Die Piccolomini - 4

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Da ging ich hin, da fand ich mich allein.
Ob dem Altar hing eine Mutter Gottes,
Ein schlecht Gemälde war's, doch war's der Freund,
Den ich in diesem Augenblicke suchte.
Wie oft hab ich die Herrliche gesehn
In ihrem Glanz, die Inbrunst der Verehrer--
Es hat mich nicht gerührt, und jetzt auf einmal
Ward mir die Andacht klar, so wie die Liebe.
Gräfin.
Genießen Sie Ihr Glück. Vergessen Sie
Die Welt um sich herum. Es soll die Freundschaft
Indessen wachsam für Sie sorgen, handeln.
Nur sei'n Sie dann auch lenksam, wenn man Ihnen
Den Weg zu Ihrem Glücke zeigen wird.
Max.
Wo aber bleibt sie denn!--Oh! goldne Zeit
Der Reise, wo uns jede neue Sonne
Vereinigte, die späte Nacht nur trennte!
Da rann kein Sand, und keine Glocke schlug.
Es schien die Zeit dem Überselign
In ihrem ew'gen Laufe stillzustehen.
Oh! der ist aus dem Himmel schon gefallen,
Der an der Stunden Wechsel denken muß!
Die Uhr schlägt keinem Glücklichen.
Gräfin.
Wie lang ist es, daß Sie Ihr Herz entdeckten?
Max.
Heut früh wagt' ich das erste Wort.
Gräfin.
Wie? Heute erst in diesen zwanzig Tagen?
Max.
Auf jenem Jagdschloß war es, zwischen hier
Und Nepomuk, wo Sie uns eingeholt,
Der letzten Station des ganzen Wegs.
In einem Erker standen wir, den Blick
Stumm in das öde Feld hinaus gerichtet,
Und vor uns ritten die Dragoner auf,
Die uns der Herzog zum Geleit gesendet.
Schwer lag auf mir des Scheidens Bangigkeit,
Und zitternd endlich wagt' ich dieses Wort:
Dies alles mahnt mich, Fräulein, daß ich heut
Von meinem Glücke scheiden muß. Sie werden
In wenig Stunden einen Vater finden,
Von neuen Freunden sich umgeben sehn,
Ich werde nun ein Fremder für Sie sein,
Verloren in der Menge--"Sprechen Sie
Mit meiner Base Terzky!" fiel sie schnell
Mir ein, die Stimme zitterte, ich sah
Ein glühend Rot die schönen Wangen färben,
Und von der Erde langsam sich erhebend
Trifft mich ihr Auge--ich beherrsche mich
Nich länger--
(Die Prinzessin erscheint an der Türe und bleibt stehen, von der
Gräfin, aber nicht von Piccolomini bemerkt.)
--fasse kühn sie in die Arme,
Mein Mund berührt den ihrigen--da rauscht' es
Im nahen Saal und trennte uns--Sie waren's.
Was nun geschehen, wissen Sie.
Gräfin. (nach einer Pause mit einem verstohlnen Blick auf Thekla)
Und sind Sie so bescheiden oder haben
So wenig Neugier, daß Sie mich nicht auch
Um mein Geheimnis fragen?
Max.
Ihr Geheimnis?
Gräfin.
Nun ja! Wie ich unmittelbar nach Ihnen
Ins Zimmer trat, wie ich die Nichte fand,
Was sie in diesem ersten Augenblick
Der überraschten Herzens--
Max. (lebhaft)
Nun?

Vierter Auftritt
Vorige. Thekla, welche schnell hervortritt.

Thekla.
Spart Euch die Mühe, Tante!
Das hört er besser von mir selbst.
Max. (tritt zurück)
Mein Fräulein!--
Was ließen Sie mich sagen, Tante Terzky!
Thekla. (zur Gräfin)
Ist er schon lange hier?
Gräfin.
Jawohl, und seine Zeit ist bald vorüber.
Wo bleibt Ihr auch so lang?
Thekla.
Die Mutter weinte wieder so. Ich seh sie leiden
--Und kann's nicht ändern, daß ich glücklich bin.
Max. (in ihren Anblick verloren)
Jetzt hab ich wieder Mut , Sie anzusehn.
Heut konnt' ich's nicht. Der Glanz der Edelsteine,
Der Sie umgab, verbarg mir die Geliebte.
Thekla.
So sah mich nur Ihr Auge, nicht Ihr Herz.
Max.
Oh! diesen Morgen, als ich Sie im Kreise
Der Ihrigen, in Vaters Armen fand,
Mich einen Fremdling sah in diesem Kreise--
Wie drängte mich's in diesem Augenblick,
Ihm um den Hals zu fallen, Vater ihn
Zu nennen! Doch sein strenges Auge hieß
Die heftig wallende Empfindung schweigen,
Und jene Diamanten schreckten mich,
Die wie ein Kranz von Sternen Sie umgaben.
Warum auch mußt' er beim Empfange gleich
Den Bann um Sie verbreiten, gleich zum Opfer
Den Engel schmücken, auf das heitre Herz
Die traur'ge Bürde seines Standes werfen!
Wohl darf die Liebe werben um die Liebe,
Doch solchem Glanz darf nur ein König nahn.
Thekla.
Oh! still von dieser Mummerei. Sie sehn,
Wie schnell die Bürde abgeworfen ward.
(Zur Gräfin.)
Er ist nicht heiter. Warum ist er's nicht?
Ihr, Tante, habt ihn mir so schwer gemacht!
War er doch ein ganz andrer auf der Reise!
So ruhig hell! So froh beredt! Ich wünschte,
Sie immer so zu sehn und niemals anders.
Max.
Sie fanden sich, in Ihres Vaters Armen,
In einer neuen Welt, die Ihnen huldigt,
Wär's auch durch Neuheit nur, Ihr Auge reizt.
Thekla.
Ja! Vieles reizt mich hier, ich will's nicht leugnen,
Mich reizt die bunte, kriegerische Bühne,
Die vielfach mir ein liebes Bild erneuert,
Mir an das Leben, an die Wahrheit knüpft,
Was mir ein schöner Traum nur hat geschienen.
Max.
Mir machte sie mein wirklich Glück zum Traum.
Auf einer Insel in des Äthers Höhn
Hab' ich gelebt in diesen letzten Tagen;
Sie hat sich auf die Erd' herabgelassen,
Und diese Brücke, die zum alten Leben
Zurück mich bringt, trennt mich von meinem Himmel.
Thekla.
Das Spiel des Lebens sieht sich heiter an,
Wenn man den sichern Schatz im Herzen trägt,
Und froher kehr ich, wenn ich es gemustert,
Zu meinem schönern Eigentum zurück--
(Abbrechend, und in einem scherzhaften Ton.)
Was hab ich Neues nicht und Unerhörtes
In dieser kurzen Gegenwart gesehn!
Und doch muß alles dies dem Wunder weichen,
Das dieses Schloß geheimnisvoll verwahrt.
Gräfin. (nachsinnend)
Was wäre das? Ich bin doch auch bekannt
In allen dunklen Ecken dieses Hauses.
Thekla. (lächelnd)
Von Geistern wird der Weg dazu beschützt,
Zwei Greife halten Wache an der Pforte.
Gräfin. (lacht)
Ach so! der astrologische Turm! Wie hat sich
Dies Heiligtum, das sonst so streng verwahrt wird,
Gleich in den ersten Stunden Euch geöffnet?
Thekla.
Ein kleiner, alter Mann mit weißen Haaren
Und freundlichem Gesicht, der seine Gunst
Mir gleich geschenkt, schloß mir die Pforten auf.
Max.
Das ist des Herzogs Astrolog, der Seni.
Thekla.
Er fragte mich nach vielen Dingen, wann ich
Geboren sei, in welchem Tag und Monat,
Ob eine Tages--oder Nachtgeburt--
Gräfin.
Weil er das Horoskop Euch stellen wollte.
Thekla.
Auch meine Hand besah er, schüttelte
Das Haupt bedenklich, und es schienen ihm
Die Linien nicht eben zu gefallen.
Gräfin.
Wie fandet Ihr es denn in diesem Saal?
Ich hab mich stets nur flüchtig umgesehn.
Thekla.
Es ward mir wunderbar zumut, als ich
Aus vollem Tageslichte schnell hineintrat,
Denn eine düstre Nacht umgab mich plötzlich,
Von seltsamer Beleuchtung schwach erhellt.
In einem Halbkreis standen um mich her
Sechs oder sieben große Königsbilder,
Den Zepter in der Hand, und auf dem Haupt
Trug jedes einen Stern, und alles Licht
Im Turm schien von den Sternen nur zu kommen.
Das wären die Planeten, sagte mir
Mein Führer, sie regierten das Geschick,
Drum seien sie als Könige gebildet.
Der äußerste, ein grämlich finstrer Greis
Mit dem trübgelben Stern, sei der Saturnus;
Der mit dem roten Schein, grad von ihm über,
In kriegerischer Rüstung, sei der Mars,
Und beide bringen wenig Glück den Menschen.
Doch eine schöne Frau stand ihm zur Seite,
Sanft schimmerte der Stern auf ihrem Haupt,
Das sei die Venus, das Gestirn der Freude.
Zur linken Hand erschien Merkur geflügelt,
Ganz in der Mitte glänzte silberhell
Ein heitrer Mann, mit einer Königsstirn,
Das sei der Jupiter, des Vaters Stern,
Und Mond und Sonne standen ihm zur Seite.
Max.
Oh! nimmer will ich seinen Glauben schelten
An der Gestirne, an der Geister Macht.
Nicht bloß der Stolz des Menschen füllt den Raum
Mit Geistern, mit geheimnisvollen Kräften,
Auch für ein liebend Herz ist die gemeine
Natur zu eng, und tiefere Bedeutung
Liegt in dem Märchen meiner Kinderjahre
Als in der Wahrheit, die das Leben lehrt.
Die heitre Welt der Wunder ist's allein,
Die dem entzückten Herzen Antwort gibt,
Die ihre ew'gen Räume mir eröffnet,
Mir tausend Zweige reich entgegenstreckt,
Worauf der trunkne Geist sich selig wiegt.
Die Fabel ist der Liebe Heimatwelt,
Gern wohnt sie unter Feen, Talismanen,
Glaubt gern an Götter, weil sie göttlich ist.
Die alten Fabelwesen sind nicht mehr,
Das reizende Geschlecht ist ausgewandert;
Doch eine Sprache braucht das Herz, es bringt
Der alte Trieb die alten Namen wieder,
Und an dem Sternenhimmel gehn sie jetzt,
Die sonst im Leben freundlich mitgewandelt.
Dort winken sie dem Liebenden herab,
Und jedes Große bringt uns Jupiter
Noch diesen Tag, und Venus jedes Schöne.
Thekla.
Wenn das die Sternenkunst ist, will ich froh
Zu diesem heitern Glauben mich bekennen.
Es ist ein holder, freundlicher Gedanke,
Daß über uns, in unermeßnen Höhn,
Der Liebe Kranz aus funkelnden Gestirnen,
Da wir erst wurden, schon geflochten ward.
Gräfin.
Nicht Rosen bloß, auch Dornen hat der Himmel,
Wohl dir! wenn sie den Kranz dir nicht verletzen.
Was Venus band, die Bringerin des Glücks,
Kann Mars, der Stern des Unglücks, schnell zerreißen.
Max.
Bald wird sein düstres Reich zu Ende sein!
Gesegnet sei des Fürsten ernster Eifer,
Er wird den Ölzweig in den Lorbeer flechten
Und der erfreuten Welt den Frieden schenken.
Dann hat sein großes Herz nichts mehr zu wünschen,
Er hat genug für seinen Ruhm getan,
Kann jetzt sich selber leben und den Seinen.
Auf seine Güter wird er sich zurückziehn,
Er hat zu Gitschin einen schönen Sitz,
Auch Reichenberg, Schloß Friedland liegen heiter--
Bis an den Fuß der Riesenberge hin
Streckt sich das Jagdgehege seiner Wälder.
Dem großen Trieb, dem prächtig schaffenden,
Kann er dann ungebunden frei willfahren.
Da kann er fürstlich jede Kunst ermuntern
Und alles würdig Herrliche beschützen--
Kann bauen, pflanzen, nach den Sternen sehn--
Ja, wenn die kühne Kraft nicht ruhen kann,
So mag er kämpfen mit dem Element,
Den Fluß ableiten und den Felsen sprengen
Und dem Gewerb die leichte Straße bahnen.
Aus unsern Kriegsgeschichten werden dann
Erzählungen in langen Winternächten--
Gräfin.
Ich will denn doch geraten haben, Vetter,
Den Degen nicht zu frühe wegzulegen.
Denn eine Braut wie die ist es wohl wert,
Daß mit dem Schwert um sie geworben werde.
Max.
Oh! wäre sie mit Waffen zu gewinnen!
Gräfin.
Was war das? Hört ihr nichts?--Mir war's, als hört' ich
Im Tafelzimmer heft'gen Streit und Lärmen.
(Sie geht hinaus.)

Fünfter Auftritt
Thekla und Max Piccolomini.

Thekla. (sobald die Gräfin sich entfernt hat, schnell und
heimlich zu Piccolomini)
Trau ihnen nicht. Sie meinen's falsch.
Max.
Sie könnten--
Thekla.
Trau niemand hier als mir. Ich sah es gleich,
Sie haben einen Zweck.
Max.
Zweck! Aber welchen?
Was hätten sie davon, uns Hoffnungen--
Thekla.
Das weiß ich nicht. Doch glaub mir, es ist nicht
Ihr Ernst, uns zu beglücken, zu verbinden.
Max.
Wozu auch diese Terzkys? Haben wir
Nicht deine Mutter? Ja, die Gütige
Verdient's, daß wir uns kindlich ihr vertrauen.
Thekla.
Sie liebt dich, schätzt dich hoch vor allen andern,
Doch nimmer hätte sie den Mut, ein solch
Geheimnis vor dem Vater zu bewahren.
Um ihrer Ruhe willen muß es ihr
Verschwiegen bleiben.
Max.
Warum überall
Auch das Geheimnis? Weißt du, was ich tun will?
Ich werfe mich zu deines Vaters Füßen,
Er soll mein Glück entscheiden, er ist wahrhaft,
Ist unverstellt und haßt die krummen Wege,
Er ist so gut, so edel--
Thekla.
Das bist du!
Max.
Du kennst ihn erst seit heut. Ich aber lebe
Schon zehen Jahre unter seinen Augen.
Ist's denn das erste Mal, daß er das Seltne,
Das Ungehoffte tut? Es sieht ihm gleich,
Zu überraschen wie ein Gott, er muß
Entzücken stets und in Erstaunen setzen.
Wer weiß, ob er in diesem Augenblick
Nicht mein Geständnis, deines bloß erwartet,
Uns zu vereinigen--Du schweigst? Du siehst
Mich zweifelnd an? Was hast du gegen deinen Vater?
Thekla.
Ich? Nichts--Nur zu beschäftigt find ich ihn,
Als daß er Zeit und Muße könnte haben,
An unser Glück zu denken.
(Ihn zärtlich bei der Hand fassend.)
Folge mir!
Laß nicht zu viel uns an die Menschen glauben.
Wir wollen diesen Terzkys dankbar sein
Für jede Gunst, doch ihnen auch nicht mehr
Vertrauen, als sie würdig sind, und uns
Im übrigen--auf unser Herz verlassen.
Max.
Oh! werden wir auch jemals glücklich werden!
Thekla.
Sind wir's denn nicht? Bist du nicht mein? Bin ich
Nicht dein?--In meiner Seele lebt
Ein hoher Mut, die Liebe gibt ihn mir--
Ich sollte minder offen sein, mein Herz
Dir mehr verbergen, also will's die Sitte.
Wo aber wäre Wahrheit hier für dich,
Wenn du sie nicht auf meinem Munde findest?
Wir haben uns gefunden, halten uns
Umschlungen, fest und ewig. Glaube mir!
Das ist um vieles mehr, als sie gewollt.
Drum laß es uns wie einen heil'gen Raub
In unsers Herzens Innerstem bewahren.
Aus Himmels Höhen fiel es uns herab,
Und nur dem Himmel wollen wir's verdanken.
Es kann ein Wunder für uns tun.

Sechster Auftritt
Gräfin Terzky zu den Vorigen.

Gräfin. (pressiert)
Mein Mann schickt her. Es sei die höchste Zeit.
Er soll zur Tafel--
(Da jene nicht darauf achten, tritt sie zwischen sie.)
Trennt euch!
Thekla.
Oh! nicht doch!
Es ist ja kaum ein Augenblick.
Gräfin.
Die Zeit vergeht Euch schnell, Prinzessin Nichte.
Max.
Es eilt nicht, Base.
Gräfin.
Fort! Fort! Man vermißt Sie.
Der Vater hat sich zweimal schon erkundigt.
Thekla.
Ei nun! der Vater!
Gräfin.
Das versteht Ihr, Nichte.
Thekla.
Was soll er überall bei der Gesellschaft?
Es ist sein Umgang nicht, es mögen würd'ge,
Verdiente Männer sein, er aber ist
Für sie zu jung, taugt nicht in die Gesellschaft.
Gräfin.
Ihr möchtet ihn wohl lieber ganz behalten?
Thekla. (lebhaft).
Ihr habt's getroffen. Das ist meine Meinung.
Ja, laßt ihn ganz hier, laßt den Herren sagen--
Gräfin.
Habt Ihr den Kopf verloren, Nichte?--Graf!
Sie wissen die Bedingungen.
Max.
Ich muß gehorchen, Fräulein. Leben Sie wohl.
(Da Thekla sich schnell von ihm wendet.)
Was sagen Sie?
Thekla. (ohne ihn anzusehen)
Nichts. Gehen Sie.
Max.
Kann ich's,
Wenn Sie mir zürnen--
(Er nähert sich ihr, ihre Augen begegnen sich, sie steht einen
Augenblick schweigend, dann wirft sie sich ihm an die Brust, er
drückt sie fest an sich.)
Gräfin.
Weg! Wenn jemand käme!
Ich höre Lärmen--Fremde Stimmen nahen.
(Max reißt sich aus ihren Armen und geht, die Gräfin begleitet ihn.
Thekla folgt ihm anfangs mit den Augen, geht unruhig durch das Zimmer
und bleibt dann in Gedanken versenkt stehen. Eine Gitarre liegt auf
dem Tisch, sie ergreift sie, und nachdem sie eine Weile schwermütig
präludiert hat, fällt sie in den Gesang.)

Siebenter Auftritt

Thekla. (spielt und singt)
Der Eichwald brauset, die Wolken ziehn,
Das Mägdlein wandelt an Ufers Grün,
Es bricht sich die Welt mit Macht, mit Macht,
Und sie singt hinaus in die finstre Nacht.
Das Auge von Weinen getrübet.
Das Herz ist gestorben, die Welt ist leer,
Und weiter gibt sie dem Wunsche nichts mehr.
Du Heilige, rufe dein Kind zurück,
Ich habe genossen das irdische Glück,
Ich habe gelebt und geliebet.

Achter Auftritt
Gräfin kommt zurück. Thekla.

Gräfin.
Was war das, Fräulein Nichte? Fy! Ihr werft Euch
Ihm an den Kopf. Ihr solltet Euch doch, dächt' ich,
Mit Eurer Person ein wenig teurer machen.
Thekla. (indem sie aufsteht)
Was meint Ihr, Tante?
Gräfin.
Ihr sollt nicht vergessen,
Wer Ihr seid, und wer er ist. Ja, das ist Euch
Noch gar nicht eingefallen, glaub ich.
Thekla.
Was denn?
Gräfin.
Daß Ihr des Fürsten Friedland Tochter seid.
Thekla.
Nun? und was mehr?
Gräfin.
Was? Eine schöne Frage!
Thekla.
Was wir geworden sind, ist er geboren.
Er ist von alt lombardischem Geschlecht,
Ist einer Fürstin Sohn!
Gräfin.
Sprecht Ihr im Traum?
Fürwahr! Man wird ihn höflich noch drum bitten,
Die reichste Erbin in Europa zu beglücken
Mit seiner Hand.
Thekla.
Das wird nicht nötig sein.
Gräfin.
Ja, man wird wohl tun, sich nicht auszusetzen.
Thekla.
Sein Vater liebt ihn, Graf Octavio
Wird nichts dagegen haben--
Gräfin.
Sein Vater! Seiner! Und der Eure, Nichte?
Thekla.
Nun ja! Ich denk, Ihr fürchtet seinen Vater,
Weil Ihr's vor dem, vor seinem Vater, mein ich,
So sehr verheimlicht.
Gräfin. (sieht sie forschend an)
Nichte, Ihr seid falsch.
Thekla.
Seid Ihr empfindlich, Tante? Oh! seid gut!
Gräfin.
Ihr haltet Euer Spiel schon für gewonnen--
Jauchzt nicht zu frühe!
Thekla.
Seid nur gut!
Gräfin.
Es ist noch nicht so weit.
Thekla.
Ich glaub es wohl.
Gräfin.
Denkt Ihr, er habe sein bedeutend Leben
In kriegerischer Arbeit aufgewendet,
Jedwedem stillen Erdenglück entsagt,
Den Schlaf von seinem Lager weggebannt,
Sein edles Haupt der Sorge hingegeben,
Nur um ein glücklich Paar aus euch zu machen?
Um dich zuletzt aus deinem Stift zu ziehn,
Den Mann dir im Triumphe zuzuführen,
Der deinen Augen wohlgefällt?--Das hätt' er
Wohlfeiler habe können! Diese Saat
Ward nicht gepflanzt, daß du mit kind'scher Hand
Die Blume brächest und zu leichten Zier
An deinen Busen stecktest!
Thekla.
Was er mir nicht gepflanzt, das könnte doch
Freiwillig mir die schönen Früchte tragen.
Und wenn mein gütig freundliches Geschick
Aus seinem furchtbar ungeheuren Dasein
Des Lebens Freude mir bereiten will--
Gräfin.
Du siehst's wie ein verliebtes Mädchen an.
Blick um dich her. Besinn dich, wo du bist--
Nicht in ein Freudenhaus bist du getreten,
Zu keiner Hochzeit findest du die Wände
Geschmückt, der Gäste Haupt bekränzt. Hier ist
Kein Glanz als der von Waffen. Oder denkst du,
Man führte diese Tausende zusammen,
Beim Brautfest dir den Reihen aufzuführen?
Du siehst des Vaters Stirn gedankenvoll,
Der Mutter Aug' in Tränen, auf der Waage liegt
Das große Schicksal unsers Hauses!
Laß jetzt des Mädchens kindische Gefühle,
Die kleinen Wünsche hinter dir! Beweise,
Daß du des Außerordentlichen Tochter bist!
Das Weib soll sich nicht selber angehören,
An fremdes Schicksal ist sie fest gebunden;
Die aber ist die Beste, die sich Fremdes
Aneignen kann mit Wahl, an ihrem Herzen
Es trägt und pflegt mit Innigkeit und Liebe.
Thekla.
So wurde mir's im Kloster vorgesagt.
Ich hatte keine Wünsche, kannte mich
Als seine Tochter nur, des Mächtigen,
Und seines Lebens Schall, der auch zu mir drang,
Gab mir kein anderes Gefühl als dies:
Ich sei bestimmt, mich leidend ihm zu opfern.
Gräfin.
Das ist dein Schicksal. Füge dich ihm willig.
Ich und die Mutter geben dir das Beispiel.
Thekla.
Das Schicksal hat mir den gezeigt, dem ich
Mich opfern soll; ich will ihm freudig folgen.
Gräfin.
Dein Herz, mein liebes Kind, und nicht das Schicksal.
Thekla.
Der Zug des Herzens ist des Schicksals Stimme.
Ich bin die Seine. Sein Geschenk allein
Ist dieses neue Leben, das ich lebe.
Er hat ein Recht an sein Geschöpf. Was war ich,
Eh' seine schöne Liebe mich beseelte?
Ich will auch von mir selbst nicht kleiner denken
Als der Geliebte. Der kann nicht gering sein,
Der das Unschätzbare besitzt. Ich fühle
Die Kraft mit meinem Glücke mir verliehn.
Ernst liegt das Leben vor der ernsten Seele.
Daß ich mir selbst gehöre, weiß ich nun.
Den festen Willen hab ich kennen lernen,
Den unbezwinglichen, in meiner Brust,
Und an das Höchste kann ich alles setzen.
Gräfin.
Du wolltest dich dem Vater widersetzen,
Wenn er es anders nun mit dir beschlossen?
--Ihm denkst du's abzuzwingen? Wisse, Kind!
Sein Nam' ist Friedland.
Thekla.
Auch der meinige.
Er soll in mir die echte Tochter finden.
Gräfin.
Wie? Sein Monarch, sein Kaiser zwingt ihn nicht,
Und du, sein Mädchen, wolltest mit ihm kämpfen?
Thekla.
Was niemand wagt, kann seine Tochter wagen.
Gräfin.
Nun wahrlich! Darauf ist er nicht bereitet.
Er hätte jedes Hindernis besiegt,
Und in dem eignen Willen seiner Tochter
Sollt' ihm der neue Streit entstehn? Kind! Kind!
Noch hast du nur das Lächeln deines Vaters,
Hast seines Zornes Auge nicht gesehen.
Wird sich die Stimme deines Widerspruchs,
Die zitternde, in seine Nähe wagen?
Wohl magst du dir, wenn du allein bist, große Dinge
Vorsetzen, schöne Rednerblumen flechten,
Mit Löwenmut den Taubensinn bewaffnen.
Jedoch versuch's! Tritt vor sein Auge hin,
Das fest auf dich gespannt ist, und sag nein!
Vergehen wirst du vor ihm, wie das zarte Blatt
Der Blume vor dem Feuerblick der Sonne.
--Ich will dich nicht erschrecken, liebes Kind!
Zum Äußersten soll's ja nicht kommen, hoff ich--
Auch weiß ich seinen Willen nicht. Kann sein,
Daß seine Zwecke deinem Wunsch begegnen.
Doch das kann nimmermehr sein Wille sein,
Daß du, die stolze Tochter seines Glücks,
Wie ein verliebtes Mädchen dich gebärdest,
Wegwerfest an den Mann, der , wenn ihm je
Der hohe Lohn bestimmt ist, mit dem höchsten Opfer,
Das Liebe bringt, dafür bezahlen soll!
(Sie geht ab.)

Neunter Auftritt
Thekla. (allein)
Dank dir für deinen Wink! Er macht
Mir meine böse Ahnung zur Gewißheit.
So ist's denn wahr? Wir haben keinen Freund
Und keine treue Seele hier--wir haben
Nichts als uns selbst. Uns drohen harte Kämpfe.
Du, Liebe, gib uns Kraft, du göttliche!
Oh! sie sagt wahr! Nicht frohe Zeichen sind's,
Die diesem Bündnis unsrer Herzen leuchten.
Das ist kein Schauplatz, wo die Hoffnung wohnt.
Nur dumpfes Kriegsgetöse rasselt hier,
Und selbst die Liebe, wie in Stahl gerüstet,
Zum Todeskampf gegürtet, tritt sie auf.
Es geht ein finstrer Geist durch unser Haus,
Und schleunig will das Schicksal mit uns enden.
Aus stiller Freistatt treibt es mich heraus,
Ein holder Zauber muß die Seele blenden.
Es lockt mich durch die himmlische Gestalt,
Ich seh sie nah und seh sie näher schweben,
Es zieht mich fort mit göttlicher Gewalt,
Dem Abgrund zu, ich kann nicht widerstreben.
(Man hört von ferne die Tafelmusik.)
Oh! wenn ein Haus im Feuer soll vergehn,
Dann treibt der Himmel sein Gewölk zusammen,
Es schießt der Blitz herab aus heitern Höhn,
Aus unterird'schen Schlünden fahren Flammen,
Blindwütend schleudert selbst der Gott der Freude
Den Pechkranz in das brennende Gebäude!
(Sie geht ab.)


Vierter Aufzug
Szene: Ein großer, festlich erleuchteter Saal, in der Mitte
desselben und nach der Tiefe des Theaters eine reich ausgeschmückte
Tafel, an welcher acht Generale, worunter Octavio Piccolomini,
Terzky und Maradas, sitzen. Rechts und links davon, mehr nach
hinten zu, noch zwei andere Tafeln, welche jede mit sechs Gästen
besetzt sind. Vorwärts steht der Kredenztisch, die ganze vordere
Bühne bleibt für die aufwartenden Pagen und Bedienten frei. Alles
ist in Bewegung, Spielleute von Terzkys Regiment ziehen über den
Schauplatz um die Tafel herum. Noch ehe sie sich ganz entfernt
haben, erscheint Max Piccolomini; ihm kommt Terzky mit einer
Schrift, Isolani mit einem Pokal entgegen.

Erster Auftritt
Terzky. Isolani. Max Piccolomini.

Isolani.
Herr Bruder, was wir lieben! Nun, wo steckt Er?
Geschwind an Seinen Platz! Der Terzky hat
Der Mutter Ehrenweine preisgegeben,
Es geht hier zu, wie auf dem Heidelberger Schloß.
Das Beste hat Er schon versäumt. Sie teilen
Dort an der Tafel Fürstenhüte aus,
Des Eggenberg, Slawata, Lichtenstein,
Des Sternbergs Güter werden ausgeboten
Samt allen großen böhm'schen Lehen; wenn
Er hurtig macht, fällt auch für Ihn was ab.
Marsch! Setz' Er sich!
Colalto und Götz. (rufen an der zweiten Tafel)
Graf Piccolomini!
Terzky.
Ihr sollt ihn haben! Gleich!--Lies diese Eidesformel,
Ob dir's gefällt, so wie wir's aufgesetzt.
Es haben's alle nach der Reih' gelesen,
Und jeder wird den Namen drunter setzen.
Max. (liest)
"Ingratis servire nefas."
Isolani.
Das klingt wie ein latein'scher Spruch--Herr Bruder,
Wie heißt's auf deutsch?
Terzky.
Dem Undankbaren dient kein rechter Mann!
Max.
"Nachdem unser hochgebietender Feldherr, der
Durchlauchtige Fürst von Friedland, wegen vielfältig
empfangener Kränkungen, des Kaisers Dienst zu
Verlassen gemeint gewesen, auf unser einstimmiges
Bitten aber sich bewegen lassen, noch länger bei der
Armee zu verbleiben, und ohne unser Genehmhalten sich
Nicht von uns zu trennen; als verpflichten wir uns wieder
ingesamt, und jeder für sich insbesondere, anstatt eines
körperlichen Eides--auch bei ihm ehrlich und getreu zu
halten, uns auf keinerlei Weise von ihm zu trennen, und
für denselben alles das Unsrige, bis auf den letzten
Blutstropfen, aufzusetzen, so weit nämlich unser dem
Kaiser geleisteter Eid es erlauben wird.
(Die letzten Worte werden von Isolani nachgesprochen.)
Wie wir denn auch, wenn einer oder der andre, von uns, diesem
Verbündnis zuwider, sich von der gemeinen Sache
Absondern sollte, denselben als einen bundesflüchtigen
Verräter erklären, und an seinem Hab und Gut, Leib und
Leben Rache dafür zu nehmen verbunden sein wollen.
Solches bezeugen wir mit Unterschrift unsers Namens."
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