Die Verschwörung des Fiesco zu Genua: Ein republikanisches Trauerspiel - 5

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Fiesco. Nein, wirklich, Madonna! dieser Auftritt ist sonderbar.
Leonore. Ah, erwünscht. Er wird blaß und roth. Jetzt bin ich
muthig.
Fiesco. Nur zwei Tage, Gräfin, und dann richten Sie mich.
Leonore. Aufgeopfert!--Laß mich es nicht vor dir aussprechen,
jungfräuliches Licht! Aufgeopfert einer Buhlerin. Nein, sehen Sie
mich an, mein Gemahl! Wahrhaftig, die Augen, die ganz Genua in
knechtisches Zittern jagen, müssen sich jetzt vor den Thränen eines
Weibes verkriechen.-Fiesco (äußerst verwirrt). Nicht mehr, Signora.
Nicht weiter.
Leonore (mit Wehmuth und etwas bitter). Ein schwaches Weiberherz zu
zerfleischen! O es ist des starken Geschlechts so würdig.--Ich warf
mich in die Arme dieses Mannes. An diesen Starken schmiegten sich
wollüstig alle meine weiblichen Schwächen. Ich übergab ihm meinen
ganzen Himmel--Der großmüthige Mann verschenkte ihn an eine-Fiesco
(stürzt ihr mit Heftigkeit ins Wort). Meine Leonore! nein-Leonore.
Meine Leonore?--Himmel, habe Dank! das war wieder echter Goldklang
der Liebe. Hassen sollt' ich dich, Falscher, und werfe mich hungrig
auf die Brosamen deiner Zärtlichkeit--Hassen? Sagte ich hassen,
Fiesco? O glaub' es nicht! Sterben lehrt mich dein Meineid, aber
nicht hassen. Mein Herz ist betrogen. (Man hört den Mohren.)
Fiesco. Leonore, erfüllen Sie mir eine kleine kindische Bitte.
Leonore. Alles, Fiesco, nur nicht Gleichgültigkeit.
Fiesco. Was Sie wollen, wie Sie wollen--(Bedeutend.) Bis Genua um
zwei Tage älter ist, fragen Sie nicht, verdammen Sie nicht! (Er
führt sie mit Anstand in ein anderes Zimmer.)

Vierter Auftritt

Mohr keuchend. Fiesco.
Fiesco. Woher so in Athem?
Mohr. Geschwind, gnädiger Herr-Fiesco. Ist was ins Garn gelaufen?
Mohr. Lest diesen Brief. Bin ich denn wirklich da? Ich glaube,
Genua ist um zwölf Gassen kürzer worden, oder meine Beine um so viel
länger. Ihr verblaßt? Ja, um Köpfe werden sie karten, und der Eure
ist Tarock. Wie gefällt's Euch?
Fiesco (wirft den Brief erschüttert auf den Tisch). Krauskopf und
zehn Teufel! wie kommst zu diesem Brief?
Mohr. Ungefähr wie--Euer Gnaden zur Republik. Ein Expresser sollte
damit nach Levanto fliegen! Ich wittre den Fraß, laure dem Burschen
in einem Hohlweg auf. Baff, liegt der Marder--wir haben das Huhn.
Fiesco. Sein Blut über dich! Der Brief ist nicht mit Gold zu
bezahlen.
Mohr. Doch dank' ich für Silber. (Ernsthaft und wichtig.) Graf von
Lavagna! Ich habe neulich einen Gelust nach Eurem Kopf gehabt.
(Indem er auf den Brief deutet.) Hier wär' er wieder--Jetzt, denk'
ich, wären gnädiger Herr und Halunke quitt. Fürs Weitere könnt Ihr
Euch beim guten Freund bedanken. (Reicht ihm einen zweiten Zettel.)
Numero zwei.
Fiesco (nimmt das Blatt mit Erstaunen). Wirst du toll sein?
Mohr. Numero zwei. (Er stellt sich trotzig neben ihn, stemmt den
Ellenbogen an.) Der Löwe hat's doch so dumm nicht gemacht, daß er die
Maus pardonnierte? (Arglistig.) Gelt! er hat's schlau gemacht, wer
hätt ihn auch sonst aus dem Garne genagt?--Nun? Wie behagt Euch das?
Fiesco. Kerl, wie viel Teufel besoldest du?
Mohr. Zu dienen--nur einen, und der steht in gräflichem Futter.
Fiesco. Dorias eigene Unterschrift!--Wo bringst du das Blatt her?
Mohr. Warm aus den Händen meiner Bononi. Ich machte mich noch die
gestrige Nacht dahin, ließ Eure schönen Worte und Eure noch schönern
Zechinen klingen. Die letzten drangen durch. Früh sechs sollt' ich
wieder anfragen. Der Graf war richtig dort, wie Ihr sagtet, und
bezahlte mit Schwarz und Weiß das Weggeld zu einem contrebandenen
Himmelreich.
Fiesco (aufgebracht). Über die feilen Weiberknechte!--Republiken
wollen sie stürzen, können keiner Metze nicht schweigen. Ich sehe
aus diesen Papieren, daß Doria und sein Anhang Komplott gemacht haben,
mich mit eilf Senatoren zu ermorden und Gianettino zum souveränen
Herzog zu machen.
Mohr. Nicht anders, und das schon am Morgen der Dogewahl, dem
dritten des Monats.
Fiesco (rasch.) Unsere flinke Nacht soll diesen Morgen in Mutterleibe
erwürgen--Geschwind, Hassan--meine Sachen sind reif--Rufe die
Andern--wir wollen ihnen einen blutigen Vorsprung machen--Tummle dich,
Hassan!
Mohr. Noch muß ich Euch meinen Schubsack von Zeitungen stürzen.
Zweitausend Mann sind glücklich hereinprakticiert. Ich habe sie bei
den Kapuzinern untergebracht, wo auch kein vorlauter Sonnenstrahl sie
ausspionieren soll. Sie brennen vor Neugier, ihren Herrn zu sehen,
und es sind treffliche Kerl.
Fiesco. Aus jedem Kopf blüht ein Scudi für dich--Was murmelt Genua
zu meinen Galeeren?
Mohr. Das ist ein Hauptspaß, gnädiger Herr. Über die vierhundert
Abenteurer, die der Friede zwischen Frankreich und Spanien auf den
Sand gesetzt hat, nisteten sich an meine Leute und bestürmten sie,
ein gutes Wort für sie bei Euch einzulegen, daß Ihr sie gegen die
Ungläubigen schicken mögt. Ich habe sie auf den Abend zu Euch in den
Schloßhof beschieden.
Fiesco (froh.) Bald sollt' ich dir um den Hals fallen, Schurke! Ein
Meisterstreich! Vierhundert, sagst du?--Genua ist nicht mehr zu
retten. Vierhundert Scudi sind dein.
Mohr (treuherzig.) Gelt, Fiesco? Wir Zwei wollen Genua
zusammenschmeißen, daß man die Gesetze mit dem Besen aufkehren
kann--Das hab' ich Euch nie gesagt, daß ich unter der hiesigen
Garnison meine Vögel habe, auf die ich zählen kann, wie auf meine
Höllenfahrt. Nun hab' ich veranstaltet, daß wir auf jedem Thor
wenigstens sechs Creaturen unter der Wache haben, die genug sind, die
Andern zu beschwätzen und ihre fünf Sinne unter Wein zu setzen. Wenn
Ihr also Lust habt, diese Nacht einen Streich zu wagen, so findet Ihr
die Wachen besoffen.
Fiesco. Rede nichts mehr. Bis jetzt hab' ich den ungeheuren Quader
ohne Menschenhilfe gewälzt; hart am Ziel soll mich der schlechteste
Kerl in der Rundung beschämen?--Deine Hand, Bursche! Was dir der
Graf schuldig bleibt, wird der Herzog hereinholen.
Mohr. Überdies noch ein Billet von der Gräfin Imperiali. Sie
winkte mir von der Gasse hinauf, war sehr gnädig, fragte mich
spöttelnd, ob die Gräfin von Lavagna keinen Anfall von Gelbsucht
gehabt hätte? Euer Gnaden, sagt' ich, fragen nur einem Befinden nach,
sagt' ich-Fiesco (hat das Billet gelesen und wirft es weg). Sehr
gut gesagt; sie antwortete?
Mohr. Antwortete, sie bedaure dennoch das Schicksal der armen Wittwe,
erbiete sich auch, ihr Genugthuung zu geben und Euer Gnaden
Galanterieen künftig zu verbitten.
Fiesco (hämisch). Welche sich wohl noch vor Welt-Untergang aufheben
dürften--Das die ganze Erheblichkeit, Hassan?
Mohr (boshaft). Gnädiger Herr, Angelegenheiten der Damen sind es
zunächst nach den politischen-Fiesco. O ja freilich, und diese
allerdings. Aber was willst du mit diesem Papierchen?
Mohr. Eine Teufelei mit einer andern auskratzen--Diese Pulver gab
mir Signora, Eurer Frau täglich eins in die Chocolade zu rühren.
Fiesco (tritt blaß zurück). Gab dir?
Mohr. Donna Julia, Gräfin Imperiali.
Fiesco (reißt ihm solche weg, heftig). Lügst du, Canaille, lass' ich
dich lebendig an den Wetterhahn vom Lorenzothurm schmieden, wo dich
der Wind in einem Athemzug neunmal herumtreibt--die Pulver?
Mohr (ungeduldig). Soll ich Eurer Frau in der Chocolade zu saufen
geben, verordnete Donna Julia Imperiali.
Fiesco (außer Fassung). Ungeheuer! Ungeheuer!--dieses holdselige
Geschöpf?--Hat so viel Hölle in einer Frauenzimmerseele Platz?--Doch,
ich vergaß dir zu danken, himmlische Vorsicht, die du es nichtig
machst--nichtig durch einen ärgeren Teufel. Deine Wege sind
sonderbar. (Zum Mohren.) Du versprichst, zu gehorchen, und schweigst.
Mohr. Sehr wohl. Das Letzte kann ich, sie bezahlte mir's baar.
Fiesco. Dieses Billet ladet mich zu ihr--Ich will kommen, Madame!
Ich will Sie beschwätzen, bis Sie hieher folgen. Gut. Du eilst
nunmehr, was du eilen kannst, rufst die ganze Verschwörung zusammen.
Mohr. Diesen Befehl hab' ich vorausgewittert und darum Jeden auf
meine Faust Punkt zehn Uhr hieher bestellt.
Fiesco. Ich höre Tritte. Sie sind's. Kerl, du verdientest deinen
eigenen Galgen, wo noch kein Sohn Adams gezappelt hat. Geh ins
Vorzimmer, bis ich läute.
Mohr (im Abgehen). Der Mohr hat seine Arbeit gethan, der Mohr kann
gehen. (Ab.)

Fünfter Auftritt

Alle Verschwornen.
Fiesco (ihnen entgegen). Das Wetter ist im Anzug. Die Wolken laufen
zusammen. Tretet leis auf! Laßt beide Schlösser vorfallen!
Verrina. Acht Zimmer hinter uns hab' ich zugeriegelt; der Argwohn
kann auf hundert Mannsschritte nicht beikommen.
Bourgognino. Hier ist kein Verräther, wenn's unsre Furcht nicht wird.
Fiesco. Furcht kann nicht über meine Schwelle. Willkommen, wer noch
der Gestrige ist. Nehmt eure Plätze. (Setzen sich.)
Bourgognino (spaziert im Zimmer). Ich sitze ungern, wenn ich ans
Umreißen denke.
Fiesco. Genueser, das ist eine merkwürdige Stunde.
Verrina. Du hast uns aufgefordert, einem Plan zum Tyrannenmord
nachzudenken. Frage uns. Wir sind da, dir Rede zu geben.
Fiesco. Zuerst also--eine Frage, die spät genug kommt, um seltsam zu
klingen--Wer soll fallen? (Alle schweigen.)
Bourgognino (indem er sich über Fiescos Sessel lehnt, bedeutend).
Die Tyrannen.
Fiesco. Wohlgesprochen, die Tyrannen. Ich bitte euch, gebt genau
Acht auf die ganze Schwere des Worts. Wer die Freiheit zu stürzen
Miene macht, oder Gewicht hat?--Wer ist mehr Tyrann?
Verrina. Ich hasse den Ersten, den Letzten fürchte ich. Andreas
Doria falle!
Calcagno (in Bewegung). Andreas, der abgelebte Andreas, dessen
Rechnung mit der Natur vielleicht übermorgen zerfallen ist?
Sacco. Andreas, der sanftmüthige Alte?
Fiesco. Furchtbar ist dieses alten Mannes Sanftmuth, mein Sacco!
Gianettinos Tolltrotz nur lächerlich. Andreas Doria falle! das
sprach deine Weisheit, Verrina.
Bourgognino. Ketten von Stahl oder Seide--es sind Ketten, und
Andreas Doria falle!
Fiesco (zum Tisch gehend). Also den Stab gebrochen über Onkel und
Neffen! Unterzeichnet! (Alle unterschreiben.) Das Wer? ist
berichtigt. (Setzen sich wieder.) Nun zum gleich merkwürdigen
Wie?--Reden Sie zuerst, Freund Calcagno.
Calcagno. Wir führen es aus wie Soldaten oder wie Meuter. Jenes ist
gefährlich, weil es uns zwingt, viele Mitwisser zu haben, gewagt,
weil die Herzen der Nation noch nicht ganz gewonnen sind--diesem sind
fünf gute Dolche gewachsen. In drei Tagen ist hohe Messe in der
Lorenzokirche. Beide Doria halten dort ihre Andacht. In der Nähe
des Allerhöchsten entschläft auch Tyrannenangst. Ich sagte Alles.
Fiesco (abgewandt). Calcagno--abscheulich ist Ihre vernünftige
Meinung--Raphael Sacco?
Sacco. Calcagnos Gründe gefallen mir, seine Wahl empört. Besser,
Fiesco läßt Oheim und Neffen zu einem Gastmahle laden, wo sie dann,
zwischen den ganzen Groll der Republik gepreßt, die Wahl haben, den
Tod entweder an unsern Dolchen zu essen, oder in gutem Cyprier
Bescheid zu thun. Wenigstens bequem ist diese Methode.
Fiesco (mit Entsetzen). Sacco, und wenn der Tropfe Wein, den ihre
sterbende Zunge kostet, zum siedenden Pech wird, ein Vorschmack der
Hölle--Wie dann, Sacco?--Weg mit diesem Rath! Sprich du, Verrina.
Verrina. Ein offenes Herz zeigt eine offene Stirn. Meuchelmord
bringt uns in jedes Banditen Brüderschaft. Das Schwert in der Hand
deutet den Helden. Meine Meinung ist, wir geben laut das Signal des
Aufruhrs, rufen Genuas Patrioten stürmend zur Rache auf. (Er fährt
vom Sessel. Die Andern folgen. Bourgognino wirft sich ihm um den
Hals.)
Bourgognino. Und zwingen mit gewaffneter Hand dem Glück eine Gunst
ab? Das ist die Stimme der Ehre und die meinige.
Fiesco. Und die meinige. Pfui, Genueser! (Zu Calcagno und Sacco.)
Das Glück hat bereits schon zu viel für uns gethan, wir müssen uns
selbst auch noch Arbeit geben--Also Aufruhr, und den noch diese Nacht,
Genueser! (Verrina, Bourgognino erstaunen. Die Andern erschrecken.)
Calcagno. Was? noch diese Nacht? Noch sind die Tyrannen zu mächtig,
noch unser Anhang zu dünne.
Sacco. Diese Nacht noch? und es ist nichts gethan, und die Sonne
geht schon bergunter?
Fiesco. Eure Bedenklichkeiten sind sehr gegründet, aber lest diese
Blätter. (Er reicht ihnen die Handschriften Gianettinos und geht,
indeß sie neugierig lesen, hämisch auf und nieder.) Jetzt fahre wohl,
Doria, schöner Stern! Stolz und vorlaut standst du da, als hättest
du den Horizont von Genua verpachtet, und sahest doch, daß auch die
Sonne den Himmel räumt und das Scepter der Welt mit dem Monde theilt.
Fahre wohl, Doria, schöner Stern!
Auch Patroklus ist gestorben, Und war mehr als du.

Bourgognino (nachdem sie die Blätter gelesen). Das ist gräßlich!
Calcagno. Zwölf auf einen Schuß!
Verrina. Morgen in der Signoria!
Bourgognino. Gebt mir die Zettel. Ich reite spornstreichs durch
Genua, halte sie so, so werden die Steine hinter mir springen und die
Hunde Zetermordio heulen.
Alle. Rache! Rache! Rache! Diese Nacht noch!
Fiesco. Da seid ihr, wo ich euch wollte. Sobald es Abend wird, will
ich die vornehmsten Mißvergnügten zu einer Lustbarkeit bitten;
nämlich alle, die auf Gianettinos Mordliste stehen, und noch überdies
die Sauli, die Gentili, Vivaldi und Vesodimari, alle Todfeinde des
Hauses Doria, die der Meuchelmörder zu fürchten vergaß. Sie werden
meinen Anschlag mit offenen Armen umfassen, daran zweifle ich nicht.
Bourgognino. Daran zweifl' ich nicht.
Fiesco. Vor Allem müssen wir uns des Meers versichern. Galeeren und
Schiffsvolk hab' ich. Die zwanzig Schiffe der Doria sind unbetakelt,
unbemannt, leicht überrumpelt. Die Mündung der Darsena wird gestopft,
alle Hoffnung zur Flucht verriegelt. Haben wir den Hafen, so liegt
Genua an Ketten.
Verrina. Unleugbar.
Fiesco. Dann werden die festen Plätze der Stadt erobert und besetzt.
Der wichtigste ist das Thomasthor, das zum Hafen führt und unsere
Seemacht mit der Landmacht verknüpft. Beide Doria werden in ihren
Palästen überfallen, ermordet. In allen Gassen wird Lärm geschlagen;
die Sturmglocken werden gezogen, die Bürger herausgerufen, unsere
Partei zu nehmen und Genuas Freiheit zu verfechten. Begünstiget uns
das Glück, so hört ihr in der Signoria das Weitere.
Verrina. Der Plan ist gut. Laß sehen, wie wir die Rollen vertheilen.
Fiesco (bedeutend). Genueser, ihr stelltet mich freiwillig an die
Spitze des Komplotts. Werdet ihr auch meinen weiteren Befehlen
gehorchen?
Verrina. So gewiß sie die besten sind.
Fiesco. Verrina, weißt du das Wörtchen unter der Fahne?--Genueser,
sagt's ihm, es heißt Subordination! Wenn ich nicht diese Köpfe
drehen kann, wie ich eben will--versteht mich ganz--wenn ich nicht
der Souverän der Verschwörung bin, so hat sie auch ein Mitglied
verloren.
Verrina. Ein freies Leben ist ein paar knechtische Stunden
werth--Wir gehorchen.
Fiesco. So verlaßt mich jetzt. Einer von euch wird die Stadt
visitieren und mir von der Stärke und Schwäche der festen Plätze
Rapport machen. Ein Anderer erforscht die Parole. Ein Dritter
bemannt die Galeeren. Ein Vierter wird die zweitausend Mann nach
meinem Schloßhof befördern. Ich selbst werde auf den Abend Alles
berichtigt haben und noch überdies, wenn das Glück will, die Bank im
Pharao sprengen. Schlag neun Uhr ist Alles im Schloß, meine letzten
Befehle zu hören. (Klingelt.)
Verrina. Ich nehme den Hafen auf mich. (Ab.)
Bourgognino. Ich die Soldaten. (Auch ab.)
Calcagno. Die Parole will ich ablauern. (Ab.)
Sacco. Ich die Runde durch Genua machen. (Ab.)

Sechster Auftritt

Fiesco. Darauf der Mohr.
Fiesco (hat sich an ein Pult gesetzt und schreibt). Schlugen sie
nicht um gegen das Wörtchen Subordination, wie die Raupe gegen die
Nadel?--Aber es ist zu spät, Republikaner!
Mohr (kommt). Gnädiger Herr-Fiesco (steht auf, gibt ihm einen
Zettel). Alle, deren Namen auf diesem Blatt stehen, ladest du zu
einer Komödie auf die Nacht.
Mohr. Mitzuspielen vermuthlich. Die Entrée wird die Gurgel kosten.
Fiesco (fremd und verächtlich). Wenn das bestellt ist, will ich dich
nicht länger in Genua aufhalten. (Er geht und läßt eine Goldbörse
hinter sich fallen.) Das sei deine letzte Arbeit. (Geht ab.)

Siebenter Auftritt

Mohr hebt den Beutel langsam von der Erde, indem er ihm stutzig
nachblickt.
Stehn wir so miteinander? »Will ich dich nicht mehr in Genua
aufhalten.« Das heißt aus dem Christlichen in mein Heidenthum
verdolmetscht: Wenn ich Herzog bin, lass' ich den guten Freund an
einen genuesischen Galgen hängen. Gut. Er besorgt, weil ich um
seine Schliche weiß, werd' ich seine Ehre über mein Maul springen
lassen, wenn er Herzog ist. Sachte, Herr Graf! das Letzte wäre noch
zu überlegen.
Jetzt, alter Doria, steht mir deine Haut zu Befehl.--Hin bist du,
wenn ich dich nicht warne. Wenn ich jetzt hingehe und das Komplott
angebe, rett' ich dem Herzog von Genua nichts Geringeres, als ein
Leben und ein Herzogthum; nichts Geringers, als dieser Hut, von Gold
gestrichen voll, kann sein Dank sein. (Er will fort, bleibt aber
plötzlich still stehn.) Aber sachte, Freund Hassan! Du bist etwa gar
auf der Reise nach einem dummen Streich? Wenn die ganze
Todtschlägerei jetzt zurückging' und daraus gar etwas Gutes
würde?--Pfui! pfui! was will mir mein Geiz für einen Teufelsstreich
spielen!--Was stiftet größeres Unheil: wenn ich diesen Fiesco
prelle?--wenn ich jenen Doria an das Messer liefre?--Das klügelt mir
aus, meine Teufel!--Bringt der Fiesco es hinaus, kann Genua aufkommen.
Weg! das kann nicht sein. Schlüpft dieser Doria durch, bleibt
Alles wie vor, und Genua hat Frieden--das wäre noch garstiger!--Aber
das Spektakel, wenn die Köpfe der Rebellen in die Garküche des
Henkers fliegen? (Auf die andere Seite.) Aber das lustige Gemetzel
dieser Nacht, wenn Ihre Durchlauchten am Pfiff eines Mohren erwürgen?
Nein! aus diesem Wirrwarr helf' sich ein Christ, dem Heiden ist das
Räthsel zu spitzig--Ich will einen Gelehrten fragen. (Ab.)

Achter Auftritt

Saal bei der Gräfin Imperiali.
Julia im Negligé. Gianettino tritt herein, zerstört.
Gianettino. Guten Abend, Schwester.
Julia (steht auf). Etwas Außerordentliches mag es auch sein, das den
Kronprinzen von Genua zu seiner Schwester führt?
Gianettino. Schwester, bist du doch stets von Schmetterlingen
umschwärmt und ich von Wespen. Wer kann abkommen? Setzen wir uns.
Julia. Du machst mich bald ungeduldig.
Gianettino. Schwester, wann war's das letztemal, daß dich Fiesco
besuchte?
Julia. Seltsam. Als wenn mein Gehirn dergleichen Nichtigkeiten
beherbergte.
Gianettino. Ich muß es durchaus wissen.
Julia. Nun--er war gestern da.
Gianettino. Und zeigte sich offen?
Julia. Wie gewöhnlich.
Gianettino. Auch noch der alte Phantast?
Julia (beleidigt). Bruder!
Gianettino (mir stärkerer Stimme). Höre! Auch noch der alte
Phantast?
Julia (steht aufgebracht auf). Wofür halten Sie mich, Bruder?
Gianettino (bleibt sitzen, hämisch). Für ein Stück Weiberfleisch, in
einen großen--großen Adelsbrief gewickelt. Unter uns, Schwester,
weil doch Niemand auflauert.
Julia (hitzig). Unter uns--Sie sind ein tolldreister Affe, der auf
dem Credit seines Onkels steckenreitet--weil doch Niemand auflauert.
Gianettino. Schwesterchen, Schwesterchen! Nicht böse--Ich bin nur
lustig, weil Fiesco noch der alte Phantast ist. Das hab' ich wissen
wollen. Empfehl' mich. (Will gehen.)

Neunter Auftritt

Lomellin kommt.
Lomellin (küßt der Julia die Hand). Verzeihung für meine
Dreistigkeit, gnädige Frau. (Zum Gianettino gekehrt.) Gewisse Dinge,
die sich nicht aufschieben lassen-Gianettino (nimmt ihn bei Seite.
Julia tritt zornig zu einem Flügel und spielt ein Allegro). Alles
angeordnet auf morgen?
Lomellin. Alles! Prinz. Aber der Kurier, der heute früh nach
Levanto flog, ist nicht wieder zurück. Auch Spinola ist nicht da.
Wenn er aufgefangen wäre!--Ich bin in höchster Verlegenheit.
Gianettino. Besorge nichts. Du hast doch die Liste bei der Hand?
Lomellin (betreten). Gnädiger Herr--die Liste--ich weiß nicht--ich
werde sie in meiner gestrigen Rocktasche liegen haben-Gianettino.
Auch gut. Wär' nur Spinola zurück. Fiesco wird morgen früh todt im
Bette gefunden. Ich hab' die Anstalt gemacht.
Lomellin. Aber fürchterlich Aufsehen wird's machen.
Gianettino. Das eben ist unsre Sicherheit, Bursche.
Alltagsverbrechen bringen das Blut des Beleidigten in Wallung, und
Alles kann der Mensch. Außerordentliche Frevel machen es vor
Schrecken gefrieren, und der Mensch ist nichts. Weißt du das Märchen
mit dem Medusakopf? Der Anblick macht Steine--Was ist nicht gethan,
Bursche, bis Steine erwarmen.
Lomellin. Haben Sie der gnädigen Frau einen Wink gegeben?
Gianettino. Pfui doch! die muß man des Fiesco wegen delicater
behandeln. Doch, wenn sie erst die Früchte verschmeckt, wird sie die
Unkosten verschmerzen. Komm! ich erwarte diesen Abend noch Truppen
von Mailand und muß an den Thoren die Ordre geben. (Zur Julia.) Nun,
Schwester, hast du deinen Zorn bald verklimpert?
Julia. Gehen Sie! Sie sind ein wilder Gast.
(Gianettino will hinaus und stößt auf Fiesco.)

Zehnter Auftritt

Fiesco kommt.
Gianettino (zurückfahrend). Ha!
Fiesco (zuvorkommend, verbindlich). Prinz, Sie überheben mich eines
Besuchs, den ich mir eben vorbehalten hatte-Gianettino. Auch mir,
Graf, konnte nichts Erwünschters als Ihre Gesellschaft begegnen.
Fiesco (tritt zu Julien, küßt ihr respectvoll die Hand). Man ist es
bei Ihnen gewohnt, Signora, immer seine Erwartungen übertroffen zu
sehen.
Julia. Pfui doch, das würde bei einer Andern zweideutig lauten--Aber
ich erschrecke an meinem Negligé. Verzeihen Sie, Graf. (Will in ihr
Kabinet fliegen.)
Fiesco. O bleiben Sie, schöne gnädige Frau! Das Frauenzimmer ist
nie so schön, als im Schlafgewand, (lächelnd) es ist die Tracht
seines Gewerbes--Diese hinaufgezwungenen Haare--Erlauben Sie, daß ich
sie ganz durcheinander werfe.
Julia. Daß ihr Männer so gerne verwirret!
Fiesco (unschuldig gegen Gianettino). Haare und Republiken! Nicht
wahr, das gilt uns gleichviel?--Und auch dieses Band ist falsch
angeheftet--Setzen Sie sich, schöne Gräfin--Augen zu betrügen
versteht Ihre Laura, aber nicht Herzen--Lassen Sie mich Ihre
Kammerfrau sein. (Sie setzt sich, er macht ihr den Anzug zurecht.)
Gianettino (zupft den Lomellin). Der arme, sorglose Wicht!
Fiesco (an Juliens Busen beschäftigt). Sehen Sie--dieses verstecke
ich weislich. Die Sinne müssen immer nur blinde Briefträger sein und
nicht wissen, was Phantasie und Natur mit einander abzukarten haben.
Julia. Das ist leichtfertig.
Fiesco. Ganz und gar nicht, denn, sehen Sie, die beste Neuigkeit
verliert, sobald sie Stadtmärchen wird--Unsre Sinne sind nur die
Grundsuppe unsrer innern Republik. Der Adel lebt von ihnen, aber
erhebt sich über ihren platten Geschmack. (Er hat sie fertig gemacht
und führt sie vor den Spiegel.) Nun, bei meiner Ehre! dieser Anzug
muß morgen Mode in Genua sein. (Fein.) Darf ich Sie so durch die
Stadt führen, Gräfin?
Julia. Über den verschlagenen Kopf! Wie künstlich er's anlegte,
mich in seinen Willen hineinzulügen! Aber ich habe Kopfweh und werde
zu Hause bleiben.
Fiesco. Verzeihen Sie, Gräfin--das können Sie, wie Sie wollen, aber
Sie wollen es nicht--Diesen Mittag ist eine Gesellschaft
florentinischer Schauspieler hier angekommen und hat sich erboten, in
meinem Palaste zu spielen--Nun hab' ich nicht verhindern können, daß
die meisten Edeldamen der Stadt Zuschauerinnen sein werden, welches
mich äußerst verlegen macht, weil ich die vornehmste Loge besetzen
soll, ohne meinen empfindlichen Gästen eine Sottise zu machen. Noch
ist nur ein Ausweg möglich. (Mit einer tiefen Verbeugung.) Wollen
Sie so gnädig sein, Signora?
Julia (wird roth und geht schleunig ins Kabinet). Laura!
Gianettino (tritt zu Fiesco). Graf, Sie erinnern sich einer
unangenehmen Geschichte, die neulich zwischen uns Beiden
vorfiel-Fiesco. Ich wünschte, Prinz, wir vergäßen sie Beide--Wir
Menschen handeln gegen uns, wie wir uns kennen, und wessen Schuld
ist's, als die meinige, daß mich mein Freund Doria nicht ganz gekannt
hat?
Gianettino. Wenigstens werd' ich nie daran danken, ohne Ihnen von
Herzen Abbitte zu thun-Fiesco. Und ich nie, ohne Ihnen von Herzen zu
vergeben--(Julia kommt etwas umgekleidet zurück.)
Gianettino. Eben fällt es mir bei, Graf, Sie lassen ja gegen die
Türken kreuzen?
Fiesco. Diesen Abend werden die Anker gelichtet--Ich bin eben darum
in einiger Besorgniß, woraus mich die Gefälligkeit meines Freundes
Doria reißen könnte.
Gianettino (äußerst höflich). Mit allem Vergnügen!--Befehlen Sie
über meinen ganzen Einfluß!
Fiesco. Der Vorgang dürfte gegen Abend einigen Auflauf gegen den
Hafen und meinen Palast verursachen, welchen der Herzog, Ihr Oheim,
mißdeuten könnten-Gianettino (treuherzig). Lassen Sie mich dafür
sorgen. Machen Sie immer fort, und ich wünsche Ihnen viel Glück zur
Unternehmung.
Fiesco (schmollt). Ich bin Ihnen sehr verbunden.

Eilfter Auftritt

Vorige. Ein Deutscher der Leibwache.
Gianettino. Was soll's?
Deutscher. Als ich das Thomasthor vorbeiging, sah ich gewaffnete
Soldaten in großer Anzahl der Darsena zueilen und die Galeeren des
Grafen von Lavagna segelfertig machen-Gianettino. Nichts Wichtigers?
Es wird nicht weiter gemeldet.
Deutscher. Sehr wohl. Auch aus den Klöstern der Kapuziner wimmelt
verdächtiges Gesindel und schleicht über den Markt; Gang und Ansehen
lassen vermuthen, daß es Soldaten sind.
Gianettino (zornig). Über den Diensteifer eines Dummkopfs! (Zu
Lomellin zuversichtlich.) Das sind meine Mailänder.
Deutscher. Befehlen Euer Gnaden, daß sie arretiert werden sollen?
Gianettino (laut zu Lomellin). Sehen Sie nach, Lomellin. (Wild zum
Deutschen.) Nur fort, es ist gut! (Zu Lomellin.) Bedeuten Sie dem
deutschen Ochsen, daß er das Maul halten soll.
(Lomellin ab mit dem Deutschen.)
Fiesco (der bisher mit Julien getändelt und verstohlen
herübergeschielt hatte). Unser Freund ist verdrießlich. Darf ich
den Grund wissen?
Gianettino. Kein Wunder. Das ewige Anfragen und Melden! (Schießt
hinaus.)
Fiesco. Auch auf uns wartet das Schauspiel. Darf ich Ihnen den Arm
anbieten, gnädige Frau?
Julia. Geduld! Ich muß erst die Enveloppe umwerfen. Doch kein
Trauerspiel, Graf? Das kommt mir im Traum.
Fiesco (tückisch). O, es ist zum Todtlachen, Gräfin!
(Er führt sie ab. Vorhang fällt.)


Vierter Aufzug
Es ist Nacht. Schloßhof des Fiesco. Die Laternen werden angezündet.
Waffen hereingetragen. Ein Schloßflügel ist erleuchtet.

Erster Auftritt

Bourgognino führt Soldaten auf.
Bourgognino. Halt!--An das große Hofthor kommen vier Posten. Zwei
an jede Thüre zum Schloß. (Wachen nehmen ihren Posten.) Wer will,
wird hereingelassen. Hinaus darf Niemand. Wer Gewalt braucht,
niedergestochen. (Mit den Übrigen ins Schloß. Schildwachen auf und
nieder. Pause.)

Zweiter Auftritt

Wachen am Hofthor (rufen an). Wer da? (Zenturione kommt.)
Zenturione. Freund von Lavagna. (Geht quer über den Hof nach dem
rechten Schloßthor.)
Wachen (dort). Zurück!
Zenturione (stutzt und geht nach dem linken Thor).
Wachen (am linken). Zurück!
Zenturione (steht betreten still. Pause. Darauf zur linken Wache).
Freund, wo hinaus geht's zur Komödie?
Wache. Weiß nicht.
Zenturione (auf und ab mit steigender Besorgnis, darauf zur rechten
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