Die Braut von Messina - 5

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O, muß ein neid'scher Dämon mir die Wonne
Des heiß erflehten Augenblicks verbittern!
Ankämpfen muß ich gegen mein Entzücken!
Die Tochter seh' ich in des Vaters Haus,
Sie aber sieht nicht mich, vernimmt mich nicht,
Sie kann der Mutter Freude nicht erwiedern.
O, öffnet euch, ihr lieben Augenlichter!
Erwärmet euch, ihr Hände! Hebe dich,
Lebloser Busen, und schlage der Lust!
Diego! Das ist meine Tochter--Das
Die Langverborgne, die Gerettete,
Vor aller Welt kann ich sie jetzt erkennen!
Chor. (Bohemund.)
Ein seltsam neues Schreckniß glaub' ich ahnend
Vor mir zu sehn und stehe wundernd, wie
Das Irrsal sich entwirren soll und lösen.
Isabella (zum Chor, der Bestürzung und Verlegenheit ausdrückt).
O, seid ihr undurchdringlich harte Herzen!
Vom ehrnen Harnisch eurer Brust, gleichwie
Von einem schroffen Meeresfelsen, schlägt
Die Freude meines Herzens mir zurück!
Umsonst in diesem ganzen Kreis umher
Späh' ich nach einem Auge, das empfindet.
Wo weilen meine Söhne, daß ich Antheil
In einem Auge lese; denn mir ist,
Als ob der Wüste unmitleid'ge Schaaren,
Des Meeres Ungeheuer mich umständen!
Diego.
Sie schlägt die Augen auf! Sie regt sich, lebt!
Isabella.
Sie lebt! Ihr erster Blick sei auf die Mutter!
Diego.
Das Auge schließt sie schaudernd wieder zu.
Isabella (zum Chor).
Weichet zurück! Sie schreckt der fremde Anblick!
Chor (tritt zurück). (Bohemund.)
Gern meid' ich's, ihrem Blicke zu begegnen.
Diego.
Mit großen Augen mißt sie staunend dich.
Beatrice.
Wo bin ich? Diese Züge sollt' ich kennen.
Isabella.
Langsam kehrt die Besinnung ihr zurück.
Diego.
Was macht sie? Auf die Kniee senkt sie sich.
Beatrice.
Ich, schönes Engelsantlitz meiner Mutter!
Isabella.
Kind meines Herzens! Komm in meine Arme!
Beatrice.
Zu deinen Füßen sieh die Schuldige.
Isabella.
Ich habe dich wieder! Alles sei vergessen!
Diego.
Betracht' auch mich! Erkennst du meine Züge?
Beatrice.
Des redlichen Diego greises Haupt!
Isabella.
Der treue Wächter deiner Kinderjahre.
Beatrice.
So bin ich wieder in dem Schooß der Meinen?
Isabella.
Und nichts soll uns mehr scheiden, als der Tod.
Beatrice.
Du willst mich nicht mehr in die Fremde stoßen?
Isabella.
Nichts trennt uns mehr, das Schicksal ist befriedigt.
Beatrice (sinkt an ihre Brust).
Und find' ich wirklich mich an deinem Herzen?
Und Alles war ein Traum, was ich erlebt?
Ein schwerer, fürchterlicher Traum--O Mutter!
Ich sah ihn todt zu meinen Füßen fallen!
--Wie komm' ich aber hieher? Ich besinne
Mich nicht--Ach, wohl mir, wohl, daß ich gerettet
In deinen Armen bin! Sie wollten mich
Zur Fürstin Mutter von Messina bringen.
Eher ins Grab!
Isabella.
Komm zu dir, meine Tochter!
Messinas Fürstin--
Beatrice.
Nenne sie nicht mehr!
Mir gießt sich bei dem unglücksel'gen Namen
Ein Frost des Todes durch die Glieder.
Isabella.
Höre mich.
Beatrice.
Sie hat zwei Söhne, die sich tödtlich hassen;
Don Manuel, Don Cesar nennt man sie.
Isabella.
Ich bin's ja selbst! Erkenne deine Mutter!
Beatrice.
Was sagst du? Welches Wort hast du geredet?
Isabella.
Ich, deine Mutter, bin Messinas Fürstin.
Beatrice.
Du bist Don Manuels Mutter und Don Cesars?
Isabella.
Und deine Mutter! Deine Brüder nennst du!
Beatrice.
Weh, weh mir! O, entsetzensvolles Licht!
Isabella.
Was ist dir? Was erschüttert dich so seltsam?
Beatrice (wild um sich her schauend, erblickt den Chor).
Das sind sie, ja! Jetzt, jetzt erkenn' ich sie.
Mich hat kein Traum getäuscht--Die sind's, Die waren
Zugegen--Es ist fürchterliche Wahrheit!
Unglückliche, wo habt ihr ihn verborgen?
(Sie geht mit heftigem Schritt auf den Chor zu, der sich von ihr
abwendet. Ein Trauermarsch läßt sich in der Ferne hören.)
Chor.
Weh! Wehe!
Isabella.
Wen verborgen? Was ist wahr?
Ihr schweigt bestürzt--Ihr scheint sie zu verstehn.
Ich les' in euren Augen, eurer Stimme
Gebrochnen Tönen etwas Unglücksel'ges,
Das mir zurückgehalten wird--Was ist's?
Ich will es wissen. Warum heftet ihr
So schreckensvolle Blicke nach der Thüre?
Und was für Töne hör' ich da erschallen?
Chor. (Bohemund.)
Es naht sich! Es wird sich mit Schrecken klären.
Sei stark, Gebieterin, stähle dein Herz!
Mit Fassung ertrage, was dich erwartet,
Mit männlicher Seele den tödtlichen Schmerz!
Isabella.
Was naht sich? Was erwartet mich?--Ich höre
Der Todtenklage fürchterlichen Ton
Das Haus durchdringen--Wo sind meine Söhne?
(Der erste Halbchor bringt den Leichnam Don Manuels auf einer
Bahre getragen, die er auf der leer gelassenen Seite der Scene
niedersetzt. Ein schwarzes Tuch ist darüber gebreitet.)

Vierter Auftritt.

Isabella. Beatrice. Diego. Beide Chöre.
Erster Chor. (Cajetan.)
Durch die Straßen der Städte,
Vom Jammer gefolget,
Schreitet das Unglück--
Lauernd umschleicht es
Die Häuser der Menschen,
Heute an dieser
Pforte pocht es,
Morgen an jener,
Aber noch keinen hat es verschont.
Die unerwünschte
Schmerzliche Botschaft,
Früher oder später,
Bestellt es an jeder
Schwelle, wo ein Lebendiger wohnt.
(Berengar.)
Wenn die Blätter fallen
In des Jahres Kreise,
Wenn zum Grabe wallen
Entnervte Greise,
Da gehorcht die Natur
Ruhig nur
Ihrem alten Gesetze,
Ihrem ewigen Brauch,
Da ist nichts, was den Menschen entsetze!
Aber das Ungeheure auch
Lerne erwarten im irdischen Leben!
Mit gewaltsamer Hand
Löst der Mord auch das heiligste Band,
In sein stygisches Boot
Raffet der Tod
Auch der Jugend blühendes Leben!
(Cajetan.)
Wenn die Wolken gethürmt den Himmel schwärzen,
Wenn dumpftosend der Donner hallt,
Da, da fühlen sich alle Herzen
In des furchtbaren Schicksals Gewalt.
Aber auch aus entwölkter Höhe
Kann der zündende Donner schlagen
Darum in deinen fröhlichen Tagen
Fürchte des Unglücks tückische Nähe!
Nicht an die Güter hänge dein Herz,
Die das Leben vergänglich zieren!
Wer besitzt, der lerne verlieren,
Wer im Glück ist, der lerne den Schmerz.
Isabella.
Was soll ich hören? Was verhüllt dies Tuch?
(Sie macht einen Schritt gegen die Bahre, bleibt aber unschlüssig
zaudernd stehen.)
Es zieht mich grausend hin und zieht mich schaudernd
Mit dunkler, kalter Schreckenshand zurück.
(Zu Beatrice, welche sich zwischen sie und die Bahre geworfen.)
Laß mich! Was es auch sei, ich will's enthüllen!
(Sie hebt das Tuch auf und entdeckt Don Manuels Leichnam.)
O himmlische Mächte, es ist mein Sohn!
(Sie bleibt mit starrem Entsetzen stehen--Beatrice sinkt mit einem
Schrei des Schmerzens neben der Bahre nieder.)
Chor. (Cajetan, Berengar, Manfred.)
Unglückliche Mutter! Es ist dein Sohn!
Du hast es gesprochen, das Wort des Jammers,
Nicht meinen Lippen ist es entflohn.
Isabella.
Mein Sohn! Mein Manuel!--O, ewige
Erbarmung--So muß ich dich wieder finden!
Mit deinem Leben mußtest du die Schwester
Erkaufen aus des Räubers Hand!--Wo war
Dein Bruder, daß sein Arm dich nicht beschützte?
--O, Fluch der Hand, die diese Wunde grub!
Fluch ihr, die den Verderblichen geboren,
Der mir den Sohn erschlug! Fluch seinem ganzen
Geschlecht!
Chor.
Wehe! Wehe! Wehe! Wehe!
Isabella.
So haltet ihr mir Wort, ihr Himmelsmächte?
Das, das ist eure Wahrheit? Wehe Dem,
Der euch vertraut mit redlichem Gemüth!
Worauf hab' ich gehofft, wovor gezittert,
Wenn dies der Ausgang ist!--O, die ihr hier
Mich schreckenvoll umsteht, an meinem Schmerz
Die Blicke weidend, lernt die Lügen kennen,
Womit die Träume uns, die Seher täuschen!
Glaube noch einer an der Götter Mund!
--Als ich mich Mutter fühlte dieser Tochter,
Da träumte ihrem Vater eines Tages,
Er säh' aus seinem hochzeitlichen Bette
Zwei Lorbeerbäume wachsen--Zwischen ihnen
Wuchs eine Lilie empor; sie ward
Zur Flamme, die der Bäume dicht Gezweig ergriff
Und, um sich wüthend, schnell das ganze Haus
In ungeheurer Feuersfluth verschlang.
Erschreckt von diesem seltsamen Gesichte,
Befrug der Vater einen Vogelschauer
Und schwarzen Magier um die Bedeutung.
Der Magier erklärte: wenn mein Schooß
Von einer Tochter sich entbinden würde,
So würde sie die beiden Söhne ihm
Ermorden und vertilgen seinen Stamm!
Chor. (Cajetan und Bohemund.)
Gebieterin, was sagst du? Wehe! Wehe!
Isabella.
Darum befahlt der Vater, sie zu tödten;
Doch ich entrückte sie dem Jammerschicksal.
--Die arme Unglückselige! Verstoßen
Ward sie als Kind aus ihrer Mutter Schooß,
Daß sie, erwachsen, nicht die Brüder morde!
Und jetzt durch Räubershände fällt der Bruder,
Nicht die Unschuldige hat ihn getödtet!
Chor.
Wehe! Wehe! Wehe! Wehe!
Isabella.
Keinen Glauben
Verdiente mir des Götzendieners Spruch,
Ein beßres Hoffen stärkte meine Seele.
Denn mir verkündigte ein andrer Mund,
Den ich für wahrhaft hielt, von dieser Tochter:
"In heißer Liebe würde sie dereinst
"Der Söhne Herzen mir vereinigen."
--So widersprachen die Orakel sich,
Den Fluch zugleich und Segen auf das Haupt
Der Tochter legend--Nicht den Fluch hat sie
Verschuldet, die Unglückliche! Nicht Zeit
Ward ihr gegönnt, den Segen zu vollziehen.
Ein Mund hat, wie der andere, gelogen!
Die Kunst der Seher ist ein eitles Nichts,
Betrüger sind sie oder sind betrogen.
Nichts Wahres läßt sich von der Zukunft wissen,
Du schöpfest drunten an der Hölle Flüssen,
Du schöpfest droben an dem Quell des Lichts.
Erster Chor. (Cajetan.)
Wehe! Wehe! Was sagst du? Halt ein, halt ein!
Bezähme der Zunge verwegenes Toben!
Die Orakel sehen und treffen ein,
Der Ausgang wird die Wahrhaftigen loben!
Isabella.
Nicht zähmen will ich meine Zunge, laut,
Wie mir das Herz gebietet, will ich reden.
Warum besuchen wir die heil'gen Häuser
Und heben zu dem Himmel fromme Hände?
Gutmüth'ge Thoren, was gewinnen wir
Mit unserm Glauben? So unmöglich ist's,
Die Götter, die hochwohnenden, zu treffen,
Als in den Mond mit einem Pfeil zu schießen.
Vermauert ist dem Sterblichen die Zukunft,
Und kein Gebet durchbohrt den ehrnen Himmel.
Ob rechts die Vögel fliegen oder links,
Die Sterns so sich oder anders fügen,
Nicht Sinn ist in dem Buche der Natur,
Die Traumkunst träumt, und alle Zeichen trügen.
Zweiter Chor. (Bohemund.)
Halt ein, Unglückliche! Wehe! Wehe!
Du leugnest der Sonne leuchtendes Licht
Mit blinden Augen! Die Götter leben,
Erkenne sie, die dich furchtbar umgeben!
(Alle Ritter.)
Die Götter leben, die Götter leben,
Erkenne sie, die dich furchtbar umgeben!
Beatrice.
O Mutter! Mutter! Warum hast du mich
Gerettet! Warum warfst du mich nicht hin
Dem Fluch, der, eh' ich war, mich schon verfolgte?
Blödsicht'ge Mutter! Warum dünktest du
Dich weiser, als die Alles Schauenden,
Die Nah' und Fernes an einander knüpfen
Und in der Zukunft späte Saaten sehn?
Dir selbst und mir, uns allen zum Verderben
Hast du den Todesgöttern ihren Raub,
Den sie gefordert, frevelnd vorenthalten!
Jetzt nehmen sie ihn zweifach, dreifach selbst.
Nicht dank' ich dir das traurige Geschenk,
Dem Schmerz, dem Jammer hast du mich erhalten!
Erster Chor (Cajetan.) (in heftiger Bewegung nach der Thüre sehend).
Brechet auf, ihr Wunden,
Fließet, fließet!
In schwarzen Güssen
Stürzet hervor, ihr Bäche des Bluts!
(Berengar.)
Eherner Füße
Rauschen vernehm' ich,
Höllischer Schlangen
Zischendes Tönen,
Ich erkenne der Furien Schritt!
(Cajetan.)
Stürzet ein, ihr Wände!
Versink, o Schwelle,
Unter der schrecklichen Füße Tritt!
Schwarze Dämpfe, entsteiget, entsteiget
Qualmend dem Abgrund! Verschlinget des Tages
Lieblichen Schein!
Schützende Götter des Hauses, entweichet!
Lasst die rächenden Göttinnen ein!

Fünfter Auftritt.

Don Cesar. Isabella. Beatrice. Der Chor.
Beim Eintritt des Don Cesar zertheilt sich der Chor in fliehender
Bewegung vor ihm; er bleibt allein in der Mitte der Scene stehen.
Beatrice.
Weh mir, er ist's!
Isabella (tritt ihm entgegen).
O mein Sohn Cesar! Muß ich so
Dich wiedersehen--O, blick her und sieh
Den Frevel einer gottverfluchten Hand!
(Führt ihn zu dem Leichnam.)
Don Cesar (tritt mit Entsetzen zurück, das Gesicht verhüllend).
Erster Chor. (Cajetan, Berengar.)
Brechet auf, ihr Wunden!
Fließet, fließet!
In schwarzen Güssen
Strömet hervor, ihr Bäche des Bluts!
Isabella.
Du schauderst und erstarrst!--Ja, das ist Alles
Was dir noch übrig ist von deinem Bruder!
Da liegen meine Hoffnungen--Sie stirbt
Im Keim, die junge Blume eures Friedens,
Und keine schöne Früchte sollt' ich schauen.
Don Cesar.
Tröste dich, Mutter! Redlich wollten wir
Den Frieden, aber Blut beschloß der Himmel.
Isabella.
O, ich weiß, du liebtest ihn, ich sah entzückt
Die schönen Bande zwischen euch sich flechten!
An deinem Herzen wolltest du ihn tragen,
Ihm reich ersetzen die verlornen Jahre.
Der blut'ge Mord kam deiner schönen Liebe
Zuvor--Jetzt kannst du nichts mehr, als ihn rächen.
Don Cesar.
Komm, Mutter, komm! Hier ist kein Ort für dich,
Entreiß dich diesem unglücksel'gen Anblick! (Er will sie fortziehen.)
Isabella (fällt ihm um den Hals).
Du lebst mir noch! Du, jetzt mein Einziger!
Beatrice.
Weh, Mutter! Was beginnst du?
Don Cesar.
Weine dich aus
An diesem treuen Busen! Unverloren
Ist dir der Sohn, denn seine Liebe lebt
Unsterblich fort in deines Cesars Brust.
Erster Chor. (Cajetan, Berengar, Manfred.)
Brechet auf, ihr Wunden!
Redet, ihr stummen!
In schwarzen Fluthen
Stürzet hervor, ihr Bäche des Bluts!
Isabella (Beider Hände fassend).
O meine Kinder!
Don Cesar.
Wie entzückt es mich,
In deinen Armen sie zu sehen, Mutter!
Ja, laß sie deine Tochter sein! Die Schwester--
Isabella (unterbricht ihn).
Dir dank' ich die Gerettete, mein Sohn!
Du hieltest Wort, du hast sie mir gesendet.
Don Cesar (erstaunt).
Wen, Mutter, sagst du, hab' ich dir gesendet?
Isabella.
Sie mein' ich, die du vor dir siehst, die Schwester.
Don Cesar.
Sie meine Schwester?
Isabella.
Welche andre sonst?
Don Cesar.
Meine Schwester?
Isabella.
Die du selber mir gesendet.
Don Cesar.
Und seine Schwester!
Chor.
Wehe! Wehe! Wehe!
Beatrice.
O, meine Mutter!
Isabella.
Ich erstaune--Redet!
Don Cesar.
So ist der Tag verflucht, der mich geboren!
Isabella.
Was ist dir? Gott!
Don Cesar.
Verflucht der Schooß, der mich
Getragen!--Und verflucht sei deine Heimlichkeit,
Die all dies Gräßliche verschuldet! Falle
Der Donner nieder, der dein Herz zerschmettert,
Nicht länger halt' ich schonen ihn zurück--
Ich selber, wiss' es, ich erschlug den Bruder,
In ihren Armen überrascht' ich ihn;
Sie ist es, die ich liebe, die zur Braut
Ich mir gewählt--den Bruder aber fand ich
In ihren Armen--Alles weißt du nun!
--Ist sie wahrhaftig seine, meine Schwester,
So bin ich schuldig einer Gräuelthat,
Die keine Reu' und Büßung kann versöhnen!
Chor. (Bohemund.)
Es ist gesprochen, du hast es vernommen,
Das Schlimmste weißt du, nichts ist mehr zurück!
Wie die Seher verkündet, so ist es gekommen,
Denn noch Niemand entfloh dem verhängten Geschick.
Und wer sich vermißt, es klüglich zu wenden,
Der muß es selber erbauend vollenden.
Isabella.
Was kümmert's mich noch, ob die Götter sich
Als Lügner zeigen, oder sich als wahr
Bestätigen? Mir haben sie das Ärgste
Gethan--Trotz biet' ich ihnen, mich noch härter
Zu treffen, als sie trafen--Wer für nichts mehr
Zu zittern hat, der fürchtet sie nicht mehr.
Ermordet liegt mir der geliebte Sohn,
Und von dem lebenden scheid' ich mich selbst.
Er ist mein Sohn nicht--Einen Basilisken
Hab' ich erzeugt, genährt an meiner Brust,
Der mir den bessern Sohn zu Tode stach.
--Komm, meine Tochter! Hier ist unsers Bleibens
Nicht mehr--den Rachegeistern überlass' ich
Dies Haus--ein Frevel führte mich herein,
Ein Frevel treibt mich aus--Mit Widerwillen
Hab' ich's betreten und mit Furcht bewohnt,
Und in Verzweiflung räum' ich's--Alles dies
Erleid' ich schuldlos; doch bei Ehren bleiben
Die Orakel, und gerettet sind die Götter.
(Sie geht ab. Diego folgt ihr.)

Sechster Auftritt.

Beatrice. Don Cesar. Der Chor.
Don Cesar (Beatricen zurückhaltend).
Bleib, Schwester! Scheide du nicht so von mir!
Mag mir die Mutter fluchen, mag dies Blut
Anklagend gegen mich zum Himmel rufen,
Mich alle Welt verdammen! Aber du
Fluche mir nicht! Von dir kann ich's nicht tragen!
Beatrice (zeigt mit abgewandtem Gesicht auf den Leichnam).
Don Cesar.
Nicht den Geliebten hab' ich dir getödtet!
Den Bruder hab' ich dir und hab' ihn mir
Gemordet--Dir gehört der Abgeschiedne jetzt
Nicht näher an, als ich, der Lebende,
Und ich bin mitleidswürdiger, als er,
Denn er schied rein hinweg, und ich bin schuldig.
Beatrice (bricht in heftige Thränen aus).
Don Cesar.
Weine um den Bruder, ich will mit dir weinen,
Und mehr noch--rächen will ich ihn! Doch nicht
Um den Geliebten weine! Diesen Vorzug,
Den du dem Todten gibst, ertrag' ich nicht.
Den einz'gen Trost, den letzten, laß mich schöpfen
Aus unsers Jammers bodenloser Tiefe,
Daß er dir näher nicht gehört, als ich--
Denn unser furchtbar aufgelöstes Schicksal
Macht unsre Rechte gleich, wie unser Unglück.
In einen Fall verstrickt, drei liebende
Geschwister, gehen wir vereinigt unter
Und theilen gleich der Thränen traurig Recht.
Doch wenn ich denken muß, daß deine Trauer
Mehr dem Geliebten als dem Bruder gilt,
Dann mischt sich Wuth und Neid in meinen Schmerz,
Und mich verläßt der Wehmuth letzter Trost.
Nicht freudig, wie ich gerne will, kann ich
Das letzte Opfer seinen Manen bringen;
Doch sanft nachsenden will ich ihm die Seele,
Weiß ich nur, daß du meinen Staub mit seinem
In einem Aschenkruge sammeln wirst.
(Den Arm um sie schlingend, mit einer leidenschaftlich zärtlichen Heftigkeit.)
Dich liebt' ich, wie ich nichts zuvor geliebt,
Da du noch eine Fremde für mich warst.
Weil ich dich liebte über alle Grenzen,
Trag' ich den schweren Fluch des Brudermords,
Liebe zu dir war meine ganze Schuld.
--Jetzt bist du meine Schwester, und dein Mitleid
Fordr' ich von dir als einen heil'gen Zoll.
(Er sieht sie mit ausforschenden Blicken und schmerzlicher
Erwartung an, dann wendet er sich mit Heftigkeit von ihr.)
Nein, nein, nicht sehen kann ich diese Thränen--
In dieses Todten Gegenwart verläßt
Der Muth mich, und die Brust zerreißt der Zweifel--
--Laß mich im Irrthum! Weine im Verborgnen!
Sieh nie mich wieder--niemals mehr--Nicht dich,
Nicht deine Mutter will ich wieder sehen,
Sie hat mich nie geliebt! Verrathen endlich
Hat sich ihr Herz, der Schmerz hat es geöffnet.
Sie nannt' ihn ihren bessern Sohn!--So hat sie
Verstellung ausgeübt ihr ganzes Leben!
--Und du bist falsch, wie sie! Zwinge dich nicht!
Zeig' deinen Abscheu! Mein verhaßtes Antlitz
Sollst du nicht wieder sehn! Geh hin auf ewig!
(Er geht ab. Sie steht unschlüssig, im Kampf widersprechender
Gefühle, dann reißt sie sich los und geht.)

Siebenter Auftritt.

Chor. (Cajetan.) -- -- -- -- -- -- --
Wohl Dem! Selig muß ich ihn preisen,
Der in der Stille der ländlichen Flur,
Fern von des Lebens verworrenen Kreisen,
Kindlich liegt an der Brust der Natur.
Denn das Herz wird mir schwer in der Fürsten Palästen,
Wenn ich herab vom Gipfel des Glücks
Stürzen sehe die Höchsten, die Besten
In der Schnelle des Augenblicks!
Und auch Der hast sich wohl gebettet,
Der aus der stürmischen Lebenswelle,
Zeitig gewarnt, sich heraus gerettet
In des Klosters friedliche Zelle,
Der die stachelnde Sucht der Ehren
Von sich warf und die eitle Lust
Und die Wünsche, die ewig begehren,
Eingeschläfert in ruhiger Brust.
Ihn ergreift in dem Lebensgewühle
Nicht der Leidenschaft wilde Gewalt,
Nimmer in seinem stillen Asyle
Sieht er der Menschheit traur'ge Gestalt.
Nur in bestimmter Höhe ziehet
Das Verbrechen hin und das Ungemach,
Wie die Pest die erhabnen Orte fliehet,
Dem Qualm der Städte wälzt es sich nach.
(Berengar, Bohemund und Manfred.)
Auf den Bergen ist Freiheit! Der Hauch der Grüfte
Steigt nicht hinauf in die reinen Lüfte;
Die Welt ist vollkommen überall,
Wo der Mensch nicht hinkommt mit seiner Qual.
(Der ganze Chor wiederholt.)
Auf den Bergen u. s. w.

Achter Auftritt.

Don Cesar. Der Chor.
Don Cesar (gefaßter).
Das Recht des Herrschers üb' ich aus zum letzten Mal,
Dem Grab zu übergeben diesen theuren Leib,
Denn dieses ist der Todten letzte Herrlichkeit.
Vernehmt denn meines Willens ernstlichen Beschluß,
Und wie ich's euch gebiete, also übt es aus
Genau--Euch ist in frischem Angedenken noch
Das ernste Amt, denn nicht von langen Zeiten ist's,
Daß ihr zur Gruft begleitet eures Fürsten Leib.
Die Todtenklage ist in diesen Mauern kaum
Verhallt, und eine Leiche drängt die andre fort
Ins Grab, daß eine Fackel ander andern sich
Anzünden, auf der Treppe Stufen sich der Zug
Der Klagemänner fast begegnen mag.
So ordnet denn ein feierlich Begräbnißfest
In dieses Schlosses Kirche, die des Vaters Staub
Verwahrt, geräuschlos bei verschloßnen Pforten an,
Und Alles werde, wie es damals war, vollbracht.
Chor. (Bohemund.)
Mit schnellen Händen soll dies Werk bereitet sein,
O Herr--denn aufgerichtet steht der Katafalk,
Ein Denkmal jener ernsten Festlichkeit, noch da,
Und an den Bau des Todes rührte keine Hand.
Don Cesar.
Das war kein glücklich Zeichen, daß des Grabes Mund
Geöffnet blieb im Hause der Lebendigen.
Wie kam's, daß man das unglückselige Gerüst
Nicht nach vollbrachtem Dienste alsobald zerbrach?
Chor. (Bohemund.)
Die Noth der Zeiten und der jammervolle Zwist,
Der gleich nachher, Messina feindlich theilend, sich
Entflammt, zog unsre Augen von den Todten ab,
Und öde blieb, verschlossen dieses Heiligthum.
Don Cesar.
Ans Werk denn eilet ungesäumt! Noch diese Nacht
Vollende sich das mitternächtliche Geschäft!
Die nächste Sonne finde von Verbrechen rein
Das Haus und leuchte einem fröhlichen Geschlecht.
(Der zweite Chor entfernt sich mit Don Manuels Leichnam.)
Erster Chor. (Cajetan.)
Soll ich der Mönche fromme Brüderschaft hieher
Berufen, daß sie nach der Kirche altem Brauch
Das Seelenamt verwalte und mit heil'gem Lied
Zur ew'gen Ruh einsegne den Begrabenen?
Don Cesar.
Ihr frommes Lied mag fort und fort an unserm Grab
Auf ew'ge Zeiten schallen bei der Kerze Schein;
Doch heute nicht bedarf es ihres reinen Amts,
Der blut'ge Mord verscheucht das Heilige.
Chor. (Cajetan.)
Beschließe nichts gewaltsam Blutiges, o Herr,
Wider sich selber wüthend mit Verzweiflungsthat;
Denn auf der Welt lebt Niemand, der dich strafen kann,
Und fromme Büßung kauft den Zorn des Himmels ab.
Don Cesar.
Nicht auf der Welt lebt, wer mich richten strafen kann,
Drum muß ich selber an mir selber es vollziehn.
Bußfert'ge Sühne, weiß ich, nimmt der Himmel an;
Doch nur mit Blut büßt sich ab der blut'ge Mord.
Chor. (Cajetan.)
Des Jammers Fluthen, die auf dieses Haus gestürmt,
Ziemt dir zu brechen, nicht zu häufen Leid auf Leid.
Don Cesar.
Den alten Fluch des Hauses lös' ich sterbend auf,
Der freie Tod nur bricht die Kette des Geschicks.
Chor. (Cajetan.)
Zum Herrn bist du dich schuldig dem verwaisten Land,
Weil du des andern Herrscherhauptes uns beraubt.
Don Cesar.
Zuerst den Todesgöttern zahl' ich meine Schuld,
Ein andrer Gott mag sorgen für die Lebenden.
Chor. (Cajetan.)
So weit die Sonne leuchtet, ist die Hoffnung auch,
Nur von dem Tod gewinnt sich nichts! Bedenk' es wohl!
Don Cesar.
Du selbst bedenke schweigend deine Dienerpflicht!
Mich laß dem Geist gehorchend, der mich furchtbar treibt,
Denn in das Innre kann kein Glücklicher mir schaun.
Und ehrst du fürchtend auch den Herrscher nicht in mir,
Den Verbrecher fürchte, den der Flüche schwerster drückt!
Das Haupt verehre des Unglücklichen,
Das auch den Göttern heilig ist--Wer das erfuhr,
Was ist erleide und im Busen fühle,
Gibt keinem Irdischen mehr Rechenschaft.

Neunter Auftritt.

Donna Isabella. Don Cesar. Der Chor.
Isabella (kommt mit zögernden Schritten und wirft unschlüssige
Blicke auf Don Cesar. Endlich tritt sie ihm näher und spricht
mit gefaßtem Ton).
Dich sollten meine Augen nicht mehr schauen,
So hatt' ich mir's in meinem Schmerz gelobt;
Doch in die Luft verwehen die Entschlüsse,
Die eine Mutter, unnatürlich wüthend,
Wider des Herzens Stimme faßt--Mein Sohn!
Mich treibt ein unglückseliges Gerücht
Aus meines Schmerzens öden Wohnungen
Hervor--Soll ich ihm glauben? Ist es wahr,
Daß mir ein Tag zwei Söhne rauben soll?
Chor. (Cajetan.)
Entschlossen siehst du ihn, festen Muths,
Hinab zu gehen mit freiem Schritte
Zu des Todes traurigen Thoren.
Erprobe du jetzt die Kraft des Blutes,
Die Gewalt der rührenden Mutterbitte!
Meine Worte hab' ich umsonst verloren.
Isabella.
Ich rufe die Verwünschungen zurück,
Die ich im blinden Wahnsinn der Verzweiflung
Auf dein geliebtes Haupt herunter rief.
Eine Mutter kann des eignen Busens Kind,
Das sie mit Schmerz geboren, nicht verfluchen.
Nicht hört der Himmel solche sündige
Gebete; schwer von Thränen, fallen sie
Zurück von seinem leuchtenden Gewölbe.
--Lebe, mein Sohn! Ich will den Mörder lieber sehn
Des einen Kindes, als um beide weinen.
Don Cesar.
Nicht wohl bedenkst du, Mutter, was du wünschest
Dir selbst und mir--Mein Pfad kann nicht mehr sein
Bei den Lebendigen--Ja, könntest du
Des Mörders gottverhaßtes Antlitz auch
Ertragen, Mutter, ich ertrüge nicht
Den stummen Vorwurf deines ew'gen Grams.
Isabella.
Kein Vorwurf soll dich kränken, keine laute,
Noch stumme Klage in das Herz dir schneiden.
In milder Wehmuth wird der Schmerz sich lösen,
Gemeinsam trauernd, wollen wir das Unglück
Beweinen und bedecken das Verbrechen.
Don Cesar (faßt ihre Hand, mit sanfter Stimme).
Das wirst du, Mutter. Also wird's geschehn.
In milder Wehmuth wird dein Schmerz sich lösen--
Dann, Mutter, wenn ein Todtenmal den Mörder
Zugleich mit dem Gemordeten umschließt,
Ein Stein sich wölbet über beider Staube,
Dann wird der Fluch entwaffnet sein--Dann wirst
Du deine Söhne nicht mehr unterscheiden,
Die Thränen, die dein schönes Auge weint,
Sie werden einem wie dem andern gelten,
Ein mächtiger Vermittler ist der Tod.
Da löschen alle Zornesflammen aus,
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