Geschichte des Prinzen Biribinker - 5

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Nehmen sie mir nicht übel, antwortete der Kürbis, wenn mich diese Frage
zu lachen macht, (und in der That lachte er so laut, daß er wegen
seines kurzen Athems, der eine Folge seines gewaltigen Schmeerbauchs
war, eine gute Weile keuchen und husten mußte, bis er wieder reden
konnte.) Merken sie dann nicht, fuhr er fort, daß ich etwas bessers
seyn muß, als ich aussehe? Hat ihnen die schöne /Mirabella/ nicht von
einem gewissen Salamander gesagt, der das Glück hatte in gewissen
Umständen von dem alten /Padmanaba/ überrascht zu werden -- Ja wohl,
sagte /Biribinker/, sie sprach mir von einem gewissen geistigen
Liebhaber, der ihre Seele mit den Geheimnissen der Philosophie des
Averroes unterhielt, damit sie die kleinen Experimente nicht beobachten
möchte, die er indessen -- Sachte, sachte, rief der Kürbis, ich sehe,
daß sie mehr von mir wissen, als sie allenfalls nöthig gehabt hätten;
ich bin dieser Salamander, dieser /Flox/, der, wie ich sagte, und
wie sie schon wußten, so glücklich war, die schöne Mirabella wegen
der frostigen Nächte zu entschädigen, die sie mit dem alten Zauberer
zuzubringen genöthiget war. Die vorerwähnte Scene, wobey er die
Thorheit hatte, einen ungebetenen Zuschauer abzugeben, setzte ihn
in eine Art von Verzweiflung, ohne ihn von der Liebes-Krankheit zu
heilen, womit er lächerlicher Weise behaftet war. Sein Pallast, ja ein
jeder anderer Aufenthalt, den er, in welchem Element er gewollt hätte,
wählen konnte, wurde ihm verhaßt; er traute weder Sterblichen noch
Unsterblichen; Gnomen und Sylphen, Tritonen und Salamander waren ihm
alle gleich verdächtig; und er hielt sich nirgends sicher als in einer
gänzlichen und unzugangbaren Einsamkeit. Nach vielen andern Projecten,
die er eben so bald verwarf als machte, fiel ihm endlich ein, sich in
den Bauch des Wallfisches zurück zu ziehen, wo ihn, dacht er, gewiß
niemand suchen würde. Er ließ sich durch eine Anzahl Salamander einen
Pallast darinn erbauen, und damit sie ihn nicht verrathen könnten,
so verwandelte er sie, nebst mir, in eben so viele Kürbisse, mit der
Bedingung es so lange zu bleiben, bis der Prinz /Biribinker/ uns unsere
erste Gestalt wieder geben würde. Ich war der einzige von allen, dem er
den Gebrauch der Vernunft und der Sprache ließ, wovon die erste, wie er
glaubte, mir zu nichts nützen konnte, als mich durch die Erinnerungen
meiner verlohrenen Glückseligkeit zu peinigen, und die andere zu nichts
als manchem eiteln Ach! und O! oder Gesprächen, worinn ich die Mühe
nehmen müßte, mir die Antworten selbst zu geben. Allein in diesem
Stück betrog sich der weise Mann ein wenig, denn so ungünstig auch
immer die Figur und Organisation eines Kürbis zu Beobachtungen seyn
mag, so geschickt ist sie hingegen zu Betrachtungen _à priori_; und
mit alle dem entdeckt man doch in hundert Jahren nach und nach eines
oder anders, was entweder unsere schon gefaßte Hypothesen bestättiget,
oder uns auf die Spur einer neuen bringt. Kurz, ich bin der kleinen
Angelegenheiten des Herrn /Padmanaba/ so unkundig nicht als er
vielleicht denkt, und ich hoffe ihnen Anleitungen zu geben, wodurch
sie in den Stand gesetzt werden sollen, alle seine Vorsichtigkeit zu
vereiteln.
Ich würde ihnen sehr dafür verbunden seyn, erwiederte der Prinz; ich
weiß nicht was für einen sonderbaren Beruf ich in mir spüre, dem guten
/Padmanaba/ Streiche zu spielen; vermuthlich ist es der Einfluß meines
Gestirns, der mich dazu dahin reißt; denn ich wüßte nicht, daß er
mich jemals in seinem Leben persönlich beleidiget haben sollte. Ist
es nicht Beleidigung genug, sagte der Kürbis, daß er Ursache ist, daß
ihnen der grosse /Caramussal/, der auf der Spitze des Berges Atlas
wohnt, den Namen /Biribinker/ gegeben hat? einen Namen, der ihnen
bey ihrem geliebten Milchmädchen schon dreymal so fatal gewesen ist?
-- So ist also der alte Padmanaba schuld daran, daß ich Biribinker
heisse? fragte der Prinz voller Verwunderung; erklären sie mir doch ein
wenig, wie diese Dinge zusammen hangen; denn ich gestehe ihnen, daß
ich mir den Kopf schon oft vergeblich zerbrochen habe, um hinter das
Geheimniß meines Namens zu kommen, welchem ich, wie es scheint, alle
meine seltsame Begebenheiten zu danken habe. Insonderheit möchte ich
doch wissen, wie es zugeht, daß jedermann, wo ich hinkomme, bis auf die
Kürbisse, mich gleich bey meinem Namen nennt, und von allen Umständen
meiner Geschichte so gut benachrichtiget ist, als ob sie mir an der
Stirne geschrieben stünden.
Es ist mir noch nicht erlaubt, antwortete der Kürbis, ihre Neugier
über diesen Punct zu befriedigen; genug, daß es nur von ihnen abhängt,
sich vielleicht nach dieser Abrede ins Klare zu setzen. Die gröste
Schwierigkeit ist nun einmal überstanden; /Padmanaba/ dachte wohl
nicht, daß sie ihn im Bauch seines Wallfisches finden würden. Ich
bekenne ihnen aufrichtig, unterbrach ihn /Biribinker/, daß ich noch
weniger daran dachte, und sie werden gestehen müssen, daß er wenigstens
alles gethan hat, was möglich war, um seinem Schicksal zu entgehen.
Aber sie erwähnten eines Pallasts, den sich ihr Alter von Salamandern
in dieser Insel habe bauen lassen; ich denke wir sind hier in den
Gärten, die dazu gehören, warum sehe ich denn nirgends keinen Pallast?
Die Ursache ist ganz natürlich, antwortete der Kürbis; sie würden
ihn unfehlbar sehen, wenn er nicht unsichtbar wäre. Unsichtbar, rief
/Biribinker/; so wird er doch nicht unfühlbar seyn, hoffe ich? Das
nicht, antwortete /Flox/, aber da er aus gediegenen Flammen erbaut ist
----
Sie sagen mir von einem seltsamen Pallast, unterbrach ihn /Biribinker/
abermal; aber wenn er aus Flammen erbaut ist, wie kan er denn
unsichtbar seyn? Darinn besteht eben das wunderbare von der Sache,
antwortete der Kürbis; es mag nun möglich oder unmöglich seyn, so ist
es nicht anders; sie können den Pallast nicht sehen, wenigstens nicht
in dem Stande, worinn sie jetzt sind; aber gehen sie nur ungefehr zwey
hundert Schritte gerade fort, so wird die Hitze, die sie empfinden
werden, sie bald genug überzeugen, daß ich ihnen die Wahrheit sage.
Die ausserordentliche Dinge, welche /Biribinker/ bereits im Bauche
des Wallfisches gesehen hatte, (und was kan man auch im Bauch eines
Wallfisches anders erwarten als ausserordentliche Dinge?) hätten ihn
billig geneigt machen sollen, alles glaubwürdig zu finden, was man
ihm sagte; dem ungeachtet war er dißmal so eigensinnig, daß er nur
sich selbst glauben wollte. Er gieng also auf den unsichtbaren Pallast
zu; aber kaum war er hundert Schritte fortgegangen, so spürte er
bereits einen merklichen Grad von Hitze, die ihm mit einem gewissen
unsichtbaren Glanz, der ihm die Augen übergehen machte, entgegen kam.
Die Wärme und der Glanz nahmen immer zu, je weiter er fortgieng,
bis beyde in kurzem so durchdringend wurden, daß es nicht länger
auszustehen war. Er gieng also wieder zurück, und suchte seinen Freund,
den Kürbis, der ihm, so bald er ihn wieder kommen hörte, entgegen rief:
Nun, Prinz /Biribinker/, werden sie mir künftig glauben, wenn ich ihnen
etwas sage? Wenigstens begreiffen sie doch, hoffe ich, daß nichts
natürlichers seyn kan, als daß ein Pallast von gediegenen Flammen vor
Hitze unzugangbar, und vor lauter Glanz und Schimmer unsichtbar ist.
Ich begreiffe das in der That viel besser, antwortete /Biribinker/,
als wie ich hinein kommen werde; denn das sag ich ihnen, ich spüre
eine unwiderstehliche Begierde in mir, in diesen Pallast hinein zu
gehen, und wenn es mir auch das Leben kosten sollte, so kan ich -- So
viel soll es sie nicht kosten, fiel ihm der Kürbis in die Rede. Wenn
sie sich gefallen lassen wollen, zu thun was ich ihnen sage, so wird
ihnen der Pallast sichtbar werden, und sie werden eben so sicher hinein
gehen können, als ob es eine Strohhütte wäre. Sie brauchen nur ein ganz
leichtes Mittel dazu, und das ihnen nicht mehr kosten wird als einen
einzigen kleinen Sprung -- Halten sie mich nicht lange mit Räthseln
auf, Herr Kürbis, sagte /Biribinker/; was ist zu thun? Es mag nun etwas
leichtes oder schweres seyn, so sehen sie mich bereit alles zu wagen,
um in ein Schloß zu kommen, das von lauter Glanz unsichtbar ist.
Ungefehr sechzig Schritte hinter jenen Granatbäumen, versetzte
der Kürbis, werden sie in einem kleinen Labyrinth von Jasmin und
Rosenhecken einen Brunnen finden, der sich von einem andern Brunnen
durch nichts unterscheidet, als daß er statt des Wassers mit Feuer
angefüllt ist. Gehen sie, Prinz, baden sie sich in diesem Brunnen, und
in einer Viertelstunde ungefehr kommen sie wieder, und sagen mir, wie
ihnen das Bad zugeschlagen hat.
Sonst nichts als das? sagte /Biribinker/, mit einer Mine, die mehr
verdrießlich als hönisch war; ich glaube, sie sind nicht klug, Herr
Kürbis -- ich soll mich in einem feurigen Brunnen baden, und hernach
wieder kommen, und ihnen sagen, wie mir das Bad bekommen hat? Hat
man auch jemals so was tolles gehört! -- Ereyfern sie sich nur nicht
so, versetzte der Kürbis, es steht ja bey ihnen, ob sie in den
unsichtbaren Pallast kommen wollen oder nicht, und wenn sie sich nicht
so entschlossen erklärt hätten, wie sie gethan haben, so wäre mirs in
der That nie eingefallen, ihnen einen solchen Antrag zu machen.
Kürbis, mein guter Freund, erwiederte /Biribinker/, ich merke, daß ihr
euch ein wenig lustig mit mir machen wollt, aber ich muß euch sagen,
daß ich jetzt nicht im Humor bin, Spaß zu verstehen. Ich verlange
nicht als eine abgeschiedene Seele in den Pallast zu kommen -- Das
sollen sie auch nicht, sagte der Kürbis! Das feurige Bad, das ich
ihnen vorschlage, ist nicht so gefährlich als sie sichs einbilden, und
/Padmanaba/ selbst bedient sich desselben alle drey Tage; sonst würde
er eben so wenig in einem Pallast von gediegenem Feuer wohnen können,
als sie. Denn ob er gleich, ausser dem grossen /Caramussal/, der auf
der Spitze des Berges Atlas wohnt, der gröste Zauberer in der ganzen
Welt ist, so ist er doch von eben so irrdischer Natur und Abkunft
als sie. Ja er würde, ohne den Gebrauch dieses Brunnens, der eines
der grösten Geheimnisse seiner Kunst ist, nicht einmal der kleinen
Glückseligkeit fähig seyn, die er jetzt bey der schönen Salamandrin,
die er in seinem Pallast eingeschlossen hält, genießt, oder doch zu
genießen glaubt; wenn anders der Gebrauch, den ein /Titon/ von seiner
/Aurora/ zu machen fähig ist, ein Genuß genennt zu werden verdient. Er
hat also eine schöne Salamandrin bey sich? fragte /Biribinker/. Warum
nicht, antwortete der Kürbis; meynen sie, daß man sich umsonst in den
Bauch eines Wallfisches verschließt?
Ist sie sehr schön, fuhr /Biribinker/ fort? -- Sie müssen wohl nie
keine Salamandrin gesehen haben, erwiederte der Kürbis, weil sie das
fragen können. Wissen sie denn nicht, daß die schönste Sterbliche gegen
die geringste von unsern Schönen nicht besser als wie ein Affenweibchen
aussehen würde? Es ist wahr, ich kenne eine /Ondine/, die vielleicht
der schönsten Salamandrin den Vorzug streitig machen könnte; allein es
ist unter allen Ondinen nur eine /Mirabella/ -- O! was das anbetrift,
unterbrach ihn /Biribinker/, wenn die Salamandrin des alten Padmanaba
nicht schöner als Mirabella ist, so hätten sie nicht nöthig gehabt die
sterblichen Schönen so weit unter sie herunter zu setzen. Ich gestehe,
daß sie reitzend ist, aber ich kenne ein gewisses Milchmädchen -- in
welches sie so verliebt sind, fiel ihm der Kürbis hönisch in die Rede,
daß sie der schönen Mirabella beym ersten Anblick schwuren, sie nie
gesehen zu haben. Die Würkung zeugt am besten von der Ursache, und wenn
man ihre Leidenschaft nach diesem Grundsatz beurtheilen wollte ----
O wahrhaftig! rief /Biribinker/ ungedultig, ich bin, glaube ich, nur
hieher gekommen, um einen Kürbis philosophiren zu hören. Sagen sie
mir lieber, wie ich in den unsichtbaren Pallast kommen kan, denn ich
sterbe vor Ungedult, wenn es nicht geschieht; ist denn kein anders
Mittel, als das verwünschte feurige Bad, worinn sie mich gerne zu einer
Carbonnade gemacht sehen möchten? Sie sind wunderlich, mit Erlaubniß,
antwortete der Kürbis; ich sagte ihnen ja schon, daß mir selbst alles
daran gelegen ist, daß sie in den unsichtbaren Pallast kommen, wo,
allen Umständen nach, eines der ausserordentlichsten Abentheuern auf
sie wartet. Meynen sie denn, daß ich für meinen Spaß ein Kürbis bin,
und daß ich mich nicht je bälder je lieber von diesem verfluchten
unbequemen Wanst befreyt sehen werde, der sich so übel für einen so
speculativen Geist schickt als ich bin? Ich sage ihnen noch einmal,
sie haben kein anders Mittel in den Pallast zu kommen, ohne von der
Glut desselben verzehrt zu werden, als das feurige Bad, welches ich
ihnen vorschlug. Ehe sie vor Ungedult sterben, wie sie sagen, könnten
sie es ja ein paar Minuten versuchen; kommen sie auch darinn um, wofür
ich ihnen doch gut stehe, so ist es nur eine Todesart für die andere,
und das kommt zuletzt auf Eines hinaus. Gut, sagte /Biribinker/, wir
wollen sehen was zu thun seyn wird! Vielleicht sollte ich nicht so viel
Zutrauen in sie setzen als ich thue; allein der Zug meines Schicksals
ist stärker als meine Vernunft; ich will gehen, und wenn sie binnen
einer Viertelstunde nichts von mir hören, so ergeben sie sich nur
gedultig darein, ein Kürbis zu bleiben, bis Padmanaba von sich selbst
entweder verliebt oder eyfersüchtig zu seyn aufhört.
Mit diesen Worten machte er dem Kürbis sein Compliment, und gieng dem
Labyrinth zu, wo der feurige Brunnen seyn sollte. Er fand ein grosses
rundes Becken, mit breiten Steinen von Diamant ausgemauert, und mit
einem Feuer angefüllt, welches, ohne von irgend einer sichtbaren
Materie genährt zu werden, in schlängelnden Blitzen empor loderte,
und unschädlich die dichten Büsche von Rosen leckte, die rings umher
über den Brunnen sich wölbten. Unzähliche Farben spielten mit der
anmuthigsten Abwechslung in diesen wundervollen Flammen, und statt des
Rauchs ergoß sich ein lauer unsichtbarer Dampf von den lieblichsten
Gerüchen umher. /Biribinker/ betrachtete dieses Wunder eine geraume
Zeit mit einer Unschlüßigkeit, die einem Feen-Helden wenig Ehre macht,
und er würde vielleicht noch immer am Rande des Brunnens stehen,
wenn ihn nicht, da er sichs am wenigsten versah, eine unsichtbare
Gewalt mitten in die Flammen geworfen hätte. Er erschrack so sehr,
daß er vor Angst nicht schreyen konnte; aber da er spürte, daß ihm
dieses Feuer kein Haar versengte, und an statt ihm nur den geringsten
Schmerz zu verursachen, sein ganzes Wesen mit einer wollüstigen Wärme
durchdrang, so faßte er sich bald wieder, und in kurzem gefiel es ihm
so wohl darinn, daß er in den feurigen Wellen herum plätscherte, wie
ein Fisch in frischem Wasser. Vielleicht würde er weit länger als die
vorgeschriebene Zeit in einem so angenehmen Bade zugebracht haben, wenn
ihn nicht die immer zunehmende Hitze zuletzt heraus getrieben hätte.
Er sprang also wieder heraus, aber wie sehr erstaunte er, da er sich
nicht nur so leicht und unkörperlich fühlte, daß er wie ein Zephyr über
dem Boden hin schwebte, sondern auf einmal einen Pallast erblickte,
dessen Glanz und Schönheit alles übertraf, was ein menschliches Auge
jemals gesehen hat. Er stund eine gute Weile wie ausser sich selbst,
und sein erster Gedanke, da er wieder denken konnte, war an die
Schönheit, die ein so herrlicher Pallast in sich schliessen müsse; denn
da Diamanten und Rubinen ihn nur Gassensteine gegen die Materialien
däuchten, woraus dieses Schloß erbaut war, so zweiffelte er nicht, daß
die schöne Salamandrin sich gegen die Schönen, die er bisher gekannt
hatte, zum wenigsten eben so verhalten würde, wie dieser Pallast gegen
die gewöhnlichen Feenschlösser, die man prächtig genug gebaut zu haben
glaubt, wenn man die Mauren von Diamanten oder Smaragden aufführt,
das Dach mit Rubinen deckt, den Fußboden mit Perlen einlegt, und was
dergleichen mehr ist, welches doch alles in Vergleichung mit diesem
feurigen Pallast nichts bessers als eine elende Hütte vorgestellt
hätte. Unter diesen Gedanken näherte er sich demselben unvermerkt, und
war schon durch den ersten Hof, dessen glänzende Pforte sich von selbst
vor ihm aufthat, hinein gegangen, als ihm einfiel, daß ihm der Kürbis
ausdrücklich gesagt hatte, er sollte nach dem Bad im feurigen Brunnen
wieder zu ihm kommen. Vermuthlich, dachte er, hat er mir Nachrichten
zu geben, ohne die es gefährlich seyn könnte, sich in ein solches
Schloß zu wagen, und da ich mich bisher bey seinen Anweisungen so wohl
befunden habe, so würde es weder klug noch dankbar seyn, wenn ich mir
einbilden wollte, daß ich seiner nicht mehr nöthig habe. Man sehe doch,
wie seltsam es kommen kan! Wer hätte jemals gedacht, daß ein Kürbis ein
Rathgeber eines Prinzen seyn würde!
/Biribinker/ schlich sich also, nicht ohne Furcht entdeckt zu werden,
zu seinem Kürbis zurück. Ha! rief ihm dieser auf zwanzig Schritte
entgegen, ich sehe, daß ihnen das Bad unvergleichlich wohl zugeschlagen
hat; sie sind ja zum bezaubern; ich schwöre ihnen bey der Tugend meiner
geliebten Mirabella, daß keine Salamandrin ist, die ihnen, so wie
sie jetzt aussehen, nur eine Minute widerstehen wird. Aber was wird
aus ihrer Treue gegen das Milchmädchen werden? -- Herr Kürbis, sagte
/Biribinker/, lassen sie sich mit aller der Achtung, die ich ihnen
übrigens schuldig bin, sagen, daß sie besser gethan hätten, mich in den
Umständen, worein mich ihr Bad gesetzt hat, mit dergleichen unzeitigen
Erinnerungen zu verschonen -- Ich bitte um Verzeyhung, antwortete der
Kürbis, ich wollte nur so viel sagen -- Gut, gut, unterbrach ihn der
Prinz, ich weiß wohl, was sie sagen wollten, und ich antworte ihnen
darauf, daß ich ohne ihre Warnungen, die ein beleidigendes Mißtrauen
in meine Standhaftigkeit setzen, durch die blosse Erinnerung an mein
himmlisches Milchmädchen gegen die vereinigten Reitzungen aller ihrer
feurigen Schönen so sicher zu seyn glaube, als ich es mitten unter
den häßlichsten Gnomiden seyn könnte. Es wird sich zeigen, sagte der
Kürbis, ob sie diese edle Gesinnungen zu behaupten wissen werden; ich
habe eine so gute Meynung von ihnen, als man, nach allem was in einem
gewissen Schloß vorgegangen ist, nur immer haben kan; aber bey alle
dem, kan ich doch nicht läugnen, daß ich ihre Treue in keine kleine
Gefahr gesetzt sehe, wenn sie in den Pallast hinein gehen. Es steht
noch bey ihnen, ob sie es wagen wollen, oder nicht; bedenken sie sich
wohl, oder ----
Mein lieber Herr Kürbis, unterbrach ihn /Biribinker/, ich sehe, daß
sie eine eben so verzweiffelte Wuth zum raisonniren haben, als die
tugendhafte und preciöse Mirabella, ihre Geliebte. Warum haben sie denn
verlangt, daß ich in dem feurigen Brunnen baden sollte, wenn ich nicht
in den Pallast hinein gehen darf? Noch einmal, mein lieber Freund,
sorgen sie nicht für meine Treue, und sagen sie mir lieber: wie ich
mich zu verhalten habe, wenn ich in den Pallast komme? Sie haben hiezu
wenig Unterricht nöthig, antwortete der Kürbis, denn sie werden nirgend
keinen Widerstand finden; alle Thüren werden sich ihnen von selbst
eröfnen, und wenn sie irgend etwas zu besorgen haben, so muß es nur
(wie ich schon gesagt, und wie sie sich so ungern sagen lassen) von
ihrem eigenen Herzen seyn. Aber was für eine Mine, denken sie, daß mir
der alte /Padmanaba/ machen werde, fragte der Prinz? So viel ich an der
Bewegung der Gestirne merke, erwiederte der Kürbis, so ist es bereits
um Mitternacht, um welche Zeit der Alte in tiefem Schlaf zu liegen
pflegt. Allein gesetzt auch, daß er aufwachen sollte, so haben sie von
seinem Zorn nichts zu besorgen; alle seine Macht vermag nichts gegen
die Zauber-Kraft ihres Namens, und nach den Vortheilen, die sie bisher
über ihn erhalten haben, zu urtheilen, können sie allerdings hoffen,
diesesmal nicht weniger glücklich zu seyn.
Es mag gehen wie es will, versetzte /Biribinker/, so bin ich
entschlossen das Abentheuer mit dem unsichtbaren Schloß zu bestehen;
denn es liesse sich doch sonst keine vernünftige Ursache angeben, warum
ich in des Wallfisches Bauch gekommen seyn sollte. Gute Nacht, Herr
Kürbis, bis wir uns wieder sehen.
Viel Glücks, tapferer und liebenswürdiger /Biribinker/, rief ihm
der wortreiche Kürbis nach; fahre wohl, du Blume und Zierde aller
Feen-Ritter, und möge das Abentheuer, dem du so muthig entgegen gehst,
einen Ausgang gewinnen, dergleichen noch kein Mährchen gehabt hat,
seitdem es Feen und Ammen in der Welt gibt. Gehe, weiser Königs-Sohn,
wohin dich dein Schicksal zieht; aber hüte dich die Warnungen eines
Kürbis zu verachten, der dein guter Freund ist, und vielleicht tieffere
Blicke in die Zukunft thut, als irgend ein Calender-Macher in der
Christenheit.
Der Kürbis merkte nicht, indem er diese schöne Abschieds-Rede hielt,
daß der Prinz schon durch den ersten Schloßhof gegangen war, ehe er
noch zu reden aufgehört hatte. /Biribinker/ war jetzt ganz und gar
von dem Abentheuer eingenommen, das er vor sich hatte, und seine
Einbildungs-Kraft, die in dem feurigen Bad einen ausserordentlichen
Schwung erhalten hatte, stellte ihm die schöne Salamandrin, die er bald
zu sehen hofte, mit so unwiderstehlichen Reitzungen vor, daß er sich
des Wunsches nicht enthalten konnte, seinem Milchmädchen nur dieses
einzige mal noch ungetreu seyn zu können. Unter diesen Gedanken kam
er durch den zweyten Hof in ein Vorhaus, aus welchem ihm ein grosses
Getümmel entgegen schallte. Er lauschte ein wenig, und vernahm, daß es
eine Menge von krächzenden Weiber-Stimmen waren, die in einem heftigen
Wortwechsel begriffen schienen. So neugierig als er von Kindheit auf
gewesen war, konnte er sich nicht enthalten, zu sehen, wem diese
anmuthigen Stimmen zugehörten. Er öfnete die Thür eines grossen und
überaus prächtigen Saals, und entsetzte sich nicht wenig, da er ihn mit
fünfzig oder sechzig der allerhäßlichsten kleinen Zwerginnen angefüllt
sah, die nur immer die bürleske Einbildung eines /Calot/ oder /Hogarth/
zu ersinnen fähig wäre.
Der arme /Biribinker/ glaubte beym ersten Anblick, daß er zu einem
Hexen-Sabbath gekommen sey, und er würde unfehlbar vor Abscheu in
Ohnmacht gefallen seyn, wenn er nicht zu gleicher Zeit vor Lachen über
so poßierliche Figuren hätte bersten mögen. Diese schönen Nymphen, die
in der That nichts geringers als junge Gnomiden waren, von denen die
jüngste kaum achtzig Jahre haben mochte, wurden seiner kaum gewahr,
so eilten sie alle auf ihn zu, so schnell als es ihre krummen Beine
zuliessen. Sie kommen eben recht, Prinz /Biribinker/, rief ihm eine
von den häßlichsten entgegen, einen Streit zu entscheiden, worüber
wir einander bey nahe in die Haare gekommen wären. Sie zanken sich
doch nicht, hoffe ich, welche unter ihnen die schönste sey? sagte
/Biribinker/. Und warum nicht? erwiederte die /Gnomide/; sie haben es
ersten Streichs errathen. Aber denken sie nur, mein schöner Prinz,
nachdem ich es würklich schon dahin gebracht habe, daß mir alle übrige
den Vorzug eingestehen, so untersteht sich dieses Fratzen-Gesicht,
diese kleine Pagode hier, mir den goldnen Apfel noch streitig zu
machen. O! mein angenehmster junger Prinz, schrie die Angeklagte, indem
sie ihn in die Waden kneipte, welches vermuthlich, ihrer Absicht nach,
eine Liebkosung seyn sollte; ich darf es kühnlich auf ihr Urtheil
ankommen lassen. Sehen sie uns beyde nur recht an, betrachten sie uns
Stück vor Stück, und thun sie den Ausspruch nach ihrem Gewissen, wofern
ich mir zu viel schmeichlen würde, wenn ich sagte nach ihrem Herzen.
Begreiffen sie, Prinz /Biribinker/, sagte die erste, wie man die
Unverschämtheit so weit treiben kan? Fürs erste, so ist sie kaum eines
Daumens Breite kleiner als ich, und sie werden gestehen, daß das keinen
Unterscheid macht; was ihren Buckel betrift, so hoffe ich, der meinige
darf sich noch immer neben dem ihren sehen lassen, und meine Füsse
sind, wie sie sehen, immer so breit und wohl um zwey gute Mannsdaumen
länger als die ihrige. Ich weiß wohl, daß sie sich sehr viel auf den
Umfang und die Schwärze ihres Busens zu gut thut, aber sie werden doch
bekennen müssen, fuhr sie fort, indem sie ihr Halstuch abnahm, daß der
meinige, wo nicht völlig so ansehnlich, doch ungleich schwärzer ist als
der ihrige. Mag er doch! rief die andere, einen so kleinen Vorzug kan
ich dir leicht eingestehen, da ich in allen andern Stücken den Vortheil
über dich habe.
Sie lachen, mein liebster Prinz /Biribinker/, und es kan in der That
nichts lächerlicher seyn, als die Eitelkeit dieser Meerkatze hier. Ich
schäme mich, daß ich genöthiget seyn soll, mich selbst zu loben, aber
sehen sie einmal, um wie viel meine Beine krümmer und stumpichter sind
als die ihrigen? Ich will von allem übrigen nichts sagen; man müßte
nur blind seyn, wenn man nicht beym ersten Anblick sehen sollte, daß
meine Augen kleiner und matter sind als die ihrigen, daß meine Backen
um die Helfte aufgedunsener sind, und meine Unter-Lippe viel weiter
herunter hangt; auch nichts von der ungleich grössern Länge meiner
Ohren zu gedenken, und daß ich wenigstens fünf oder sechs Warzen mehr
im Gesicht habe als sie, und daß die Haare an den meinigen länger sind;
wir wollen auf einen Augenblick das alles beyseite setzen, und nur
von der Nase reden. Es ist wahr, die ihrige ist eine von den grösten,
die man sehen mag, und man könnte in Versuchung gerathen, sie die
Schönste zu nennen, wenn man die meinige nicht gesehen hat: Aber man
braucht ja keinen Maaßstab, um zu finden, daß meine Nase wenigstens
einer halben Spanne lang weiter über den Mund herab hängt als die
ihrige. Die Schamhaftigkeit erlaubt mir nicht, setzte sie mit einem
entsetzlich zärtlichen Blick hinzu, von andern Schönheiten zu reden,
die nur einem glücklichen Liebhaber sichtbar werden dürfen; aber sie
können versichert seyn, daß ich in diesem Stück nicht weniger Ursache
habe, mich der Freygebigkeit der Natur zu berühmen, als in Absicht
dessen, was ihnen in die Augen fällt, und ich hoffe -- Mademoiselle,
rief /Biribinker/, so bald er vor Lachen reden konnte; ich unterstehe
mich eben nicht, mich für einen Kenner auszugeben; aber in der That, es
kan ihrer Freundin nicht Ernst seyn, wenn sie sich, was die Schönheit
betrift, mit ihnen in einen Wettstreit einlassen will; der Vorzug, den
sie in diesem Stück haben, ist augenscheinlich, und es ist unmöglich,
daß der gute Geschmack der Herren /Gnomen/ ihnen hierüber nicht
vollkommene Gerechtigkeit widerfahren lassen sollte.
Die erste /Gnomide/ schien durch diese Entscheidung nicht wenig
beleidiget zu seyn, allein /Biribinker/, der vor Ungedult brannte,
die schöne Salamandrin zu sehen, bekümmerte sich wenig um alles,
was sie zwischen ihren langen Zähnen murmelte, und zog sich wieder
zurück, nachdem er der ganzen liebreitzenden Gesellschaft eine gute
Nacht gewünscht hatte. Statt der Antwort schickten sie ihm ein lautes
Gelächter nach, um dessen Bedeutung er sich wenig bekümmerte, da er
jetzo den Pallast vor sich stehen sahe, dessen unbegreifliche Schönheit
seine ganze Aufmerksamkeit auf sich zog. Nachdem er ihn eine geraume
Weile voller Bewunderung betrachtet hatte, sahe er, daß die beyden
Flügel der Pforte sich aufthaten. Er konnte dieses nicht anders als
für ein Zeichen ansehen, daß seine Unternehmung mit dem glücklichsten
Ausgang bekrönt werden würde. Er gieng also mit hofnungsvollem Muth
hinein, und befand sich, nachdem er eine Treppe hinauf gestiegen war,
in einem grossen Vorsaal, aus dem er in eine Reyhe von Zimmern kam, von
deren Schimmer er, ungeachtet der Veränderung, die das Feuer-Bad in
seiner Natur hervor gebracht hatte, fast verblendet wurde.
Allein so mannigfaltig und ausserordentlich alle die schönen Dinge
waren, die von allen Seiten seinen Augen entgegen strahlten, so
vergaß er doch alles andere über den Gemählden einer unvergleichlich
schönen jungen Salamandrin, womit alle diese Zimmer behangen waren. Er
zweiffelte nicht, daß es die Geliebte des alten /Padmanaba/ seyn werde
und diese Copien, worein sie in allen nur ersinnlichen Stellungen,
Anzügen und Gesichtspuncten, bald wachend, bald schlafend, bald als
Diana, bald als Venus, Hebe, Flora, oder eine andere Göttin vorgestellt
war, gaben ihm eine solche Idee von dem Urbilde, daß er bey der
blossen Erwartung seiner bevorstehenden Glückseligkeit vor Entzückung
und Wonne hätte zerfliessen mögen. Ins besondere konnte er nicht
satt werden, eine grosse Tafel anzuschauen, worein sie in einem Bade
von Flammen saß, von Liebesgöttern bedient, die durch das Anschauen
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