Goethes Briefe an Auguste zu Stolberg - 3

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kommen, daß endlich der 15te verstrich. Wäre es fertig geworden
so hätten Sie es den Tag drauf als Ihr Brief abgegangen war
erhalten. Nun hat es Frau v. Stein gemahlt, ist aber auch nicht
glücklich gewesen der Atlas floss, er war zu dünne, es ist eben
kein Glück und Segen dabey.
Behalten Sie mich lieb, grüsen Sie die Brüder! alles Glück
dem neuen Paare! Ich bin wohl und noch immer in meinem Thale.
Geniesen Sie des Lebens.
Weimar den 4. März 82. Goethe.
* * * * *


Gräfin Auguste Stolberg an Goethe

#B#: d: 15t: #October 1822#.
Würden Sie, wenn ich mich nicht nennte, die Züge der Vorzeit,
die Stimme die Ihnen sonst willkommen war, wieder erkennen?
nun ja ich bins -- Auguste -- die Schwester der so geliebten,
so heiß beweinten, so vermißten Brüder #Stolberg#. Könten doch
diese aus der Wohnung ihrer Seeligkeit, von _dort_ wo sie den
_schauen_, an den sie _hier glaubten_ -- könten doch diese, mit
mir vereint, Sie bitten: »Lieber Lieber Goethe, suchen Sie den,
der sich so gerne finden läßt, glauben Sie auch an den, an den
wir unser Lebe lang glaubten« Die seelig Schauenden würden hinzu
fügen, »den wir nun schauen«! und ich sage: »der das Leben meines
Lebens ist, das Licht in meinen trüben Tagen, und uns allen
dreyen, Weg, Wahrheit, und Leben, unser Herr, und unser Gott,
war.« und nun, ich rede auch im Nahmen der Verklärten Brüder die
so oft den Wunsch mit mir aussprachen: »Lieber Lieber Goethe,
Freund unsrer Jugend! Genießen auch Sie das Glük, waß schon im
irrdischen Leben uns zu Theil ward, Glaube, Liebe, Hofnung!« und
die Vollendeten setzen hinzu: »Gewißheit, und ewiger seeliger
Frieden harrt denn auch deiner hier« -- Ich lebe zwar nur noch in
Hofnung deßen waß zukünftig ist, aber in seeliger Hofnung die mir
so zur Gewißheit geworden ist, daß ich Mühe habe, die unendliche
Sehnsucht darnach zu stillen -- Ich las in diesen Tagen wieder
einmal alle Ihre Briefe nach -- #the Songs of other times# --
die Harfe von Selma ertönte -- Sie waren der kleinen Stolberg
sehr gut -- und ich Ihnen auch so herzlich gut -- das kan nicht
untergehen -- muß aber für die Ewigkeit bestehen -- diese unsre
Freundschaft -- die Blüthe in unsrer Jugend, muß Früchte für
die Ewigkeit tragen, dachte ich oft -- und so ergrif es mich
beym Lesen Ihrer Briefe, und so nahm ich die Feder -- Sie bitten
mich einmal in Ihrem Briefe, »Sie zu retten« -- nun maaße ich
mir wahrlich nichts an, aber so ganz Einfältigen Sinns bitte ich
Sie, retten Sie sich selbst. nicht wahr Ihre Bitte giebt mir
dazu einiges Recht? -- und ich bitte Sie immer, hören Sie in
meinen Worten, die Stimme, meiner Brüder, die Sie so herzlich
liebten -- Ich habe denn meinen Wunsch, meinen dringenden Wunsch,
ausgesprochen, den ich so oft wollte laut werden laßen: O ich
bitte, ich flehe Sie Lieber Goethe! abzulaßen, von allem waß
die Welt, Kleines, eitles, Irrdisches, und nicht gutes hat --
Ihren Blik, und Ihr Herz zum Ewigen zu wenden -- Ihnen ward viel
gegeben, viel anvertraut. wie hat es mich oft geschmerzt, wenn
ich in Ihren Schriften fand, wodurch Sie so leicht andern Schaden
zu fügen -- O machen Sie das gut, weil es noch Zeit ist -- Bitten
Sie um höhern Beystand, und er wird Ihnen, so wahr Gott ist,
werden -- Ich dachte oft, ich könte nicht ruhig sterben, wenn ich
nicht mein Herz so gegen den Freund meiner Jugend, ausgeschüttet
hätte -- und ich denke ich schlafe ruhiger darum ein, wenn mein
Stündlein schlägt -- Die Jahre nicht nur, sondern viel früher
haben, unsägliche Leiden, meine Haare schnee weiß gebleicht --
aber nie wankte in mir das feste Vertrauen zu Gott, und die Liebe
zu meinem Erlöser -- bey allem waß mich traf, tönte es tief,
und stark in meinem Innern: »Der Herr hat alles wohl gemacht!«
Der Gott meiner Jugend, ist auch der Gott meines Alters -- Als
wir uns schrieben, war ich eins der glüklichsten Geschöpfe auf
Erden, wie reich war ich! Früh durch die besten Eltern -- Geliebt
von den besten Geschwistern -- später, das Geliebte Weib des
Mannes meines Herzens -- Mutter der besten Kinder -- Aber welche
Trübsale wurden mir zu Theil -- der einzig von mir gebohrne Knabe
-- ein Kind von 4 Jahren, der die Wonne der Eltern, und der Stolz
der Mutter war -- ich sage nicht daß ich ihn verlohr -- waß für
ihn Gewinn war, sah mein Mutter-Herz nie als Verlust an -- er
gewann den Himmel, und nur mir ward der unsägliche Schmerz, zu
Theil -- und so konte ich selbst im heißen Schmerz, Gott danken
und später -- verlohr ich den Angebeteten Gatten -- O dieß war
noch ein ganz neuer, eigener, mit nichts zu vergleichender
Schmerz -- mir blieben noch die lieben Geschwister. Ach die
herrlichen die unaussprechlich Geliebten Brüder! Ein Sturm riß
den Jüngern hin -- und zerstörte, die vorher noch Jugend volle
Lebenskraft des Aeltern -- durch diesen doppelten, so schnell
auf einander folgenden Verlust, fühle ich mich, wie aufs neue
verwaißt -- Aber dennoch preise ich Gott -- Ich finde sie ja alle
wieder -- Eltern, Geschwister, Freunde, Kinder, und den Geliebten
Gatten -- So gerne nähme ich auch die Hofnung mit mir hinüber,
Sie Lieber Goethe, auch einst da kennen zu lernen -- Noch Einmal
bitte ich Sie -- schlagen Sie es der nicht ab, die Sie einst
Freundin, Schwester, nannten -- Ich bete für Sie, daß Sie es
ganz erfahren mögen, wie freundlich, und gütig der Herr ist, wie
glüklich die auf Ihn trauen.
Bitte laßen Sie dieß unter uns bleiben -- wollen Sie mir
antworten? Ich mögte wißen wo Sie sind, waß Sie treiben. ich lebe
meistens still auf dem Lande -- meine liebe Enkelin, Tochter
meines jüngsten Sohnes ist bey mir -- sie ist 13 Jahr -- meine
Liebe, und meine Freude. Ich reiche Ihnen freundschaftlich meine
Hand. Ihr Andenken ist nie in mir erloschen, und meine Theilnahme
für Sie immer Lebendig geblieben -- meine Wünsche für Ihr wahres
Wohl, auch. Manches betrübte mich oft -- Ich will so lange ich
lebe, noch recht für Sie beten -- mögten Sie sich doch darin
noch recht mit mir vereinigen -- Mein Erlöser ist ja auch der
Ihrige, es ist auch in keinem andern Heil, und Seeligkeit zu
finden. Ob Sie wohl noch an mich dachten? Bitte schreiben Sie ein
paar Worte
an
Auguste Bernstorff-#Stolberg#.
Meine #adresse# ist: in #Bordesholm#
durch Hamburg.

d: 23 st:
Sie bitten mich in einem Ihrer Briefe, nachdem Sie lange
geschwiegen hatten: »den Alten Faden wieder anzuspinnen, es sey
dieß ja ohnehin ein Weibliches Geschäft.« Da ist er denn wieder
angesponnen, und o! möge er sich denn nun biß in die Ewigkeit
hineinspinnen! -- So leben Sie denn wohl, und verkennen Sie meine
Absicht nicht -- Laßen Sie, ich bitte Sie, dieß ganz unter uns
bleiben --


Letzter Brief Goethes an Auguste Stolberg

Von der frühsten, im Herzen wohlgekannten, mit Augen nie gesehenen
theuren Freundin endlich wieder einmal Schriftzüge des traulichsten
Andenkens zu erhalten, war mir höchst erfreulich-rührend; und
doch zaudere ich unentschlossen, was zu erwidern seyn möchte.
Lassen Sie mich im Allgemeinen bleiben, da von besondern Zuständen
uns wechselseitig nichts bekannt ist.
Lange leben heißt gar vieles überleben, geliebte, gehaßte,
gleichgültige Menschen, Königreiche, Hauptstädte, ja Wälder und
Bäume, die wir jugendlich gesäet und gepflanzt. Wir überleben
uns selbst und erkennen durchaus noch dankbar, wenn uns auch
nur einige Gaben des Leibes und Geistes übrig bleiben. Alles
diesem Vorübergehende lassen wir uns gefallen; bleibt uns nur das
Ewige jeden Augenblick gegenwärtig, so leiden wir nicht an der
vergänglichen Zeit.
Redlich habe ich es mein Lebelang mit mir und andern gemeint und
bey allem irdischen Treiben immer auf's Höchste hingeblickt; Sie
und die Ihrigen haben es auch gethan. Wirken wir also immerfort,
so lang es Tag für uns ist; für andere wird auch eine Sonne
scheinen, sie werden sich an ihr hervorthun und uns indessen ein
helleres Licht erleuchten.
Und so bleiben wir wegen der Zukunft unbekümmert! In unseres
Vaters Reiche sind viel Provinzen, und da er uns hier zu Lande
ein so fröhliches Ansiedeln bereitete, so wird drüben gewiß auch
für beyde gesorgt seyn; vielleicht gelingt alsdann, was uns bis
jetzo abging, und angesichtlich kennen zu lernen und uns desto
gründlicher zu lieben. Gedenken Sie mein in beruhigter Treue.

Vorstehendes war bald nach der Ankunft Ihres lieben Briefes
geschrieben, allein ich wagte nicht, es wegzuschicken, denn mit
einer ähnlichen Aeußerung hatte ich schon früher Ihren edlen,
wackern Bruder wider Wissen und Willen verletzt. Nun aber, da ich
von einer tödtlichen Krankheit in's Leben wieder zurückkehre,
soll das Blatt dennoch zu Ihnen, unmittelbar zu melden: daß der
Allwaltende mir noch gönnt, das schöne Licht seiner Sonne zu
schauen; möge der Tag Ihnen gleichfalls freundlich erscheinen und
Sie meiner im Guten und Lieben gedenken, wie ich nicht aufhöre,
mich jener Zeiten zu erinnern, wo das noch vereint wirkte, was
nachher sich trennte.
Möge sich in den Armen des allliebenden Vaters alles wieder
zusammen finden.
wahrhaft anhänglich
Weimar den 17. Apr. 1823. Goethe.


Anmerkungen

_Der erste Brief._ Adresse: _Der theuern Ungenandten_. Goethe
weiß somit noch nicht, mit wem er es zu tun hat; siehe die
Adresse des zweiten Briefes. Sein Schreiben hat er sicherlich
durch die Brüder Stolberg befördert, durch deren Vermittlung
er auch Gustchens anonymen Brief Mitte Januar erhalten haben
wird. -- _Musste er Menschen machen nach seinem Bild_: 1. Mos.
1, 26. -- _wenn wir Brüder finden_: »Brüder« prägnant für das
allgemeinere »Geschwister«; Goethe meint eben seine unbekannte
Korrespondentin.
_Der zweite Brief._ Adresse: _Der teuern Ungenannten_. Doch geht
aus dem letzten Absatz des Briefes hervor, daß dem Schreiber
Namen und Aufenthaltsort Gustchens (durch deren Brüder?) bekannt
geworden sind; der dritte Brief redet sie an »liebe Auguste«;
siehe auch die Adresse des vierten. -- _einer niedlichen
Blondine_: Lili Schönemann (geb. 23. Juni 1758), die Tochter
eines vermögenden Frankfurter Bankherrn, die Goethe zu Anfang
des Jahres kennen gelernt hatte. Die Schilderung, die er hier
von dem Gesellschaftstreiben im Hause der Geliebten entwirft,
kehrt wieder im Gedichte »An Belinden« (»Warum ziehst du mich
unwiderstehlich Ach, in jene Pracht?«): »Bin ich's noch, den
du bei so viel Lichtern An dem Spieltisch hältst? Oft so
unerträglichen Gesichtern Gegenüber stellst?« -- _dumpfe tiefe
Gefühle_: »dumpf« ein Lieblingswort des jungen Goethe zur
Bezeichnung gefühlsschwerer, ahnungsvoller, unruhig treibender
und schwellender Seelenstimmung. -- _Dramas_: Claudine von Villa
Bella, Erwin und Elmire (vgl. S. 22), Stella (vgl. S. 18, 34),
Faust (vgl. S. 30).
_Der dritte Brief._ -- _Auf dem Land bey sehr lieben Menschen_:
in Offenbach oberhalb Frankfurts in der Familie des Komponisten
Johann André (1741-1799), der, ursprünglich Seidenfabrikant,
seit 1774 dort einen Musikverlag besaß; er hat Goethes »Erwin
und Elmire« komponiert. Zu dem Offenbacher Kreise gehörte ferner
der Kaufmann Jean George d'Orville, ein Onkel Lilis, mit seiner
Gattin Jeanne Rahel, geb. Bernard, sodann der reformierte
Pfarrer Joh. Ludw. Ewald (1747-1822), der sich späterhin,
vom Rationalismus zu biblisch-positivem Glauben bekehrt, in
einflußreichen geistlichen Stellungen als gefälliger, lebhafter,
vielseitiger, aber allzu redseliger Vielschreiber, namentlich
auf pädagogischem Gebiet im Sinne Pestalozzis, beträchtliche
Verdienste um Bildung und Gesittung des Volkes erworben hat.
Siehe S. 30, 31. -- _in Erwartung_: Lilis, die etwa am 9.
eingetroffen sein wird. -- _Heut ist der 6. März_: nein! Goethe
schreibt am 7., einem Dienstag, an dessen Morgen er nach
Offenbach hinausgewandert war. -- _aufgewegt_: veraltete Form
statt »aufgeregt«, »erregt«. -- _an meine Schwester schreiben_:
Schwester Cornelia, seit 1. November 1773 mit Joh. Georg
Schlosser vermählt, lebte seit Ende Juni 1774 in Emmendingen
(Baden), wo ihr Gatte, zunächst vertretungsweise, dann (seit Juni
1775) als Oberamtmann, der Regierung der badischen Markgrafschaft
Hochberg vorstand. -- _Lavaters Phisiognomischer Glaube_: Joh.
Kaspar Lavater (1741-1801), Diakonus in Zürich, seit 1775 Pfarrer
an der Waisenhauskirche daselbst, Schriftsteller tiefster
Empfindung und verstiegenen Ausdrucks, in wundergläubiger
Christusschwärmerei und religiöser Überspannung befangen, begabt
mit dem Zauber hinreißender persönlicher Liebenswürdigkeit und
der Werbekraft enthusiastischer Überzeugung, suchte in seinen
vierbändigen »Physiognomischen Fragmenten« dem Versuche, die
Linien des Menschengesichtes für Erkennung des Charakters zu
verwerten, wissenschaftliche Methode zu geben; Goethe, seit
August 1773 mit ihm in Verbindung, hatte ihn hierin durch
Zeichnungen und Silhouetten, namentlich aber auch durch
Charakterschilderungen und Profildeutungen unterstützt. --
_schick ich Ihnen eins geschrieben_: Stella (vgl. S. 16). --
_Freu[den] und Kinder_: die zweite Silbe des ersten Wortes hat
Goethe beim Übergang von einer Zeile in die folgende irrtümlich
ausgelassen: Freu-. Die Schrift ist nicht deutlich; »Frau-« oder
»Frauen« steht jedenfalls _nicht_ da. Wenige Zeilen weiter nennt
Goethe seine Arbeiten die »aufbewahrten Freuden seines Lebens«.
-- _seziren meines armen Werthers_: Goethe denkt namentlich
an die im Januar erschienene »Berichtigung der Geschichte des
jungen Werthers« des früheren Juristen in Wetzlar, damaligen
hannoverschen Gardeleutnants Karl Wilh. Frhr. v. Breidenbach
(1751-1813). -- _Berliner ppp Hundezeug_: die von dem Berliner
Buchhändler und Aufklärungsschriftsteller Friedrich Nicolai
(1733-1811) verfaßten »Freuden des jungen Werthers«, gleichfalls
im Januar 1775 herausgekommen; in diesem geschickt geschriebenen
Erzeugnis hausbackener Nüchternheit, das von Goethe zeitlebens
eines besonderen Grimmes gewürdigt worden ist, wurden Werthers
Pistolen »mit 'ner Blase voll Blut« geladen, das den Helden beim
Schusse aufs schmählichste besudelt; »'s von 'em Huhn, das heute
Abend mit Lotten verzehren solt«, tröstet ihn Albert, der ihm
Lotten zu nicht immer erfreulich ausfallender Ehe abtritt. --
_die Kinder tollen_: des Ehepaares André. -- _Paradiesgärtlein_:
des braunschweigisch-lüneburgischen Generalsuperintendenten
Joh. Arndt in Celle (1555-1621) viel benutzte erbauliche
Sammlung von Gebeten und Gebetliedern »Das Paradiesgärtlein voll
christlicher Tugenden«. -- _Bergere_: Sofa. -- _Stube_: Goethes
dreifenstriges, der Straße zugekehrtes Wohnzimmer im Dachgeschoß
des väterlichen Hauses.
_Der vierte Brief._ Adresse: _Augusten_. -- _zu einem
verdrüslichen Geschäfft_: doch wohl seiner Anwaltspraxis. --
_beygehendes Zettelgen_: ist verloren. -- _Ehlers_: Martin Ehlers
(1732-1800), damals Gymnasialrektor zu Altona, später Professor
in Kiel, pädagogisch-philosophischer Schriftsteller; ein Brief
an ihn ging am 14. April ab. -- _innigen Freundin_: v. Oberg,
Stiftsdame im Stifte Ütersen (unterhalb Altona unweit vom rechten
Ufer der Elbe). -- _Fieber_: zu Gustchens Krankheitsanfällen
siehe noch S. 34.
_Der fünfte Brief._ In der Zeit dieses Briefes (April)
ist Goethes Verhältnis zu Lili durch die Einwilligung der
beiderseitigen Familien zur förmlichen Verlobung gediehen.
-- _Liedgen_: die Arie Erwins »Ihr verblühet süße Rosen« aus
»Erwin und Elmire« (vgl. S. 16), für die Goethes Freund, der
Frankfurter Komponist Philipp Kayser (1755-1823), eine Melodie
des französischen Opernkomponisten A. E. Grétry (1741-1813)
umgebildet hatte. -- _Ihre Brüder kommen_: aufgefordert von
ihrem Göttinger Studiengenossen, dem Baron Kurt v. Haugwitz, dem
späteren Grafen und preußischen Minister (1752-1831), hatten sich
die Grafen Christian und Friedrich Leopold zu einer Reise in die
Schweiz entschlossen. Sie trafen etwa am 9. Mai in Frankfurt
ein, wo sie von Haugwitz erwartet wurden. Gleich nach ihrer
Ankunft erschien Goethe bei ihnen. Er erklärte sich alsbald
bereit, die neuen Freunde auf ein großes Stück des geplanten
Weges zu begleiten; er hoffte im Wechsel frischer Natureindrücke
sein stürmendes Herz zu beruhigen und durch eine Trennung seine
quälend-beseligenden Gefühle für Lili sich klären und entscheiden
zu lassen. Am 14. Mai 1775 ward die Reise angetreten. -- _zweiten
Band der Iris_: die von dem Anakreontiker Joh. Georg Jacobi
(1740-1814) in Düsseldorf herausgegebene Vierteljahrsschrift
»Iris« enthielt in des zweiten Bandes erstem Stück (Januar 1775)
das Gedicht »Kleine Blumen, kleine Blätter«, das »Maifest« (»Wie
herrlich leuchtet«) und den »Neuen Amadis« (»Als ich noch ein
Knabe war«), in des zweiten Bandes drittem Stück (März 1775)
außer »Erwin und Elmire« die Gedichte: »An Belinden« (»Warum
ziehst du mich unwiderstehlich«, vgl. S. 50), »Neue Liebe, neues
Leben« (»Herz, mein Herz, was soll das geben«), »Willkommen und
Abschied« (»Es schlug das Herz, geschwind zu Pferde«).
_Der sechste Brief._ Ein unvollendeter Brief, der vielleicht
mit dem siebenten, wenn nicht noch später abgeschickt worden
ist. -- _Wie weit ists nun_: Gustchen war von einer Reise
nach Hamburg nach Kopenhagen zurückgekehrt. -- _wieder in
Franckfurt_: seit dem 22. Juli. Die Briefe, die Goethe von der
Reise an Gustchen gerichtet haben wird, sind nicht überliefert.
-- _in Zürch getrennt_: etwa am 6. Juli. Die Stolberge setzten
durch die Schweiz ihre Reise fort, die sie an den Comer und
Genfer See führte. -- _im Wolckenbade_: auf dem St. Gotthard.
-- _Ich litt mit ihm_: in Straßburg (am 25. Mai) hatte Fritz
Stolberg die Nachricht erhalten, daß Sophie Hanbury, eine junge
Engländerin in Hamburg, der er seine Liebe gewidmet, seine
Neigung nicht erwidern könne: vgl. S. 25. -- _Gräfin Bernsdorf_:
Gustchens Schwester Henriette Friederike, die erste Gattin des
hochverdienten dänischen Ministers Andreas Petrus Bernstorff
(1735-1797), dem nach dem Tode der Schwester (1782) Gustchen dann
selbst die Hand zur Ehe gereicht hat. -- _Zettelgen_: gemeint ist
nicht etwa eine Beilage, sondern der ganze sechste Brief.
_Der siebente Brief._ -- _Hier_: in Offenbach, im Hause
d'Orvilles, vor Lilis Schreibtisch. -- _der Brief liegt in der
Stadt_: jedenfalls Brief Nr. 6 (S. 23), der dann gelegentlich mit
dem Vermerk: »Hier ein altes verlohrnes Zettelgen« abgeschickt
worden ist. -- _Ihm ist wohler_: weil für ihn die Entscheidung
gefallen (vgl. S. 23). -- _Schlacht bey Bergen_: am 13. April
1759 zwischen Herzog Ferdinand von Braunschweig und den Franzosen
unter Marschall Broglie; sie ward die Ursache des im dritten
Buche von »Dichtung und Wahrheit« geschilderten Zusammenstoßes
zwischen Goethes Vater und dem Königsleutnant Grafen Thoranc. --
_Pannier_: Reifrock. -- _vier Heumans Kinder_: die vier Genossen
der Schweizer Reise, die gleich Rainald von Montalban und seinen
drei Brüdern, den Helden der »Schönen Historie von den vier
Haimonskindern, samt ihrem Roß Bayart« auf Abenteuer ausgezogen
waren. Nach der Mutter der Haimonskinder hat Goethes Mutter den
Namen »Frau Aja« erhalten. -- _stechen lassen_: die Silhouetten
Goethes, der Stolberge, des Barons v. Haugwitz finden sich in
Lavaters »Physiognomischen Fragmenten«, im dritten Versuch
(1777), auf der Kupfertafel zu S. 35. -- Statt der Unterschrift
ein Schnörkel.
_Der achte Brief._ -- _Schlang im Grase_: nach dem Worte des
Vergil: #latet anguis in herba# (Bucol. 3, 93). -- _Trompte_:
veraltet statt »Trompete«. -- _Ubalds Schild_: in Tassos
»Befreitem Jerusalem« erkennt Rinaldo, den die schöne Zauberin
Armida in Liebe und Wohlleben gefesselt hält, in dem ihm
vorgehaltenen demantenen Schilde des Ritters Ubaldo sein
durch Tand und weibischen Putz entwürdigtes Wesen. -- _zwey
Fürstinnen_: vermutlich die verwitwete Markgräfin Sophie Karoline
von Brandenburg-Bayreuth (geb. 1737) und die verwitwete Herzogin
Charlotte Amalie von Sachsen-Meiningen (geb. 1730). -- _iunges
Paar_: Pfarrer Ewald (vgl. S. 17) hatte sich am 10. September mit
Rachel Gertrud du Fay, der Tochter eines Frankfurter Kaufmanns,
vermählt. Zur Hochzeitfeier hatte Goethe das »Bundeslied« (»In
allen guten Stunden«) gedichtet. -- _iunge Frau liegt auf
dem Bette_: Frau André, die am 6. Oktober einen Knaben (Joh.
Anton) zur Welt brachte. -- _Verliebelte ... mit einem Mädgen_:
Lottchen Nagel, ein Mädchen anscheinend niederen Standes, in
ärmlicher, kellerartiger Behausung wohnend, aber wohl durch
Anmut, Ursprünglichkeit und urwüchsigen Geist den naturhungrigen
Genossen der Frankfurter Geniezeit ein Gegenstand verliebter
Bewunderung. Goethe hat sogar die Grafen Stolberg bei ihr
eingeführt, an sie das Gedicht »An Lottchen« (»Mitten im Getümmel
mancher Freuden«) gerichtet. -- _Ratte die Gift gefressen_:
Umschreibung des Liedes »Es war eine Ratt im Kellernest« in der
Szene »Auerbachs Keller« des »Faust«. Aus dieser Übereinstimmung
ist nicht zu schließen, daß die »Faust«-Szene, die Goethe am
Morgen gedichtet, eben die Szene »Auerbachs Keller« gewesen sei.
-- _war Lili hier_: zum Hochzeitfeste Ewalds. -- _süsen Geschöpfe
zu lieb_: unbestimmbare Persönlichkeit; vgl. S. 33. -- _Geist der
reinheit_: man gedenkt der Worte, die Goethe in sein Weimarer
Tagebuch unterm 7. August 1779 eingeschrieben: »Möge die Idee des
Reinen, die sich bis auf den Bissen erstreckt, den ich in Mund
nehme, immer lichter in mir werden.«
_Der neunte Brief._ Unmittelbare Fortsetzung des achten, begonnen
am 20. September. In den letzten Tagen des Septembers scheint
sich das Verhältnis zu Lili endgültig gelöst zu haben. Lili hat
sich 1778 mit dem Bankherrn Bernhard Friedrich v. Türckheim in
Straßburg vermählt. Die Charakterstärke und Seelengröße, die sie
später in den Stürmen der Französischen Revolution als Gattin und
Mutter bewährt hat, zeigen, daß Goethe die Liebeskraft seines
Dichterherzens an keine Unwürdige verschwendet hat. Sie ist 6.
Mai 1817 gestorben. -- _Prinzen von Meinungen_: Herzog August
Friedrich Karl von Sachsen-Meiningen (1754-1782) und sein Bruder
Georg Friedrich (1761-1803), die mit ihrer Mutter (vgl. S. 28) in
Frankfurt weilten. -- _ums Thor_: um die Stadtmauer. -- _Manns
von Geist_: nicht bestimmbar. -- _tolles Zeug_: vermutlich jenes
Mißverständnis, das Goethe (mit irrtümlicher Festsetzung des
Zeitpunktes?) im 20. Buch von »Dichtung und Wahrheit« erzählt.
Am 11. Dezember 1774 hatte Goethe den Erbprinzen Carl August von
Sachsen-Weimar und Eisenach (1757-1828) kennen gelernt. Am 3.
September 1775 großjährig geworden und zur Regierung gelangt,
weilte Herzog Carl August wiederum etwa 20.-22. September in
Frankfurt, auf der Durchreise nach Karlsruhe, wo am 3. Oktober
seine Vermählung mit der Prinzessin Luise von Hessen-Darmstadt
(1757-1830) stattfand. Für den 22. September nun hatte Goethe
eine Einladung zur Tafel von den Prinzen von Meiningen erhalten,
glaubte jedoch, es handele sich um eine Einladung zu Carl August.
Er suchte diesen auf, fand ihn bei den Prinzen von Meiningen,
von denen sich Carl August zur Weiterfahrt verabschieden wollte,
und verließ mit ihm die Prinzen nach kurzem Besuch, um dann
selbst auf der Straße vom Herzog, der den Reisewagen bestieg,
entlassen zu werden. -- _erwarte den Herzog v. Weimar_: der mit
seiner Gemahlin am 12. Oktober wiederum in Frankfurt eintraf. --
_nach Hamburg_: Goethe wollte mit den Grafen Stolberg, die, von
ihrer Schweizer Reise (vgl. S. 23) zurückkehrend, ihn in Weimar
abholen sollten, Klopstock und Gustchen besuchen. -- _Weimar_:
hier war er am 7. November angekommen. -- _erwarte deine Brüder_:
sie langten am 26. November in Weimar an und verließen es am
3. Dezember 1775, ohne Goethe, der, vom Herzog zurückgehalten,
dann am 11. Juni 1776 aus einem Gaste des Herzogs als Geh.
Legationsrat sein vertrauter Beamter geworden ist.
_Der elfte Brief._ -- _Kranck_: die Nachricht von der schwerem
Erkrankung Gustchens im März 1776 hat Goethe vermutlich
durch Fritz Stolberg erhalten; noch Ende April war sie nicht
ganz wiederhergestellt; vgl. S. 22. -- _Stella_: vgl. S. 16;
Ende Januar 1776 hatte Goethe die gedruckten Exemplare dieses
»Schauspieles für Liebende« erhalten und wird alsbald eines an
Gustchen gesendet haben. -- _Mittwoch nach Ostern_: 10. April.
_Der zwölfte Brief._ -- _das ist alles was ich thun kann_:
um sie, die in ihrem Briefe vermutlich ihrer Sorge über
das angeblich wilde Weimarer Treiben (vgl. S. 40) Ausdruck
gegeben hatte, durch genaue Darstellung seines Lebens von der
Haltlosigkeit des bösen Gerüchtes zu überzeugen.
_Der dreizehnte Brief._ -- _In meinem Garten_: in unmittelbarer
Nähe des Parks, am Abhang eines mäßigen Höhenzuges, unweit des
rechten Ilmufers gelegen, ein Geschenk des Herzogs, das Goethe
am 21. April 1776 in Besitz genommen hat. -- _Rittmeister_:
Friedr. Ernst v. Lichtenberg, Rittmeister des weimarischen
Husarenkorps. -- _Frau v. Stein_: Goethe hat sie Mitte November
1775 kennen gelernt. -- _Ihr Mann_: Oberstallmeister des
Herzogs Frhr. Gottlob Ernst Josias Friedrich v. Stein auf
Kochberg (1735-1793). -- _ihr Bruder_: der Regierungsrat Ernst
Karl Constantin v. Schardt. -- _Ilten_: Karoline v. Ilten und
ihre Schwester Sophie. Karoline stand in leidenschaftlichen
Beziehungen zum Prinzen Constantin, die vom Herzog mißbilligt
wurden: Sophie ist 1778 Gattin des Rittmeisters v. Lichtenberg
geworden. -- _Herzoginn Mutter_: Anna Amalia (1739-1807). -- _dem
Prinzen_: Carl Augusts jüngerer Bruder Constantin (1758-1793).
-- _Ich hab das ausgestrichen_: ausgestrichen ist im Briefe
von »mich dahin zu stellen« (Seite 36, 3. Zeile v. u.) bis
»als Vorbereitung an«. -- _Philipp_: Goethes vertrauter Diener
Philipp Seidel. -- _Krause_: Georg Melchior Kraus, der Leiter der
Weimarer Zeichenschule. -- _Guiberts Tacktick_: des französischen
Generals und Militärschriftstellers Jacques Antoine Hippolyte
Grafen v. Guibert (1743-1790) damals vielbeachteter zweibändiger
#»Essai général de tactique«#. -- _eines meiner Freunde_:
vielleicht Joh. Heinrich Jung, gen. Stilling (1740-1817), der,
ursprünglich Schneidergeselle, in Straßburg, wo er Goethes
Tischgenosse gewesen, Medizin studiert hatte und damals als Arzt
in Elberfeld lebte. Goethe hat seine von tiefster religiöser
Empfindung getragene Selbstbiographie 1777 zum Druck befördert.
-- _Tiefurt_: unterhalb Weimars am linken Ilmufer. -- _Friz wird
gute Tage mit uns haben_: vom Herzog zum Kammerherrn ernannt,
wurde er zum Antritt seines Amtes in Weimar erwartet; vgl. S.
40. -- _in ihrer Einsamkeit_: Cornelia fühlte sich in ihrer Ehe
nicht glücklich. -- _Habe viel ausgestanden_: durch den leitenden
Minister Jacob Friedrich v. Fritsch, der sich der Anstellung
Goethes widersetzte, und durch die Liebe zu Charlotte v. Stein.
_Der vierzehnte Brief._ -- _Von Friz .. noch keinen Brief_: Fritz
wurde von der Übernahme seiner Weimarer Verpflichtung durch
Klopstock abgehalten, den übertreibende Gerüchte vom zügellosen
Leben des Herzogs und seines Freundes erregt hatten. -- _kleine
Reise_: nach Ilmenau.
_Der fünfzehnte Brief._ -- _Todt meiner Schwester_: Cornelie
war am 8. Juni 1777 gestorben. -- _Henrietten_: die Gräfin
Bernstorff, Gustchens Schwester (vgl. S. 23, 27). -- _Christels
Frau_: Luise, geb. Gräfin Reventlow.
_Der sechzehnte Brief._ -- _Jungen_: der Weimarer Kammerherr Karl
Friedr. Sigismund Frhr. v. Seckendorff (1744-1785).
_Der siebzehnte Brief._ -- _Schardt_: Sophie Friederike Eleonore
v. Schardt, als Gattin des Regierungsrates v. Schardt (vgl.
S. 36) Schwägerin der Frau v. Stein, war als Tochter des
Kanzleidirektors Andreas v. Bernstorff in Hannover mit Gustchens
Schwager und späterem Gatten, dem Grafen Andr. Petr. Bernstorff
verwandt.
_Der achtzehnte Brief._ -- _kleinen Schardt_: vgl. S. 42. --
_Geburtstag_: 7. Januar. -- _neuen Paare_: Fritz Stolberg hatte
sich mit Agnes v. Witzleben verlobt.
_Gräfin Auguste an Goethe._ -- _heiß beweinten, so vermißten
Brüder_: Friedrich Leopold war am 5. Dezember 1819, Christian am
18. Januar 1821 gestorben. -- _#the Songs of other times#_ --
_die Harfe von Selma_: Anspielung auf die Ossian-Übersetzung,
die Goethe seinem »Werther« eingefügt hatte. -- _das Geliebte
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