deinen
gefräßigen Busen des königlichen Richards; und izt wolltest du
gerne wieder essen was du gespien hast, und heulst, es zu finden.
Was für Vertrauen darf man auf die Menschen sezen! Diejenige, die
Richards Tod wollten, da er lebte, sind nun in sein Grab verliebt;
du, der Staub und Auskehricht auf sein schönes Haupt herab
schüttete, als er seufzend hinter dem bewunderten Bolingbroke durch
das stolze London geführt wurde, schreyst izt: o Erde, gieb uns
jenen König wieder, und nimm diesen!--[*Verfluchte Unbeständigkeit
der menschlichen Gedanken! Das Vergangne und Künftige scheint
ihnen immer das beste, das Gegenwärtige immer das schlimmste.
{ed. * Reime im Original.}
Mowbray.
Sollen wir unsre Leute mustern, und ausrüken?
Hastings.
Wir hangen nun von der Zeit ab, und die Zeit befiehlt uns, zu gehen.]


Zweyter Aufzug.

Erste Scene.
(Eine Strasse in London.)
(Die Wirthin tritt mit den zween Häschern, Fang und Schlinge auf.)

Wirthin.
Herr Fang, habt ihr die Klage anhängig gemacht?
Fang.
Sie ist anhängig gemacht.
Wirthin.
Wo ist euer Scherge? Ist es ein braver Scherge? Ist er ein Mann,
zum Anpaken?
Fang.
Holla, wo ist Schlinge?
Wirthin.
O Jemini! Ah, guter Herr Schlinge!
Schlinge.
Hier, hier.
Fang.
Schlinge, wir müssen Sir John Falstaffen in Verhaft nehmen.
Wirthin.
Ach ja, guter Herr Schlinge, ich hab ihn verklagt, und alle.
Schlinge.
Das mag einigen von uns das Leben kosten; er wird vom Leder ziehen.
Wirthin.
Das ist doch ein Elend! Nehmt euch ja vor ihm in Acht; er erstach
mich neulich in meinem eignen Hause, und das nur auf eine recht
bestialische Art; er bekümmert sich nichts darum, was für Unheil er
anrichtet, wenn er mit seiner Fuchtel heraus ist. Er wird
zustossen wie ein Teufel; er schont euch weder Mann, noch Weib,
noch Kind.
Fang.
Wenn ich ihn nur einmal zu paken kriegen kan, so frag ich nichts
nach seinem Pochen.
Wirthin.
Nein, ich auch nicht; ich will euch schon an der Hand seyn.
Fang.
Wenn ich ihm nur einmal mit der Faust beykommen kan--
Wirthin.
Ich bin verlohren, wenn er entgeht; ich versichre euch, die Zechen
nehmen kein Ende, die er mir schuldig ist. Guter Herr Fang, haltet
ihn ja fest; guter Herr Schlinge, laßt ihn ja nicht entwischen; er
kommt immer in Pie-Corner, mit Verlaub vor euer Ehren zu reden,
einen Sattel zu kauffen, und er ist heute zum Mönchs-Kopf in der
Lombard-Strasse zu Hrn. Smooth, dem Seidenhändler, zum Mittagessen
eingeladen. Ich bitte euch, weil meine Klage einmal anhängig ist,
und die Sache so weit gekommen ist, daß es die ganze Welt weiß,
macht doch ja, daß er sich zur Verantwortung stellen muß. Hundert
Mark ist eine grosse Summe für eine arme verlassene Wittfrau; ich
hab immer gewartet, und gewartet, und gewartet, und er hat mich
immer gefoppt, und gefoppt, und wieder gefoppt, daß es eine Schande
ist, nur daran zu denken.--
(Falstaff, sein kleiner Lakay, und Bardolph zu den Vorigen.) Dort
kommt er eben, und der ausgemachte malvasiernasichte Spizbube
Bardolph mit ihm. Thut euer Amt, thut euer Amt, Herr Fang und Herr
Schlinge, thut mir, thut mir, thut mir euer Amt.
Falstaff.
Wie? wie? Wessen Mähre ist todt? Was giebt's hier?
Fang.
Sir John, ich arretire euch, auf Ansuchen der Frau Quikly.
Falstaff.
Weg, ihr Lümmel; zieh, Bardolph: Hau mir dem Raker den Kopf
herunter: Wirf den Sausödel in den Bach.
Wirthin.
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