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Die Braut von Messina - 6

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   Der Haß versöhnt sich, und das schöne Mitleid
   Neigt sich, ein weinend Schwesterbild, mit sanft
   Anschmiegender Umarmung auf die Urne.
   Drum, Mutter, wehre du mir nicht, daß ich
   Hinuntersteige und den Fluch versöhne.
  Isabella.
   Reich ist die Christenheit an Gnadenbildern,
   Zu denen wallend ein gequältes Herz
   Kann Ruhe finden. Manche schwere Bürde
   Ward abgeworfen in Lorettos Haus,
   Und segensvolle Himmelskraft umweht
   Das heil'ge Grab, das alle Welt entsündigt.
   Vielkräftig auch ist das Gebet der Frommen,
   Sie haben reichen Vorrath an Verdienst,
   Und auf der Stelle, wo ein Mord geschah,
   Kann sich ein Tempel reinigend erheben.
  Don Cesar.
   Wohl läßt der Pfeil sich aus dem Herzen ziehn,
   Doch nie wird das verletzte mehr gesunden.
   Lebe, wer's kann, ein Leben der Zerknirschung,
   Mit strengen Bußkasteiungen allmählich
   Abschöpfend eine ew'ge Schuld--Ich kann
   Nicht leben, Mutter, mit gebrochnem Herzen.
   Aufblicken muß ich freudig zu den Frohen
   Und in den Äther greifen über mir
   Mit freiem Geist--Der Neid vergiftete mein Leben,
   Da wir noch deine Liebe gleich getheilt.
   Denkst du, daß ich den Vorzug werde tragen,
   Den ihm dein Schmerz gegeben über mich?
   Der Tod hat eine reinigende Kraft,
   In seinem unvergänglichen Palaste
   Zu echter Tugend reinem Diamant
   Das Sterbliche zu läutern und die Flecken
   Der mangelhaften Menschheit zu verzehren.
   Weit, wie die Sterne abstehn von der Erde,
   Wird er erhaben stehen über mir,
   Und hat der alte Neid uns in dem Leben
   Getrennt, da wir noch gleich Brüder waren,
   So wurd er rastlos mir das Herz zernagen,
   Nun er das Ewige mir abgewann
   Und, jenseits alles Wettstreits, wie ein Gott
   In der Erinnerung der Menschen wandelt.
  Isabella.
   O, hab' ich euch nur darum nach Messina
   Gerufen, um euch Beide zu begraben!
   Euch zu versöhnen, rief ich euch hieher,
   Und ein verderblich Schicksal kehret all
   Mein Hoffen in sein Gegentheil mir um!
  Don Cesar.
   Schilt nicht den Ausgang, Mutter! Es erfüllt
   Sich Alles, was versprochen ward. Wir zogen ein
   Mit Friedenshoffnungen in diese Thore,
   Und friedlich werden wir zusammen ruhn,
   Versöhnt auf ewig, in dem Haus des Todes.
  Isabella.
   Lebe, mein Sohn! Laß deine Mutter nicht
   Freundlos im Land der Fremdlinge zurück,
   Rohherziger Verhöhnung preisgegeben,
   Weil sie der Söhne Kraft nicht mehr beschützt.
  Don Cesar.
   Wenn alle Welt dich herzlos kalt verhöhnt
   So flüchte du dich hin zu unserm Grabe
   Und rufe deiner Söhne Gottheit an;
   Denn Götter sind wir dann, wir hören dich,
   Und wie des Himmels Zwillinge, dem Schiffer
   Ein leuchtend Sternbild, wollen wir mit Trost
   Die nahe sein und deine Seele stärken.
  Isabella.
   Lebe, mein Sohn! Für deine Mutter lebe!
   Ich kann's nicht tragen, Alles zu verlieren!
  (Sie schlingt ihre Arme mit leidenschaftlicher Heftigkeit um ihn;
  er macht sich sanft von ihr los und reicht ihr die Hand mit
  abgewandtem Gesicht.)
  Don Cesar.
   Leb wohl!
  Isabella.
   Ach, wohl erfahr' ich's schmerzlich fühlend nun,
   Daß nichts die Mutter über dich vermag!
   Gibt's keine andre Stimme, welche dir
   Zum Herzen mächt'ger als die meine dringt?
  (Sie sieht nach dem Eingang der Scene.)
   Komm, meine Tochter! Wenn der todte Bruder
   Ihn so gewaltig nachzieht in die Gruft,
   So mag vielleicht die Schwester, die geliebte,
   Mit schöner Lebenshoffnung Zauberschein
   Zurück ihn locken in das Licht der Sonne.
  
  Letzter Auftritt.
  
  Beatrice erscheint am Eingang der Scene. Donna Isabella. Don Cesar
  und der Chor.
  Don Cesar (bei ihrem Anblick heftig bewegt sich verhüllend).
   O Mutter! Mutter! Was ersannest du?
  Isabella (führt sie vorwärts).
   Die Mutter hat umsonst zu ihm gefleht,
   Beschwöre du, erfleh' ihn, daß er lebe!
  Don Cesar.
   Arglist'ge Mutter! Also prüfst du mich!
   In neuen Kampf willst du zurück mich stürzen?
   Das Licht der Sonne mir noch theurer machen
   Auf meinem Wege zu der ew'gen Nacht?
   --Da steht der holde Lebensengel mächtig
   Vor mir, und tausend Blumen schüttet er
   Und tausend goldne Früchte lebenduftend
   Aus reichem Füllhorn strömend vor mir aus,
   Das Herz geht auf im warmen Strahl der Sonne,
   Und neu erwacht in der erstorbnen Brust
   Die Hoffnung wieder und die Lebenslust.
  Isabella.
   Fleh' ihn, dich oder Niemand wird er hören,
   Daß er den Stab nicht raube dir und mir.
  Beatrice.
   Ein Opfer fordert der geliebte Todte;
   Es soll ihm werden, Mutter--Aber mich
   Laß dieses Opfer sein! Dem Tode war ich
   Geweiht, eh' ich das Leben sah. Mich fordert
   Der Fluch, der dieses Haus verfolgt, und Raub
   Am Himmel ist das Leben, das ich lebe.
   Ich bin's, die ihn gemordet, eures Streits
   Entschlafne Furien geweckte--Mir
   Gebührt es, seine Manen zu versöhnen!
  Chor. (Cajetan.)
   O jammervolle Mutter! Hin zum Tod
   Drängen sich eifernd alle deine Kinder
   Und lassen dich allein, verlassen stehen
   Um freudlos öden, liebeleeren Leben.
  Beatrice.
   Du, Bruder, rette dein geliebtes Haupt!
   Für deine Mutter lebe! Sie bedarf
   Des Sohnes; erst heute fand sie eine Tochter,
   Und leicht entbehrt sie, was sie nie besaß.
  Don Cesar (mit tief verwundeter Seele).
   Wir mögen leben, Mutter, oder sterben,
   Wenn sie nur dem Geliebten sich vereinigt!
  Beatrice.
   Beneidest du des Bruders todten Staub?
  Don Cesar.
   Er lebt in deinem Schmerz ein selig Leben,
   Ich werde ewig todt sein bei den Todten.
  Beatrice.
   O Bruder!
  Don Cesar (mit dem Ausdruck der heftigsten Leidenschaft).
   Schwester, weinest du um mich?
  Beatrice.
   Lebe für unsre Mutter!
  Don Cesar (läßt ihre Hand los, zurücktretend).
   Für die Mutter?
  Beatrice (neigt sich an seine Brust).
   Lebe für sie und tröste deine Schwester.
  Chor. (Bohemund.)
   Sie hat gesiegt! Dem rührenden Flehen
   Der Schwester konnt' er nicht widerstehen.
   Trostlose Mutter! Gieb Raum der Hoffnung,
   Er erwählt das Leben, die bleibt dein Sohn!
  (In diesem Augenblick läßt sich ein Chorgesang hören, die Flügelthüre
  wird geöffnet, man sieht in der Kirche den Katafalk aufgerichtet und
  den Sarg von Candelabern umgeben.)
  Don Cesar (gegen den Sarg gewendet).
   Nein, Bruder! Nicht dein Opfer will ich dir
   Entziehen--deine Stimme aus dem Sarg
   Ruft mächt'ger dringend als der Mutter Thränen
   Und mächt'ger als der Liebe Flehn--Ich halte
   In meinen Armen, was das ird'sche Leben
   Zu einem Loos der Götter machen kann--
   Doch ich, der Mörder, sollte glücklich sein,
   Und deine heil'ge Unschuld ungerächet
   Im tiefen Grabe liegen?--Das verhüte
   Der allgerechte Lenker unsrer Tage,
   Daß solche Theilung sei in seiner Welt--
   --Die Thränen sah ich, die auch mir geflossen,
   Befriedigt ist mein Herz, ich folge dir.
  (Er durchsticht sich mit einem Dolch und gleitet sterbend an seiner
  Schwester nieder, die sich der Mutter in die Arme wirft.)
  Chor (Cajetan.) (nach einem tiefen Schweigen).
   Erschüttert steh' ich, weiß nicht, ob ich ihn
   Bejammern oder preisen soll sein Loos.
   Dies Eine fühl' ich und erkenn' es klar:
   Das Leben ist der Güter höchstes nicht,
   Der Übel größtes aber ist die Schuld.
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