Kabale und Liebe: Ein bürgerliches Trauerspiel - 8

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den Brief schrieb an den Hofmarschall-Ferdinand. Ha! Dieser Brief!
--Gottlob! Jetzt hab' ich all meine Mannheit wieder.
Luise (ihre Zunge wird schwerer, ihre Finger fangen an gichterisch zu
zucken). Dieser Brief--Fasse dich, ein entsetzliches Wort zu
hören--Meine Hand schrieb, was mein Herz verdammte--dein Vater hat
ihn dictiert.
Ferdinand (starr und einer Bildsäule gleich, in langer todter Pause
hingewurzelt, fällt endlich wie von einem Donnerschlag nieder).
Luise. O des kläglichen Mißverstands--Ferdinand--man zwang
mich--vergib--deine Luise hätte den Tod vorgezogen--aber mein
Vater--die Gefahr--sie machten es listig.
Ferdinand (schrecklich emporgeworfen). Gelobet sei Gott! noch spür'
und das Gift nicht. (Er reißt den Degen heraus.)
Luise (von Schwäche zu Schwäche sinkend). Weh! Was beginnst du? Es
ist dein Vater-Ferdinand (im Ausdruck der unbändigsten Wuth). Mörder
und Mördervater!--Mit muß er, daß der Richter der Welt nur gegen den
Schuldigen rase. (Will hinaus.)
Luise. Sterbend vergab mein Erlöser--Heil über dich und ihn (Sie
stirbt.)
Ferdinand (kehrt schnell um, wird ihre letzte sterbende Bewegung
gewahr und fällt in Schmerz aufgelöst vor der Todten nieder). Halt!
Halt! Entspringe mir nicht, Engel des Himmels! (Er faßt ihre Hand
an und läßt sie schnell wie fallen.) Kalt, kalt und feucht! Ihre
Seele ist dahin. (Er springt wieder auf.) Gott meiner Luise! Gnade!
Gnade dem verruchtesten der Mörder! Es war ihr letztes Gebet!--Wie
reizend und schön auch ihr Leichnam! Der gerührte Würger ging
schonend über diese freundlichen Wangen hin--Diese Sanftmuth war
keine Larve, sie hat auch dem Tod Stand gehalten. (Nach einer Pause.)
Aber wie? Warum fühl' ich nichts? Will die Kraft meiner Jugend
mich retten? Undankbare Mühe! Das ist meine Meinung nicht. (Er
greift nach dem Glase.)

Letzte Scene.
Ferdinand. Der Präsident. Wurm und Bediente, welche alle voll
Schrecken ins Zimmer stürzen, darauf Miller mit Volk und
Gerichtsdienern, welche sich im Hintergrund sammeln.

Präsident (den Brief in der Hand). Sohn, was ist das?--Ich will doch
nimmermehr glauben-Ferdinand (wirft ihm das Glas vor die Füße). So
sieh, Mörder!
Präsident (taumelt hinter sich. Alle erstarren. Eine schreckhafte
Pause.) Mein Sohn, warum hast du mir das gethan?
Ferdinand (ohne ihn anzusehen). O ja freilich! Ich hätte den
Staatsmann erst hören sollen, ob der Streich auch zu seinen Karten
passe?--Fein und bewundernswerth, ich gesteh's, war die Finte, den
Bund unsrer Herzen zu zerreißen durch Eifersucht--Die Rechnung hatte
ein Meister gemacht, aber Schade nur, daß die zürnende Liebe dem
Draht nicht so gehorsam blieb wie deine hölzerne Puppe.
Präsident (sucht mit verdrehten Augen im ganzen Kreise herum). Ist
hier Niemand, der um einen trostlosen Vater weint?
Miller (hinter der Scene rufend). Laßt mich hinein! Um Gottes
willen! Laßt mich!
Ferdinand. Das Mädchen ist eine Heilige--für sie muß ein Anderer
rechten. (Er öffnet Millern die Thüre, der mit Volk und
Gerichtsdienern hineinstürzt.)
Miller (in der fürchterlichsten Angst). Mein Kind! Mein Kind!
--Gift--Gift, schreit man, sei hier genommen worden--Meine Tochter!
Wo bist du?
Ferdinand (führt ihn zwischen den Präsident und Luisens Leiche). Ich
bin unschuldig--Danke Diesem hier.
Miller (fällt an ihr zu Boden). O Jesus!
Ferdinand. In wenig Worten, Vater--Sie fangen an mir kostbar zu
werden--Ich bin bübisch um mein Leben bestohlen, bestohlen durch Sie.
Wie ich mit Gott stehe, zittre ich--doch ein Bösewicht bin ich
niemals gewesen. Mein ewiges Loos falle, wie es will--auf Sie fall'
es nicht--Aber ich hab' einen Mord begangen, (mit furchtbar erhobener
Stimme) einen Mord, den du mir nicht zumuthen wirst, allein vor den
Richter der Welt hinzuschleppen. Feierlich wälz' ich dir hier die
größte, gräßlichste Hälfte zu; wie du damit zurecht kommen magst,
siehe du selber. (Ihn zu Luisen hinführend.) Hier, Barbar! Weide
dich an der entsetzlichen Frucht deines Witzes, auf dieses Gesicht
ist mit Verzerrungen dein Name geschrieben, und die Würgengel werden
ihn lesen--Eine Gestalt wie diese ziehe den Vorhang von deinem Bette,
wenn du schläfst, und gebe dir ihre eiskalte Hand--Eine Gestalt wie
diese stehe vor deiner Seele, wenn du stirbst, und dränge dein
letztes Gebet weg--Eine Gestalt wie diese stehe auf deinem Grabe,
wenn du auferstehst--und neben Gott, wenn er dich richtet. (Er wird
ohnmächtig. Bediente halten ihn.)
Präsident (eine schreckliche Bewegung des Arms gegen den Himmel).
Von mir nicht, von mir nicht, Richter der Welt, fordre diese Seelen,
von Diesem! (Er geht auf Wurm zu.)
Wurm (auffahrend). Von mir?
Präsident. Verfluchter, von dir! Von dir, Satan!--Du, du gabst den
Schlangenrath--Über dich die Verantwortung--ich wasche die Hände.
Wurm. Über mich? (Er fängt gräßlich an zu lachen.) Lustig!
Lustig! So weiß ich doch nun auch, auf was Art sich die Teufel
danken.--Über mich, dummer Bösewicht? War es mein Sohn? War ich
dein Gebieter?--Über mich die Verantwortung? Ha! bei diesem Anblick,
der alles Mark in meinen Gebeinen erkältet! Über mich soll sie
kommen!--Jetzt will ich verloren sein, aber du sollst es mit mir
sein--Auf! Auf! Ruft Mord durch die Gassen! Weckt die Justiz auf!
Gerichtsdiener, bindet mich! Führt mich von hinnen! Ich will
Geheimnisse aufdecken, daß Denen, die sie hören, die Haut schauern
soll. (Will gehen.)
Präsident (hält ihn). Du wirst doch nicht, Rasender?
Wurm (klopft ihn auf die Schulter). Ich werde, Kamerad! Ich werde!
--Rasend bin ich, das ist wahr--das ist dein Werk--so will ich auch
jetzt handeln wie ein Rasender--Arm in Arm mit dir zum Blutgerüst!
Arm in Arm mit dir zur Hölle! Es soll mich kitzeln, Bube, mit dir
verdammt zu sein! (Er wird abgeführt.)
Miller (der die ganze Zeit über, den Kopf in Luisens Schooß gesunken,
in stummem Schmerz gelegen hat, steht schnell auf und wirft dem Major
die Börse vor die Füße). Giftmischer! Behalt dein verfluchtes Gold!
--wolltest du mir mein Kind damit abkaufen? (Er stürzt aus dem
Zimmer.)
Ferdinand (mit brechender Stimme). Geht ihm nach! Er
verzweifelt--Das Geld hier soll man ihm retten--Es ist meine
fürchterliche Erkenntlichkeit. Luise!--Luise!--Ich komme--Lebt
wohl--Laßt mich an diesem Altar verscheiden-Präsident (aus einer
dumpfen Betäubung zu seinem Sohn). Sohn Ferdinand! Soll kein Blick
mehr auf einen zerschmetterten Vater fallen? (Der Major wird neben
Luisen niedergelassen.)
Ferdinand. Gott dem Erbarmenden gehört dieser letzte.
Präsident (in der schrecklichsten Qual vor ihm niederfallend).
Geschöpf und Schöpfer verlassen mich--Soll kein Blick mehr zu meiner
letzten Erquickung fallen?
Ferdinand (reicht ihm seine sterbende Hand).
Präsident (steht schnell auf). Er vergab mir! (Zu den Andern.)
Jetzt euer Gefangener! (Er geht ab, Gerichtsdiener folgen ihm, der
Vorhang fällt.)
Ende dieses Projekt Gutenberg Etextes Kabale und Liebe, von Friedrich
Schiller.
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