Die Verschwörung des Fiesco zu Genua: Ein republikanisches Trauerspiel - 6

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Wache). Freund, wann geht die Komödie an?
Wache. Weiß nicht.
Zenturione (erstaunt auf und nieder. Wird die Waffen gewahr.
Bestürzt). Freund, was soll das?
Wache. Weiß nicht.
Zenturione (hüllt sich erschrocken in seinen Mantel). Sonderbar.
Wachen am Hofthor (rufen an). Wer da?

Dritter Auftritt

Vorige. Zibo.
Zibo (im Hereintreten). Freund von Lavagna.
Zenturione. Zibo, wo sind wir?
Zibo. Was?
Zenturione. Schau' um dich, Zibo!
Zibo. Wo? Was?
Zenturione. Alle Thüren besetzt.
Zibo. Hier liegen Waffen.
Zenturione. Niemand gibt Auskunft.
Zibo. Das ist seltsam.
Zenturione. Wie viel ist die Glocke?
Zibo. Acht Uhr vorüber.
Zenturione. Puh! es ist grimmkalt.
Zibo. Acht Uhr ist die bestellte Stunde.
Zenturione (den Kopf schüttelnd). Hier ist's nicht richtig.
Zibo. Fiesco hat einen Spaß vor.
Zenturione. Morgen ist Dogewahl--Zibo, hier ist's nicht richtig.
Zibo. Stille! stille! stille!
Zenturione. Der rechte Schloßflügel ist voll Lichter.
Zibo. Hörst du nichts? Hörst du nichts?
Zenturione. Hohles Gemurmel drinnen und mitunter-Zibo. Dumpfiges
Rasseln, wie von Harnischen, die sich an einander reiben-Zenturione.
Schauervoll! Schauervoll!
Zibo. Ein Wagen! Er hält an der Pforte!
Wachen am Hofthor (rufen an). Wer da?

Vierter Auftritt

Vorige. Vier Asserato.
Asserato (im Hereintreten). Freund von Fiesco.
Zibo. Es sind die vier Asserato.
Zenturione. Guten Abend, Landsmann.
Asserato. Wir gehen in die Komödie.
Zibo. Glück auf den Weg!
Asserato. Geht ihr nicht mit in die Komödie?
Zenturione. Spaziert nur voran. Wir wollen erst frische Luft
schöpfen.
Asserato. Es wird bald angehen. Kommt. (Gehen weiter.)
Wache. Zurück!
Asserato. Wo will das hinaus?
Zenturione (lacht). Zum Schloß hinaus.
Asserato. Hier ist ein Mißverstand.
Zibo. Ein handgreiflicher. (Musik auf dem rechten Flügel.)
Asserato. Hört ihr die Symphonie? Das Lustspiel wird vor sich gehen.
Zenturione. Mich däucht, es fing schon an, und wir spielen die
Narren drin.
Zibo. Übrige Hitze hab' ich nicht. Ich gehe.
Asserato. Waffen hier.
Zibo. Pah! Komödienwaaren.
Zenturione. Sollen wir hier stehen, wie die Narren am Acheron?
Kommt zum Kaffeehaus! (Alle Sechs eilen gegen die Pforte.)
Wachen (schreien heftig). Zurück!
Zenturione. Mord und Tod! Wir sind gefangen!
Zibo. Mein Schwert sagt: nicht lange!
Asserato. Steck' ein! steck' ein! Der Graf ist ein Ehrenmann.
Zibo. Verkauft! Verrathen! Die Komödie war der Speck, hinter der
Maus schlug die Thüre zu.
Asserato. Das wolle Gott nicht! Mich schaudert, wie das sich
entwickeln soll.

Fünfter Auftritt

Schildwachen. Wer da? (Verrina, Sacco kommen.)
Verrina. Freunde vom Hause. (Sieben andere Nobili kommen nach.)
Zibo. Seine Vertrauten! Nun klärt sich Alles auf.
Sacco (im Gespräch mit Verrina). Wie ich Ihnen sagte. Lescaro hat
die Wache am Thomasthor, Dorias bester Officier und ihm blindlings
ergeben.
Verrina. Das freut mich.
Zibo (zu Verrina). Sie kommen erwünscht, Verrina, uns allen aus dem
Traume zu helfen.
Verrina. Wie so? Wie so?
Zenturione. Wir sind zu einer Komödie geladen.
Verrina. So haben wir einen Weg.
Zenturione (ungeduldig). Den Weg alles Fleisches. Den weiß ich.
Sie sehen ja, daß die Thüren besetzt sind? Wofür die Thüren besetzen?
Zibo. Wofür die Waffen?
Zenturione. Wir stehen da, wie unter dem Galgen.
Verrina. Der Graf wird selbst kommen.
Zenturione. Er kann sich betreiben. Meine Geduld reißt den Zaum ab.
(Alle Nobili gehen im Hintergrunde auf und nieder.)
Bourgognino (aus dem Schloß). Wie steht's im Hafen, Verrina?
Verrina. Alles glücklich an Bord.
Bourgognino. Das Schloß ist auch gepfropft voll Soldaten.
Verrina. Es geht stark auf neun Uhr.
Bourgognino. Der Graf macht sehr lang.
Verrina. Immer zu rasch für seine Hoffnung. Bourgognino, ich werde
zu Eis, wenn ich mir etwas denke.
Bourgognino. Vater, übereile dich nicht.
Verrina. Es läßt sich nicht übereilen, wo nicht gezögert werden kann.
Wenn ich den zweiten Mord nicht begehe, kann ich den ersten niemal
verantworten.
Bourgognino. Aber wann soll Fiesco sterben?
Verrina. Wann Genua frei ist, stirbt Fiesco!
Schildwachen. Wer da?

Sechster Auftritt

Vorige. Fiesco.
Fiesco (im Hereintreten). Ein Freund! (Alle verneigen sich.
Schildwachen präsentieren.) Willkommen, wertheste Gäste! Sie werden
geschmählt haben, daß der Hausvater so lange auf sich warten ließ.
Verzeihen Sie. (Leise zu Verrina.) Fertig?
Verrina (ihm ins Ohr). Nach Wunsch.
Fiesco (leise zu Bourgognino). Und?
Bourgognino. Alles richtig.
Fiesco (zu Sacco). Und?
Sacco. Alles gut.
Fiesco. Und Calcagno?
Bourgognino. Fehlt noch.
Fiesco (laut zu den Thorwachen). Man soll schließen! (Er nimmt den
Hut ab und tritt mit freiem Anstand zur Versammlung.)

Meine Herren!
Ich bin so frei gewesen, Sie zu einem Schauspiel bitten zu
lassen--Nicht aber, Sie zu unterhalten, sondern Ihnen Rollen darin
aufzutragen.
Lange genug, meine Freunde, haben wir Gianettino Dorias Trotz und die
Anmaßungen des Andreas ertragen. Wenn wir Genua retten wollen,
Freunde, wird keine Zeit zu verlieren sein. Zu was Ende glauben Sie
diese zwanzig Galeeren, die den vaterländischen Hafen belagern? Zu
was Ende die Allianzen, so diese Doria schlossen? Zu was Ende die
fremden Waffen, die sie ins Herz Genuas zogen?--Jetzt ist es nicht
mehr mit Murren und Verwünschen gethan. Alles zu retten, muß Alles
gewagt werden. Ein verzweifeltes Übel will eine verwegene Arznei.
Sollte Einer in dieser Versammlung sein, der Phlegma genug hat, einen
Herrn zu erkennen, der nur seines Gleichen ist?--(Gemurmel.)--Hier
ist Keiner, dessen Ahnen nicht um Genuas Wiege standen. Was? bei
Allem, was heilig ist! was? was haben denn diese zween Bürger voraus,
daß sie den frechen Flug über unsere Häupter nehmen?--(Wilderes
Gemurre.)--Jeder von Ihnen ist feierlich aufgeforderet, Genuas Sache
gegen seine Unterdrücker zu führen--Keiner von Ihnen kann ein
Haarbreit von seinen Rechten vergeben, ohne zugleich die Seele des
ganzen Staats zu verrathen-(Ungestüme Bewegungen unter den Zuhörern
unterbrechen ihn; dann fährt er fort.)
Sie empfinden--jetzt ist Alles gewonnen. Schon hab' ich vor Ihnen
her den Weg zum Ruhme gebahnt. Wollen Sie folgen? Ich bin bereit,
Sie zu führen. Diese Anstalten, die Sie noch kaum mit Entsetzen
beschauten, müssen Ihnen jetzt frischen Heldenmuth einhauchen. Diese
Schauder der Bangigkeit müssen in einen rühmlichen Eifer erwarmen,
mit diesen Patrioten und mir Eine Sache zu machen und die Tyrannen
von Grund aus zu stürzen. Der Erfolg wird das Wagstück begünstigen,
denn meine Anstalten sind gut. Das Unternehmen ist gerecht, denn
Genua leidet. Der Gedanke macht uns unsterblich, denn er ist
gefährlich und ungeheuer.
Zenturione (in stürmischer Aufwallung). Genug! Genua wird frei!
Mit diesem Feldgeschrei gegen die Hölle!
Zibo. Und wen das nicht aus seinem Schlummer jagt, der keuche ewig
am Ruder, bis ihn die Posaune des Weltgerichts losschließt.
Fiesco. Das waren Worte eines Mannes. Nun erst verdienen Sie die
Gefahr zu wissen, die über Ihnen und Genua hing. (Er gibt ihnen die
Zettel des Mohren.) Leuchtet, Soldaten! (Nobili drängen sich um eine
Fackel und lesen.) Es ging, wie ich wünschte, Freund.
Verrina. Doch rede noch nicht so laut. Ich habe dort auf dem linken
Flügel Gesichter bleich werden und Kniee schlottern gesehen.
Zenturione (in Wuth). Zwölf Senatoren! Teuflisch! Faßt alle
Schwerter auf! (Alle stürzen sich auf die bereit liegenden Waffen,
zwei ausgenommen.)
Zibo. Dein Name steht auch da, Bourgognino.
Bourgognino. Und noch heute, so Gott will, auf Dorias Gurgel.
Zenturione. Zwei Schwerter liegen noch.
Zibo. Was? was?
Zenturione. Zwei nahmen kein Schwert.
Asserato. Meine Brüder können kein Blut sehen. Verschont sie!
Zenturione (heftig). Was? was? Kein Tyrannenblut sehen? Zerreißt
die Memmen! Werft sie zur Republik hinaus, diese Bastarde! (Einige
von der Gesellschaft werfen sich ergrimmt auf die Beiden.)
Fiesco (reißt sie auseinander). Haltet! haltet! Soll Genua Sklaven
seine Freiheit verdanken? Soll unser Gold durch dieses schlechte
Metall seinen guten Klang verlieren? (Er befreit sie.) Sie, meine
Herren, nehmen so lang mit einem Zimmer in meinem Schloß vorlieb, bis
unsre Sachen entschieden sind. (Zur Wache.) Zween Arrestanten! Ihr
haftet für sie! Zwei scharfe Posten an ihre Schwelle! (Sie werden
abgeführt.)
Schildwachen am Hofthor. Wer draußen? (Man pocht.)
Calcagno (ruft ängstlich). Schließt auf! Ein Freund! Schließt um
Gotteswillen auf!
Bourgognino. Es ist Calcagno. Was soll das »um Gotteswillen«?
Fiesco. Macht ihm auf, Soldaten.

Siebenter Auftritt

Vorige. Calcagno außer Athem, erschrocken.
Calcagno. Aus! aus! Fliehe, wer fliehen kann! Alles aus!
Bourgognino. Was aus? Haben sie Fleisch von Erz, sind unsre
Schwerter von Binsen?
Fiesco. Überlegung, Calcagno! Ein Mißverstand hier wäre nicht mehr
zu vergeben.
Calcagno. Verrathen sind wir. Eine höllische Wahrheit. Ihr Mohr
Lavagna, der Schelm! Ich komme vom Palast der Signoria. Er hatte
Audienz beim Herzog. (Alle Nobili erblassen. Fiesco selbst
verändert die Farbe.)
Verrina (entschlossen gegen die Thorwachen). Soldaten! streckt mir
die Hellebarden vor! Ich will nicht durch die Hände des Henkers
sterben. (Alle Nobili rennen bestürzt durcheinander.)
Fiesco (gefaßter.) Wohin? Was macht ihr?--Geh in die Hölle,
Calcagno--Es war ein blinder Schrecken, ihr Herrn--Weib! Das vor
diesen Knaben zu sagen--Auch du, Verrina?--Bourgognino, du
auch?--Wohin du?
Bourgognino (heftig). Heim, meine Bertha ermorden und wieder hier
sein.
Fiesco (schlägt ein Gelächter auf). Bleibt! Haltet! Ist das der
Muth der Tyrannenmörder?--Meisterlich spieltest du deine Rolle,
Calcagno!--Merktet ihr nicht, daß diese Zeitung meine Veranstaltung
war?--Calcagno, sprechen Sie, war's nicht mein Befehl, daß Sie diese
Römer auf die Prob' stellen sollten?
Verrina. Nun, wenn du lachen kannst?--Ich will's glauben, oder dich
nimmer für einen Menschen halten.
Fiesco. Schande über euch, Männer! In dieser Knabenprobe zu fallen!
--Nehmt eure Waffen wieder--Ihr werdet wie Bären fechten, wollt ihr
diese Scharte verwetzen. (Leise zu Calcagno.) Waren Sie selbst dort?
Calcagno. Ich drängte mich durch die Trabanten, meinem Auftrag gemäß
die Parole beim Herzog zu holen--wie ich zurücktrete, bringt man den
Mohren.
Fiesco (laut). Also der Alte ist zu Bette? Wir wollen ihn aus den
Federn trommeln (Leise.) Sprach er lang mit dem Herzog?
Calcagno. Mein erster Schreck und Eure nahe Gefahr ließen mich kaum
zwei Minuten dort.
Fiesco (laut und munter). Sieh doch! wie unsre Landsleute noch
zittern.
Calcagno. Sie hätten auch nicht so bald herausplatzen sollen.
(Leise.) Aber um Gotteswillen, Graf! was wird diese Nothlüge fruchten?
Fiesco. Zeit, Freund, und dann ist der erste Schreck jetzt vorüber.
(Laut.) He! an soll Wein bringen! (Leise.) Und sahn Sie den Herzog
erblassen? (Laut.) Frisch, Brüder, wir wollen noch eins Bescheid
thun auf den Tanz dieser Nacht! (Leise.) Und sahn Sie den Herzog
erblassen?
Calcagno. Des Mohren erstes Wort muß »Verschwörung« gelautet haben;
der Alte trat schneebleich zurück.
Fiesco (verwirrt). Hum! Hum! der Teufel ist schlau, Calcagno--er
verrieth nichts, bis das Messer an ihre Gurgel ging. Jetzt ist er
freilich ihr Engel. Der Mohr ist schlau. (Man bringt ihm einen
Becher Wein; er hält ihn gegen die Versammlung und trinkt.) Unser
gutes Glück, Kameraden! (Man pocht.)
Schildwachen. Wer draußen?
Eine Stimme. Ordonnanz des Herzogs. (Die Nobili stürzen
verzweifelnd im Hof herum.)
Fiesco (springt unter sie). Nein, Kinder! Erschreckt nicht!
erschreckt nicht! Ich bin hier. Hurtig! Schafft diese Waffen weg.
Seid Männer! ich bitte euch. Dieser Besuch läßt mich hoffen, daß
Andreas noch zweifelt. Geht hinein. Faßt euch. Schließt auf,
Soldaten. (Alle entfernen sich. Das Thor wird geöffnet.)

Achter Auftritt

Fiesco, als käm' er eben aus dem Schloß. Drei Deutsche, die den
Mohren gebunden bringen.
Fiesco. Wer rief mich in den Hof?
Deutscher. Führt uns zum Grafen.
Fiesco. Der Graf ist hier. Wer begehrt mich?
Deutscher (macht die Honneurs vor ihm). Einen guten Abend vom Herzog.
Diesen Mohren liefert er Euer Gnaden gebunden aus. Er habe
schändlich herausgeplaudert. Das Weitere sagt der Zettel.
Fiesco (nimmt ihn gleichgültig.) Und hab' ich dir nicht erst heut die
Galeere verkündigt? (Zum Deutschen.) Es ist gut, Freund. Meinen
Respect an den Herzog.
Mohr (ruft ihnen nach). Und auch meinerseits einen, und sag'
ihm--dem Herzog--wenn er keinen Esel geschickt hätte, so würd' er
erfahren haben, daß im Schloß zweitausend Soldaten stecken.
(Deutsche gehen ab. Nobili kommen zurück.)

Neunter Auftritt

Fiesco. Verschworene. Mohr trotzig in der Mitte.
Verschworene (fahren bebend zurück beim Anblick des Mohren). Ha! was
ist das?
Fiesco (hat das Billet gelesen, mit verbissenem Zorn). Genueser! die
Gefahr ist vorbei--aber auch die Verschwörung.
Verrina (ruft erstaunt aus). Was? Sind die Doria todt?
Fiesco (in heftiger Bewegung). Bei Gott! auf die ganze Kriegsmacht
der Republik--auf Das war ich nicht gefaßt. Der alte schwächliche
Mann schlägt mit vier Zeilen dritthalbtausend Mann. (Läßt kraftlos
die Hände sinken.) Doria schlägt den Fiesco.
Bourgognino. So sprechen Sie doch! Wir erstarren.
Fiesco (liest). »Lavagna, Sie haben, däucht mich, Ein Schicksal mit
mir--Wohlthaten werden Ihnen mit Undank belohnt. Dieser Mohr warnt
mich vor einem Komplott--Ich sende ihn hier gebunden zurück und werde
heute Nacht ohne Leibwache schlafen.« (Er läßt das Papier fallen.
Alle sehen sich an.)
Verrina. Nun, Fiesco?
Fiesco (mit Adel). Ein Doria soll mich an Großmuth besiegt haben?
Eine Tugend fehlt im Stamm der Fiesker?--Nein! so wahr ich ich selber
bin!--Geht auseinander, ihr! Ich werde hingehen--und Alles bekennen.
(Will hinausstürzen.)
Verrina (hält ihn auf). Bist du wahnsinnig, Mensch? War es denn
irgend ein Bubenstreich, den wir vorhatten? Halt! oder war's nicht
Sache des Vaterlands! Halt! oder wolltest du nur dem Andreas zu
Leibe, nicht dem Tyrannen? Halt! sag' ich--ich verhafte dich als
einen Verräther des Staats-Verschworne. Bindet ihn! werft ihn zu
Boden!
Fiesco (reißt Einem ein Schwert weg und macht sich Bahn). Sachte
doch! Wer ist der Erste, der das Halfter über den Tiger wirft?--Seht,
ihr Herrn--Frei bin ich--könnte durch, wo ich Luft hätte--Jetzt will
ich bleiben, denn ich habe mich anders besonnen.
Bourgognino. Auf Ihre Pflicht besonnen?
Fiesco (aufgebracht, mit Stolz). Ha, Knabe! Lernen Sie erst die Ihrige
gegen mich auswendig, und mir nimmer das!--Ruhig, ihr Herrn--es bleibt
Alles wie vor.--(Zum Mohren, dessen Stricke er zerhaut.) Du hast das
Verdienst, eine große That zu veranlassen--Entfliehe!
Calcagno (zornig). Was? was? Leben soll der Heide? leben und uns
alle verrathen haben?
Fiesco. Leben und euch allen--bang gemacht haben. Fort, Bursche!
Sorge, daß du Genua auf den Rücken kriegst, man könnte seinen Muth an
dir retten wollen.
Mohr. Das heißt, der Teufel läßt keinen Schelmen sitzen!--Gehorsamer
Diener, ihr Herrn!--Ich merke schon, in Italien wächst mein Strick
nicht. Ich muß ihn anderswo suchen. (Ab mit Gelächter.)

Zehnter Auftritt

Bedienter kommt. Vorige ohne den Mohren.
Bedienter. Die Gräfin Imperiali fragen schon dreimal nach Euer
Gnaden.
Fiesco. Potz tausend! Die Komödie wird freilich wohl angehen müssen!
Sag' ihr, ich bin unverzüglich dort--Bleib--Meine Frau bittest du,
in den Concertsaal zu treten und mich hinter den Tapeten zu erwarten.
(Bedienter ab.) Ich habe hier euer Aller Rollen zu Papier gebracht;
wenn Jeder die seinige erfüllt, so ist nichts mehr zu sagen--Verrina
wird voraus in den Hafen gehen und mit einer Kanone das Signal zum
Ausbruch geben, wenn die Schiffe erobert sind.--Ich gehe; mich ruft
noch eine große Verrichtung. Ihr werdet ein Glöckchen hören und alle
miteinander in meinen Concertsaal kommen--Indeß geht hinein--und laßt
euch meinen Cyprier schmecken. (Sie gehen auseinander.)

Eilfter Auftritt

Concertsaal--Leonore. Arabella. Rosa. Alle beängstigt.
Leonore. In den Concertsaal versprach Fiesco zu kommen, und kommt
nicht. Eilf Uhr ist vorüber. Von Waffen und Menschen dröhnt
fürchterlich der Palast, und kommt kein Fiesco?
Rosa. Sie sollen sich hinter die Tapeten verstecken--Was der gnädige
Herr damit wollen mag?
Leonore. Er will's, Rosa, ich weiß also genug, um gehorsam zu sein.
Bella, genug, um ganz außer Furcht zu sein--Und doch! doch zittr' ich
so sehr, Bella, und mein Herz klopft so schrecklich bang. Mädchen,
um Gotteswillen! gehe keines von meiner Seite.
Bella. Fürchten Sie nichts. Unsre Angst bewacht unsern Fürwitz.
Leonore. Worauf mein Auge stößt, begegnen mir fremde Gesichter, wie
Gespenster hohl und verzerrt. Wen ich anrufe, zittert wie ein
Ergriffener und flüchtet sich in die dichteste Nacht, diese gräßliche
Herberge des bösen Gewissens. Was man antwortet, ist ein halber
heimlicher Laut, der auf bebender Zunge noch ängstlicher zweifelt, ob
er auch kecklich entwischen darf.--Fiesco?--Ich weiß nicht, was hier
Grauenvolles geschmiedet wird--Nur meinen Fiesco (mit Grazie ihre
Hände faltend) umflattert, ihr himmlischen Mächte!
Rosa (zusammengeschreckt). Jesus! Was rauscht in der Galerie?
Bella. Es ist der Soldat, der dort Wache steht. (Die Schildwache
ruft außen: »Wer da?« Man antwortet.)
Leonore. Leute kommen! Hinter die Tapete! Geschwind! (Sie
verstecken sich.)

Zwölfter Auftritt

Julia. Fiesco im Gespräch.
Julia (sehr zerstört). Hören Sie auf, Graf! Ihre Galanterieen
fallen nicht mehr in achtlose Ohren, aber in ein siedendes Blut--Wo
bin ich? Hier ist Niemand als die verführerische Nacht. Wohin haben
Sie mein verwahrlostes Herz geplaudert?
Fiesco. Wo die verzagte Leidenschaft kühner wird, und Wallungen
freier mit Wallungen reden.
Julia. Halt ein, Fiesco. Bei Allem, was heilig ist, nicht weiter!
Wäre die Nacht nicht so dichte, du würdest meine flammrothen Wangen
sehen und dich erbarmen.
Fiesco. Weit gefehlt, Julia! Eben dann würde meine Empfindung die
Feuerfahne der deinigen gewahr und lief' desto muthiger über. (Er
küßt ihr heftig die Hand.)
Julia. Mensch, dein Gesicht brennt fiebrisch, wie dein Gespräch.
Weh, auch aus dem meinigen, ich fühl's, schlägt wildes, frevelndes
Feuer. Laß uns das Licht suchen, ich bitte. Die aufgewiegelten
Sinne könnten den gefährlichen Wink dieser Finsterniß merken. Geh!
diese gährenden Rebellen könnten hinter dem Rücken des verschämten
Tages ihre gottlosen Künste treiben. Geh unter Menschen, ich
beschwöre dich.
Fiesco (zudringlicher). Wie ohne Noth besorgt, meine Liebe! Wird je
die Gebieterin ihren Sklaven fürchten?
Julia. Über euch Männer und den ewigen Widerspruch! Als wenn ihr
nicht die gefährlichsten Sieger wäret, wenn ihr euch unsrer
Eigenliebe gefangen gebt. Soll ich dir Alles gestehen, Fiesco? daß
nur mein Laster meine Tugend bewahrte? nur mein Stolz deine Künste
verlachte? nur bis hieher meine Grundsätze Stand hielten? Du
verzweifelst an deiner List und nimmst deine Zuflucht zu Julias Blut.
Hier verlassen sie mich.
Fiesco (leichtfertig dreist). Und was verlorst du bei diesem
Verluste?
Julia (aufgeregt und mit Hitze). Wenn ich den Schlüssel zu meinem
weiblichen Heiligthum an dich vertändle, womit du mich schamroth
machst, wenn du willst? Was hab' ich weniger zu verlieren, als
Alles? Willst du mehr wissen, Spötter? Das Bekenntniß willst du
noch haben, daß die ganze geheime Weisheit unsers Geschlechts nur
eine armselige Vorkehrung ist, unsere tödtliche Seite zu entsetzen,
die doch zuletzt allein von euren Schwüren belagert wird, die (ich
gesteh' es erröthend ein) so gern erobert sein möchte, so oft beim
ersten Seitenblick der Tugend den Feind verrätherisch empfängt?--daß
alle unsere weiblichen Künste einzig für dieses wehrlose Stichblatt
fechten, wie auf dem Schach alle Officiere den wehrlosen König
bedecken? Überrumpelst du diesen--Matt! und wird getrost das ganze
Brett durcheinander. (Nach einer Pause mit Ernst.) Du hast das
Gemäld' unsrer prahlerischen Armuth--Sei großmüthig!
Fiesco. Und doch, Julia--Wo besser als in meiner unendlichen
Leidenschaft kannst du diesen Schatz niederlegen?
Julia. Gewiß nirgends besser, und nirgends schlimmer--Höre, Fiesco,
wie lang wird diese Unendlichkeit währen?--Ach! schon zu unglücklich
hab' ich gespielt, daß ich nicht auch mein Letztes noch setzen
sollte--Dich zu fangen, Fiesco, muthete ich dreist meinen Reizen zu;
und ich mißtraue ihnen die Allmacht, dich festzuhalten--Pfui doch,
was red' ich da? (Sie tritt zurück und hält die Hände vors Gesicht.)
Fiesco. Zwei Sünden in einem Athem. Das Mißtrauen in meinen Geschmack,
oder das Majestätsverbrechen gegen deine Liebenswürdigkeit--was von
beiden ist schwerer zu vergeben?
Julia (matt, unterliegend, mit beweglichem Ton). Lügen sind nur die
Waffen der Hölle--die bracht Fiesco nicht mehr, seine Julia zu fällen.
(Sie fällt erschöpft in einen Sopha, nach einer Pause feierlich.)
Höre, laß dir noch ein Wörtchen sagen, Fiesco--Wir sind Heldinnen,
wenn wir unsere Tugend noch sicher wissen:--wenn wir sie vertheidigen,
Kinder; (ihm starr und wild unter die Augen) Furien, wenn wir sie
rächen--Höre. Wenn du mich kalt würgtest, Fiesco?
Fiesco (nimmt einen aufgebrachten Ton an). Kalt? kalt?--Nun, bei
Gott! was fordert denn die unersättliche Eitelkeit des Weibs, wenn es
einen Mann vor sich kriechen sieht und noch zweifelt? Ha, er erwacht
wieder, ich fühle, (den Ton in Kälte verändert) noch zu rechter Zeit
gehen mir die Augen auf--Was war's, das ich eben erbetteln
wollte?--Die kleinste Erniedrigung eines Mannes ist gegen die höchste
Gunst eines Weibs weggeworfen! (Zu ihr mit tiefer, frostiger
Verbeugung.) Fassen Sie Muth, Madame! Jetzt sind Sie sicher.
Julia (bestürzt). Graf? Welche Anwandlung!
Fiesco (äußerst gleichgültig). Nein, Madame! Sie haben vollkommen
recht, wir Beide haben die Ehre nur einmal auf dem Spiel. (Mit einem
höflichen Handkuß.) Ich habe das Vergnügen, Ihnen bei der
Gesellschaft meinen Respect zu bezeugen. (Er will schnell fort.)
Julia (ihm nach, reißt ihn zurück). Bleib! Bist du rasend? Bleib! Muß
ich es denn sagen--heraussagen, was das ganze Männervolk auf den
Knieen--in Thränen--auf der Folterbank meinem Stolz nicht abdringen
sollte?--Weh! auch dies dichte Dunkel ist zu licht, diese Feuersbrunst
zu bergen, die das Geständniß auf meinen Wangen macht--Fiesco--O, ich
bohre durchs Herz meines ganzen Geschlechts--mein ganzes Geschlecht
wird mich ewig hassen--Ich bete dich an, Fiesco! (Fällt vor ihm
nieder.)
Fiesco (weicht drei Schritte zurück, läßt sie liegen und lacht
triumphierend auf). Das bedaur' ich, Signora. (Er zieht die Glocke,
hebt die Tapete auf und führt Leonoren hervor.) Hier ist meine
Gemahlin--ein göttliches Weib! (Er fällt Leonoren in den Arm.)
Julia (springt schreiend vom Boden). Ah! unerhört betrogen!

Dreizehnter Auftritt

Die Verschwornen, welche zumal hereintreten. Damen von der andern
Seite. Fiesco. Leonore und Julia.
Leonore. Mein Gemahl, das war allzu streng.
Fiesco. Ein schlechtes Herz verdiente nicht weniger. Deinen Thränen
war ich diese Genugthuung schuldig. (Zur Versammlung.) Nein, meine
Herrn und Damen, ich bin nicht gewohnt, bei jedem Anlaß in kindische
Flammen aufzuprasseln, Die Thorheiten der Menschen belustigen mich
lange, eh sie mich reizen. Diese verdient meinen ganzen Zorn, denn
sie hat diesem Engel dieses Pulver gemischt. (Er zeigt das Gift der
Versammlung, die mit Abscheu zurücktritt.)
Julia (ihre Wuth in sich beißend). Gut! Gut! Sehr gut, mein Herr!
(Will fort.)
Fiesco (führt sie am Arm zurück). Sie werden Geduld haben,
Madame--Noch sind wir nicht fertig--Diese Gesellschaft möchte gar zu
gern wissen, warum ich meinen Verstand so verleugnen konnte, den
tollen Roman mit Genuas größter Närrin zu spielen-Julia
(aufspringend). Es ist nicht auszuhalten! Doch zittre du! (Drohend.
) Doria donnert in Genua, und ich--bin seine Schwester.
Fiesco. Schlimm genug, wenn das Ihre letzte Galle ist--Leider muß
ich Ihnen die Botschaft bringen, daß Fiesco von Lavagna aus dem
gestohlenen Diadem Ihres durchlauchtigsten Bruders einen Strick
gedreht hat, womit er den Dieb der Republik diese Nacht aufzuhängen
gesonnen ist. (Da sie sich entfärbt, lacht er hämisch auf.) Pfui,
das kam unerwartet--und sehen Sie! (indem er beißender fortfährt)
darum fand ich es für nöthig, den ungebetenen Blicken Ihres Hauses
etwas zu schaffen zu geben; darum behängt' ich mich (auf sie deutend)
mit dieser Harlekinsleidenschaft, darum (auf Leonoren zeigend) ließ
ich diesen Edelstein fallen, und mein Wild rannte glücklich in den
blanken Betrug--Ich dank' für Ihre Gefälligkeit, Signora, und gebe
meinen Theaterschmuck ab. (Er überliefert ihren Schattenriß mit
einer Verbeugung.)
Leonore (schmiegt sich bittend an den Fiesco). Mein Ludovico, sie
weint. Darf Ihre Leonore Sie zitternd bitten?
Julia (trotzig zu Leonoren). Schweig! du Verhaßte-Fiesco (zu einem
Bedienten). Sei Er galant, Freund--biete Er dieser Dame den Arm an;
sie hat Lust, mein Staatsgefängniß zu sehen. Er steht mir davor, daß
Madonna von Niemand incommodiert wird--draußen geht eine scharfe
Luft--der Sturm, der heute Nacht den Stamm Doria spaltet, möchte ihr
leicht--den Haarputz verderben.
Julia (schluchzend). Die Pest über dich, schwarzer heimtückischer
Heuchler! (Zu Leonoren grimmig.) Freue dich deines Triumphs nicht,
auch dich wird er verderben, und sich selbst und--verzweifeln!
(Stürzt hinaus.)
Fiesco (winkt den Gästen). Sie waren Zeugen--Retten Sie meine Ehre
in Genua! (Zu den Verschwornen.) Ihr werdet mich abholen, wenn die
Kanone kommt. (Alle entfernen sich.)

Vierzehnter Auftritt

Leonore. Fiesco.
Leonore (tritt ihm ängstlich näher). Fiesco?--Fiesco?--Ich verstehe
Sie nur halb, aber ich fange an zu zittern.
Fiesco (wichtig). Leonore--ich sahe Sie einst einer Genueserin zur
Linken gehen--Ich sahe Sie in den Assembleen des Adels mit dem
zweiten Handkuß der Ritter vorlieb nehmen. Leonore--das that meinen
Augen weh. Ich beschloß, es soll nicht mehr sein--es wird aufhören.
Hören Sie das kriegerische Getöse in meinen Schloß? Was Sie fürchten,
ist wahr--Gehn Sie zu Bette, Gräfin--morgen will ich--die Herzogin
wecken.
Leonore (schlägt beide Arme zusammen und wirft sich in einen Sessel).
Gott! meine Ahnung! Ich bin verloren!
Fiesco (gesetzt, mit Würde). Lassen Sie mich ausreden, Liebe! Zwei
meiner Ahnherrn trugen die dreifache Krone; das Blut der Fiesker
fließt nur unter dem Purpur gesund. Soll Ihr Gemahl nur geerbten
Glanz von sich werfen? (Lebhafter.) Was? Soll er sich für all seine
Hoheit beim gaukelnden Zufall bedanken, der in einer erträglichen
Laune aus modernden Verdiensten einen Johann Ludwig Fiesco
zusammenflickte? Nein, Leonore! Ich bin zu stolz, mir etwas
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