König Heinrich der vierte. Der Erste Theil - 2

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es dann seyn, daß ihr, welche die Crone auf den Kopf dieses
undankbaren Mannes seztet, und um seinetwillen den verhaßten Fleken
der Verrätherey und des Meuchelmords tragt; soll es seyn, daß ihr
eine Welt voll Flüche auf euch nehmen wollt, um die Werkzeuge, die
verächtlichen Werkzeuge, die Strike, die Leiter und der Henker
eines Bolingbroks zu seyn? (O! vergebet mir, daß ich so
schändliche Benennungen gebrauchen muß, um den Mißbrauch anzuzeigen,
den dieser listige König von euch macht.) Und soll es, o Schande!
soll in unsern Tagen gesagt, und in Jahrbücher auf künftige Zeiten
gebracht werden, daß Männer von eurer Geburt und Macht sich, (wie
ihr beyde, Gott vergeb' es euch! gethan habt,) zu einer so
ungerechten Sache verbunden haben, als diese war, Richarden, diese
anmuthige liebliche Rose, zu Boden zu treten, und diesen Dornbusch,
Bolingbrok, an seine Stelle zu pflanzen? Soll es zu eurer noch
grössern Schande gesagt werden, daß ihr von demjenigen, für welchen
ihr dieser Schande euch unterzogen, zur Belohnung mißhandelt,
geäffet und verächtlich auf die Seite geworffen worden? Nein, es
ist noch Zeit, eure verbannte Ehre wieder zu lösen, und euch in die
gute Meynung der Welt wieder einzusezen. Rächet euch, rächet die
Beleidigungen dieses übermüthigen Königs, der Tag und Nacht nur
darauf denkt, wie er die Schuld, die er euch eingestehen muß, mit
euerm Tod bezahlen wolle. Ich sage also--
Worcester.
Nein, Vetter, saget nichts mehr. Es ist nun an mir, euch
Geheimnisse von tiefem und gefahrvollem Inhalt zu entfalten, so
gefährlich, und verwegen als es wäre, auf der schwachen Brüke eines
Speers über einen lautheulenden Waldstrom zu gehen.
Hot-Spur.
Fällt er hinein, gute Nacht. Entweder schwimmen oder untergehen--
Sendet Gefahr von Osten gegen Westen, so soll Ehre von Norden gegen
Süden sie durchkreuzen, und dann laßt sie sich mit einander
herumbalgen--O! das Blut wallt feuriger einen Löwen aufzuweken,
als den Lauf einer Hindin zu beflügeln.
Northumberland.
Der Gedanke irgend einer grossen Unternehmung treibt ihn über die
Grenzen der Geduld.
Hot-Spur.
Beym Himmel, mich däucht, es wäre nur ein leichter* Sprung, die
glänzende Ehre von dem blaßwangichten Mond herab zu reissen, oder
sich in die Tieffe eines bodenlosen Abgrunds hinab zu täuchen, und
die ertrunkne Ehre bey den Haaren herauf zu ziehen, wenn der Genuß
ihrer Vorzüge mit keinem Nebenbuhler getheilt, der Preiß einer
solchen Unternehmung wäre.
{ed. * Hr. Warburton erinnert sich hiebey einer Stelle des
Euripides, worinn dieser vortreffliche Mahler der Leidenschaften
dem Eteocles den nemlichen Gedanken in den Mund legt: Mutter, ich
gesteh es unverhohlen, ich stiege dort wo die Sonne hervor geht
über die Sterne hinauf, oder hinab in den Abgrund der Erde, wenn
es möglich wäre, der Götter unumschränkten Thron zu bekommen.
S. 262 des 1sten Theils des Euripides, nach der Uebersezung des
Hrn. Professor Steinbrüchels.}
Worcester.
Mein lieber Vetter, hört mir einen Augenblik zu, wenn es die
Lebhaftigkeit eurer Gemüths-Bewegung erlaubt.
Hot-Spur.
Ich bitte euch um Vergebung.
Worcester.
Eben diese edlen Schotten, die eure Gefangnen sind--

Hot-Spur.
Ich will sie alle für mich behalten; beym Himmel, er soll keinen
einzigen haben, kein Haar von einem Schotten, und wenn dieses Haar
seine Seele erlösen könnte; ich will sie behalten, bey dieser Hand!
Worcester.
Ihr rennt immer fort, und hört mich nicht an; ihr sollt ja diese
Gefangnen behalten.
Hot-Spur.
Das will ich auch; dabey bleibts. Er sagte, er wolle den Mortimer
nicht auslösen; er verbot mir von Mortimer zu reden; aber ich will
ihn ausfinden, wenn er schläft, und ihm in sein Ohr hallen:
Mortimer! Ich will einen Staaren abrichten lassen, daß er nichts
als Mortimer ruffe, und will ihm den Staaren geben, um seinen Zorn
immer in Athem zu erhalten.
Worcester.
Hört doch, Vetter, nur ein Wort.
Hot-Spur.
Hier verschwör ich feyrlich alle andre Gedanken, als wie ich diesen
Bolingbroke quälen und tollmachen wolle. Und was diesen
eisenfresserischen Prinzen von Wales betrift, dächt' ich nicht, es
würde seinem Vater lieb seyn, wenn ihm ein Unglük begegnete, er
sollte mir mit einem Krug Weißbier vergiftet werden.
Worcester.
Lebt wohl, Neffe; ich will mit euch reden, wenn ihr besser im
Stande seyd, zuzuhören.
Northumberland.
Wie, was für ein wespen-züngichter, ungeduldiger Narr bist du, in
diesen weibischen Humor auszubrechen, und niemand hören zu wollen
als dich selbst?
Hot-Spur.
Wie? seht ihr, mir ist, als ob ich mit Ruthen gehauen, mit Nesseln
gepeitscht und von Ameisen gestochen werde, wenn ich nur den Namen
dieses schändlichen falschen Bolingbroke höre. Zu Richards Zeiten--
Wie hieß doch der Ort?--daß ihn die Pest!--er ligt in Glocester-
Schire--es war wo der hirnlose Herzog seinen Oheim ins Garn lokte,
seinen Oheim York--wo ich meine Knie zum erstenmal vor diesem König
der Liebkosungen, vor diesem Bolingbroke bog; wie ihr und er von
Ravenspurg kam't.
Northumberland.
Zu Berkley-Castle.
Hot-Spur.
Dort war es; ha! was für eine Menge überzükerte Complimente machte
mir damals dieser schwänzelnde Windhund vor! Wenn sein unmündiges
Glük zu Jahren gekommen seyn würde--und edler Harry Percy, und
liebster Vetter--Der Teufel hole solche Schmeichler!--Gott verzeih'
mir's! Guter Oheim, sagt izt was ihr wollt, ich bin fertig.
Worcester.
Nein, wenn ihr noch nicht fertig seyd, so macht nur fort, wir
wollen warten, bis es euch gelegen ist.
Hot-Spur.
Ich bin fertig, auf meine Ehre.
Worcester.
So wollen wir wieder zu unsern Schottischen Gefangnen. Gebt sie
unverzüglich ohne Lösegeld frey, und bedient euch dieses Sohns des
Dowglas, um ein Heer in Schottland zusammen zu bringen, welches, um
verschiedner Ursachen willen, die ich euch schriftlich zuschiken
will, euch ohne Mühe zugestanden werden wird. Ihr, Milord von
Northumberland, schleichet euch, indeß daß euer Sohn in Schottland
beschäftigt ist, in das Vertrauen dieses edlen und beliebten
Prälaten ein, des Erzbischoffs--
Hot-Spur.
Von York, nicht wahr?
Worcester.
Ja, der den Tod seines Bruders, des Lord Scroop, zu Bristol, sehr
hart empfindt. Ich rede nicht aus blosser Vermuthung, was
vielleicht geschehen könnte; sondern von einer Sache, die schon
entworffen, beschlossen und verabredet ist; von einer Sache, die
nur auf eine solche Gelegenheit wartet, um zum Ausbruch zu kommen.
Hot-Spur.
Ich rieche was; bey meinem Leben, es muß gut gehen!
Northumberland.
Wie voreilig du bist!
Hot-Spur.
Es kan unmöglich anders als ein edler Entwurf werden! Und dann
sollen sich die Schottische Macht, und Yorks Anhang mit Mortimer
vereinigen, ha!
Worcester.
Das sollen sie.
Hot-Spur.
In der That, das ist über die Maassen wol ausgesonnen.
Worcester.
Die Ursache ist nicht gering, die uns so schleunig als es möglich
ist, unsre Köpfe emporzuheben befiehlt, wenn wir sie retten wollen.
Denn so niedrig wir sie immer tragen möchten, so wird der König
doch immer denken, daß er unser Schuldner sey; und daß wir uns
nicht eher für befriedigt halten werden, bis er seine Schuld
heimgezahlt habe. Ihr seht ja bereits, wie er uns je länger je
mehr von seinem Vertrauen und von seiner Zuneigung entfernt.
Hot-Spur.
Das thut er, das thut er; wir wollen Rache an ihm nehmen.
Worcester.
Vetter, lebt wohl. Geht nicht weiter in dieser Sache, als ich euch
durch meine Briefe anweisen werde. Wenn die Zeit reif seyn wird,
und das wird bald seyn, dann will ich in Geheim zu Glendower und
Mortimer mich begeben, wo ihr und Dowglas und unsre Völker, auf
meine Veranstaltungen, glüklich zusammen kommen sollen, um unser
Glük, das izt an einem Faden hängt, in unsern eignen starken Armen
zu tragen.
Northumberland.
Lebet wohl, Bruder; ich habe die beste Hoffnung, daß alles gut von
statten gehen werde.
Hot-Spur.
Lebt wohl, Oheim; O laßt die Stunden eilen, bis im blutigen
Schlachtfeld das Klirren der Schwerdter und das Aechzen der
Sterbenden mein belustigtes Ohr umtönt.

Zweyter Aufzug.

Erste Scene.
(Ein Wirthshaus bey Rochester.) (Ein Fuhrmann tritt mit einer
Laternen in der Hand auf, ruft dem Hausknecht, und giebt ihm eine
Commißion wegen seines Pferds; ein andrer Fuhrmann kommt dazu, und
die Flöhe in diesem Wirthshaus, worüber beyde sich beklagen, geben
Anlas zu einer kleinen Unterredung im fuhrmännischen Geschmak,
worinn, daß dich die Pest! und, geh' an Galgen, die schönsten
Blümchen sind. Gadshill, einer aus des Prinzen von Wales Bande,
kommt dazu, und erkundigt sich mit guter Manier bey ihnen, wenn die
Reisende, mit denen sie in diesem Wirtshaus angekommen, nach London
abzugehen gedenken.)

Zweyte Scene.
(Ein kleines Gespräch zwischen Gadskill und einem Bedienten im
Wirthshaus, welches, ausser den Nachrichten, die der leztere dem
ersten von den Passagiers im Hause giebt, in einer Art von
Wizwechsel besteht, wovon der Uebersezer bekennt, daß es ihm
unmöglich fällt, die deutsche Sprache damit zu bereichern.
Diejenige, welche vielleicht glauben, daß er diese Unmöglichkeit
mit etwas weniger Trägheit hätte überwinden können, mögen sich zur
Probe an den sinnreichen Wörtern:) long-staff-six-penny-strikers(,
und) Mustachiopurple-hued-malt-worms (üben; und wenn ihnen auch
diese nicht zu schwer seyn sollten, so werden sie doch gestehen,
daß die unsaubern Wortspiele, die einen Theil dieser Scene
ausmachen, unübersezlich sind. Das beste ist, daß der Leser nicht
einen einzigen gesunden Gedanken, oder guten Einfall dabey
verliehrt. Man mag aus dem was wir übersezen, den Schluß auf
dasjenige machen, was wir auslassen müssen.)

Dritte Scene.
(Verwandelt sich in die Landstrasse.)
(Prinz Heinrich, Poins und Peto treten auf.)

Poins.
Kommt, verbergt euch, verbergt euch; ich habe Falstaffs Pferd auf
die Seite gethan, und er murrt wie ein gummierter Sammet.
Prinz Heinrich.
Halt dich ruhig. (Falstaff tritt auf.)
Falstaff.
Poins, Poins! daß du gehangen wärst! Poins!
Prinz Heinrich.
Still, du fettnierichter Spizbube, was für ein Geheul machst du da?
Falstaff.
Wie, Poins! Hal!
Prinz Heinrich (zu Poins.)
Er ist auf den Hügel hinauf gegangen, ich will geh'n und ihn
aufsuchen.
Falstaff (auf einer andern Seite.)
Das ist meine Straffe davor, daß ich in dieses Diebs Gesellschaft
raube; der Raker hat mir mein Pferd auf die Seite gethan, der
Henker weiß wo hin. Wenn ich nur noch vier Quadrat-Schuhe weiter
zu Fuß gienge, so würd' ich mir den Blasebalg zersprengen. Gut,
ich zweifle nicht, daß ich eines schönen Tods für alles diß sterben
werde, in so fern ich dem Galgen entgehe, wenn ich diesen Spizbuben
todtschlage. Ich habe diese zwey und zwanzig Jahre her seine
Gesellschaft stündlich verschworen, und doch bin ich immer mit dem
Galgenstrik behext. Ich will gehangen seyn, wenn mir der Raker
nicht einen Liebes-Trank eingegeben hat; es kan anders nicht seyn;
ich hab' einen Liebes-Trank bekommen. Poins! Hal! Daß ihr die
Pest hättet! Bardolph! Peto! Ich will verhungern, wenn ich einen
Schritt weiter stehle. Wenn es nicht eine so gute That wär' als
ein Glas Bier auszutrinken, wenn ich ein ehrlicher Mann würde und
diese Galgenschwengel verliesse, so will ich der ausgemachteste
Halunke seyn, der jemals mit Zähnen gekäut hat. Acht Ellen unebner
Grund ist siebenzig Meilen für mich, wenn ich zu Fuß gehen muß.
Das hol der Henker, wenn Diebe nicht einmal ehrlich an einander
seyn können!
(Er hört sie flüstern.)
He! daß euch die Pestilenz alle mit einander! Gebt mir mein
Pferd, ihr Schelme, gebt mir mein Pferd, und geht an den Galgen.
Prinz Heinrich.
Schweige, du Schmeer-Bauch, lieg nieder, leg dein Ohr hart an den
Boden, und horch, ob du nicht den Fußtritt von Reisenden hören
kanst.
Falstaff.
Habt ihr ein paar Hebel, oder etliche, daß ihr mich wieder aufheben
könnt, wenn ich einmal liege? Sapperment! Ich wollte um alles
Geld in deines Vaters Schazkammer, mein eigen Fleisch nicht noch
einmal so weit zu Fuß tragen. Was zum T** meynt ihr damit, daß ihr
mich so vexiert--Ich bitte dich, Prinz Hal, hilf mir zu meinem
Pferd, guter Königs-Sohn.
Prinz Heinrich.
Weg, du Schurke! Soll ich dein Stallknecht seyn?
Falstaff.
Geh, und häng dich selbst an deinen eignen Cronprinzlichen
Kniebändern auf. Wenn ich ertappt werde, so will ich euch für
diesen Streich bezahlen; ich will reden was ich weiß, das glaubt
mir. Wenn ich's nicht dahinbringe, daß man Gassenhauer auf euch
macht, und sie im Ton von H**liedern in den Strassen singt, so möge
ein Becher mit Sect mein Gift seyn! Wenn man einen Spaß so weit
treibt, und noch dazu zu Fuß! Ich haß' es! (Gadshill und Bardolph
zu den Vorigen.)
Gadshill.
Steh!
Falstaff.
Das thue ich, wieder meinen Willen.
Poins.
O, es ist unser Spion, ich kenn' ihn an der Stimme. Bardolph, was
giebts Neues?
Bardolph.
Maskirt euch, maskirt euch, zieht eure Visiere herab: es kommt dort
Geld für den König vom Hügel herunter, Geld, das in des Königs
Schazkammer geht.
Falstaff.
Du lügst, du Spizbube, es geht in des Königs Wirthshaus.
Gadshill.
Es ist genug, uns alle--(reich zu machen).
Falstaff.
An den Galgen zu bringen.
Prinz Heinrich.
Ihr Herren, stellt ihr Viere euch ihnen vorn in dem holen Weg
entgegen; Ned Poins und ich wollen tiefer herunter gehen; wenn sie
euch entrinnen, so fallen sie doch uns in die Hände.
Peto.
Aber wie viel sind ihrer?
Gadshill.
Ihrer acht oder zehen.
Falstaff.
Sakerlot! So werden sie ja uns berauben.
Prinz Heinrich.
Was Sir Hans Wanst für eine Memme ist!
Falstaff.
In der That, ich bin nicht Hans von Gaunt, euer Großvater, aber
doch auch keine Memme, Hal.
Prinz Heinrich.
Gut, wir wollen's auf die Probe ankommen lassen.
Poins.
Holla, Jak, dein Pferd steht hinter dem Zaun dort: wenn du's nöthig
hast, so wirst du's dort finden. Lebt wohl und haltet euch wohl!
Prinz Heinrich (zu Poins leise.)
Ned, wo sind unsre Ueberkleider?
Poins.
Hier, hart an uns; Laßt euch ja nicht sehen.
(Sie gehen auf die Seit.)
Falstaff.
Nun, meine Herren, ein jeder an seine Arbeit, wer das beste kriegt,
der hat's!

Vierte Scene.
(Einige Reisende treten auf.)

Reisende.
Kommt, Nachbar; der Junge soll unsre Pferde den Hügel herunter
führen; wir wollen eine Weile zu Fuß gehen, um eine Veränderung zu
machen.
Die Diebe.
Halt!
Reisende.
Gott helf uns!
Falstaff.
Schlagt zu; nieder mit ihnen, schneidet den Lumpenhunden die Hälse
ab, ha! Ihr verfluchtes Ungeziefer, ihr Schlingel von Spekfressern;
sie sind unsre Feinde, zu Boden mit ihnen, zieht sie aus.
Reisende.
O wir sind verlohren, wir und die unsrigen auf immer.
Falstaff.
An den Galgen, ihr dikbauchichten Schurken, seyd ihr verlohren?
Nein, ihr fetten Lümmel, ich wollt' euer ganzer Vorrath wäre hier;
nieder, ihr Spekseiten etc.
(Sie binden und berauben die Reisenden, und gehen ab.)
(Prinz Heinrich und Poins treten auf.)
Prinz Heinrich.
Die Diebe haben die ehrlichen Leute gebunden; wenn izt du und ich
die Diebe berauben, und mit der Beute im Triumph nach London ziehen
könnte, das wäre eine Materie für eine Woche, ein Gelächter für
einen Monat, und ein Spaß für immer.
Poins.
Sachte, ich höre sie kommen. (Die Diebe kommen zurük.)
Falstaff.
Kommt, meine Herren, wir wollen theilen, und dann zu Pferde, eh der
Tag anbricht. Wenn der Prinz und Poins nicht zwo ausgemachte
Memmen sind, so ist keine Billigkeit mehr in der Welt. Dieser
Poins hat nicht mehr Herz als eine wilde Ente.
(Indem sie theilen, werden sie von dem Prinzen und Poins überfallen.)
Prinz Heinrich.
Euer Geld!
Poins.
Ihr Galgenschwengel!
(Die Diebe rennen fort, und Falstaff, nachdem er einen oder zween
Streiche bekommen, läuft auch davon, und läßt die Beute dahinten.)
Prinz Heinrich.
Das hat nicht viel Mühe gekostet. Nun lustig zu Pferd; die Diebe
sind zerstreut, und in einen so grossen Schreken gesezt, daß sie
das Herz nicht haben, sich wieder zu sammeln; ein jeder hält den
andern für einen Gerichtsdiener. Hinweg, guter Ned. Wie wird der
arme dike Falstaff izt schwizen! Wenn ich nicht lachen müßte, ich
könnte Mitleiden mit ihm haben.
(Sie gehen ab.)

Fünfte Scene.
(Lord Percys Haus.)
(Hot-Spur tritt allein auf, einen Brief lesend.)

Hot-Spur.
"Was mich selbst betrift, Milord, so könnt ich um der Freundschaft
willen, die ich gegen euer Haus trage, wünschen, dort zu seyn." Er
könnte wünschen dort zu seyn; warum ist er denn nicht dort? "Um
der Freundschaft willen, die er gegen unser Haus trägt." Es zeigt
sich aus diesem, daß er seinen eignen Speicher mehr liebt als unser
Haus. Laßt doch weiter sehen: "Euere Unternehmung ist gefährlich."
Das wissen wir; es ist gefährlich einen Schnuppen zu kriegen, zu
schlaffen, zu trinken; aber laßt euch sagen, Milord Hasenfuß, daß
wir aus dieser Nessel-Gefahr, die Blume, Sicherheit, pflüken wollen.
"Eure Unternehmung ist gefährlich, die Freunde, die ihr nennt,
sind ungewiß, die Zeit selbst ist unschiklich, und euer ganzer
Entwurf zu leicht, einem so mächtigen Widerstand das Gegengewicht
zu halten." Sagt ihr das, sagt ihr das? So sag ich euch wieder
zurük, daß ihr eine schüchterne feige Hindin seyd, und daß ihr lügt.
Wo hat denn der Mann sein Hirn? Bey G**! Unser Entwurf ist ein
so guter Entwurf als jemals einer gemacht worden ist; unsre Freunde
sind zuverläßig und standhaft; ein guter Entwurf, gute Freunde, und
von denen man sich alles versprechen kan; ein vortrefflicher
Entwurf und recht gute Freunde! Was für ein kaltherziger Schurke
das ist! Wie? Milord von York billigt und begünstigt das Vorhaben
selbst und den Entwurf, und diese Memme hier--Bey meiner Hand, wär'
ich bey ihm, ich könnte ihm mit seiner Frauen Luftfächer das Hirn
ausschlagen. Ist nicht mein Vater, mein Oheim und ich selbst
dabey? Lord Edmund Mortimer, Milord von York, und Owen Glendower?
Ist nicht Dowglas dabey? Hab' ich nicht von ihnen allen Briefe,
daß sie auf den neunten dieses Monats ihre Waffen mit den meinigen
vereinbaren wollen? Sind nicht einige von ihnen würklich schon
ausgerükt? Was für ein verdammter Schurke ist das! Ha, ihr werdet
nun sehen, daß er in der Aufrichtigkeit seiner Zagheit und seines
kalten Bluts zum Könige gehen, und unser ganzes Vorhaben entdeken
wird. O ich könnte mich selbst in zwey spalten, daß ich eine
solche Schüssel voll geschwungne Milch in eine so edle Unternehmung
habe einmengen wollen. An den Galgen mit ihm, er mag es dem König
sagen. Wir sind gerüstet, ich will diese Nacht noch vorrüken.--

Sechste Scene.
(Lady Percy zu Hot-Spur.)

Hot-Spur.
--Was giebt's, Käthe? Ich muß dich in zwo Stunden verlassen.
Lady.
O mein liebster Lord, warum seyd ihr so allein? Wegen was für
eines Verbrechens ist eure Gemahlin diese Nacht von ihres Harrys
Bette verbannt worden? Sage mir, mein Liebster, was ist es, das
dir deinen Appetit, dein Vergnügen und deinen Schlaf raubt? Warum
heftest du deine Augen auf den Boden? Warum fährst du so oft auf,
wenn du allein sizest? Warum hast du die frische Farbe deiner
Wangen verlohren? Und warum giebst du mein Kleinod, meine Rechte
an dich, der trübsinnigen Schwermuth preiß? Unter deinem unruhigen
Schlummer hab ich an deiner Seite gewacht, und dich von Krieg und
Schlachten murmeln gehört; du redtest mit deinem Pferde, oder
rieffest, (Courage! Zum Treffen!) Du redtest von Ausfällen und
Rükzügen; von Laufgräben, Zelten, Palisaden, Schanzen, Brustwehren,
Carthaunen, Canonen, Feldschlangen, von Ranzionen der Gefangnen,
und von erschlagnen Soldaten--Deine Seele war so sehr mit
kriegrischer Arbeit beschäftigt, und hat selbst im Schlaf dich in
eine so große Bewegung gesezt, daß grosse Schweißtropfen auf deiner
Stirne gestanden, und die Muskeln deines Gesichts aufgelauffen sind,
wie wir an Leuten sehen, denen vor allzuhastiger Bewegung der
Athem zurück bleibt. O! was für schrekenvolle Zeichen sind das!
Ihr habt irgend ein schweres Geschäfte vor euch, und ich muß es
wissen, oder ihr liebt mich nicht. (Ein Bedienter kommt herein.)
Hot-Spur.
He! ist Willhelm mit dem Paquet abgegangen?
Bedienter.
Ja, Milord, schon vor einer Stunde.
Hot-Spur.
Hat der Kellner diese Pferde vom Scheriff gebracht?
Bedienter.
Eines, Milord, bracht' er eben izt.
Hot-Spur.
Was für eines? Den Rothschimmel, mit den gestuzten Ohren, nicht
wahr?
Bedienter.
Ja, Gnädiger Herr.
Hot-Spur.
Dieser Rothschimmel soll mein Thron seyn. Gut, ich will ihn gleich
besteigen. (O Esperance!)* Führte ihn der Kellner in den Parc?
{ed. * Dieses französische Wort ist vermuthlich da, damit es die Lady
Percy nicht verstehen solle.}
Lady.
Aber höret, Milord--
Hot-Spur.
Was willt du sagen, Milady?
Lady.
Was führt euch dann weg?
Hot-Spur.
Wie? Mein Pferd, Liebe, mein Pferd.
Lady.
Weg mit dir, du tollköpfiger Affe! Eine Wiesel hat nicht so viel
Spleen als ihr--Bey meiner Treue, ich will euer Geschäfte wissen,
das will ich. Ich fürchte mein Bruder Mortimer geht damit um,
seinen Anspruch gelten zu machen, und verlangt euern Beystand; aber
wenn ihr geht--
Hot-Spur.
Soweit zu Fuß zu gehen, würde mich müde machen, Liebe.
Lady.
Kommt, kommt, ihr kleiner Papagay, antwortet mir geradezu auf das
was ich euch frage. Ich breche dir deinen kleinen Finger ab, Harry,
wenn du mir nicht die ganze Wahrheit gestehst.
Hot-Spur.
Weg, weg, kleiner Kindskopf--Lieben! Ich liebe dich nicht, ich
denke nicht an dich, Käthe; es ist izt keine Zeit mit Puppen zu
spielen, und mit Lippen zu fechten. Izt ist es um blutige Nasen,
und gespaltete Hirnschädel zu thun--Was sagst du, Käthe? Was willt
du von mir?
Lady.
Liebt ihr mich dann nicht mehr? In der That nicht. Gut, so thut
es nicht. Denn wenn ich nicht mehr verdiene, von euch geliebt zu
werden, so bin ich auch nicht werth, daß ich mich selbst liebe.
Liebt ihr mich nicht? Nein, sag mir's, redst du im Scherz oder
nicht?
Hot-Spur.
Komm, willt du mich reiten sehen? Wenn ich zu Pferd bin, dann will
ich schwören, daß ich dich unendlich liebe. Aber hörst du, Käthe,
du mußt mich nicht weiter ausfragen, wohin ich gehe; noch
Muthmassungen anstellen, warum? Wohin ich muß, muß ich, und um es
kurz zu machen, diesen Abend müssen wir scheiden, liebste Käthe.
Ich weiß daß du verständig bist, aber doch nicht verständiger als
Harry Percy's Weib. Du hast Muth, so viel ein Weibsbild haben soll;
und an Verschwiegenheit übertrift dich gewiß kein Frauenzimmer in
der Welt. Ich zweifle also keinen Augenblik daran, daß du nichts
sagen wirst, wenn du nichts weißst; und in so weit hab' ich ein
vollkommnes Zutrauen zu dir, meine süsse Käthe.
Lady.
Wie? In so weit?
Hot-Spur.
Nicht einen Zollbreit mehr. Aber hörst du, Käthe, wohin ich gehe,
sollt du auch gehen. Heute will ich abreisen, und morgen sollst du
mir folgen. Bist du nun zufrieden, Käthe?
Lady.
Ich muß wohl.
(Sie gehen ab.)

Siebende und achte Scene.
(Der Schauplaz verwandelt sich in das Wirthshaus zum Bären-Kopf in
East-Cheap.)
(Ein paar unübersezliche Scenen, im Geschmak der trübsten Hefen
der pöbelhaftesten Canaille, zwischen dem Prinzen Heinrich, Poins,
Franz, dem Kellerjungen, und dem Wirth. Folgende Stelle ist das
Beste davon.)

Prinz Heinrich.
Ich hab, glaub' ich, auf einmal alle Launen im Leibe, die jemals
Launen gewesen sind, seit den alten 'Tagen des guten Großvater
Adams bis auf das Säuglings-Alter dieser gegenwärtigen zwölften
Stunde Mitternachts. Und doch bin ich nicht von Percy's Humor,
dieses Eisenfressers aus Norden, der mir sechs oder sieben Duzend
Schotten zum Frühstük todt schlägt, und wascht dann seine Hände,
und sagt zu seiner Frauen: Der Henker hole dieses ruhige Leben!
Ich habe ja nichts zu thun. "O mein süsser Harry", sagt sie dann,
"wie viele hast du heute todt geschlagen?" Gebt meinem Rothschimmel
zu trinken, sagt er, und antwortet ihr eine Stunde drauf ganz
kaltsinnig, ihrer vierzehn, oder so was, eine Kleinigkeit--Ich
bitte dich, ruf mir den Falstaff herein; ich will den Percy machen,
und der verdammte Schweinsbraten soll die Dame Mortimer, sein Weib,
agiren. Ruft den Schmeer-Bauch herein!

Neunte Scene.
(Falstaff, Gadshill, Bardolph und Peto zu den Vorigen.)

Poins.
Willkommen, Jak; wo bist du gewesen?
Falstaff.
Daß die schwere Noth alle feige Memmen, sag ich, und die Kränke
oben drauf; und Amen! Gieb mir ein Glas Sect, Junge--Eh ich diese
Lebensart fortseze, will ich Fuß-Soken nähen, und sie wieder fliken,
wenn sie brechen. Daß die Pestilenz alle feige Memmen! Gieb mir
ein Glas mit Sect, Schurke. Ist denn keine Tugend mehr in der Welt?
(Er trinkt.)
Prinz Heinrich.
Hast du den Titan nie ein Stük Butter küssen gesehen? und wie es
von den zärtlichen Sachen, die er ihm sagte, wegschmolz? Wenn du's
gesehen hast, so sieh' diese Composition.
Falstaff.
Ihr Galgenschwengel, hier ist ja Kalk* in diesem Sect; es ist doch
nichts als Schelmerey in spizbübischen Leuten; aber eine Memme ist
noch ärger als ein Glas Sect worinn Kalk ist. Eine nichtswürdige
Memme!--Geh deines Wegs, alter Jak, stirb wenn du willt; wenn
Tapferkeit, wahre Tapferkeit nicht auf dem ganzen Erdenrund
vergessen ist, so bin ich ein Pikling. Es leben nicht drey brave
Männer ungehangen in England, und einer von ihnen ist fett, und
wird, Gott helf ihm, nach gerade alt--eine böse Welt, sag ich! Ich
wollt' ich wär' ein Weber**; ich könnte Psalmen singen, und Lieder
wie man's haben wollte. Daß die Pestilenz alle Memmen, sag ich!
{ed. * Sir Richard Hawkins, einer von der Königin Elisabeth
See-Capitains, sagt in seinen Reisen S. 379: "Seitdem die
Spanischen Secte in unsern Wirtshäusern so gemein sind, die in der
Zubereitung mit Kalk vermischt werden, um sich länger zu erhalten,
beklagt sich unsre Nation über Stein, Wassersucht, und eine
Menge andrer Krankheiten, von denen wir nichts wußten, eh der
Gebrauch dieser Weine so sehr überhand nahm. Ausserdem vergeht
kein Jahr, daß nicht zwey Millionen Cronen dafür aus unserm Lande
gehen etc." Dieses leztere war in der That ein wesentliches Übel.
Aber daß Kalk den Stein verursachen soll, muß wohl nur ein
Vorurtheil des guten ehrlichen alten Mannes gewesen seyn, indem in
einem weit weisern Alter ein altes Weib ihr Glük damit gemacht hat,
uns zu zeigen, daß Kalk eine Arzney gegen den Stein sey. Warburton.}
Prinz Heinrich.
Was giebts, Wollsak! was brummt ihr?
Falstaff.
Ein Königs-Sohn? Wenn ich dich nicht mit einem Dolch von einem
Span aus deinem Königreich hinaus jagen, und alle deine Unterthanen
wie eine Heerde wilder Gänse vor dir her treiben will, so will ich
meine Tage kein Haar mehr an meinem Kinn tragen. Ihr, Prinz von
Wales?
Prinz Heinrich.
Wie, du H**sohn von einem diken Flegel, was hast du denn?
Falstaff.
Seyd ihr nicht eine Memme? Antwortet mir auf das, und Poins hier?
Prinz Heinrich.
Du Wanst, wenn du mich eine Memme nennst, so bist du des Todes.
Falstaff.
Ich hätte dich eine Memme geheissen? Eh will ich dich zur Hölle
gehen sehen, eh ich dich eine Memme heissen wollte; aber tausend
Pfund wollt' ich drum geben, wenn ich so geschwinde lauffen könnte,
wie du. O! was das betrift, eure Schultern habt ihr so gerad als
ihr's wünschen könnt, ihr bekümmert euch nichts darum, euern Rüken
sehen zu lassen. Nennt ihr das, euern Freunden den Rüken deken?
Daß die Pest ein solches Rükendeken hätte! Gebt mir ein Glas Sect.
Ich will eine H** seyn, wenn ich heute noch einen Tropfen
getrunken habe.
Prinz Heinrich.
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