Julius Caesar - 3

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Decius.
Trebonius bittet Euch, bei guter Weile
Dies untertänige Gesuch zu lesen.
Artemidorus.
Lies meines erst, o Cäsar! Mein Gesuch
Betrifft den Cäsar näher; lies, großer Cäsar!
(Tritt dem Cäsar näher.)
Cäsar.
Was uns betrifft, werd auf die Letzt verspart.
Artemidorus.
Verschieb nicht, Cäsar, lies im Augenblick.
Cäsar.
Wie? ist der Mensch verrückt?
Publius.
Mach Platz, Gesell!
Cassius.
Was? Drängt ihr auf der Straße mit Gesuchen?
Kommt in das Kapitol.
(Cäsar geht in das Kapitol, die übrigen folgen ihm.
Alle Senatoren stehen auf.)
Popilius.
Mög euer Unternehmen heut gelingen!
Cassius.
Welch Unternehmen, Lena?
Popilius.
Geh's euch wohl.
(Er nähert sich dem Cäsar.)
Brutus.
Was sprach Popilius Lena da?
Cassius.
Er wünschte,
Daß unser Unternehmen heut gelänge;
Ich fürchte, unser Anschlag ist entdeckt.
Brutus.
Seht, wie er Cäsarn naht! Gebt acht auf ihn.
Cassius.
Sei schleunig, Casca, daß man nicht zuvorkommt.
Was ist zu tun hier, Brutus? Wenn es auskommt,
Kehrt Cassius oder Cäsar nimmer heim;
Denn ich entleibe mich.
Brutus.
Sei standhaft, Cassius.
Popilius spricht von unserm Anschlag nicht.
Er lächelt, sieh, und Cäsar bleibt in Ruh.
Cassius.
Trebonius nimmt die Zeit wahr, Brutus; sieh,
Er zieht geschickt den Mark Anton beiseite.
(Antonius und Trebonius ab.
Cäsar und die Senatoren nehmen ihre Sitze ein.)
Decius.
Wo ist Metellus Cimber? Laßt ihn gehn
Und sein Gesuch sogleich dem Cäsar reichen.
Brutus.
Er ist bereit; drängt an und steht ihm bei.
Cinna.
Casca, Ihr müßt zuerst den Arm erheben.
Cäsar.
Sind alle da? Was für Beschwerden gibt's,
Die Cäsar heben muß und sein Senat?
Metellus (niederkniend).
Glorreicher, mächtigster, erhabner Cäsar!
Metellus Cimber wirft vor deinen Sitz
Ein Herz voll Demut nieder.
Cäsar.
Cimber, hör,
Ich muß zuvor dir kommen. Dieses Kriechen,
Dies knechtische Verbeugen könnte wohl
Gemeiner Menschen Blut in Feuer setzen
Und vorbestimmte Wahl, gefaßten Schluß
Zum Kinderwillen machen. Sei nicht töricht
Und denk, so leicht empört sei Cäsars Blut,
Um aufzutaun von seiner echten Kraft
Durch das, was Narrn erweicht: durch süße Worte,
Gekrümmtes Bücken, hündisches Geschmeichel.
Dein Bruder ist verbannt durch einen Spruch;
Wenn du für ihn dich bückst und flehst und schmeichelst,
So stoß ich dich wie einen Hund hinweg.
Wiß, Cäsar tut kein Unrecht; ohne Gründe
Befriedigt man ihn nicht.
Metellus.
Gibt's keine Stimme, würdiger als meine,
Die süßer tön im Ohr des großen Cäsar,
Für des verbannten Bruders Wiederkehr?
Brutus.
Ich küsse deine Hand, doch nicht als Schmeichler,
Und bitte, Cäsar, daß dem Publius Cimber
Die Rückberufung gleich bewilligt werde.
Cäsar.
Wie? Brutus!
Cassius.
Gnade, Cäsar! Cäsar, Gnade!
Auch Cassius fällt tief zu Füßen dir,
Begnadigung für Cimber zu erbitten.
Cäsar.
Ich ließe wohl mich rühren, glich' ich euch;
Mich rührten Bitten, bät ich, um zu rühren.
Doch ich bin standhaft wie des Nordens Stern,
Des unverrückte, ewig stete Art
Nicht ihresgleichen hat am Firmament.
Der Himmel prangt mit Funken ohne Zahl,
Und Feuer sind sie all' und jeder leuchtet;
Doch einer nur behauptet seinen Stand.
So in der Welt auch; sie ist voll von Menschen,
Und Menschen sind empfindlich, Fleisch und Blut;
Doch in der Menge weiß ich einen nur,
Der unbesiegbar seinen Platz bewahrt,
Vorn Andrang unbewegt; daß ich der bin,
Auch hierin laßt es mich ein wenig zeigen,
Daß ich auf Cimbers Banne fest bestand
Und drauf besteh, daß er im Banne bleibe.
Cinna.
O Cäsar!
Cäsar.
Fort, sag ich! Willst du den Olymp versetzen?
Decius.
Erhabner Cäsar!--
Cäsar.
Kniet nicht Brutus auch umsonst?
Casca.
Dann, Hände, sprecht für mich!
(Casca sticht Cäsarn mit dem Dolch in den Nacken. Cäsar fällt ihm in
den Arm. Er wird alsdann von verschiednen andern Verschwornen und
zuletzt von Marcus Brutus mit Dolchen durchstochen.)
Cäsar.
Brutus, auch du?--So falle, Cäsar!
(Er stirbt. Die Senatoren und das Volk fliehen bestürzt.)
Cinna.
Befreiung! Freiheit! Die Tyrannei ist tot!
Lauft fort! verkündigt! ruft es durch die Gassen!
Cassius.
Hin zu der Rednerbühne! Rufet aus:
"Befreiung! Freiheit! Wiederherstellung!"
Brutus.
Seid nicht erschrocken, Volk und Senatoren!
Flieht nicht! Steht still! Die Ehrsucht hat gebüßt.
Casca.
Geht auf die Rednerbühne, Brutus.
Decius.
Ihr, Cassius, auch.
Brutus.
Wo ist Publius?
Cinna.
Hier, ganz betroffen über diesen Aufruhr.
Metellus.
Steht dicht beisammen, wenn ein Freund des Cäsar
Etwa--
Brutus.
Sprecht nicht von Stehen!--Publius, getrost!
Wir haben nicht im Sinn, Euch Leid zu tun,
Auch keinem Römer sonst: sagt ihnen das.
Cassius.
Und geht nur, Publius, damit das Volk,
Das uns bestürmt, nicht Euer Alter kränke.
Brutus.
Tut das; und niemand steh für diese Tat
Als wir, die Täter.
Trebonius kommt zurück.
Cassius.
Wo ist Mark Anton?
Trebonius.
Er floh bestürzt nach Haus, und Männer, Weiber
Und Kinder blicken starr und schrein und laufen,
Als wär der jüngste Tag.
Brutus.
Schicksal! wir wollen sehn, was dir geliebt.
Wir wissen, daß wir sterben werden; Frist
Und Zeitgewinn nur ist der Menschen Trachten.
Cassius.
Ja, wer dem Leben zwanzig Jahre raubt,
Der raubt der Todesfurcht so viele Jahre.
Brutus.
Gesteht das ein, und Wohltat ist der Tod.
So sind wir Cäsars Freunde, die wir ihm
Die Todesfurcht verkürzten. Bückt euch, Römer,
Laßt unsre Händ in Cäsars Blut uns baden
Bis an die Ellenbogen! Färbt die Schwerter!
So treten wir hinaus bis auf den Markt,
Und, überm Haupt die roten Waffen schwingend,
Ruft alle dann: "Erlösung! Friede! Freiheit!"
Cassius.
Bückt euch und taucht! In wie entfernter Zeit
Wird man dies hohe Schauspiel wiederholen,
In neuen Zungen und mit fremdem Pomp!
Brutus.
Wie oft wird Cäsar noch zum Spiele bluten,
Der jetzt am Fußgestell Pompejus' liegt,
Dem Staube gleich geachtet!
Cassius.
Sooft als das geschieht,
Wird man auch unsern Bund, die Männer nennen,
Die Freiheit wiedergaben ihrem Land.
Decius.
Nun, sollen wir hinaus?
Cassius.
Ja, alle fort!
Brutus voran, und seine Tritte zieren
Wir mit den kühnsten, besten Herzen Roms.
Ein Diener kommt.
Brutus.
Doch stillt Wer kommt? Ein Freund des Mark Anton.
Diener.
So, Brutus, hieß mich mein Gebieter knien,
So hieß Antonius mich niederfallen,
Und tief im Staube hieß er so mich reden:
"Brutus ist edel, tapfer, weis und redlich,
Cäsar war groß, kühn, königlich und gütig.
Sprich: Brutus lieb ich, und ich ehr ihn auch.
Sprich: Cäsarn fürchtet ich, ehrt ihn und liebt ihn.
Will Brutus nur gewähren, daß Anton
Ihm sicher nahen und erforschen dürfe,
Wie Cäsar solche Todesart verdient,
So soll dem Mark Anton der tote Cäsar
So teuer nicht als Brutus lebend sein;
Er will vielmehr dem Los und der Partei
Des edlen Brutus unter den Gefahren
Der wankenden Verfassung treulich folgen."
Dies sagte mein Gebieter, Mark Anton.
Brutus.
Und dein Gebieter ist ein wackrer Römer,
So achtet ich ihn stets.
Sag, wenn es ihm geliebt, hieher zu kommen,
So steh ich Red ihm und, bei meiner Ehre,
Entlaß ihn ungekränkt.
Diener.
Ich hol ihn gleich. (Ab.)
Brutus.
Ich weiß, wir werden ihn zum Freunde haben.
Cassius.
Ich wünsch es; doch es wohnt ein Sinn in mir,
Der sehr ihn fürchtet; und mein Unglücksahnen
Trifft immer ein aufs Haar.
Antonius kommt zurück.
Brutus.
Hier kommt Antonius ja.--Willkommen, Mark Anton!
Antonius.
O großer Cäsar! liegst du so im Staube?
Sind alle deine Siege, Herrlichkeiten,
Triumphe, Beuten eingesunken nun
In diesen kleinen Raum?--Gehab dich wohl!--
Ich weiß nicht, edle Herrn, was ihr gedenkt,
Wer sonst noch bluten muß, wer reif zum Fall.
Wofern ich selbst kann keine Stunde besser
Als Cäsars Todesstunde, halb so kostbar
Kein Werkzeug sein, als diese eure Schwerter,
Geschmückt mit Blut, dem edelsten der Welt.
Ich bitt euch, wenn ihr's feindlich mit mir meint,
Jetzt, da noch eure Purpurhände dampfen,
Büßt eure Lust. Und lebt ich tausend Jahre,
Nie werd ich so bereit zum Tod mich fühlen;
Kein Ort gefällt mir so, kein Weg zum Tode,
Als hier beim Cäsar fallen, und durch euch,
Die ersten Heldengeister unsrer Zeit.
Brutus.
O Mark Anton! begehrt nicht Euren Tod.
Wir müssen blutig zwar und grausam scheinen,
Wie unsre Händ und die geschehne Tat
Uns zeigen; doch Ihr seht die Hände nur,
Und dieses blutge Werk, so sie vollbracht;
Nicht unsre Herzen: sie sind mitleidsvoll,
Und Mitleid gegen Roms gesamte Not
(Wie Feuer Feuer löscht, so Mitleid Mitleid)
Verübt' an Cäsarn dies. Was Euch betrifft,
Für Euch sind unsre Schwerter stumpf, Anton.
Seht, unsre Arme, trotz verübter Tücke,
Und unsre Herzen, brüderlich gesinnt,
Empfangen Euch mit aller Innigkeit,
mit redlichen Gedanken und mit Achtung.
Cassius.
Und Eure Stimme soll soviel als jede
Bei der Verteilung neuer Würden gelten.
Brutus.
Seid nur geduldig, bis wir erst das Volk
Beruhigt, das vor Furcht sich selbst nicht kennt;
Dann legen wir den Grund Euch dar, weswegen
Ich, der den Cäsar liebt', als ich ihn schlug,
Also verfahren.
Antonius.
Ich bau auf eure Weisheit.
Mir reiche jeder seine blutge Hand;
Erst, Marcus Brutus, schütteln wir sie uns;
Dann, Cajus Cassius, faß ich Eure Hand;
Nun Eure, Decius Brutus; Eure, Cinna;
Metellus, Eure nun; mein tapfrer Casca,
Die Eure; reicht, Trebonius, Eure mir
Zuletzt, doch nicht der letzte meinem Herzen.
Ach, all ihr edlen Herrn, was soll ich sagen,
Mein Ansehn steht jetzt auf so glattem Boden,
Daß ich euch eines von zwei schlimmen Dingen,
Ein Feiger oder Schmeichler, scheinen muß.
Daß ich dich liebte, Cäsar, o 's ist wahr!
Wofern dein Geist jetzt niederblickt auf uns,
Wird's dich nicht kränken, bittrer als dein Tod,
Zu sehn, wie dein Antonius Frieden macht
Und deiner Feinde blutge Hände drückt,
Du Edelster, in deines Leichnams Nähe?
Hätt ich so manches Aug als Wunden du,
Und jedes strömte Tränen, wie sie Blut,
Das ziemte besser mir, als einen Bund
Der Freundschaft einzugehn mit deinen Feinden.
Verzeih mir, Julius!--Du edler Hirsch,
Hier wurdest du erjagt, hier fielest du;
Hier stehen deine Jäger, mit den Zeichen
Des Mordes und von deinem Blut bepurpurt.
O Welt, du warst der Wald für diesen Hirsch,
Und er, o Welt! war seines Waldes Stolz.--
Wie ähnlich einem Wild, von vielen Fürsten
Geschossen, liegst du hier!
Cassius.
Antonius--
Antonius.
Verzeiht mir, Cajus Cassius;
Dies werden selbst die Feinde Cäsars sagen,
An einem Freund ist's kalte Mäßigung.
Cassius.
Ich tadl Euch nicht, daß Ihr den Cäsar preist;
Allein, wie denkt Ihr Euch mit uns zu stehen?
Seid Ihr von unsern Freunden? oder sollen
Wir vorwärtsdringen, ohn auf Euch zu baun?
Antonius.
Deswegen faßt ich eure Hände; nur
Vergaß ich mich, als ich auf Cäsarn blickte.
Ich bin euch allen Freund und lieb euch alle,
In Hoffnung, eure Gründe zu vernehmen,
Wie und warum gefährlich Cäsar war.
Brutus.
Jawohl, sonst wär dies ein unmenschlich Schauspiel.
Und unsre Gründe sind so wohl bedacht,
Wärt Ihr der Sohn des Cäsar, Mark Anton,
Sie gnügten Euch.
Antonius.
Das such ich einzig ja.
Auch halt ich an um die Vergünstigung,
Den Leichnam auszustellen auf dem Markt
Und auf der Bühne, wie's dem Freunde ziemt,
Zu reden bei der Feier der Bestattung.
Brutus.
Das mögt Ihr, Mark Anton.
Cassius.
Brutus, ein Wort mit Euch.
(Beiseite.) Ihr wißt nicht, was Ihr tut; gestattet nicht,
Daß ihm Antonius die Rede halte.
Wißt Ihr, wie sehr das Volk durch seinen Vortrag
Sich kann erschüttern lassen?
Brutus.
Nein, verzeiht.
Ich selbst betrete erst die Bühn und lege
Von unsers Cäsars Tod die Gründe dar.
Was dann Antonius sagen wird, erklär ich,
Gescheh erlaubt und mit Bewilligung;
Es sei uns recht, daß Cäsar jeder Ehre
Teilhaftig werde, so die Sitte heiligt.
Dies wird uns mehr Gewinn als Schaden bringen.
Cassius.
Wer weiß, was vorfällt? Ich bin nicht dafür.
Brutus.
Hier, Mark Anton, nehmt Ihr die Leiche Cäsars.
Ihr sollt uns nicht in Eurer Rede tadeln,
Doch sprecht von Cäsarn Gutes nach Vermögen
Und sagt, daß Ihr's mit unserm Willen tut.
Sonst sollt Ihr gar mit dem Begräbnis nichts
Zu schaffen haben. Auf derselben Bühne,
Zu der ich jetzo gehe, sollt Ihr reden,
Wenn ich zu redet, aufgehört.
Antonius.
So sei's!
Ich wünsche weiter nichts.
Brutus.
Bereitet denn die Leich und folget uns.
(Alle bis auf Antonius ab.)
Antonius.
O du, verzeih mir, blutend Stückchen Erde!
Daß ich mit diesen Schlächtern freundlich tat.
Du bist der Rest des edelsten der Männer,
Der jemals lebt, im Wechsellauf der Zeit.
Weh! weh der Hand, die dieses Blut vergoß!
Jetzt prophezei ich über deinen Wunden,
Die ihre Purpurlippen öffnen, stumm
Von meiner Zunge Stimm und Wort erflehend:
Ein Fluch wird fallen auf der Menschen Glieder,
Und innre Wut und wilder Bürgerzwist
Wird ängsten alle Teil' Italiens;
Verheerung, Mord wird so zur Sitte werden
Und so gemein das Furchtbarste, daß Mütter
Nur lächeln, wenn sie ihre zarten Kinder
Gevierteilt von des Krieges Händen sehn.
Die Fertigkeit in Greueln würgt das Mitleid;
Und Cäsars Geist, nach Rache jagend, wird,
Zur Seit ihm Ate, heiß der Höll entstiegen,
In diesen Grenzen mit des Herrschers Ton
Mord rufen und des Krieges Hund' entfesseln,
Daß diese Schandtat auf zum Himmel stinke
Von Menschenaas, das um Bestattung ächzt.
Ein Diener kommt.
Ihr dienet dem Octavius Cäsar? nicht?
Diener.
Ja, Mark Anton.
Antonius.
Cäsar beschied ihn schriftlich her nach Rom.
Diener.
Den Brief empfing er und ist unterwegs;
Und mündlich hieß er mich an Euch bestellen
(Er erblickt den Leichnam Cäsars.)
O Cäsar!
Antonius.
Dein Herz ist voll, geh auf die Seit und weine.
Ich sehe, Leid steckt an; denn meine Augen,
Da sie des Grames Perlen sahn in deinen,
Begannen sie zu fließen--Kommt dein Herr?
Diener.
Er bleibt zur Nacht von Rom nur sieben Meilen.
Antonius.
Reit schnell zurück und meld' ihm, was geschehn.
Hier ist ein Rom voll Trauer und Gefahr,
Kein sichres Rom noch für Octavius.
Eil hin und sag ihm das!--Nein, warte noch!
Du sollst nicht fort, bevor ich diese Leiche
Getragen auf den Markt und meine Rede
Das Volk geprüft, wie dieser blutgen Männer
Unmenschliches Beginnen ihm erscheint.
Und demgemäß sollst du dem jungen Cäsar
Berichten, wie allhier die Dinge stehn.
Leih deinen Arm mir.
(Beide ab mit Cäsars Leiche.)

Zweite Szene
Das Forum
Brutus und Cassius kommen mit einem Haufen Volks
Bürger.
Wir wollen Rechenschaft! Legt Rechenschaft uns ab!
Brutus.
So folget mir und gebt Gehör mir, Freunde.--
Ihr, Cassius geht in eine andre Straße
Und teilt die Haufen--
Wer mich will reden hören, bleibe hier;
Wer Cassius folgen will, der geh mit ihm.
Wir wollen öffentlich die Gründ' erklären
Von Cäsars Tod.
Erster Bürger.
Ich will den Brutus hören.
Zweiter Bürger.
Den Cassius ich: so können wir die Gründe
Vergleichen, wenn wir beide angehört.
(Cassius mit einigen Bürgern ab. Brutus besteigt die Rostra.)
Dritter Bürger.
Der edle Brutus steht schon oben--still!
Brutus.
Seid ruhig zum Schluß.
Römer! Mitbürger! Freunde! Hört mich meine Sache führen und seid
still, damit ihr hören möget. Glaubt mir um meiner Ehre willen und
hegt Achtung vor meiner Ehre, damit ihr glauben mögt. Richtet mich
nach eurer Weisheit und weckt eure Sinne, um desto besser urteilen zu
können. Ist jemand in dieser Versammlung, irgendein herzlicher Freund
Cäsars, dem sage ich: des Brutus Liebe zum Cäsar war nicht geringer
als seine. Wenn dieser Freund dann fragt, warum Brutus gegen Cäsar
aufstand, ist dies meine Antwort: nicht, weil ich Cäsarn weniger
liebte, sondern weil ich Rom mehr liebte. Wolltet ihr lieber, Cäsar
lebte und ihr stürbet alle als Sklaven, als daß Cäsar tot ist, damit
ihr alle lebet wie freie Männer? Weil Cäsar mich liebte, wein ich um
ihn; weil er glücklich war, freue ich mich; weil er tapfer war, ehr
ich ihn; aber weil er herrschsüchtig war, erschlug ich ihn. Also
Tränen für seine Liebe, Freude für sein Glück, Ehre für seine
Tapferkeit und Tod für seine Herrschsucht. Wer ist hier so niedrig
gesinnt, daß er ein Knecht sein möchte? Ist es jemand, er rede, denn
ihn habe ich beleidigt. Wer ist hier so roh, daß er nicht wünschte,
ein Römer zu sein? Ist es jemand, er rede, denn ihn habe ich
beleidigt. Wer ist hier so schlecht, daß er sein Vaterland nicht
liebte? Ist es jemand, er rede, denn ihn habe ich beleidigt. Ich
halte inne, um Antwort zu hören.
Bürger (verschiedene Stimmen auf einmal).
Niemand, Brutus! niemand!
Brutus.
Dann habe ich niemand beleidigt. Ich tat Cäsarn nichts, als was ihr
dem Brutus tun würdet. Die Untersuchung über seinen Tod ist im
Kapitol aufgezeichnet; sein Ruhm nicht geschmälert, wo er Verdienste
hatte, seine Vergehen nicht übertrieben, für die er den Tod gelitten.
Antonius und andre treten auf mit Cäsars Leiche.
Hier kommt seine Leiche, von Mark Anton betrauert, der, ob er schon
keinen Teil an seinem Tode hatte, die Wohltat seines Sterbens, einen
Platz im gemeinen Wesen, genießen wird. Wer von euch wird es nicht?
Hiermit trete ich ab. Wie ich meinen besten Freund für das Wohl Roms
erschlug, so habe ich denselben Dolch für mich selbst, wenn es dem
Vaterland gefällt, meinen Tod zu bedürfen.
Bürger.
Lebe, Brutus! lebe! lebe!
Erster Bürger.
Begleitet mit Triumph ihn in sein Haus.
Zweiter Bürger.
Stellt ihm ein Bildnis auf bei seinen Ahnen.
Dritter Bürger.
Er werde Cäsar!
Vierter Bürger.
Im Brutus krönt ihr Cäsars beßre Gaben.
Erster Bürger.
Wir bringen ihn zu Haus mit lautem Jubel.
Brutus. Mitbürger--
Zweiter Bürger.
Schweigt doch! Stille! Brutus spricht.
Erster Bürger.
Still da!
Brutus.
Ihr guten Bürger, laßt allein mich gehn;
Bleibt mir zuliebe hier beim Mark Anton.
Ehrt Cäsars Leiche, ehret seine Rede,
Die Cäsars Ruhm verherrlicht. Dem Antonius
Gab unser Will' Erlaubnis, sie zu halten.
Ich bitt euch, keiner gehe fort von hier
Als ich allein, bis Mark Anton gesprochen. (Ab.)
Erster Bürger.
He, bleibt doch! Hören wir den Mark Anton.
Dritter Bürger.
Laßt ihn hinaufgehn auf die Rednerbühne.
Ja, hört ihn! Edler Mark Anton, hinauf!
Antonius.
Um Brutus' willen bin ich euch verpflichtet.
Vierter Bürger.
Was sagt er da vom Brutus?
Dritter Bürger.
Er sagt, um Brutus' willen find er sich
Uns insgesamt verpflichtet.
Vierter Bürger.
Er täte wohl,
Dem Brutus hier nichts Übles nachzureden.
Erster Bürger.
Der Cäsar war ein Tyrann.
Dritter Bürger.
Ja, das ist sicher;
Es ist ein Glück für uns, daß Rom ihn los ward.
Vierter Bürger.
Still! Hört doch, was Antonius sagen kann!
Antonius.
Ihr edlen Römer--
Bürger.
Still da! hört ihn doch!
Antonius.
Mitbürger! Freunde! Römer! hört mich an:
Begraben will ich Cäsarn, nicht ihn preisen.
Was Menschen Übles tun, das überlebt sie,
Das Gute wird mit ihnen oft begraben.
So sei es auch mit Cäsarn! Der edle Brutus
Hat euch gesagt, daß er voll Herrschsucht war;
Und war er das, so war's ein schwer Vergehen,
Und schwer hat Cäsar auch dafür gebüßt.
Hier, mit des Brutus Willen und der andern
(Denn Brutus ist ein ehrenwerter Mann,
Das sind sie alle, alle ehrenwert),
Komm ich, bei Cäsars Leichenzug zu reden.
Er war mein Freund, war mir gerecht und treu;
Doch Brutus sagt, daß er voll Herrschsucht war,
Und Brutus ist ein ehrenwerter Mann.
Er brachte viel Gefangne heim nach Rom,
Wofür das Lösegeld den Schatz gefüllt.
Sah das der Herrschsucht wohl am Cäsar gleich?
Wenn Arme zu ihm schrien, so weinte Cäsar;
Die Herrschsucht sollt aus härterm Stoff bestehn.
Doch Brutus sagt, daß er voll Herrschsucht war,
Und Brutus ist ein ehrenwerter Mann.
Ihr alle saht, wie am Lupercusfest
Ich dreimal ihm die Königskrone bot,
Die dreimal er geweigert. War das Herrschsucht?
Doch Brutus sagt, daß er voll Herrschsucht war,
Und ist gewiß ein ehrenwerter Mann.
Ich will, was Brutus sprach, nicht widerlegen;
Ich spreche hier von dem nur, was ich weiß.
Ihr liebtet all ihn einst nicht ohne Grund;
Was für ein Grund wehrt euch, um ihn zu trauern?
O Urteil, du entflohst zum blöden Vieh,
Der Mensch ward unvernünftig!--Habt Geduld!
Mein Herz ist in dem Sarge hier beim Cäsar,
Und ich muß schweigen, bis es mir zurückkommt.
Erster Bürger.
Mich dünkt, in seinen Reden ist viel Grund.
Zweiter Bürger.
Wenn man die Sache recht erwägt, ist Cäsarn
Groß Unrecht widerfahren.
Dritter Bürger.
Meint Ihr, Bürger?
Ich fürcht, ein Schlimmrer kommt an seine Stelle.
Vierter Bürger.
Habt ihr gehört? Er nahm die Krone nicht;
Da sieht man, daß er nicht herrschsüchtig war.
Erster Bürger.
Wenn dem so ist, so wird es manchem teuer
Zu stehen kommen.
Zweiter Bürger.
Ach, der arme Mann!
Die Augen sind ihm feuerrot vom Weinen.
Dritter Bürger.
Antonius ist der bravste Mann in Rom.
Vierter Bürger.
Gebt acht! Er fängt von neuem an zu reden.
Antonius.
Noch gestern hätt umsonst dem Worte Cäsars
Die Welt sich widersetzt; nun liegt er da,
Und der Geringste neigt sich nicht vor ihm.
O Bürger! strebt ich, Herz und Mut in euch
Zur Wut und zur Empörung zu entflammen,
So tät ich Cassius und Brutus Unrecht,
Die ihr als ehrenwerte Männer kennt.
Ich will nicht ihnen Unrecht tun, will lieber
Dem Toten Unrecht tun, mir selbst und euch,
Als ehrenwerten Männern, wie sie sind.
Doch seht dies Pergament mit Cäsars Siegel;
Ich fand's bei ihm, es ist sein letzter Wille.
Vernähme nur das Volk dies Testament
(Das ich, verzeiht mir, nicht zu lesen denke),
Sie gingen hin und küßten Cäsars Wunden
Und tauchten Tücher in sein heilges Blut,
Ja, bäten um ein Haar zum Angedenken,
Und sterbend nennten sie's im Testament
Und hinterließen's ihres Leibes Erben
Zum köstlichen Vermächtnis.
Vierter Bürger.
Wir wollen's hören: lest das Testament!
Lest, Mark Anton!
Bürger.
Ja, ja, das Testament!
Laßt Cäsars Testament uns hören.
Antonius.
Seid ruhig, lieben Freund'! Ich darf's nicht lesen,
Ihr müßt nicht wissen, wie euch Cäsar liebte.
Ihr seid nicht Holz, nicht Stein, ihr seid ja Menschen;
Drum, wenn ihr Cäsars Testament erführt,
Es setzt' in Flammen euch, es macht' euch rasend.
Ihr dürft nicht wissen, daß ihr ihn beerbt,
Denn wüßtet ihr's, was würde draus entstehn?
Bürger.
Lest das Testament! Wir wollen's hören, Mark Anton!
Ihr müßt es lesen! Cäsars Testament!
Antonius.
Wollt ihr euch wohl gedulden? wollt ihr warten?
Ich übereilte mich, da ich's euch sagte.
Ich fürcht, ich tu den ehrenwerten Männern
Zu nah, durch deren Dolche Cäsar fiel;
Ich fürchte es.
Vierter Bürger.
Sie sind Verräter: ehrenwerte Männer!
Bürger.
Das Testament! Das Testament!
Zweiter Bürger.
Sie waren Bösewichter, Mörder! Das Testament!
Lest das Testament!
Antonius.
So zwingt ihr mich, das Testament zu lesen?
Schließt einen Kreis um Cäsars Leiche denn,
Ich zeig euch den, der euch zu Erben machte.
Erlaubt ihr mir's? Soll ich hinuntersteigen?
Bürger.
Ja, kommt nur!
Zweiter Bürger.
Steigt herab!
(Er verläßt die Rednerbühne.)
Dritter Bürger.
Es ist Euch gern erlaubt.
Vierter Bürger.
Schließt einen Kreis herum.
Erster Bürger.
Zurück vom Sarge! von der Leiche weg!
Zweiter Bürger.
Platz für Antonius! für den edlen Antonius!
Antonius.
Nein, drängt nicht so heran! Steht weiter weg!
Bürger.
Zurück! Platz da! zurück!
Antonius.
Wofern ihr Tränen habt, bereitet euch,
Sie jetzo zu vergießen. Diesen Mantel,
Ihr kennt ihn alle; doch erinnr' ich mich
Des ersten Males, daß ihn Cäsar trug
In seinem Zelt, an einem Sommerabend--
Er überwand den Tag die Nervier--
Hier, schauet! fuhr des Cassius Dolch herein;
Seht, welchen Riß der tücksche Casca machte!
Hier stieß der vielgeliebte Brutus durch;
Und als er den verfluchten Stahl hinwegriß,
Schaut her, wie ihm das Blut des Cäsar folgte,
Als stürzt' es vor die Tür, um zu erfahren,
Ob wirklich Brutus so unfreundlich klopfte.
Denn Brutus, wie ihr wißt, war Cäsars Engel.
Ihr Götter, urteilt, wie ihn Cäsar liebte!
Kein Stich von allen schmerzte so wie der.
Denn als der edle Cäsar Brutus sah,
Warf Undank, stärker als Verräterwaffen,
Ganz nieder ihn; da brach sein großes Herz,
Und in dem Mantel sein Gesicht verhüllend,
Grad am Gestell der Säule des Pompejus,
Von der das Blut rann, fiel der große Cäsar.
O meine Bürger, welch ein Fall war das!
Da fielet ihr und ich, wir alle fielen,
Und über uns frohlockte blutge Tücke.
O ja! nun weint ihr, und ich merk, ihr fühlt
Den Drang des Mitleids; dies sind milde Tropfen.
Wie? weint ihr, gute Herzen, seht ihr gleich
Nur unsers Cäsars Kleid verletzt? Schaut her!
Hier ist er selbst, geschändet von Verrätern.
Erster Bürger.
O kläglich Schauspiel!
Zweiter Bürger.
O edler Cäsar!
Dritter Bürger.
O jammervoller Tag!
Vierter Bürger.
O Buben und Verräter!
Erster Bürger.
O blutger Anblick!
Zweiter Bürger.
Wir wollen Rache! Rache! Auf und sucht!
Sengt! brennt! schlagt! mordet! laßt nicht einen leben!
Antonius.
Seid ruhig, meine Bürger!
Erster Bürger.
Still da! Hört den edlen Antonius!
Zweiter Bürger.
Wir wollen ihn hören, wir wollen ihm folgen,
wir wollen für ihn sterben!
Antonius.
Ihr guten, lieben Freund', ich muß euch nicht
Hinreißen zu des Aufruhrs wildem Sturm.
Die diese Tat getan, sind ehrenwert.
Was für Beschwerden sie persönlich führen,
Warum sie's taten, ach! das weiß ich nicht;
Doch sind sie weis und ehrenwert, und werden
Euch sicherlich mit Gründen Rede stehn.
Nicht euer Herz zu stehlen, komm ich, Freunde;
Ich bin kein Redner, wie es Brutus ist,
Nur, wie ihr alle wißt, ein schlichter Mann
Dem Freund ergeben, und das wußten die
Gar wohl, die mir gestattet, hier zu reden.
Ich habe weder Witz noch Wort' und Würde,
Noch Kunst des Vortrags noch die Macht der Rede,
Der Menschen Blut zu reizen; nein, ich spreche
Nur gradezu und sag euch, was ihr wißt.
Ich zeig euch des geliebten Cäsars Wunden,
Die armen stummen Munde, heiße die
Statt meiner reden. Aber wär ich Brutus
Und Brutus Mark Anton, dann gäb es einen,
Der eure Geister schürt' und jeder Wunde
Des Cäsars eine Zunge lieh', die selbst
Die Steine Roms zum Aufstand würd empören.
Dritter Bürger.
Empörung!
Erster Bürger.
Steckt des Brutus Haus in Brand!
Dritter Bürger.
Hinweg denn! kommt, sucht die Verschwornen auf!
Antonius.
Noch hört mich, meine Bürger, hört mich an!
Bürger.
Still da! Hört Mark Anton! den edlen Mark Anton!
Antonius.
Nun, Freunde, wißt ihr selbst auch, was ihr tut?
Wodurch verdiente Cäsar eure Liebe?
Ach nein! ihr wißt nicht.--Hört es denn! Vergessen
Habt ihr das Testament, wovon ich sprach.
Bürger.
Wohl wahr! Das Testament! Bleibt, hört das Testament!
Antonius.
Hier ist das Testament mit Cäsars Siegel;
Darin vermacht er jedem Bürger Roms,
Auf jeden Kopf euch, fünfundsiebzig Drachmen.
Zweiter Bürger.
O edler Cäsar!--Kommt, rächt seinen Tod!
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