König Heinrich der vierte. Der Erste Theil - 3

Total number of words is 4295
Total number of unique words is 1455
36.3 of words are in the 2000 most common words
47.8 of words are in the 5000 most common words
53.4 of words are in the 8000 most common words
Each bar represents the percentage of words per 1000 most common words.
O du Schurke! du hast ja dein Maul kaum abgewischt, seitdem du das
leztemal getrunken hast.
Falstaff.
Das ist all eins.
(Er trinkt.)
Daß die Pest alle feige Memmen, dabey bleib ich!
Prinz Heinrich.
Was willt du denn damit?
Falstaff.
Was ich damit will? hier sind unser vier, die diesen Morgen
tausend Pfund geraubt haben.
Prinz Heinrich.
Wo ist das Geld? Wo ist es?
Falstaff.
Wo es ist? Zum T** ist es, genommen ist es uns worden; ihrer
hundert gegen uns arme viere.
Prinz Heinrich.
Was sagst du, ihrer hundert?
Falstaff.
Ich will ein H*f*t seyn, wenn ich mich nicht zwey Stunden lang mit
einem Duzend von ihnen herumgehauen habe. Es ist ein Mirakel, daß
ich davon gekommen bin. Ich bin achtmal durch mein Wamms gestossen
worden, viermal durch die Hosen, mein Schild ist durch und durch
gehauen, und mein Schwerdt hat Scharten wie eine Hand-Säge, (ecce
signum.) Ich habe mich nie besser gehalten, seitdem ich ein Mann
bin. Hätten's andre auch so gemacht! Daß sie die Pest, die Memmen!
--Laßt sie reden; wenn sie mehr oder weniger sagen als wahr ist, so
sind sie Schurken, und Kinder der Finsterniß.
Prinz Heinrich.
Redet, ihr Herren, wie gieng es dann her?
Gadshill.
Wir vier machten uns an ihrer zwölf ungefehr--

Falstaff.
Sechszehn wenigstens, Milord.
Gadshill.
Und banden sie.
Peto.
Nein, nein, gebunden wurden sie nicht.
Falstaff.
Du Raker, sie wurden gebunden, einer nach dem andern; wenn's nicht
so ist, so will ich ein Jude seyn, ein hebräischer Jude.
Gadshill.
Wie wir nun theilten, so überfielen uns sechs oder sieben frische
Männer.
Falstaff.
Und banden die andern los, und da kamen die übrigen.
Prinz Heinrich.
Wie? Fochtet ihr dann mit ihnen allen?
Falstaff.
Mit Allen? Ich weiß nicht was ihr Alle nennt; aber wenn ich nicht
wenigstens mit fünfzig von ihnen fochte, so will ich ein Büschel
Rettiche seyn. Wenn ihrer nicht zwey oder drey und fünfzig an dem
armen alten Jak waren, so sey ich keine zweybeinichte Creatur.
Poins.
Der Himmel verhüte, daß ihr keine von ihnen ermordet habt!
Falstaff.
Gut, das kan er nun nicht mehr verhüten. Ich habe zween von ihnen
gepfeffert; zween, das kan ich sagen, hab' ich bezahlt, zween in
Schetter-Röken. Ich will dir was sagen, Hal; wenn ich dich anlüge,
so spey' mir ins Gesicht, nenn' mich einen Gaul; du kennst meine
alte Manier im parieren; so lag ich, und so führt ich meine Klinge;
vier Schurken in Schetter fielen über mich her, wie gesagt.
Prinz Heinrich.
Was, viere? Du sagtest eben, es seyen nur zween gewesen.
Falstaff.
Viere, Hal, viere sagte ich.
Poins.
Ja, ja, er sagte viere.
Falstaff.
Diese viere fielen mich alle von vornen an, und stiessen tapfer auf
mich zu; aber ich machte nicht viel Federlesens, sondern faßte auf
einmal alle ihre sieben Klingen mit meinem Schild auf; so--

Prinz Heinrich.
Sieben? Es waren ihrer ja nur viere diesen Augenblik.
Falstaff.
In Schetter.
Poins.
Ja, ja, vier in Schetter-Röken.
Falstaff.
Sieben, bey meinem Bauch, oder ich bin ein H*f*t.
Prinz Heinrich (leise zu Poins.)
Ich bitte dich, laß ihn machen, es werden noch mehr draus werden.
Falstaff.
Hörst du mich, Hal?
Prinz Heinrich.
Ja, und versteh dich auch, Jak.
Falstaff.
Gut, gut, es ist auch werth daß man aufhorche; diese neun Kerle in
Schetter, wovon ich dir sagte--
Prinz Heinrich.
So, schon wieder zween mehr--
Falstaff.
Wie sie sahen, daß ihre Klingen abgebrochen waren, fiengen sie an
zurük zu weichen; aber ich gieng ihnen mit Händen und Füssen zu
Leibe, und in einem Gedanken, lagen sieben von eilfen im Gras.
Prinz Heinrich.
Das ist entsezlich. Eilf Männer von Schetter aus zween!
Falstaff.
Aber da führte mir der T** drey mißgezeugte Schurken in Kendal-Grün
auf den Rüken, die auf mich zuwalkten; denn es war so dunkel, Hal,
daß du deine Hand nicht hättest sehen können--
Prinz Heinrich.
Diese Lügen sind so dik und fett als du selbst bist. Wie, du
kleyen-hirnichter Wanst, du H**sohn von einem unflätigen,
schmuzigen Schmeer-Bauch--
Falstaff.
Wie? Bist du toll, bist du toll? Ist es nicht die Wahrheit, die
Wahrheit?
Prinz Heinrich.
Wie konntest du denn sehen, daß diese Leute in Kendal-Grün gekleidt
waren, wenn es so dunkel war, daß du deine Hand nicht sehen
konntest? Komm, laß sehen wie du das machtest; was sagst du hierzu?
Poins.
Nun, Jak, wie machtet ihr das, sagt einmal.
Falstaff.
Wie, ihr wollt's mit Gewalt wissen, mit Gewalt? Nein, und wenn ich
auf dem Strappado wäre, oder auf allen Foltern der ganzen Welt, ich
wollt' euch nichts sagen, wenn ihr's mit Gewalt wissen wolltet.
Prinz Heinrich.
Es ist Zeit dem Spaß ein Ende zu machen. Wißt also, diese
blutreiche Memme hier, dieser Bett-Druker, dieser Pferd-Rüken-
Brecher, dieses Gebürge von Fleisch--
Falstaff.
Weg mit euch, ihr Hunger-Darm, ihr Aal-Haut, ihr dürre Kalbs-Zunge,
ihr Ochsen-Ziemer, ihr Stok-Fisch--O wenn ich nur einen längern
Athem hätte!--Was ist dir noch mehr ähnlich? Ihr Ellen-Maaß, ihr
Fiddelbogen-Futteral, ihr langer Rauf-Degen--
Prinz Heinrich.
Gut, verschnauffe eine Weile, und fahre hernach fort; und wenn du
dich in niederträchtigen Gleichnissen erschöpft hast, so höre mich
nur dieses sagen.
Poins.
Horch auf, Jak.
Prinz Heinrich.
Wir beyde sahen euch viere ihrer viere angreifen, ihr bandet sie,
und bemeistertet euch ihrer Baarschaft; nun gebt Achtung wie es
weiter gierig. Wir beyde fielen hierauf über euch viere her,
jagten euch auseinander, und nahmen euch eure Beute weg; so ist's
und wir können sie euch hier im Hause zeigen. Und ihr, Falstaff,
ihr trugt eure Kutteln so leicht weg, mit einer so behenden
Hurtigkeit, und brülltet so kläglich um Gnade, und renntet und
brülltet in einem fort, so gut als ich jemals ein Stierkalb brüllen
hörte. Was für ein Sclave bist du, deinen Degen so zu zerhaken wie
du gethan hast, und dann zu sagen, es sey vom Fechten gekommen?
Was für eine Ausflucht, was für eine Lüge, was für eine Höle kanst
du ausfündig machen, dich vor dieser offenbaren, unläugbaren
Schande zu verbergen?
Poins.
Komm, laß es uns hören, Jak. Wie willst du dir nun hinaushelfen?
Falstaff.
Bey G**, ich kannte euch so gut, als der so euch gemacht hat. Wie,
hört ihr, meine Herren, hätt' ich den präsumtiven Erben umbringen
sollen? Hätt' ich meine Hand an den Cron-Prinzen legen sollen?
Wie, du weißst, daß ich so tapfer als Hercules bin; aber der
Instinct hielt mich dißmal zurük; der Löwe greift niemals den Cron-
Prinzen an: Der Instinct ist ein mächtiges Ding. Aus Instinct ward
ich eine Memme, und ich werde mein Lebenlang deßwegen von dir und
mir nur eine desto bessere Meinung haben; denn das beweißt
unleugbar, daß ich ein tapfrer Löwe bin, und daß du der ächte Cron-
Prinz bist. Aber, bey G**, Jungens, es freut mich, daß ihr das
Geld habt--Wirthin! riegle die Thüre; wache die Nacht durch, und
bete Morgens. Hey da, ihr lustigen Brüder, Jungens, Gold-Püpchens,
sagt, wie wollen wir uns lustig machen? Wollen wir eine Comödie
(ex tempore) spielen?
{ed. ** In der Verfolgung der Protestanten in Flandern unter
Philipp dem 2ten, brachten diejenigen die bey dieser Gelegenheit
nach England kamen, die Wollen-Manufacturen mit. Diese waren
Calvinisten, welche jederzeit durch ihre Neigung zum
Psalmensingen sich unterschieden haben.
Warburtun.}
Prinz Heinrich.
Ich bins zufrieden--und der Inhalt soll dein Davon lauffen seyn.
Falstaff.
Ah!--nichts mehr hievon, Hal, wenn du mich lieb hast.

Zehnte Scene.
(Die Wirthin kommt herein und meldet dem Prinzen, daß ein Herr von
Hofe da sey, der auf Befehl des Königs mit ihm sprechen wolle.
Falstaff wird abgeschikt zu hören was er wolle.)

Eilfte Scene.
(Falstaff kommt zurük, und bringt die Zeitung von dem Aufstand,
den Percy, Northumberland, Douglas, und Glendower, im Norden von
England erregt, und daß der Prinz auf morgen zum König, seinem
Vater, beschieden sey. Dieses giebt zu einer kleinen Comödie von
der pöbelhaftest-bürlesken Art Anlas, worinn Falstaff den König
macht, und den Prinzen wegen seiner unanständigen Lebensart und
lüderlichen Gesellschaft ausschilt, jedoch mit Ausnahme des
einzigen Falstaff, von dem er viel Gutes sagt. Der Prinz behauptet,
Falstaff habe den König nicht recht gemacht, übernimmt diese Rolle
selbst, läßt Falstaffen den Prinzen seyn, und sagt alsdann eben so
viel böses von Falstaff als dieser vorhin Gutes von sich selbst
gesagt hatte. Folgendes mag zur Probe dienen:)

Prinz Heinrich (in der Person des Königs.)
Ich höre grosse Klagen über dich.
Falstaff (in der Person des Prinzen.)
Sakerlot! Gnädigster Herr, sie sind alle erlogen--
Prinz Heinrich.
Du schwörst, unartiger Bube? Von nun an komm nimmer vor meine
Augen! Du gehst einen verderblichen Weg; es ist ein Teufel, der
dich jagt, ein Teufel in Gestalt eines fetten alten Manns; eine
Tonne von einem Mann ist deine Gesellschaft. Wie, schämst du dich
nicht mit diesem Weinfasse umzugehen, mit diesem zusammengeballten
Klumpen von Bestialität, mit diesem ungeheuren Kessel voll Sect,
mit diesem ausgestoßen Felleisen von Kutteln,--diesem ehrwürdigen
Laster, dieser grauen Büberey, diesem Vater Spizbuben, dieser
bejahrten Eitelkeit? Wozu ist er gut, als Sect zu kosten und
auszutrinken? Worinn ist er nett und manierlich, als einen
Capaunen zu zerlegen und aufzuessen? Worinn hat er Verstand als in
Ränken? Wozu braucht er seine Ränke als zu Bubenstüken? Worinn
ist er ein Lotterbube als in allen Dingen? Und worinn ist er
löblich als in nichts?
Falstaff.
Wen meynt Euer Majestät?
Prinz Heinrich.
Diesen ruchlosen schändlichen Verführer der Jugend, Falstaff,
diesen alten weißbartigen Satan.
Falstaff.
Milord, den Mann kenn' ich.
Prinz Heinrich.
Das weiß ich wol.
Falstaff.
Aber wenn ich sagte, daß er ein schlimmerer Mann sey als ich selbst,
so sagt' ich mehr als ich weiß. Daß er alt ist, davon zeugen
leider! seine weissen Haare; aber daß er, mit Respect vor euch zu
sagen, ein H**jäger sey, das läugne ich schlechterdings. Wenn Sect
und Zuker etwas unrechtes ist, so helf G** den Schlimmen! Wenn alt
und aufgeräumt seyn, eine Sünde ist, so kenn' ich manchen alten
Wirth, der verdammt werden müßte; wenn fett seyn, Haß verdient, so
müßten Pharaons magre Kühe liebenswürdig seyn. Nein, Gnädigster
Herr, verbannet Peto, verbannet Bardolph, verbannet Poins; aber den
guten alten Jak Falstaff, den wakern Jak Falstaff, den ehrlichen
Jak Falstaff, den tapfern Jak Falstaff, und desto tapfrer, da er,
wie man nicht läugnen kan, der alte Jak Falstaff ist, den verbannt
nicht aus Harry's Gesellschaft: Wolltet ihr den guten diken Jak von
mir verbannen, so verbannet eben so mehr die ganze Welt von mir--
([Diese unvollkommne Probe, (denn man hat dennoch einige Blümchen
auslassen müssen) wird den Leser vermuthlich geneigt machen, dem
Uebersezer in Absicht der Falstaffischen Scenen Vollmacht zu geben,
darüber nach eignem Belieben zu schalten. Man muß ein Engländer
seyn, diese Scenen von Engländern spielen sehen, und eine gute
Portion Pounsch dazu im Kopfe haben, um den Geschmak daran zu
finden, den Shakespears Landsleute gröstentheils noch heutiges
Tages an diesen Gemählden des untersten Grads von pöbelhafter
Ausgelassenheit des Humors und der Sitten finden sollen.])
(Bardolph und die Wirthin lauffen erschroken herein, und melden,
daß der Scheriff mit der Wache vor der Thüre sey, und das Haus
durchsuchen wolle. Prinz Heinrich übernimmt es ihn abzufertigen,
nachdem er Falstaffen und den übrigen befohlen, sich zu verbergen.)

Zwölfte Scene.
(Der Scheriff kommt mit einem von den Fuhrleuten der Beraubten,
und fragt nach Falstaffen, welchen er beschuldigt, den Raub
begangen zu haben. Der Prinz antwortet ihm ganz ernsthaft, und
also in reimlosen Versen (denn Shakespear ist, wie wir wissen, ein
genauer Beobachter des Decorum,) der Mann sey nicht hier, indem er
ihn Geschäfte halber ausgeschikt habe; er giebt aber dem Scheriff
sein Ehrenwort, daß er ihn bis morgen Mittags stellen, und wenn es
sich finde, daß er den Raub begangen, der Justiz überlassen wolle.
Der Scheriff nimmt hierauf seinen demüthigen Abschied, und der
Prinz erklärt sich gegen Peto, daß er den Beraubten ihr Geld mit
Wucher wieder zurükgeben, morgen nach Hofe und von da zu Felde
gehen, sie aber allerseits mit sich nehmen, und bey der Armee
anständig unterbringen wolle.)


Dritter Aufzug.

Erste Scene.
(Des Archi-Diaconus von Bangor Haus in Wales.)
(Hot-Spur, Worcester, Mortimer und Owen Glendower treten auf.)

Mortimer.
Diese Versprechungen sind schön, die Partheyen zuverläßig, und
unser Vorhaben voller Hoffnung eines glüklichen Ausgangs.
Hot-Spur.
Milord Mortimer, und Vetter Glendower, wollt ihr nicht Plaz nehmen?
Und ihr, Oheim Worcester--Der Henker hol' es! ich habe die Land-
Carte vergessen.
Glendower.
Nein, hier ist sie. Sezt euch, Vetter Percy, sezt euch, guter
Vetter Hot-Spur: Denn wenn Lancaster euch bey diesem Namen nennen
hört, dann erblassen seine Wangen, und mit einem emporsteigenden
Seufzer wünscht er, daß ihr im Himmel seyn möchtet.
Hot-Spur.
Und ihr in der Hölle, so oft er von Owen Glendower reden hört.
Glendower.
Ich tadle ihn nicht; in meiner Geburts-Stunde erfüllte sich die
Stirne des Himmels mit feurigen Gestalten und brennenden Meteoren;
wißt, der ganze Erdball zitterte in seinen innersten Gewölben, wie
eine Memme, als ich gebohren ward.
Hot-Spur.
Das würd' er gethan haben, wenn in der nemlichen Stunde eurer
Mutter Kaze Junge gehabt hätte, und ihr nie gebohren worden wäret.
Glendower.
Ich sage, die Erde bebte wie ich gebohren ward.
Hot-Spur.
Und ich sage, wenn die Erde das that, so dachte sie nicht wie ich,
in so fern ihr euch einbildet, sie zitterte aus Furcht vor euch.
Glendower.
Die Himmel waren lauter Feuer, und die Erde bebte.
Hot-Spur.
Die Erde bebte also, weil sie den Himmel in Feuer sah, und nicht
weil ihr gebohren wurdet. Die kranke Natur bricht oft in seltsame
Paroxismen aus; die Erde wird zuweilen von dem unbändigen Wind, der
in ihren Leib eingekerkert ist, mit einer Art von Colik gequält; er
sträubt sich durchzubrechen, und schüttelt die gute alte Mutter so
stark, daß hohe Schlösser und bemooßte Glokenthürme umstürzen. Wie
ihr gebohren wurdet, so hatte unsre Groß-Mutter Erde eben einen
solchen Anstoß von Bauchweh, und das war alles.
Glendower.
Vetter, diese Reden würde ich nicht von vielen andern ertragen.
Erlaubt mir euch noch einmal zu sagen, daß bey meiner Geburt die
Stirne des Himmels voller feuriger Gestalten war; die Geissen
rennten von den Bergen herab, und die Heerden auf den Feldern
brüllten auf eine unnatürliche Art vor Schreken. Diese Zeichen
deuteten an daß ich ausserordentlich seyn würde, und der ganze Lauf
meines Lebens hat bewiesen, daß ich nicht in die Classe der
gewöhnlichen Menschen gehöre. Wo lebt, innert den seebespühlten
Grenzen von England, Wales und Schottland, der Mann der sich rühmen
kan, mein Lehrmeister gewesen zu seyn? Und dennoch hab ich den
Sohn eines Weibs noch nicht gesehen, der es in irgend einer
Wissenschaft oder Kunst mit mir aufnehmen könnte.
Hot-Spur.
Ich glaube selbst, daß niemand besser welsch redt--ich will zum
Mittag-Essen.
Mortimer.
Ruhig, Vetter Percy; ihr macht ihn noch böse.
Glendower.
Ich kan die Geister aus dem Abgrund hervorrufen.
Hot-Spur.
Das kan ich auch, und das kan jedermann; aber kommen sie, wenn ihr
ihnen ruft?
Glendower.
Wie, ich kan dich dem Teufel gebieten lehren.
Hot-Spur.
Und ich kan dich den Teufel beschämen lehren; du darfst nur die
Wahrheit reden: Sprich wahr, und beschäme den Teufel, sagt das
Sprüchwort. Wenn du im Stand bist ihn zu beschwören, so bring ihn
her; und ich will im Stand seyn, ihn mit Schaam wieder wegzujagen.
O! sagt euer Lebenlang die Wahrheit, und beschämt den Teufel.
Mortimer.
Kommt, kommt, wozu soll dieses Gewäsche nüzen?
Glendower.
Dreymal hat Heinrich Bolingbroke sich meiner Macht entgegen
gestellt; dreymal hab ich ihn von den Ufern des Wye und des
silbersandigen Severn, ohne Stiefel und von Gewittern verfolgt,
heimgeschikt.
Hot-Spur.
Heimgeschikt, ohne Stiefeln und noch dazu in schlimmem Wetter. Wie,
ins T** Namen, entgieng er dem Fieber?
Glendower.
Kommt, hier ist die Carte; wollen wir nach unsern dreyfachen
Ansprüchen unser Recht theilen?
Mortimer.
Der Archi-Diaconus hat es schon, sehr gleich, durch drey Linien
getheilt: England, vom Trent bis hier zum Severn, Süd- und Ostwärts,
ist mein Antheil; alles was gegen Westen ligt, Wales, und alle
diese fruchtbaren Länder innert den Ufern des Severn, sollen Owen
Glendowers seyn; und, Vetter Percy, der übrige nordliche Theil,
jenseits des Trent, euer. Unser dreyfacher Verglich ist bereits
aufgesezt, und wenn die Instrumente gesiegelt und ausgewechselt
seyn werden, welches in dieser Nacht noch geschehen kan, so wollen
wir, ihr, Vetter Percy, und ich, und Mylord von Worcester, morgen
ausrüken, um uns, der Abrede gemäß, zu Schrewsbury mit euerm Vater
und den Schottischen Völkern zu vereinbaren. Mein Vater Glendower
ist noch nicht fertig, auch haben wir in diesen vierzehn Tagen
seiner noch nicht vonnöthen; und diese Zeit ist mehr als
hinreichend,
(zu Glendower)
daß ihr eure Vasallen, Freunde und Nachbarn aufbieten könnet.
Glendower.
Ich werde in kürzerer Frist bey euch seyn, Milords; und ich will
euch eure Ladys mitbringen, von denen ihr euch izt, ohne Abschied,
wegstehlen müßt; denn es wird eine Welt voll Wasser vergossen
werden, wenn ihr und eure Weiber scheiden müßt.
Hot-Spur.
Mich däucht, mein Antheil, Nordwärts von Burton hier, ist lange
nicht so groß als der eurige. Seht, wie dieser Fluß, indem er sich
hier schlangenweis zurük krümmt, mir einen grossen halben Mond von
dem schönsten Theil meines ganzen Landes abschneide. Ich will den
Strom hier aufgetroknet haben, und hier soll in einem neugegrabnen
Canal der glatte silberne Trent schön und eben dahinfliessen; er
soll sich nicht mit so tieffen Krümmungen winden, und mich hier
eines so reichen Bodens berauben.
Glendower.
Er soll sich nicht winden? Er soll, er muß; ihr seht ja, er thut's.
Mortimer.
Aber ihr seht ja, daß er hier auf dieser Seite euch eben so viel
wieder zulegt, als er euch auf der andern abschneidet.
Worcester.
Ja, aber es wird nur wenig Mühe brauchen ihn hier herüber zu leiten,
um auf der Nordseite diesen Strich Lands zu gewinnen, und dann
fließt er gerad und eben.
Hot-Spur.
Ich will es so haben, es wird bald geschehen seyn.
Glendower.
Ich werde keine Veränderung zugeben.
Hot-Spur.
Ihr wollt nicht?
Glendower.
Nein, und ihr sollt keine machen.
Hot-Spur.
Und wer ist der, der nein dazu sagen wird?
Glendower.
Der bin ich.
Hot-Spur.
So sagt es auf welsch, damit ich es nicht verstehe.
Glendower.
Ich kan englisch reden, Lord, so gut als ihr, denn ich ward am
Englischen Hof erzogen; ich habe manches englische Lied als
Jüngling auf meiner Harfe begleitet, und den Beyfall der Schönsten
erlangt, wenn ich meine Stimme mit ihren Accenten vermählte; eine
Geschiklichkeit, die man nie an euch gesehen hat.
Hot-Spur.
Glaubt mir, es sollte mir leid seyn, wenn es anders wäre. Ich
wollte lieber eine Kaze seyn, und, Miau, schreyen!--als einer von
diesen schnurrenden Reimen-Mäklern; ich will lieber einen küpfernen
Kerzenstok umfallen hören, oder ein ungeschmiertes Rad in der Achse
kirren, es würde mir lange nicht so weh in den Zähnen thun, als
dieses läppische Geklingel von Poeterey; das ist ja nicht anders,
als wie wenn man einen stolpernden Klepper zwingen will, einen
guten Schritt zu gehen.
Glendower.
Kommt, kommt, Trent soll abgeleitet werden.
Hot-Spur.
Was bekümmert mich das? Ich will dem ersten Freund der mir gute
Dienste thut, dreymal so viel Land geben; aber hier, versteht mich
wohl, wo es um einen Vertrag zu thun ist, wollt ich um den neunten
Theil eines Haars schicaniren. Sind die Instrumente aufgesezt?
Können wir gehen?
Glendower.
Der Mond scheint hell, ihr könnt diese Nacht abreisen; ich will den
Schreiber treiben, und indessen eure Weiber auf euern Abschied
vorbereiten; ich fürchte meine Tochter wird unsinnig davon werden,
so verliebt ist sie in ihren Mortimer.
(Er geht ab.)

Zweyte Scene.

Mortimer.
Fy, Vetter Percy, warum könnt ihr meinen Vetter nicht unangefochten
lassen?
Hot-Spur.
Ich kan nicht anders; er macht mich manchmal toll, wenn er mir vom
Maulwurf und der Ameise erzählt, und von den Propheceyungen des
Träumer Merlins, und von einem Drachen, und von einem Fisch ohne
Floßfedern, und von einem Greiffen mit beschnittnen Flügeln, und
von einer hüpfenden Kaze, kurz von einer Menge solchem
abgeschmaktem Hocus-Pocus, das mir die Geduld ausgehen macht. Ich
will euch was sagen, er hielt mich verwichne Nacht zum wenigsten
neun Stunden auf, mir die Namen der verschiednen Teufel
herzurechnen, die seine Lakeyen seyn sollen; ich schrie--hum!--und--
wohl, wohl! Aber ich gab ihm nicht auf ein Wort Acht. O! er ist
so beschwerlich wie ein müdes Pferd, oder ein keiffendes Weib;
ärger als ein rauchiges Haus. Ich wollte lieber bey Käs und
Knoblauch in einer Windmühle leben, und weit von ihm seyn; als
Kazen fressen, und seinem Geschrey zuhören, in irgend einem
Sommerhaus in der Christenheit.
Mortimer.
Er ist, bey allem dem, ein verdienstvoller Edelmann,
ausserordentlich belesen, und in den seltsamsten Wissenschaften
erfahren; tapfer wie ein Löwe; überaus leutselig, und gütig wie die
Minen von Indien. Soll ich's euch sagen, Vetter; er giebt euerm
Temperament ungemein viel nach, und thut sich selbst die gröste
Gewalt an, wenn ihr ihn auf eine so anzügliche Art in seinem Humor
durchkreuzt; ich versichre euch, der Mann lebt nicht, der ihn ohne
Gefahr, so wie ihr gethan habt, hätte reizen dürfen. Aber thut es
nicht oft, ich bitte euch.
Worcester.
In der That, Milord, ihr seyd zu tadelsüchtig, und habt, seitdem
ihr hier seyd, genug gethan, um seine Geduld aufs äusserste zu
bringen. Ihr müßt diesen Fehler nothwendig verbessern lernen, Herr.
Ob dieses hastige Wesen gleich manchmal Grösse, Muth und Feuer
anzeigt, (und das ist der größte Vortheil den ihr davon haben
könnet;) so giebt es hingegen auch öfters das Ansehen einer rohen
Wildheit, eines Mangels an Lebensart und Sitten, und den Schein von
Stolz, Aufgeblasenheit, übertriebner Einbildung und Verachtung
andrer Leute; Fehler, wodurch ein Mann, mit den grösten Verdiensten,
die er sonst haben mag, die Herzen der Leute verliehrt, und die
einen Fleken auf die ganze schöne Seite werfen, wodurch er sonst
die Hochachtung der Welt gewonnen hätte.
Hot-Spur.
Gut, ihr habt mich nun genug geschulmeistert denke ich; ich
verlang' euch den Vorzug der Höflichkeit nicht streitig zu machen--
hier kommen unsre Weiber, und wir wollen unsern Abschied nehmen.

Dritte Scene.
(Glendower mit Lady Mortimer und Lady Percy, zu den Vorigen.)

Mortimer.
Das ist ein Umstand, der mir oft tödtlichen Verdruß macht, mein
Weib kann nicht englisch reden, und ich nicht welsch.
Glendower.
Meine Tochter weint, sie will nicht von euch scheiden, sie will
auch ein Soldat werden, sie will in den Krieg.
Mortimer.
Milord, sagt ihr, sie und meine Tante Percy sollen uns in kurzem
folgen.
(Glendower spricht welsch mit ihr, und sie antwortet ihm darinn.)
Glendower.
Sie will sich nicht trösten lassen; eine kleine eigensinnige Hexe,
bey der keine Ueberredung anschlagen will.
Mortimer.
Ich versteh' deine Blike, ich bin ein Meister in diesem anmuthigen
Welsch, das du aus diesen zween schwellenden Himmeln hervorathmest,
und, wären wir nicht in Gesellschaft, ich wollte dir in der
nemlichen Sprache antworten; ich verstehe deine Küsse, und du die
meinige, in dieser fühlbaren Unterredung haben wir keinen
Dollmetscher nöthig; aber ich will nicht ruhen, Liebe, bis ich
deine Sprache gelernt habe; denn von deinen Lippen tönt das Welsche
so anmuthig als aus einer Sommerlaube der süsse Gesang einer Feen-
Königin, von den entzükenden Griffen ihrer goldnen Laute beseelt.
Glendower.
O! wenn du in Zärtlichkeit schmilzst, so wird sie gar unsinnig
werden.
(Die Lady redt wieder welsch.)
Mortimer.
Ach! hierinn bin ich die Unwissenheit selbst.
Glendower.
Sie bittet, daß ihr euch niederlegen und euer holdes Haupt auf
ihrem Schooß ruhen lassen sollt, und sie will euch den Gesang
singen, den ihr so gerne hört, und euer Blut in eine angenehme
Schwermuth wiegend, den Gott des Schlafs auf euern Augliedern
krönen; euch in dieses zauberische Mittel zwischen Schlaf und
Wachen senken, das dem Gemische von Nacht und Tag ähnlich ist, eine
Stunde eh der Gott des Lichts seinen goldnen Lauf aus Osten beginnt.
Mortimer.
Von Herzen gerne will ich mich sezen, und sie singen hören;
inzwischen, denk' ich, werden unsre Papiere fertig werden.
Glendower.
Thut das, und obgleich die Musicanten, die euch dazu aufspielen
sollen, tausend Meilen weit von hier in der Luft hangen, so sollen
sie doch in einem Wink zugegen seyn. Sezt euch, und horcht.
Hot-Spur.
Komm, Käthe, du bist eine Meisterin im Niederligen; komm, geschwind,
geschwind, daß ich meinen Kopf auf deine Schooß legen kan.
Lady.
Geht, alberne Gans.
(Die Musik fängt an.)
Hot-Spur.
Nun merk' ich, daß der Teufel welsch versteht; bey unsrer Frauen,
er ist kein schlimmer Musicant; kein Wunder, daß er so wunderliche
Launen hat.
Lady Percy.
Wenn es die Launen ausmachten, so müßtet ihr über und über
musicalisch seyn: Ligt still, ihr Dieb', und hört die Lady welsch
singen.
Hot-Spur.
Ich wollte lieber meine Lady Brake auf irländisch heulen hören.
Lady.
Soll ich dir deinen Kopf zerbrechen?
Hot-Spur.
Nein.
Lady.
Nun, so lig still.
Hot-Spur.
Das auch nicht, das schikt sich nur für eine Lady.
Lady.
Nun, so helf dir Gott!
Hot-Spur.
In der welschen Lady Bette.
Lady.
Was sagtest du?
Hot-Spur.
Still, sie singt.
(Lady Mortimer singt ein welsches Lied.)

Hot-Spur.
Komm, Käthe, du must mir auch eins singen.
Lady Percy.
Ich gewiß nicht, bey meiner Treu.
Hot-Spur.
Bey deiner Treu? du schwörst ja wie ein Zukerbekers-Weib! Nicht
du, bey deiner Treu! und, so wahr ich leb, und, hol mich Gott, und,
so wahr als die Sonn am Himmel ist; wenn man dich so armselig
schwören hört, so dächte man, du seyst nie weiter als bis nach
Finsbury gekommen. Schwör mir wie eine Lady, Käthe, die du bist,
einen hübschen den Mund ausfüllenden Schwur, und überlaß das meiner
Treu und dergleichen Pfeffer- und Ingwerkrämerische Blümchen, den
ehrlichen Leuten die am Sonntag ihr hübsches Kleid anziehen.--Komm,
sing.
Lady.
Ich will nicht singen.
Hot-Spur.
Und ich will gehen; wenn die Aufsäze fertig sind, so können wir in
zwo Stunden schon fort seyn. Kommt mit, wenn ihr wollt.
(Er geht ab.)
Glendower.
Kommt, kommt, Lord Mortimer; ihr seyd, däucht mich, so träge zum
Gehen als Lord Percy feurig ist. Unsre Instrumente werden fertig
seyn; wir wollen nur sigeln und dann gleich zu Pferde.
Mortimer.
Von Herzen gerne.
(Sie gehen ab.)

Vierte Scene.
(Verwandelt sich in den Audienz-Saal zu Windsor.)
(König Heinrich, der Prinz von Wales, Lords und Gefolge treten auf.)

König Heinrich.
Lords, verlaßt uns eine Weile; der Prinz von Wales und ich müssen
allein mit einander sprechen; aber entfernt euch nicht weit, denn
You have read 1 text from German literature.
Next - König Heinrich der vierte. Der Erste Theil - 4
  • Parts
  • König Heinrich der vierte. Der Erste Theil - 1
    Total number of words is 4263
    Total number of unique words is 1509
    35.6 of words are in the 2000 most common words
    48.2 of words are in the 5000 most common words
    54.0 of words are in the 8000 most common words
    Each bar represents the percentage of words per 1000 most common words.
  • König Heinrich der vierte. Der Erste Theil - 2
    Total number of words is 4318
    Total number of unique words is 1434
    37.7 of words are in the 2000 most common words
    49.0 of words are in the 5000 most common words
    55.9 of words are in the 8000 most common words
    Each bar represents the percentage of words per 1000 most common words.
  • König Heinrich der vierte. Der Erste Theil - 3
    Total number of words is 4295
    Total number of unique words is 1455
    36.3 of words are in the 2000 most common words
    47.8 of words are in the 5000 most common words
    53.4 of words are in the 8000 most common words
    Each bar represents the percentage of words per 1000 most common words.
  • König Heinrich der vierte. Der Erste Theil - 4
    Total number of words is 4262
    Total number of unique words is 1552
    38.6 of words are in the 2000 most common words
    50.9 of words are in the 5000 most common words
    56.5 of words are in the 8000 most common words
    Each bar represents the percentage of words per 1000 most common words.
  • König Heinrich der vierte. Der Erste Theil - 5
    Total number of words is 4374
    Total number of unique words is 1376
    39.8 of words are in the 2000 most common words
    52.7 of words are in the 5000 most common words
    58.7 of words are in the 8000 most common words
    Each bar represents the percentage of words per 1000 most common words.
  • König Heinrich der vierte. Der Erste Theil - 6
    Total number of words is 304
    Total number of unique words is 198
    53.4 of words are in the 2000 most common words
    65.4 of words are in the 5000 most common words
    69.4 of words are in the 8000 most common words
    Each bar represents the percentage of words per 1000 most common words.