Die weltgeschichtliche Bedeutung des deutschen Geistes - 2

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freudig zu genießen die Aufgabe des Menschen bildet; die Richtung darauf
scheint ihn über alle Kleinheit des Alltags weit hinauszuheben. In einer
solchen fertigen Welt findet aber der Mensch nichts Wesentliches zu
verändern, so gibt es hier keine Geschichte, keine Hoffnung einer
Umbildung und Erneuerung. Wir Deutsche dagegen verstehen die Welt als im
Werden begriffen und voll harter Kämpfe, zugleich halten wir uns für
berufen, an dem großen Werke der Weiterbildung mitzuwirken und alle
Kraft dafür einzusetzen. Wir wollen eingreifen, bessern, fördern, wir
geben damit der Geschichte eine große Bedeutung. Ist demnach der
Idealismus der Griechen vorwiegend künstlerischer Art, so vertreten wir
Deutsche einen ethischen Idealismus. Jenen ist das Höchste die
Anschauung, uns ist das Höchste die Tat, die Tat der Persönlichkeit, die
weltschaffende und weltgestaltende Tat.
Nun ist das ja ein Hauptgedanke der Neuzeit, daß wir nicht einer
fertigen Welt angehören, daß die Welt um uns und in uns voller Probleme
ist, und daß wir zu ihrer Lösung nach besten Kräften helfen sollen. So
entspricht der deutsche Idealismus den Erfahrungen der Weltgeschichte
und den Forderungen der Neuzeit, sein kräftiger und mannhafter
Charakter, seine zugleich ernste und freudige Art ist der Menschheit
unentbehrlich. Er ist mit seiner engen Verknüpfung von Arbeit und Seele
der modernen Welt um so unentbehrlicher, als ihre Entwicklung voller
Gefahren für den Gehalt und Selbstwert des Lebens ist. Im modernen Leben
hat der Gedanke besondere Macht und Eindringlichkeit gewonnen, daß die
Hauptsache die volle Entwicklung der Kraft, die Steigerung der
Lebensenergie ins Unbegrenzte sei. In dieser Richtung ist Gewaltiges
geleistet worden, sind die Individuen wie auch die Völker mehr in Fluß
gebracht, wird ihnen alle Trägheit ausgetrieben, alles Schlummernde voll
erweckt. Aber so groß und fruchtbar dies alles ist, es darf nicht das
Ganze, das Einzige sein. Die Gefahr liegt nahe -- die Weltstadt läßt sie
besonders stark empfinden --, daß sich das Leben in ein ruhe- und
rastloses Streben verwandelt, daß wir nur von Augenblick zu Augenblick
weiter jagen und über dem Denken an die Zukunft alle wahrhaftige
Gegenwart verlieren; in aller Fülle des Lebens läßt uns der
unaufhörliche Wechsel der Eindrücke und Aufgaben gar nicht zu einem
wahrhaftigen, in sich selbst befriedigten Leben kommen. Das ist eine
große Gefahr, wir müssen ihr entgegenarbeiten, wir können das aber
durch eine kräftige Belebung der deutschen Art. Denn sie begnügt sich
nicht mit der bloßen Kraftentwicklung, sie besteht auf einer Bildung des
Wesens, auf einem beharrenden und überlegenen Sein in aller Fülle des
Wirkens, sie vermag damit dem Leben eine Tiefe und einen Selbstwert zu
geben. Der moderne Mensch hat bei allem Gerede von „Aktualität“ viel zu
wenig Gegenwart, zu sehr löst sich ihm das Leben in lauter einzelne
Augenblicke auf. Goethe dagegen meinte, jeder Augenblick soll uns heilig
sein, denn er sei ein Vertreter der Ewigkeit.
So im Zeitlichen ein Ewiges ergreifen ist aber nur möglich, wenn das
Leben eine Tiefe hat und aus dem Getriebe der Kräfte sich eine
Seelenbildung heraushebt; das aber kann bei uns Deutschen geschehen. Wir
brauchen bei höchster Kraftentfaltung nicht darin aufzugehen, wir können
immer dahinter ein Ganzes der Persönlichkeit behaupten und entfalten,
wir können ein Ganzes des menschlichen Seins in alle Gebiete des
geistigen Schaffens legen, in Philosophie und Kunst, in Religion und
Moral. Was wir aber dabei erreichen, das gewinnen wir nicht bloß für
uns, wir gewinnen es für die Menschheit. Die moderne Menschheit ist in
großer Gefahr, in ein sinnloses Hasten hineinzugeraten und darin
aufzugehen. Dem können wir Deutsche kraft unserer geistigen Art
energisch entgegenwirken, wir können der Mannigfaltigkeit eine Einheit,
der Bewegung eine Ruhe entgegenhalten, wir können damit den geistigen
Bestand des menschlichen Lebens wahren und fördern. Mit dem allen
gewinnt das deutsche Leben und Tun eine weltgeschichtliche Bedeutung.
Mit gutem Grunde hat Fichte uns das Volk des Gemüts genannt. Er wollte
damit nicht den Gliedern anderer Völker das Gemüt absprechen, das wäre
eng und unrecht gewesen. Aber dahin ging seine Behauptung, daß die
Innerlichkeit bei uns Deutschen zu einer gemeinsamen, unser Schaffen
beherrschenden und unsere Geschichte durchwaltenden Macht geworden ist,
mehr als bei irgendwelchem anderen Volke. In diesem Sinne dürfen wir
sagen, daß wir die Seele der Menschheit bilden, und daß die Vernichtung
der deutschen Art die Weltgeschichte ihres tiefsten Sinnes berauben
würde. So sicher wir daher überzeugt sind, daß die Weltgeschichte einen
Sinn hat, so sicher dürfen wir auch überzeugt sein, daß die deutsche Art
unentbehrlich ist, und daß sie sich gegen alle feindlichen Angriffe
siegreich behaupten wird. Ein festes Vertrauen darauf schöpfen wir auch
aus der Erwägung, daß der Besitz einer ursprünglichen und
weltumfassenden Innerlichkeit eine unerschöpfliche Stärke verleiht. Wo
eine solche Innerlichkeit fehlt, da bleibt die Kraft beschränkt, da wird
sie abhängig von äußeren Bedingungen, so fehlt dem Leben das Große und
Heldenhafte. Dürfen wir Deutsche uns aber mit den tiefsten Gründen im
Zusammenhang fühlen, so können wir daraus unermeßliche Kräfte schöpfen,
so können wir allem Ansturm der Welt um uns von innen her eine Welt
entgegensetzen und jener gegenüber zum Siege führen.
Mögen daher zahllose Feinde sich gegen uns verbünden, mögen sie Neid und
Haß, Verschlagenheit und Wildheit aufeinander häufen, wir haben die
Überlegenheit innersten Wesens, und diese Überlegenheit wird uns vollauf
die Kraft gewähren, allem Ansturm gewachsen zu bleiben. Stehen wir nur
fest auf uns selbst, ergreifen wir den tiefsten Grund und die innerste
Kraft unseres Wesens, dann wird unser Genius mit uns sein und uns zum
Siege führen, dann können die Pforten der Hölle uns nicht bewältigen.
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