Geschichte des Prinzen Biribinker - 6

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ihrer überirrdischen Schönheit ausser sich selbst gesetzt schienen.
/Biribinker/ wußte nicht, ob er die Schönheit des Gegenstands, oder
die Kunst der Mahlerey am meisten bewundern sollte, und mußte sich
selbst gestehen, daß /Titian/ und /Guido/ gegen die Salamandrischen
Mahler in Absicht des Colorit nur Sudler seyen. Der Eindruck, den
dieses Gemählde auf ihn machte, war so lebhaft, daß er mit äusserster
Ungedult diejenige zu sehen wünschte, die in einem leblosen Nachbilde
schon so unwiderstehliche Begierden einflößte. Er durchsuchte also eine
Menge von Zimmern, ohne daß er jemand fand, er durchsuchte den ganzen
Pallast von oben bis unten, und wiederhohlte es zwey oder dreymal; aber
da war keine Seele zu hören noch zu sehen. Endlich ward er einer halb
geöfneten Thüre gewahr, die in den ausserordentlichsten Lustgarten
führte, den er jemals gesehen hatte. Alle Bäume, Gewächse und Blumen,
Alleen, Lauben und Springbrunnen in diesem Garten waren von lauterm
Feuer, jedes brannte in seiner natürlichen Farbe, mit einem eben so
anmuthigen als durchdringenden Glanz, und die Würkung, die das Ganze
machte, übertraf in der That alles, was sich die Einbildungs-Kraft
prächtiges vorstellen kan.
/Biribinker/ warf nur einen flüchtigen Blick auf dieses majestätische
Schauspiel, denn er gewahrte am Ende des Gartens einen Pavillion, in
welchem er seine schöne Salamandrin zu finden hofte. Er flog dahin,
und die Thüre öfnete sich abermal von selbst, um ihn durch einen
grossen Saal in ein Cabinet einzulassen, wo er niemand sah als einen
Greisen von majestätischem Ansehen, mit einem langen schneeweissen
Bart, der auf einem Ruhebette in tiefem Schlafe zu liegen schien. Er
zweiffelte nicht, daß es der alte /Padmanaba/ sey, und ob er gleich
versichert war, daß er keine Gewaltthätigkeit von ihm zu besorgen
hatte, so konnte er sich doch nicht erwehren, ein wenig zu zittern, da
er sich, mit den Absichten, die er hatte, so nah bey diesem Zauberer
und an einem Orte sah, wo alles demselben zu Gebot stund. Doch der
Gedanke, daß ihn das Schicksal nun einmal dazu ausersehen habe, die
Bezauberungen des Padmanaba zu zerstören, und das Verlangen, die schöne
Salamandrin zu sehen, gaben ihm in wenig Augenblicken seinen ganzen
Muth wieder. Er war im Begriff sich dem Ruhebette zu nähern, um sich
eines Säbels zu bemächtigen, der neben dem Alten auf einem Küssen lag,
als er merkte, daß er mit dem Fuß an etwas stieß, ob er gleich nicht
sahe, was es seyn könnte. Er stutzte, und da er die Hände zu Hülfe
nahm, so fühlte er den artigsten kleinen Fuß, der je gewesen ist, auf
einem Polster ausgestreckt. Eine so unverhofte Entdeckung machte ihn
neugierig, das Bein kennen zu lernen, dem ein so artiger Fuß zugehörte;
denn /Biribinker/ schloß in diesem Falle wie Sanct Thomas von Aquino
selbst geschlossen haben würde, nehmlich, daß, wo man einen Fuß finde,
man nach dem ordentlichen Lauf der Natur berechtiget sey ein Bein
zu erwarten. Er setzte also seine Beobachtungen fort, und entdeckte
endlich von Schönheit zu Schönheit in der unsichtbaren Figur, die er
vor sich hatte, ein junges Frauenzimmer, die in einem tiefen Schlaf
versenkt zu seyn schien, und (nach dem Zeugniß des einzigen Sinnes, der
ihm ihr Daseyn verrathen hatte, zu urtheilen) von einer so vollkommenen
Schönheit war, daß sie nichts geringers als entweder Venus oder die
schöne Salamandrin selbst seyn konnte. In dem nehmlichen Augenblick,
da er diese Entdeckung machte, ließ sich eine muntere Symphonie von
allen möglichen Instrumenten hören, ohne daß man weder Instrumente noch
Musicanten sah.
/Biribinker/ erschrack und bebte von der schönen Unsichtbaren zurück,
denn sein erster Gedanke war, daß dieses Getöse den schlafenden
Zauberer aufwecken würde; aber er entsetzte sich noch weit mehr, da er
sah, daß /Padmanaba/ verschwunden war.
Dieser Zauberer war alt genug um klug zu seyn; er wußte schon lange,
wie gefährlich ihm /Biribinker/ einst seyn würde, und die Furcht
vor einem Prinzen, der dazu gebohren schien, seine Bezauberungen
aufzulösen, war der stärkste Beweggrund gewesen, warum er seine
Residenz in des Wallfisches Bauch aufgeschlagen hatte. Allein auch
in dieser Freystatt hielt er sich und seine schöne Salamandrin, die
nun der einzige Gegenstand seiner Sorgen war, nicht für sicher genug;
und da ihm eine geheime Ahnung vorher sagte, daß ihn /Biribinker/ bis
in des Wallfisches Bauch verfolgen würde, so glaubte er nicht genug
Vorsicht gebrauchen zu können, um das Unglück zu verhüten, womit ihn
die überraschende Erscheinung eines so furchtbaren Gegners bedräute.
In dieser Absicht hatte er seine Geliebte mit einem geheimnisvollen
Talisman bewafnet, der die gedoppelte Eigenschaft hatte, sie allen
andern Augen als den seinigen unsichtbar zu machen, und so bald
er berührt wurde, eine zauberische Musik hervor zu bringen. Käme
auch Biribinker, (dachte der alte Padmanaba) aller Schwierigkeiten
ungeachtet, in den Bauch des Wallfisches, ja selbst in den unsichtbaren
Pallast, so würde ihm doch die schöne Salamandrin unsichtbar seyn;
und entdeckte er sie auch, trotz ihrer Unsichtbarkeit, so würde
doch, so bald er den Talisman berührte, das musicalische Getöse sein
Daseyn verrathen, und ihn /Padmanaba/ noch zeitig genug in den
Stand setzen, seinem Unstern zuvor zu kommen. Diese Vorsicht war
desto nöthiger, da der gute Alte seit mehrern Jahren mit einer Art
von Schlafsucht behaftet war, die ihn nöthigte, alle Tage wenigstens
sechszehen Stunden von vier und zwanzig zu verschlafen. Das geringe
Zutrauen, das ihm seine vorige Liebste zu ihrem ganzen Geschlecht übrig
gelassen hatte, bewog ihn, die schöne Salamandrin während der ganzen
Zeit seines Schlummers in einen bezauberten Schlaf zu versenken, aus
welchem niemand als er sie erwecken konnte. Der einzige /Biribinker/
würde unter gewissen Umständen und Bedingungen, die nehmliche Macht
gehabt haben, und /Padmanaba/, (so wollt es das Schicksal!) würde in
eben demselben Augenblick die seinige, wenigstens über die schöne
Salamandrin gänzlich verlohren haben; und da alles dieses während
daß der Alte schlief, gar leicht hätte begegnen können, so hatte
er den Talisman, der ihn erwecken sollte, so weißlich angebracht,
daß /Biribinker/, (in so fern man ihm auch nur eine mittelmäßige
Neugierigkeit zutrauen konnte) ihn nothwendig finden mußte.
Kaum hatte /Biribinker/, in dem nehmlichen Augenblick, da er entdeckte,
daß der schöne Fuß (der zu diesem Abentheuer Anlaß gegeben) einem eben
so schönen jungen Frauenzimmer zugehöre, den fatalen Talisman berührt,
so fieng, wie schon gemeldet worden, der Talisman zu musiciren an, und
/Padmanaba/ erwachte. Er warf, wie leicht zu erachten ist, keinen sehr
freundlichen Blick auf unsern Prinzen; allein, da er mit Gewalt nichts
gegen ihn vermochte, so blieb ihm nichts übrig, als sich auf der Stelle
unsichtbar zu machen, und mit aller nur möglichen Eilfertigkeit auf die
Verhinderung des Vorhabens bedacht zu seyn, welches er, ohne in einem
übertriebenen Grad argwöhnisch zu seyn, bey /Biribinker/ voraus setzen
konnte.
Inzwischen hatte sich dieser Prinz, dem es bey Gelegenheit nicht an
Muth fehlte, wieder aus der ersten Bestürzung erhohlt, worein ihn das
unsichtbare Concert und die Verschwindung des /Padmanaba/ gesetzt
hatten. So gefährlich als es ihm schien, in einem solchen Ort gar zu
neugierig zu seyn, so wollte er doch wissen, was aus dem alten Zauberer
geworden sey. Er suchte ihn also im Garten so wohl als in allen
Zimmern und Winkeln des Schlosses, nachdem er die Vorsicht gebraucht
hatte, sich vorher mit dem Säbel zu bewafnen, den /Padmanaba/ zurück
gelassen hatte, und auf dessen beyden Seiten er so viel talismannische
Figuren eingegraben fand, daß er sich mit diesem Gewehr vor dem
Zauberer /Merlin/ selbst nicht gefürchtet hätte. Da er aber weder den
Alten noch jemand andern finden konnte, so zweiffelte er nun nicht
länger, daß /Padmanaba/ entflohen sey, und ihm seinen Pallast und
seine Schöne zur Beute überlassen habe. In diesen Gedancken kehrte er
triumphirend zurück, warf seinen Säbel auf das Ruhebette, und sich
selbst zu den Füssen der liebenswürdigen Unsichtbaren, die er zu
seiner unbeschreiblichen Freude noch immer schlafend fand, ungeachtet
die Musik des berührten Talismans mit der angenehmsten Abwechslung
von Allegro und Andante immer fort daurte. Man weißt nicht, ob es den
zauberischen Einflüssen eines von diesen Andante, (welches in der
That nicht zärtlicher hätte seyn können, wenn es von /Jomelli/ selbst
gesetzt gewesen wäre) oder einem Zweifel, der (wie es zu gehen pflegt)
bey ihm entstund, ob er auch dem Zeugniß eines einzigen Sinnes glauben
dürfe, und ob nicht diese unvergleichliche Schöne, die er auf dem
Sopha gefunden zu haben glaubte, ein blosses Blendwerk seyn möchte,
dergleichen in bezauberten Pallästen nicht ungewöhnlich sind -- Man
weiß nicht, sage ich, ob es der einen oder der andern von diesen
Ursachen zuzuschreiben war, daß /Biribinker/ durch neue Beobachtungen
sich der Wahrheit eines so ausserordentlichen Phänomenons zu versichern
anfieng. In kurzem fügte er auch noch Versuche hinzu, und beydes so
wohl, als die heftigste Symptomen einer Leidenschaft, die in kurzem
bis zum äussersten Grad der Schwärmerey und des Taumels stieg, liessen
ihm endlich keinen Zweiffel mehr übrig, daß er würklich die schöne
Salamandrin in seinen Armen habe, deren sichtbare Gestalt ihn in den
Zimmern des Pallasts so sehr entzückt hatte. Dieser Gedanke, und das
bezaubernde Colorit, womit sein Gedächtniß die Unvollkommenheit des
fünften Sinnes ergänzte, dessen er sich alleine bedienen konnte, setzte
ihn zu sehr ausser sich selbst, als daß er sich in diesen Augenblicken
seines geliebten Milchmädchens, seiner Entschliessungen, und der
Warnungen des Kürbis hätte erinnern können. Kurz, er wurde immer
kühner, und die zunehmende Dunkelheit des Zimmers, die er für eine
Aufmunterung seiner Unternehmungen hielt, mit der Musik des Talismans,
welche immer zärtlicher wurde, war in der That nicht geschickt, seine
Entzückung auf einen mäßigern Grad herab zu stimmen. Es findet sich
hier eine abermalige kleine Lücke in dem Original dieser merkwürdigen
Geschichte, deren Ausfüllung wir den /Bentleys/ und /Scribleris/
unserer Zeit überlassen wollen, ohne uns auch nur mit Vermuthungen über
den Innhalt derselben aufzuhalten. /Biribinker/, fährt die Geschichte
fort, erwachte eben aus einer Betäubung, welche gewissen Indianischen
Philosophen so angenehm zu seyn scheint, daß sie in eine immerwährende
Dauer derselbigen den höchsten Grad der Glückseligkeit setzen, als
er gewahr wurde, daß die schöne Unsichtbare alle seine Liebkosungen
mit ungemeiner Lebhaftigkeit erwiederte. Er schloß hieraus, daß
sie erwacht seyn müsse, und unterließ nicht, ihr in der erhabenen
Sprache, die er sich im Bienenstock der Fee /Melisotte/ angewöhnt
hatte, alle die zärtlichen Sachen vorzusagen, welche Cristalline und
Mirabella in ähnlichen Umständen von ihm gehört hatten. Die Unsichtbare
beantwortete diese schönen Erklärungen, Lobsprüche, Ausruffungen und
Betheurungen mit Seufzern, Verkleinerung ihrer Reitzungen und Zweiffeln
an seiner Beständigkeit, die ein weniger entzückter Liebhaber als es
/Biribinker/ war, hätte unzeitig und im Mund einer so liebenswürdigen
Person unnatürlich finden können. Allein der Prinz, der in diesen
Augenblicken gar nicht aufgelegt war Schlüsse zu machen, begnügte
sich bloß, in dem gewöhnlichen Wege, wie man dergleichen Zweiffel zu
zerstreuen pflegt, die Beweise seiner Zärtlichkeit zu verdoppeln.
Sie gab ihm alle Aufmerksamkeit, die er nur immer wünschen konnte,
ohne desto besser überzeugt zu seyn. Haben sie nicht, sagte sie ihm,
Mirabellen und Cristallinen eben so geliebt wie mich? Haben sie nicht
einer jeden von ihnen eben so viel zärtliches vorgesagt, eben so viel
Betheurungen gemacht, eben so viele Beweise gegeben, ohne daß weder
die eine noch die andere, so reitzend sie ihnen auch in der ersten
Berauschung ihrer Sinnen vorkamen, fähig war, über das Milchmädchen,
das sie sich in den Kopf gesetzt haben, nur einen einzigen Tag lang
die Oberhand zu behalten. Ach! /Biribinker!/ das Schicksal meiner
Vorgängerinnen sagt mir nur allzu deutlich, was das meinige seyn
wird; und wie können sie verlangen, daß ich bey einer so traurigen
Gewißheit, sie in wenigen Stunden wieder zu verlieren, gleichgültig
bleiben soll? /Biribinker/ antwortete ihr hierauf mit den lebhaftesten
und feyerlichsten Versicherungen einer ewigen und eben so unbegrenzten
Liebe, als es ihre Reitzungen seyen. Er behauptete, daß sie sich
selbst beleidige, indem sie sich mit den beyden Feen vergleiche, die,
wie er sagte, nicht liebenswürdig genug gewesen waren, ihm etwas mehr
als einen flüchtigen Geschmack beyzubringen, und schwur ihr bey allen
Liebesgöttern, daß von dem Augenblick an, da er das Glück gehabt habe,
ihr Bild im grossen Saal zu erblicken, das Milchmädchen, welches sie
in so unnöthige Besorgnisse setze, nicht mehr Gewalt über sein Herz
gehabt habe, als ein jedes anders Milchmädchen in der Welt. Diese
Versicherungen beruhigten die schöne Unsichtbare nur schwach, und
/Biribinker/ sahe sich genöthigt alle seine Figuren zu erschöpfen, um
die Hartnäckigkeit ihres Unglaubens zu überwinden. O! rief er, schönste
Unsichtbare, warum kan ich nicht den ganzen Erdkreiß und alle vier
Elemente mit ihren Bewohnern auf einmal zu Zeugen der unveränderlichen
Treue machen, die ich ihnen schwöre! -- Wir alle sind Zeugen, rief eine
Menge von weiblichen und männlichen Stimmen, die ihm von Personen, die
um ihn herum stunden, in die Ohren schallten. /Biribinker/, der wohl
nicht vermuthet hatte, daß man ihn beym Wort nehmen würde, fuhr mit
einiger Bestürzung auf, und wollte sehen, woher diese Stimmen kämen;
aber o! Himmel! welche Zunge könnte beredt genug seyn, die Bestürzung
und das Entsetzen auszudrücken, worein ihn der Anblick setzte, den eine
plötzliche Erheiterung des Zimmers seinen weit ofnen Augen darstellte?
Er sah, o! Wunder! o! Abentheuer! o! schreckenvoller Anblick! er sahe
sich in eben dem Cabinet, welches schon zweymal ein Zeuge seiner
treulosen Unbeständigkeit gewesen war; an statt der schönen Salamandrin
fand er sich in die Arme der häßlichen /Gnomide/ verwickelt, welcher
er vor etlichen Stunden den Preiß zuerkannt hatte; und was seine
Beschämung und seinen Schmerz hätte tödlich machen mögen, er sah sich
um und um von allen denjenigen umgeben, die er sich am wenigsten zu
Zuschauern wünschen konnte, und sie waren grausam genug, in eben dem
Augenblick, da er sich mit grauemvollem Eckel aus den Armen seiner
mißgeschafnen Schönen loß wickeln wollte, in ein so lautes Gelächter
auszubrechen, daß der ganze Pallast davon wiederhallte. Zur Rechten des
Ruhbettes sahe er (o! wie gern hätte er sich in diesem Augenblick blind
und unsichtbar zu seyn gewünscht!) die Fee /Cristalline/, welche den
kleinen /Grigri/ an der Hand hatte; zur Linken die schöne /Mirabella/
mit ihrem geliebten /Flox/, der in der That als Salamander eine bessere
Mine hatte als in der Gestalt eines dicken Kürbis; aber was die Qual
des unglücklichen /Biribinkers/ auf den äussersten Grad vermehrte, war
der Anblick der Fee /Caprosine/ mit seinem schönen /Milchmädchen/, und
des alten /Padmanaba/ mit der schönen /Salamandrin/ an der Hand; welche
beyderseits auf einer goldfarbigen Wolke, die von kleinen Sylphen
getragen wurde, sassen, und mit höhnischem Lächeln auf ihn hinunter
sahen. Glück zu! Prinz /Biribinker/, sagte die Fee /Cristalline/;
in der That, nun vergebe ich ihnen, daß sie so ungedultig von mir
wegeilten; wer einer solchen Eroberung zueilt, kan sich nicht genug
beschleunigen. Sie erinnern sich noch wohl, Prinz /Biribinker/, nahm
jetzt /Grigri/ das Wort, daß ich eben keine Ursache habe mich ihnen
verpflichtet zu glauben; denn wenn es an ihnen gelegen wäre, so möchte
ich wohl ewig eine Hummel geblieben seyn; aber es wäre zu grausam,
ihrer in den Umständen, worinn sie sind, noch zu spotten. Sehen sie
selbige als eine Strafe an, die sie in mehr als einer Betrachtung
verdient haben. Wenn auch die Schöne, bey der wir sie auf eine so
unvermuthete Art überraschten, ihrer nicht von allen Seiten so würdig
wäre, als sie ist, fuhr /Mirabella/ mit einer boßhaften Mine fort, so
haben sie wenigstens den Vortheil, daß sie keine /Preciöse/ ist. Was
mich betrift, setzte der /gewesene Kürbis/ hinzu, so könnte ich zwar
bedauren, daß ich meine wieder erlangte Gestalt und den Besitz der
schönen /Mirabella/ ihrem Unglück zu danken habe; allein nachdem ich
als Kürbis großmüthig genug gewesen war, sie vor den Folgen einer neuen
Untreue zu warnen, so werden sie mich nicht verdenken können, wenn ich
mich als Salamander erfreue, daß sie meine Warnungen verachtet haben.
Siehe, unglücklicher, aber mit Recht bestrafter /Biribinker/, meckerte
jetzt die Fee /Caprosine/, wiewohl dich /Caramussal/ gegen meinen Zorn
geschützt hat. Siehe hier die liebenswürdige Princeßin /Galactine/,
die du als Milchmädchen liebtest, und deren Besitz ein allzu günstiges
Schicksal, alles meines Hasses ungeachtet, dir zugedacht hatte, wenn
du durch eine dreymal wiederhohlte Untreue dich ihrer nicht selbst
unwürdig gemacht hättest. Wenn Mitleiden dir helfen könnte, armer
Prinz, sagte das schöne Milchmädchen, so würdest du, so wenig du es
auch von mir verdient haben magst, weniger unglücklich seyn; denn ich
sehe wohl, daß deine Strafe härter ist als dein Verbrechen, und daß
die Feen und Zauberer wenigstens eben so viel Schuld an deinem Unfall
haben, als du selbst.
Bey diesen Worten sahe der allzu unglückliche /Biribinker/ auf, heftete
einen Blick voll unbeschreiblicher Empfindungen auf sein geliebtes
Milchmädchen, und sank mit einem Seufzer, worinn er seine Seele
auszuhauchen schien, wieder zurück, ohne das Vermögen zu haben, nur
ein Wort hervor zu bringen. Lerne, rief ihm der alte /Padmanaba/ von
der andern Seite zu, lerne, bewundernswürdiger /Biribinker/, seltnes
Muster der Weißheit und der Beständigkeit, daß der alte /Padmanaba/
nicht alt genug ist, deine Verwegenheit unbestraft zu lassen; und möge
deine Geschichte, in immerwährender Zeitfolge von einer Amme der andern
überliefert, der späten Nachwelt zum Beispiel dienen, wie gefährlich es
ist, den grossen /Caramussal/ um sein Schicksal zu befragen, und vor
seinem achtzehnten Jahr ein Milchmädchen zu sehen.
Kaum hatte /Padmanaba/ den Mund wieder zugethan, so hörte man auf
einmal ein fürchterliches Donnern, mit Sturmwind und Blitzen begleitet,
wodurch der ganze Pallast, wie in einem Erdbeben erschüttert, und die
ganze Gesellschaft, den einzigen verzweiflungsvollen /Biribinker/
ausgenommen, in Furcht gesetzt wurde! Denn selbst der alte Padmanaba
merkte, daß dieses Ungewitter von einer Macht herkomme, die der
seinigen überlegen war. Auf einmal flog die Decke des Zimmers und
das ganze Dach des Pallasts hinweg, und man sah, unter Donnern und
Blitzen, den grossen /Caramussal/, auf einem Hippogryfen sitzend,
herab steigen, und zwischen der Fee Caprosine und dem alten Padmanaba
seinen Platz auf einer Wolke nehmen. Der Prinz /Biribinker/ ist genug
gestraft, rief /Caramussal/ mit majestätischer Stimme; das Schicksal
ist befriediget, und ich nehme ihn in meinen Schutz. Verschwinde,
nichtswürdiger Wechselbalg, fuhr er fort, indem er die /Gnomide/ mit
seinem Stab berührte, und sie, Prinz Biribinker, wählen sie unter
diesen vier Schönen, welche sie wollen; die Salamandrin, die Sylphide,
die Ondine, oder die Sterbliche; diejenige, so ihr Herz wählen wird,
soll ihre Gemahlin seyn, und sie von der Unbeständigkeit heilen, die
bisher, wie man gestehen muß, ihr Fehler gewesen ist -- /Padmanaba/
würde, vor Verdruß über eine so unerwartete Entwicklung, gerne mit den
Zähnen geknirscht haben, wenn er welche gehabt hätte. Was die Schönen
betrift, so hatten sie alle ihre Augen mit Erwartung auf den Prinzen
geheftet, und besonders sahe man der jungen Salamandrin, die noch kein
Wort gesprochen hatte, ganz deutlich an, daß sie lieber gesehen hätte,
wenn der alte /Padmanaba/, an statt die garstige Gnomide an ihren Platz
zu schieben, ihr erlaubt hätte, ihre eigene Stelle selbst zu vertreten.
Aber /Biribinker/, der in einem Augenblick von dem äussersten Grad der
Schaam und der Verzweiflung auf den höchsten Grad der Glückseligkeit
übergieng, bedachte sich keinen Augenblick, wie er wählen wollte. Ob
gleich die elementarischen Damen sein Milchmädchen an Schönheit weit
hinter sich zurück liessen, so konnten doch alle ihre Reitzungen in
Gegenwart seiner geliebten Galactine mehr nicht als einen flüchtigen
Blick von ihm erhalten. Er warf sich vor dieser anmuthsvollen Creatur
nieder, und bat mit den Ausdrücken einer so aufrichtigen Reue, einer
so wahren Liebe um die Vergebung seiner Schuld, daß sie nicht so
unbarmherzig seyn konnte, ihm nicht wenigstens die Hofnung, daß sie
sich noch erbitten lassen werde, zu erlauben. /Caramussal/, dem er sich
gleichfalls zu Füssen warf, hob ihn auf, nahm ihn bey der Hand, und
führte ihn der Princeßin Galactine zu.
Empfangen sie hier, liebenswürdige Princeßin, den Prinzen /Cacamiello/
von meiner Hand, denn dieses ist nunmehr sein Name, da die Absichten,
warum ich ihm den andern geben ließ, erfüllt sind; /Biribinker/ und
/Milchmädchen/ sind nun nicht mehr, und nachdem beyde dem Eigensinn
ihres Gestirns genug gethan, und der Feerey ihre Gebühr bezahlt haben,
so bleibt mir nichts übrig, als den Prinzen /Cacamiello/ seinen
königlichen Eltern zurück zu geben, und durch ein ewiges Band mit der
Prinzeßin /Galactine/ zu vereinigen.
Ihr, schöne Feen, fuhr er fort, indem er sich zu Cristallinen und
Mirabellen wandte, habt, wie ich hoffe, Ursache mit mir vergnügt zu
seyn, da ihr durch meine Veranstaltung eure Gestalt und eure Liebhaber
wieder erhalten habt; weil es aber unbillig wäre, daß ich allein leer
ausgienge, so entlade ich hier den alten /Padmanaba/ aller seiner
Sorgen, indem ich die schöne Salamandrin, die bey ihm nichts zu thun
hat, als unsichtbar zu seyn und zu schlafen, zur Belohnung meiner Mühe,
für mich selbst behalte.
Mit diesen Worten schlug der grosse /Caramussal/ mit seinem Stabe
dreymal in die Luft, und auf einmal befand er sich mit dem Prinzen und
der Princeßin im Cabinet des Königs, der, wie man denken kan, eine
grosse Freude hatte, seinen Sohn und Erben so groß und schön mit einer
so schönen Princeßin und mit einem so schönen Namen wieder zu sehen.
Bald darauf wurde das Beylager mit grosser Feyerlichkeit und Pracht
vollzogen; das neue Ehepaar liebte sich so lange als es konnte, und
zeugete Söhne und Töchter; und nachdem endlich der alte König in
die /neunzehnte Welt/ abgereißt war, so regierte König /Cacamiello/
so weißlich an seiner statt, daß die Unterthanen keinen Unterschied
spürten.
Er machte seinen Freund /Flox/, zur Belohnung der guten Dienste, die er
ihm als Kürbis geleistet hatte, zu seinem ersten Vezier, und die schöne
/Mirabella/ nebst der Fee /Cristalline/ unterliessen niemals bey Hofe
zu erscheinen, so oft die Königin in die Wochen kam.
Sie brachten jedesmal den kleinen /Grigri/ mit, welcher, ungeachtet
seiner Häßlichkeit, bey den meisten Hof-Damen einen Beyfall erhielt,
der ihren Liebhabern nicht gleichgültig war.
Das muß man gestehen, sagten sie alle aus
einem Munde, daß /Grigri/ mit aller
seiner Häßlichkeit der kurzweiligste
Gesellschafter von der
Welt ist!


[Illustration: Ende]
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