Geschichte des Prinzen Biribinker - 3

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Er will doch nicht, daß ich ihnen das Leben nehmen soll, sagte der
Prinz?
Nun, das muß ich gestehen, antwortete /Cristalline/, daß sie heute mit
einem ausserordentlich harten Kopf aufgewacht sind; glauben sie denn
nicht, daß ein recht eingenommener Liebhaber seine Geliebte lieber
sterben als in eines andern Armen sehen würde?
Ha, ha! Nun versteh ich sie endlich, Madame, sagte /Biribinker/ ganz
kaltsinnig; wahrhaftig! ihre Schamhaftigkeit hätte nicht nöthig gehabt
sich so viel Bedenken zu machen, die Sache gerade heraus zu sagen. Aber
erlauben sie mir ihrem Gedächtniß ein wenig nachzuhelfen, und sie zu
erinnern, daß, wenn es nur hieran läge, /Grigri/ schon lange enthummelt
seyn müßte. Es sind noch nicht drey Stunden ----
Ich glaube, sie haben Zerstreuungen, unterbrach ihn die Fee! --
Indessen müssen sie wissen, daß /Padmanaba/ sehr streng über dem Recht
der Wiedervergeltung hält, und daß /Grigri/ nicht eher zu seiner ersten
Gestalt gelangen kan, bis sie ihm alle die Beleidigungen wieder geben,
welche der Zauberer von ihm empfangen zu haben glaubt.
O! Madame, rief der Prinz, indem er aus dem Ruhebette sprang, ich
bin des Herrn /Padmanaba/ gehorsamer Diener; aber wenn es nur auf
diesen kleinen Umstand ankommt, so werden sie unter den zehen
tausend /Gnomen/, die ihnen zu Diensten stehen, einen neuen /Grigri/
suchen müssen, um ihren graubartigen Gecken an seinem wunderthätigen
Nebenbuhler zu rächen (denn daran wird ihnen vermutlich mehr gelegen
seyn, als daß ihr kleiner Zwerg seine vorige Schönheit wieder bekomme);
was mich betrift, so denke ich, sie sollten zufrieden seyn, daß ich
ihnen die ihrige wieder gegeben. Ich sage das nicht, als ob ich mich
durch die Gütigkeiten, die sie für mich gehabt haben, nicht überflüßig
für einen Dienst belohnt halte, der mich so wenig gekostet hat; ich
wollte sie nur erinnern, daß die Hauptsache doch immer in dem Umstande
liegt, daß sie, an statt ein crystallener Nachttopf zu seyn, wieder
die Fee Cristalline sind, und daß die Gewalt, die ihnen der Zauberstab
des alten /Padmanaba/ gibt, sie gar leicht wegen des Verlusts eines
einzigen sollte trösten können.
Ich hoffe doch nicht, versetzte /Cristalline/, daß sie meine Sorge für
den armen /Grigri/ einer eigennützigen Absicht beymessen? Sie müßten in
der That weder die Feinheit meiner Empfindungen, noch die Pflichten der
Freundschaft kennen, wenn sie nicht begreiffen könnten, daß man sich
für einen Freund beeyfern kan, ohne einen andern Bewegungs-Grund zu
haben, als das Beste dieses Freunds, und ich müßte sie bedauren ----
O! Madame, erwiederte /Biribinker/, der sich indessen angekleidet
hatte, ich bin von der quintessenz-mäßigen Feinheit ihrer Empfindungen
so überzeugt, als sie es nur verlangen können; aber sie sehen, wie
bequem dieser Morgen ist, meine Reise fortzusetzen. Seyn sie so gütig,
sie, deren Herz einer so uneigennützigen Freundschaft fähig ist, und
entdecken mir, auf welchem Weg ich meine geliebte /Galactine/ wieder
finden kan: So will ich gegen alle und jede behaupten, daß sie die
großmüthigste, die uneigennützigste, und wenn sie wollen, auch die
sprödeste unter allen Feen des Erdkreises sind.
Sie sollen befriediget werden, antwortete /Cristalline/; gehen sie,
und suchen ihr Milchmädchen, weil es doch ihr Schicksal so haben will;
ich hätte vielleicht Ursache mit ihrer Aufführung nicht allzu sehr
zufrieden zu seyn, aber ich sehe wohl, daß man es mit ihnen nicht so
genau nehmen muß. Gehen sie, Prinz, sie werden im Hof ein Maulthier
antreffen, welches so lange mit ihnen davon trotten wird, bis sie ihre
/Galactine/ gefunden haben; und wofern ihnen wider Vermuthen etwas
unangenehmes zustossen sollte, so werden sie in dieser Erbsen-Schotte
ein unfehlbares Mittel dagegen finden.
Der Prinz /Biribinker/ steckte die Erbsen-Schotte zu sich, bedankte
sich gegen die Fee für alle ihre Gütigkeiten, und stieg in den Hof
herab. Sehen sie hier, sagte /Cristalline/, die ihn begleitete,
sehen sie hier ein Maulthier, das vielleicht wenige seines gleichen
hat. Es stammt in gerader Linie von dem berühmten trojanischen Pferd
und der Eselin des Silenus ab. Von der väterlichen Seite hat es die
Eigenschaft, daß es von Holz ist, und weder Futter noch Streue noch
Striegel nöthig hat, und von der mütterlichen, daß es einen überaus
sanften Trab geht, und so gedultig ist wie ein Schaaf. Steigen sie auf,
und lassen es gehen, wohin es will; es wird sie zu ihrem geliebten
Milchmädchen bringen, und wenn sie nicht so glücklich seyn werden als
sie wünschen, so wird die Schuld nur an ihnen selbst seyn.
Der Prinz besahe dieses ausserordentliche Thier von allen Seiten,
und hatte alle die Wunderdinge, die ihm in diesem Schloß begegnet
waren, nöthig, um ihm so viel Gutes zuzutrauen, als ihm die Fee
nachgerühmt hatte. Indessen, daß er aufstieg, wollte ihm /Cristalline/
noch eine Probe geben, daß sie nicht zu viel von ihrer Macht gesagt
hatte. Sie schlug mit ihrem Stab dreymal in die Luft, und siehe! auf
einmal erschienen alle zehen tausend Sylphen, welche ihr der Stab des
/Padmanaba/ unterthänig machte; der Hof, die Treppe, die Galerie, und
sogar die Dächer und die Luft wimmelte von geflügelten Jünglingen,
wovon der geringste den vaticanischen Apollo an Schönheit übertraf.
Bey allen Feen, rief /Biribinker/, von diesem Anblick ausser sich
selbst gesetzt, was für einen glänzenden Hof sie haben! Lassen sie
den kleinen /Grigri/ immer eine Hummel bleiben, Madame, und halten
sie sich an diese hier; es müßte unglücklich seyn, wenn unter allen
diesen Liebes-Göttern keiner fähig seyn sollte, ihnen einen Gnomen zu
ersetzen, der ihrem eigenen Geständniß nach keinen andern Vorzug vor
seinen mißgeschaffnen Gesellen hatte, als daß er auf eine kurzweiligere
Art ungestalt war. Sie sehen wenigstens, versetzte /Cristalline/,
daß es mir nicht an Gesellschaft fehlt, die mich wegen ihrer
Unbeständigkeit trösten kan, wenn es mir jemals einfallen sollte, daß
ich getröstet seyn wollte.
Mit diesen Worten wünschte sie ihm eine glückliche Reise, und
Biribinker trabte auf seinem hölzernen Maulthier davon, indem er allem
demjenigen nachdachte, was ihm in diesem wundervollen Schlosse begegnet
war.


Fortsetzung der Geschichte des Prinzen Biribinker.

Ich will dem Leser die manchfaltigen Betrachtungen erlassen, welche
/Biribinker/ unterwegs mit sich selbst anstellte, um ihm zu sagen,
daß er gegen Mittag, da die Hitze unerträglich zu werden anfieng, an
dem Eingang eines Waldes abstieg, und sich an den Rand eines kleinen
Bachs setzte, der von Bäumen und Gebüschen umschattet war. Nicht lange
so erblickte er eine /Schäferin/, die eine kleine Heerde rosenfarber
Ziegen vor sich her trieb, um sie an dem Bache zu tränken, wo
/Biribinker/ im Schatten lag.
Wie groß mußte seine Entzückung seyn, als er in dieser jungen Hirtin
sein geliebtes Milchmädchen erkannte! Sie kam ihm noch zehenmal schöner
vor, als da er sie das erstemal gesehen hatte; aber was ihn am meisten
erfreute, war, daß sie an statt vor ihm zu fliehen immer näher herbey
kam, und sich endlich, (wie es schien) ohne ihn zu bemerken, nicht
weit von ihm ins Gras setzte. Der Prinz unterstund sich nicht sie
anzureden, aber er sahe sie mit so durchdringenden feurigen Blicken an,
daß die Steine im Bache bey nahe davon in Glas verwandelt worden wären.
Die schöne Schäferin, welche sehr kalter Natur seyn mußte, um von so
kräftigen Blicken nicht geröstet zu werden, flochte indessen ganz
gelassen einen Blumenkranz, und unterließ nicht von Zeit zu Zeit einen
Seitenblick auf ihn zu werfen, worinn er nichts weniger als Unwillen
zu entdecken vermeynte. Dieses machte ihn so kühn, daß er näher zu
ihr rückte, ohne daß sie es wahrnahm; denn sie spielte eben mit einer
kleinen Ziege, die an statt der Haare lauter Silberfaden hatte, und mit
Blumenkränzen und rosenfarben Bändern aufs artigste geziert war. Seine
Augen sagten ihr aus diesem neuen Stand-Punct nicht weniger schönes als
zuvor, und die ihrigen antworteten von Zeit zu Zeit so höflich, daß
er sich endlich nicht länger halten konnte, sich zu ihren Füssen zu
werfen, und ihr (nach seiner Gewohnheit) in sehr poetischen Redensarten
zu wiederhohlen, was er vorher in einer weit verständlichen und
überzeugendern Sprache gesagt hatte. Nachdem seine zärtliche Elegie zu
Ende war, antwortete ihm die schöne Schäferin, mit einem Blick, welcher
kaltsinniger anfieng als aufhörte: Ich weiß nicht ob ich sie recht
verstanden habe, wollten sie mir alle diese Weile her nicht sagen, daß
sie mich lieb hätten? -- Himmel! daß ich sie liebe! rief der entzückte
/Biribinker/, sagen sie, daß ich sie anbete, daß ich meine schmachtende
Seele zu ihren Füssen aushauche. Sehen sie, antwortete die Schäferin,
ich bin nur ein ganz einfältiges Mädchen, ich verlange nicht, daß sie
mich anbeten sollen, und sie sollen auch ihre Seele nicht aushauchen,
denn ich denke nicht, daß sie zu viel davon haben; ich würde wohl
zufrieden seyn, wenn sie mich nur liebten. Aber ich gestehe ihnen,
daß ich schwerer zu überzeugen bin, als die /Fee/, mit der sie die
vergangene Nacht zugebracht haben -- Götter! rief der bestürzte Prinz,
was höre ich? -- Wie ist es möglich -- Wer kan ihnen -- Woher wissen
sie -- ich weiß nicht, was ich sage -- O! unglückseliger /Biribinker/.
Die schöne Schäferin that einen grossen Schrey, ehe er diesen
fatalen Namen noch ganz ausgesprochen hatte. Ja wohl unglückseliger
/Biribinker/, rief sie aus, indem sie sich mit grosser Hastigkeit
vom Boden aufrafte; müssen sie mein Ohr schon wieder mit diesem
schändlichen Namen beleidigen? Sie zwingen mich sie zu hassen und
zu fliehen, da ich -- Hier wurde die erzürnte /Galactine/ plötzlich
von einem Anblick unterbrochen, der dem Prinzen und ihr selbst auf
einmal alle andere Gedanken benahm. Sie sahen einen Riesen auf sie zu
kommen, der an statt eines Kranzes ein paar junge Eichbäume um den Kopf
geflochten hatte, und sich unterm Gehen die Zähne mit einem Zaunpfal
ausstocherte. Er gieng gerade auf die Schäferin zu, und donnerte
sie mit einer so entsetzlichen Stimme an, daß mehr als zwey hundert
Dolen, die ihre Nester in seinem Bart hatten, mit grossem Gekrächze
heraus geflogen kamen. Was hast du hier, rief er, mit diesem kleinen
Zwerg, Püppchen? Folge mir augenblicklich, oder ich hacke dich zu
kleinen Pastetchen; und du, sagte er zu dem Prinzen, indem er ihn in
einen grossen Sack steckte, herein in meinen Sack! Nach diesem sehr
laconischen Gruß schnürte er den Sack zu, nahm die Schäferin auf
den Arm, und trabte davon. /Biribinker/ glaubte in den leeren Raum
gestürzt worden zu seyn, denn er fiel und fiel immer fort, ohne daß
es ein Ende nehmen wollte. Endlich kam er doch auf den Boden, aber
stieß den Kopf so stark an einem Weberknopf an, daß er etliche Minuten
ganz betäubt da lag, und die Hirnschaale gebrochen zu haben glaubte.
Nach und nach erhohlte er sich wieder, und da besann er sich an die
Erbsen-Schotte, die ihm /Cristalline/ gegeben hatte; er brach sie auf,
fand aber nichts als ein kleines Messer von Diamant mit einem Heft
von einer Greiffen-Klaue, kaum so groß, daß man es mit drey Fingern
fassen konnte. Ist das alles, dachte er, was die Fee Cristalline für
mich thut? Was will sie, daß ich mit diesem Spielzeug machen soll? Es
ist kaum groß genug, daß ich mir die Kehle damit abschneiden könnte,
und vielleicht ist das auch ihre Meynung. Aber man muß doch alles
andere vorher versuchen, ehe man sich die Kehle abschneidt. Ich kan
mit diesem Messerchen ein Loch in den Sack bohren, ob es gleich Mühe
kosten wird, und wenn ich schon einen Sprung wagen muß, so will ich
doch lieber alles wagen als Gefahr lauffen, daß dieser verfluchte
Popanz kleine Bratwürstchen für seine Popänzchen aus mir macht. In
dieser großmüthigen Entschliessung arbeitete der Prinz /Biribinker/,
oder vielmehr das kleine Messer, worauf ein Talisman eingegraben war,
so nachdrücklich, daß er in kurzer Zeit eine ziemliche Oefnung in den
Sack machte, ungeachtet die Fäden des Gewebes so dick waren wie ein
Anker-Seil. Er bemerkte, daß die Reise eben durch einen Wald gieng,
und dachte seine Zeit so gut in Acht zu nehmen, daß er, indem er sich
aus dem Sack heraus stürzte, an dem Wipfel eines hohen Baums sich
halten könnte. Diesen Anschlag setzte er ungesäumt ins Werk, ohne
daß es der Riese gewahr wurde; allein der Ast, an den er sich halten
wollte, brach mit ihm, und der gute /Biribinker/ fiel in ein ziemlich
tiefes marmornes Brunnen-Becken voll Wassers, welches zu allem Glück
unter ihm lag, denn was er für einen Wald angesehen hatte, befand
sich ein sehr schöner Park, der zu einem nicht weit davon gelegenen
Schloß gehörte. Er dachte, indem er untertauchte, zum wenigsten in
das Caspische Meer gefallen zu seyn, oder besser zu sagen, er dachte
gar nichts, so betäubt von Schrecken lag er da, und vermuthlich würde
er in seinem Leben das Trockne nicht wieder gesehen haben, wenn nicht
eine Nymphe, die sich eben in diesem Brunnen badete, zu seiner Rettung
herbey geschwommen wäre. Die Gefahr, worinn sie einen so schönen
jungen Menschen sah, machte sie vergessen, in was für einem Zustande
sie selbst war, und in der That hätte er leicht ertrinken können, ehe
sie ihre Kleider angezogen hätte. Kurz, /Biribinker/ fühlte, da er
zu sich selbst kam, daß sein Gesicht an dem schönsten Busen lag, der
jemals gewesen ist, und da er die Augen aufthat, sahe er sich am Rande
eines grossen Brunnens in den Armen einer Nymphe, die ihm, in dem
ungekünstelten Aufzug, worinn er sie sah, beym ersten Anblick so viel
und noch mehr Leben wieder gab, als er brauchte.
Dieses Abentheuer setzte ihn in ein so angenehmes Erstaunen, daß er
kein Wort hervor bringen konnte. Allein die Nymphe merkte kaum, daß
er wieder lebte, so riß sie sich von ihm los, und sprang ins Wasser.
/Biribinker/, der sich einbildete, daß sie ihm entfliehen wolle, erhub
ein so klägliches Geschrey, als ein kleiner Junge nur immer machen kan,
wenn man ihm eine neue Puppe nehmen will. Die schöne Nymphe war wohl
sehr weit von einem so grausamen Vorhaben entfernt; denn in wenigen
Augenblicken sah er sie schon wieder mit einem Rücken, der die Lilien
an Glanz übertraf, aus dem Wasser hervor ragen. Sie hob den Kopf ein
wenig empor, aber kaum erblickte sie den Prinzen, so tauchte sie wieder
unter, und plätscherte unter dem Wasser fort, bis sie an die andere
Seite des Brunnens kam, wo ihre Kleider lagen. Allein da sie sah, daß
ihr der Prinz folgte, erhub sie sich mit halbem Leib, aber ganz in ihre
lange gelbe Haare eingehüllt, die ihr in dichten wallenden Locken bis
zu den Füssen herab flossen, und seinen lüsternen Augen den Anblick von
Schönheiten entzogen, welche fähig waren, einen Titon zu verjüngen.
Sie sind sehr unbescheiden, Prinz /Biribinker/, sagte sie, daß sie sich
in solchen Augenblicken aufdringen, da man allein seyn will.
Vergeben sie mir, schönste Nymphe, antwortete der Prinz, wenn mir ihre
Bedenklichkeiten ein wenig unzeitig vorkommen; nach dem Dienst, den sie
mir so großmüthig geleistet haben, dächte ich ----
Man sehe doch, rief die Nymphe aus, was für einen Uebermuth diese
Mannsleute haben! Man untersteht sich nicht ihnen die mindeste kleine
Höflichkeit zu erzeigen, ohne daß sie ihre Glossen darüber machen; und
ein blosses Werk der Großmuth und des Mitleidens ist in ihren Augen
schon eine Aufmunterung, wodurch sie berechtiget zu seyn glauben, sich
Freyheiten mit uns heraus zu nehmen. Wie? weil ich gütig genug gewesen
bin, ihnen das Leben zu retten, so glauben sie vielleicht ----
Sie sind sehr grausam, unterbrach sie der Prinz, daß sie dasjenige
einem unbescheidenen Uebermuth beymessen, was eine nothwendige Würkung
der Zauberey ihrer Reitzungen ist. Wenn sie mir das Leben wieder nehmen
wollen, das sie mir gerettet haben, (denn wer kan sie gesehen haben,
und die Beraubung eines so entzückenden Anblicks ertragen?) so tödten
sie mich wenigstens auf eine großmüthige Art; machen sie ein Denkmal
ihrer alles bezwingenden Schönheit aus mir, und lassen mich hier in
ihrem Anschauen zum Marmorbilde erstarren.
Sie haben, wie ich höre, eine hübsche Belesenheit in den Poeten,
versetzte die Nymphe; wo nahmen sie doch diese Anspielung? -- War nicht
einmal eine gewisse /Medusa/ -- Sie haben ihren Ovidius gelesen, daß
ist gewiß, und man muß gestehen, daß sie ihrem Schulmeister Ehre machen.
Grausame! rief /Biribinker/ mit Ungedult, was für ein Belieben finden
sie, die Sprache meines Herzens, welches keinen Ausdruck für seine
Empfindungen stark genug findet, mit den Figuren eines schülerhaften
Witzes zu verwechseln? -- Sie nehmen ihre Zeit sehr übel, wenn sie
disputiren wollen, fiel ihm die Nymphe ein, sehen sie denn nicht, wie
viel Vortheile ich in dem Element, worinn ich bin, über sie habe? Aber
ich bitte sie, gehen sie hinter diese Myrthen-Hecken, und erlauben sie
mir, daß ich mich ankleide, wenn sie so gut seyn wollen -- Würde es
aber nicht großmüthiger von ihnen seyn, wenn sie mir erlaubten, daß
ich sie ankleiden hülfe? -- Glauben sie das? erwiederte die Nymphe;
ich danke ihnen für ihre Dienstfertigkeit; aber ich möchte ihnen nicht
gerne Mühe machen, und sie sehen auch, daß ich Leute genug habe, die
diese Arbeit besser gewohnt sind als sie.
Mit diesen Worten bließ sie in ein kleines Ammons-Horn, so ihr an
einer Schnur der grösten und feinsten Perlen am Halse hieng, und in
einem Augenblick erfüllte sich der ganze Brunnen mit jungen Nymphen,
die plätschernd aus dem Wasser herauf fuhren, und einen Kreis um
ihre Gebieterin machten. /Biribinker/ konnte sich jetzt noch weniger
entschliessen als zuvor auf die Seite zu gehen; aber die Nymphen
erblickten ihn kaum, so spritzten sie ihm eine solche Menge Wassers
ins Gesicht, daß er, aus Furcht ein anderer /Actäon/ zu werden,
so eilfertig davon lief, als ob er schon Hirschläufte hätte. Er
fühlte sich alle Augenblicke an die Stirne, da er aber weder Geweyh
noch Sprossen merkte, so schlich er wieder zurück, um hinter den
Myrthen-Hecken der Ankleidung seiner schönen Nymphe zuzusehen. Allein
er kam schon zu spät, die Nymphen waren wieder verschwunden, und indem
er hinter der Hecke hervor gehen wollte, fehlte es nicht viel, daß er
mit dem Kopf an die Stirne seiner Erretterin angeschlagen hätte, die im
Begriff war, ihn zu suchen. Er erstaunte ungemein, da er sie sahe. Wie?
Madame, rief er aus, nennen sie das angekleidet seyn?
Warum nicht? antwortete die /Nymphe/; sehen sie denn nicht, daß ich
in einen siebenfachen Schleyer von Leinwand eingewickelt bin? -- Das
gestehe ich, sagte der Prinz; wenn das Leinwand ist, so möchte ich wohl
denjenigen sehen, der sie gewebt hat; denn das feinste Spinnen-Gewebe
ist Segeltuch gegen dieses. Ich hätte geschworen, daß es Luft wäre. Es
ist die feinste Art von gewebtem Wasser, versetzte sie, von einer Art
trocknem Wasser, welches von Polypen gesponnen, und von unsern Mädchen
gewebt wird; es ist die gewöhnliche Kleidung, die wir andern /Ondinen/
zu tragen pflegen. Was für eine andere wollen sie, daß wir haben
sollen, da wir uns weder vor Frost noch Hitze zu verwahren brauchen?
Der Himmel verhüte, sagte /Biribinker/, daß ich ihnen eine andere
wünsche; aber mich däucht, wenn sie es nicht ungnädig nehmen wollen,
sie hätten vorhin nicht nöthig gehabt, so viel Umstände zu machen,
wie sie aus dem Bade steigen wollten -- Hören sie, mein Herr von
Honigseim, sagte die Nymphe mit einem kleinen spöttischen Naserümpfen,
das ihr sehr gut ließ; wenn ich ihnen rathen dürfte, so gewöhnten sie
sich das moralisiren ab, denn es ist gerade das, worauf sie sich am
wenigsten verstehen. Wissen sie denn nicht, daß der Gebrauch über die
Anständigkeit entscheidet? Man sieht wohl, daß sie die Welt nie anders
als in einem Bienen-Korbe gesehen haben, und sie würden sehr wohl thun,
wenn sie nach dem Rath des weisen /Avicenna/ über nichts urtheilten,
was sie zum erstenmal sehen. Aber lassen sie uns von etwas anderm
reden. Sie haben noch nicht zu Mittag gegessen, nicht wahr? und so
verliebt sie immer, mit gewissen Ausnahmen, in ihr Milchmädchen sind,
so weiß ich doch wohl, daß sie nicht gewohnt sind, von Seufzern zu
leben.
Nach diesen Worten bließ sie wieder in ihr kleines Ammonshorn, und
augenblicklich stiegen drey Nymphen aus dem Brunnen hervor. Die erste
brachte einen kleinen Tisch von Bernstein, der von drey Gratien empor
gehoben wurde, die aus einem einzigen Amethyste geschnitten waren.
Die andere breitete eine Matte von den feinsten gespaltenen Binsen
darüber aus, und die dritte trug ein Körbchen auf dem Kopfe, aus dem
sie verschiedene bedeckte Muscheln auf den Tisch stellte. Man sagt mir,
sie essen nichts als Honig, sprach die Nymphe zu /Biribinker/, sie
sollen einen kosten, der nicht der schlimmste ist, ob er gleich aus
lauter Seegewächsen gezogen wird. Der Prinz versuchte ihn, und fand
ihn so gut, daß er bey nahe die Schaale mit verschluckt hätte. Wie sie
abgespeißt hatten, erschienen zwo andere Najaden mit einem kleinen
Schenktisch von Saphir, der mit einer Menge Trinkschaalen aufgesetzt
war. Sie waren alle aus gediegenem Wasser geschnitzt, hart wie Diamant,
durchsichtig wie Cristall, und wie es schien mit lauter Brunnenwasser
angefüllt. Aber wie /Biribinker/ davon kostete, befand sichs, daß die
besten persischen Weine Phlegma dagegen waren. Gestehen sie, sagte
die /Ondine/, daß sie hier nicht schlimmer sind, als bey der Fee
/Cristalline/, bey der sie die vergangene Nacht zugebracht haben.
Sie sind allzubescheiden, schönste /Ondine/, antwortete der Prinz, daß
sie sich mit einer Fee vergleichen, die in allen Stücken so weit unter
ihnen ist.
Wieder übel geschlossen! erwiederte die Nymphe; ich sagte das nicht aus
Bescheidenheit, sondern nur, um zu hören, was sie mir darauf antworten
würden.
Aber ich bitte sie, meine Göttin, sagte der Prinz, wie geht es zu,
daß sie so gute Nachrichten von mir haben? So bald sie mich sehen,
nennen sie mich bey meinem Namen -- Sie sehen daraus, antwortete die
Nymphe, daß ich eine so gute Kennerin bin als die Fee Cristalline
-- „Sie wissen, daß ich in einem Bienen-Korb erzogen worden bin“ --
das riecht man ihnen auf zwanzig Schritte weit an -- „daß ich ein
Milchmädchen liebe“ --; O! ja, wie man noch nie geliebt hat, und daß
sie noch verliebter sind, seit dem sie eine Schäferin worden ist; und
wer weiß, wie weit sie ihr Glück getrieben hätten, wenn nicht der
Riese /Caraculiamborix/ -- Aber haben sie keinen Kummer; sie sollen
sie wieder sehen, und so glücklich seyn, als man in Besitz eines
Milchmädchens nur immer seyn kan.
O! rief /Biribinker/, bey dem die Getränke der Ondine mächtig zu würken
anfiengen, kan man etwas anders zu sehen oder zu besitzen wünschen,
nachdem man sie gesehen hat, göttliche Ondine? Ich erinnere mich nur
nicht mehr, daß ich vorher Augen hatte, und der Augenblick, da ich sie
zum erstenmal sah, ist der Anfang meines Daseyns. Ich kenne und wünsche
mir keine andere Glückseligkeit, als zu ihren Füssen von dem Feuer
verzehrt zu werden, das ihr erster Blick in meiner Brust entzündet hat.
Prinz /Biribinker/, antwortete die /Ondine/, sie haben einen schlimmen
Lehrmeister in der Redekunst gehabt. Ich hätte gedacht, die Fee
/Cristalline/ sollte ihnen die lächerliche Meynung benommen haben,
daß man uns Unsinn vorsagen müsse, um uns die Heftigkeit seiner
Leidenschaft zu beweisen. Ich wette was sie wollen, daß es nicht wahr
ist, daß sie zu meinen Füssen verzehrt zu werden wünschen; glauben
sie mir, ich weiß besser was sie wünschen, und sie würden mehr dabey
gewinnen, wenn sie natürlich mit mir reden wollten. Diese schwülstige
Sprache, die sie sich angewöhnt haben, ist vielleicht gut, Milchmädchen
zu rühren; aber, lassen sie sich ein für allemal sagen, daß man uns
nicht nach einerley Methode behandeln muß. Ein Frauenzimmer, das den
/Averroes/ so lange studirt hat, wie ich, wird durch keine poetische
Blümchen gewonnen; man muß uns überzeugen können, wenn man uns rühren
will, und die Macht der Wahrheit ist das einzige, was uns nöthigen kan,
uns zu ergeben.
/Biribinker/ war es zu sehr gewohnt von den Damen, denen er in die
Hände fiel, gehofmeistert zu werden, als daß er sich durch einen
Verweiß hätte kleinmüthig machen lassen sollen, der ihm die Mittel
zeigte, wodurch man bey den Schülerinnen des /Averroes/ glücklich
werden kan; und in der That fühlte er, daß es ihn weit weniger
Mühe kosten werde, sie durch die Energie der Wahrheit, als durch
spitzfündige und schwülstige Liebes-Erklärungen zu überwältigen. Die
Reitzungen der /Ondinen/ übertreffen, nach dem vollgültigen Zeugniß des
Grafen von /Gabalis/, alles, was den Besitz der schönsten unter den
Töchtern der Menschen begehrenswürdig macht. Kurz, /Biribinker/ wurde
nach und nach so natürlich und überzeugend, als sie es nur wünschen
konnte, und ob sie gleich eine genaue Beobachterin dessen war, was man
/Gradationen/ nennt, so wußte sie doch die Zeit so gut einzuteilen, daß
es eben Nacht wurde, wie der Prinz die Ueberzeugung bis zu derjenigen
Evidenz trieb, die keinen Zweifel übrig läßt. Die Geschichte sagt
weiter nichts von dem, was zwischen ihnen vorgegangen, als daß sich
/Biribinker/ des Morgens, da er erwachte, zu seinem nicht geringen
Erstaunen, auf eben dem Ruhebette, in eben dem Zimmer, in eben dem
Pallast, und in dem nehmlichen Zustande befand, worinn er des Morgens
zuvor gewesen war.
Die schöne /Ondine/, welche, man weißt nicht warum? sich nicht weit von
ihm befand, merkte kaum, daß er erwacht war, als sie ihn, mit einer
Anmuth, die ihn vor etlichen Stunden eben so sehr entzückt hatte, als
sie ihn jetzt gleichgültig ließ, also anredete: Das Schicksal, mein
lieber /Biribinker/, hat sie dazu ausersehen, sich unglückliche Feen
verbindlich zu machen. Da ich das Vergnügen habe, eine davon zu seyn,
so ist es billig, daß ich sie berichte, wer ich bin, und wie viel ich
ihnen zu danken habe. Wissen sie also, daß ich eine von denjenigen
Feen bin, die man /Ondinen/ nennt, weil sie das Element des Wassers
bewohnen, aus dessen subtilesten Atomen ihr Wesen zusammen gesetzt ist.
Man nannte mich /Mirabella/, und der Stand einer Fee mit dem Rang, den
mir meine Geburt unter den Ondinen gab, hätte mich glücklich machen
können, wenn irgend etwas fähig wäre, uns gegen die Einflüsse eines
feindseligen Gestirns zu schützen. Das meinige verurtheilte mich, von
einem alten Zauberer geliebt zu werden, dem seine tiefe Wissenschaft
eine unbegrenzte Gewalt über die elementarischen Geister gab. Allein
bey allem dem war er der unangenehmste Mensch von der Welt, und ohne
die Freundschaft eines Salamanders, der ein Günstling des alten
/Padmanaba/ war ----
Wie? rief der Prinz, /Padmanaba/, sagen sie? der Mann mit dem
schneeweissen Ellenlangen Bart, der arme Mädchens, die Langeweile
haben, in Nachtgeschirre und kurzweilige /Gnomen/ in Hummeln verwandelt?
Eben dieser, versetzte die /Ondine/, war es, der sich die Rechte eines
Ehemanns über mich anmaßte, ohne zu den Pflichten dieses Characters die
mindeste Tüchtigkeit zu haben. Eine meiner Vorgängerinnen, die er in
den Armen eines häßlichen Gnomen überraschte, hatte ihn so mißtrauisch
gemacht, daß er auf seinen eigenen Schatten eyfersüchtig war. Er hatte
alle Gnomen abgeschaft, und dafür lauter /Salamander/ angenommen, deren
feurige Natur, wie er dachte, geschickter war, Schrecken als Liebe
einzuflössen. Sie erinnern sich ohne Zweifel aus ihrem /Ovidius/ an die
schöne /Semele/, die in der Umarmung eines Salamanders zu Asche wurde.
Aber der gute Alte vergaß mit aller seiner Vorsichtigkeit, daß die
wässerichte Natur der Ondinen sie vor einer solchen Gefahr vollkommen
sichert, und das gedämpfte Feuer der Salamander zu einer sanften
Hitze mäßiget, die der Liebe nicht wenig günstig ist. /Padmanaba/
verließ sich so völlig auf seinen Günstling, daß er uns alle Freyheit
ließ, die wir nur wünschen konnten. Sie bilden sich vielleicht ein,
Prinz /Biribinker/, daß wir uns diese Gelegenheit nach der Weise
materieller Liebhaber zu Nutze gemacht haben würden; aber sie irren
sich. /Flox/, so hieß mein Freund der Salamander, war zu gleicher Zeit
der zärtlichste und der geistigste Liebhaber von der Welt. Er merkte
gleich, daß mein Herz nur durch den Verstand gewonnen werden könne,
und trieb seine Gefälligkeit gegen meine Delicatesse so weit, daß er
gar nicht einmal zu bemerken schien, daß ich, wie sie sehen, eine
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