Die Braut von Messina - 4

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Mit meiner Hoffnung spielt ein tückisch Wesen,
Und nimmer stillt sich seines Neides Wuth.
So nahe glaubt ich mich dem sichern Hafen,
So fest vertraut' ich auf des Glückes Pfand,
Und alle Stürme glaubt' ich eingeschlafen,
Und freudig winkend sah ich schon das Land
Im Abendglanz der Sonne sich erhellen;
Da kommt ein Sturm, aus heitrer Luft gesandt,
Und reißt mich wieder in den Kampf der Wellen!
(Sie geht nach dem innern Hause, wohin ihr Diego folgt.)


Dritter Aufzug.
Die Scene verwandelt sich in den Garten.

Erster Auftritt.

Beide Chöre. Zuletzt Beatrice.
(Der Chor des Don Manuel kommt in festlichem Aufzug, mit Kränzen
geschmückt und die oben beschriebnen Brautgeschenke begleitend;
der Chor de Don Cesar will ihm den Eintritt verwehren.)
Erster Chor. (Cajetan.)
Du würdest wohl thun, diesen Platz zu leeren.
Zweiter Chor. (Bohemund.)
Ich will's, wenn beßre Männer es begehren.
Erster Chor. (Cajetan.)
Du könntest merken, daß du lästig bist.
Zweiter Chor. (Bohemund.)
Deßwegen bleib' ich, weil es dich verdrießt.
Erster Chor. (Cajetan.)
Hier ist mein Platz. Wer darf zurück mich halten?
Zweiter Chor. (Bohemund.)
Ich darf es thun, ich habe hier zu walten.
Erster Chor. (Cajetan.)
Mein Herrscher sendet mich, Don Manuel!
Zweiter Chor. (Bohemund.)
Ich stehe hier auf meines Herrn Befehl.
Erster Chor. (Cajetan.)
Dem ältern Bruder muß der jüngre weichen.
Zweiter Chor. (Bohemund.)
Dem Erstbesitzenden gehört die Welt.
Erster Chor. (Cajetan.)
Verhaßter, geh und räume mir das Feld.
Zweiter Chor. (Bohemund.)
Nicht, bis sich unsre Schwerter erst vergleichen.
Erster Chor. (Cajetan.)
Find' ich dich überall in meinen Wegen?
Zweiter Chor. (Bohemund.)
Wo mir's gefällt, da tret' ich dir entgegen.
Erster Chor. (Cajetan.)
Was hast du hier zu horchen und zu hüten?
Zweiter Chor. (Bohemund.)
Was hast du hier zu fragen, zu verbieten?
Erster Chor. (Cajetan.)
Dir steh' ich nicht zur Red und Antwort hier.
Zweiter Chor. (Bohemund.)
Und nicht des Wortes Ehre gönn' ich dir.
Erster Chor. (Cajetan.)
Ehrfurcht gebührt, o Jüngling, meinen Jahren.
Zweiter Chor. (Bohemund.)
In Tapferkeit bin ich, wie du, erfahren!
Beatrice (stürzt heraus).
Weh mir! Was wollen diese wilden Schaaren?
Erster Chor. (Cajetan.) zum zweiten
Nichts acht' ich dich und deine stolze Miene!
Zweiter Chor. (Bohemund.)
Ein beßrer ist der Herrscher, dem ich diene.
Beatrice.
O, weh mir, weh mir, wenn er jetzt erschiene!
Erster Chor. (Cajetan.)
Du lügst! Don Manuel besiegt ihn weit!
Zweiter Chor. (Bohemund.)
Den Preis gewinnt mein Herr in jedem Streit.
Beatrice.
Jetzt wird er kommen, dies ist seine Zeit.
Erster Chor. (Cajetan.)
Wäre nicht Friede, Recht verschafft' ich mir!
Zweiter Chor. (Bohemund.)
Wär's nicht die Furcht, kein Friede wehrte dir.
Beatrice.
O, wär' er tausend Meilen weit von hier!
Erster Chor. (Cajetan.)
Das Gesetz fürcht' ich, nicht deiner Blicke Trutz.
Zweiter Chor. (Bohemund.)
Wohl thust du dran, es ist des Feigen Schutz.
Erster Chor. (Cajetan.)
Fang' an, ich folge!
Zweiter Chor. (Bohemund.)
Mein Schwert ist heraus!
Beatrice (in der heftigsten Beängstigung).
Sie werden handgemein, die Degen blitzen!
Ihr Himmelsmächte, haltet ihn zurück!
Werft euch in seinen Weg, ihr Hindernisse,
Eine Schlinge legt, ein Netz um seine Füße,
Daß er verfehle diesen Augenblick!
Ihr Engel alle, die ich flehend bat,
Ihn herzuführen, täuschet meine Bitte,
Weit, weit von hier entfernet seine Schritte!
(Sie eilt hinein. Indem die Chöre einander anfallen, erscheint Don Manuel.)

Zweiter Auftritt.

Don Manuel. Der Chor.
Don Manuel.
Was seh' ich! Haltet ein!
Erster Chor (Cajetan, Berengar, Manfred) zum zweiten.
Komm an! Komm an!
Zweiter Chor. (Bohemund, Roger, Hippolyt.)
Nieder mit ihnen! Nieder!
Don Manuel (tritt zwischen sie, mit gezogenem Schwert).
Haltet ein!
Erster Chor. (Cajetan.)
Es ist der Fürst.
Zweiter Chor. (Bohemund.)
Der Bruder! Haltet Friede!
Don Manuel.
Den streck' ich todt auf dieses Rasens Grund,
Der mit gezuckter Augenwimper nur
Die Fehde fortsetzt und dem Gegner droht!
Rast ihr? Was für ein Dämon reizt euch an,
Des alten Zwistes Flammen aufzublasen,
Der zwischen uns, den Fürsten abgethan
Und ausgeglichen ist auf immerdar?
--Wer fing den Streit an? Redet! Ich will's wissen.
Erster Chor. (Cajetan, Berengar.)
Sie standen hier--
Zweiter Chor (Roger, Bohemund unterbrechend).
Sie kamen--
Don Manuel (zum ersten Chor).
Rede du!
Erster Chor. (Cajetan.)
Wir kamen her, mein Fürst, die Hochzeitgaben
Zu überreichen, wie du uns befahlst.
Geschmückt zu einem Feste, keineswegs
Zum Krieg bereit, du siehst es, zogen wir
In Frieden unsern Weg, nichts Arges denkend
Und trauend dem beschworenen Vertrag;
Da fanden wir sie feindlich hier gelagert
Und uns den Eingang sperrend mit Gewalt.
Don Manuel.
Unsinnige, ist keine Freistatt sicher
Genug vor eurer blinden, tollen Wuth?
Auch in der Unschuld still verborgnen Sitz
Bricht euer Hader friedestörend ein? (Zum zweiten Chor.)
Weiche zurück! Hier sind Geheimnisse,
Die deine kühne Gegenwart nicht dulden. (Da derselbe zögert.)
Zurück Dein Herr gebietet dir's durch mich,
Denn wir sind jetzt ein Haupt und ein Gemüth,
Und mein Befehl ist auch der seine. Geh! (Zum ersten Chor.)
Du bleibst und wahrst des Eingangs.
Zweiter Chor. (Bohemund.)
Was beginnen?
Die Fürsten sind versöhnt, das ist die Wahrheit,
Und in der hohen Häupter Spahn und Streit
Sich unberufen, vielgeschäftig drängen,
Bringt wenig Dank und öfterer Gefahr.
Denn wenn der Mächtige des Streits ermüdet,
Wirft er behend auf den geringen Mann,
Der arglos ihm gedient, den blut'gen Mantel
Der Schuld, und leicht gereinigt steht er da.
Drum mögen sich die Fürsten selbst vergleichen,
Ich acht' es für gerathner, wir gehorchen.
(Der zweite Chor geht ab, der erste zieht sich nach dem Hintergrund
der Scene zurück. In demselben Augenblicke stürzt Beatrice heraus
und wirft sich in Don Manuels Arme.)

Dritter Auftritt.

Beatrice. Don Manuel.
Beatrice.
Du bist's. Ich habe dich wieder--Grausamer!
Du hast mich lange, lange schmachten lassen,
Der Furcht und allen Schrecknissen zum Raub
Dahin gegeben--Doch nichts mehr davon!
Ich habe dich--in deinen lieben Armen
Ist Schutz und Schirm vor jeglicher Gefahr.
Komm! Sie sind weg! Wir haben Raum zur Flucht,
Fort, laß uns keinen Augenblick verlieren!
(Sie will ihn mit sich fortziehen und sieht ihn jetzt erst genau an.)
Was ist dir? So verschlossen feierlich
Empfängst du mich--entziehst dich meinen Armen,
Als wolltest du mich lieber ganz verstoßen?
Ich kenne dich nicht mehr--Ist dies Don Manuel,
Mein Gatte, mein Geliebter?
Don Manuel. Beatrice!
Beatrice.
Nein, rede nicht! Jetzt ist nicht Zeit zu Worten!
Fort laß uns eilen, schnell der Augenblick
Ist kostbar--
Don Manuel.
Bleib! Antworte mir!
Beatrice.
Fort, Fort!
Eh diese wilden Männer wiederkehren!
Don Manuel.
Bleib! Jene Männer werden uns nicht schaden.
Beatrice.
Doch, doch! Du kennst sie nicht. O, komm! Entfliehe!
Don Manuel.
Von meinem Arm beschützt, was kannst du fürchten?
Beatrice.
O, glaube mir, es gibt hier mächt'ge Menschen!
Don Manuel.
Geliebte, keinen mächtiger als mich.
Beatrice.
Du, gegen diese Vielen ganz allein?
Don Manuel.
Ich ganz allein! Die Männer, die du fürchtest--
Beatrice.
Du kennst sie nicht, du weißt nicht, wem sie dienen.
Don Manuel.
Mir dienen sie, und ich bin ihr Gebieter.
Beatrice.
Du bist--Ein Schrecken fliegt durch meine Seele!
Don Manuel.
Lerne mich endlich kennen, Beatrice!
Ich bin nicht Der, der ich dir schien zu sein,
Der arme Ritter nicht, der unbekannte,
Der liebend nur um deine Liebe warb.
Wer ich wahrhaftig bin, was ich vermag,
Woher ich stamme, hab' ich dir verborgen.
Beatrice.
Du bist Don Manuel nicht! Weh mir, wer bist du?
Don Manuel.
Don Manuel heiß' ich--doch ich bin der Höchste,
Der diesen Namen führt in dieser Stadt,
Ich bin Don Manuel, Fürst von Messina.
Beatrice.
Du wärst Don Manuel, Don Cesars Bruder?
Don Manuel.
Don Cesar ist mein Bruder.
Beatrice.
Ist dein Bruder!
Don Manuel.
Wie? Dies erschreckt dich? Kennst du den Don Cesar?
Kennst du noch sonsten Jemand meines Bluts?
Beatrice.
Du bist Don Manuel, der mit dem Bruder
In Hasse lebt und unversöhnter Fehde?
Don Manuel. Wir sind versöhnt, seit heute sind wir Brüder,
Nicht von Geburt nur, nein! von Herzen auch!
Beatrice.
Versöhnt, seit heute!
Don Manuel.
Sage mir, was ist das?
Was bringt dich so in Aufruhr? Kennst du mehr
Als nur den Namen bloß von meinem Hause?
Weiß ich dein ganz Geheimniß? Hast du nichts,
Nichts mir verschwiegen oder vorenthalten?
Beatrice.
Was denkst du? Wie? Was hätt' ich zu gestehen?
Don Manuel.
Von deiner Mutter hast du mir noch nichts
Gesagt. Wer ist sie? Würdest du sie kennen,
Wenn ich sie dir beschriebe--dir sie zeigte?
Beatrice.
Du kennst sie--kennst sie und verbargst sie mir?
Don Manuel.
Weh dir und wehe mir, wenn ich sie kenne!
Beatrice.
O, sie ist gütig, wie das Licht der Sonne!
Ich seh' sie vor mir, die Erinnerung
Belebt sich wieder, aus der Seele Tiefen
Erhebt sich mir die göttliche Gestalt.
Der braunen Locken dunkle Ringe seh' ich
Des weißen Halses edle Form beschatten,
Ich seh' der Stirne rein gewölbten Bogen,
Des großen Auges dunkelhellen Glanz,
Auch ihrer Stimme seelenvolle Töne
Erwachen mir--
Don Manuel.
Weh mir! Du schilderst sie!
Beatrice.
Und ich entfloh ihr! Konnte sie verlassen,
Vielleicht am Morgen eben dieses Tags,
Der mich auf ewig ihr vereinen sollte!
O, selbst die Mutter gab ich hin für dich!
Don Manuel.
Messinas Fürstin wird dir Mutter sein.
Zu ihr bring' ich dich jetzt; sie wartet deiner.
Beatrice.
Was sagst du? Deine Mutter und Don Cesars?
Zu ihr mich bringen? Nimmer, nimmermehr!
Don Manuel.
Du schauderst? Was bedeutet dies Entsetzen?
Ist meine Mutter keine Fremde dir?
Beatrice.
O unglückselig traurige Entdeckung!
O, hätt' ich nimmer diesen Tag gesehn!
Don Manuel.
Was kann dich ängstigen, nun du mich kennst,
Den Fürsten findest in dem Unbekannten?
Beatrice.
O, gib mir diesen Unbekannten wieder,
Mit ihm auf dem Eiland wär' ich selig!
Don Cesar (hinter der Scene).
Zurück! Welch vieles Volk ist hier versammelt?
Beatrice.
Gott! Diese Stimme! Wo verberg' ich mich?
Don Manuel.
Erkennst du diese Stimme? Nein, du hast
Sie nie gehört und kannst sie nicht erkennen!
Beatrice.
O, laß uns fliehen! Komm und weile nicht!
Don Manuel.
Was fliehn? Es ist des Bruders Stimme, der
Mich sucht; zwar wundert mich, wie er entdeckte--
Beatrice.
Bei allen Heiligen des Himmels, meid' ihn!
Begegne nicht dem heftig Stürmenden,
Laß dich von ihm an diesem Ort nicht finden.
Don Manuel.
Geliebte Seele, dich verwirrt die Furcht!
Du hörst mich nicht, wir sind versöhnte Brüder!
Beatrice.
O Himmel, rette mich aus dieser Stunde!
Don Manuel.
Was ahnt mir! Welch ein Gedanke faßt
Mich schaudernd?--Wär es möglich--Wäre dir
Die Stimme keine fremde?--Beatrice,
Du warst?--Mir grauet, weiter fort zu fragen!
Du warst--bei meines Vaters Leichenfeier?
Beatrice.
Wer mir!
Don Manuel.
Du warst zugegen?
Beatrice.
Zürne nicht!
Don Manuel.
Unglückliche, du warst?
Beatrice.
Ich war zugegen.
Don Manuel.
Entsetzen!
Beatrice.
Die Begierde war zu mächtig!
Vergib mir! Ich gestand dir meinen Wunsch;
Doch, plötzlich ernst und finster, ließest du
Die Bitte fallen, und so schwieg auch ich.
Doch weiß ich nicht, welch böses Sternes Macht
Mich trieb mit unbezwinglichem Gelüsten.
Des Herzens heißen Drang mußt' ich vergnügen;
Der alte Diener lieh mir seinen Beistand,
Ich war dir ungehorsam, und ich ging.
(Sie schmiegt sich an ihn, indem tritt Don Cesar herein, von dem
ganzen Chor begleitet.)

Vierter Auftritt.

Beide Brüder. Beide Chöre. Beatrice.
Zweiter Chor (Bohemund) zu Don Cesar.
Du glaubst uns nicht--Glaub deinen eignen Augen!
Don Cesar (tritt heftig ein und fährt beim Anblick seines Bruders
mit Entsetzen zurück.)
Blendwerk der Hölle! Was? In seinen Armen!
(Näher tretend, zu Don Manuel.)
Giftvolle Schlange! Das ist deine Liebe!
Deßwegen logst du tückisch mir Versöhnung!
O, eine Stimme Gottes war mein Haß!
Fahre zur Hölle, falsche Schlangenseele! (Er ersticht ihn.)
Don Manuel.
Ich bin des Todes--Beatrice--Bruder!
(Er sinkt und stirbt. Beatrice fällt neben ihm ohnmächtig nieder.)
Erster Chor. (Cajetan.)
Mord! Mord! Herbei! Greift zu den Waffen alle!
Mit Blut gerächet sei die blut'ge That! (Alle ziehen den Degen.)
Zweiter Chor. (Bohemund.)
Heil uns! Der lange Zwiespalt ist geendigt.
Nur einem Herrscher jetzt gehorcht Messina.
Erster Chor. (Cajetan, Berengar, Manfred.)
Rache! Rache! Der Mörder falle! falle,
Ein sühnend Opfer dem Gemordeten!
Zweiter Chor. (Bohemund, Roger, Hippolyt.)
Herr, fürchte nichts, wir stehen treu zu dir.
Don Cesar (mit Ansehen zwischen sie tretend).
Zurück--Ich habe meinen Feind getödtet,
Der mein vertrauend redlich Herz betrog,
Die Bruderliebe mir zum Fallstrick legte.
Ein furchtbar gräßlich Ansehn hat die That,
Doch der gerechte Himmel hat gerichtet.
Erster Chor. (Cajetan.)
Weh die, Messina! Wehe! Wehe! Wehe!
Das gräßlich Ungeheure ist geschehn
In deinen Mauern--Wehe deinen Müttern
Und Kindern, deinen Jünglingen und Greisen!
Und wehe der noch ungebornen Frucht!
Don Cesar.
Die Klage kommt zu spät--Hier schaffet Hilfe!
(Auf Beatricen zeigend.)
Ruft sie ins Leben! Schnell entfernet sie
Von diesem Ort des Schreckens und des Todes.
--Ich kann nicht länger weilen, denn mich ruft
Die Sorge fort um die geraubte Schwester.
--Bringt sie in meiner Mutter Schloß und sprecht:
Es sei ihr Sohn Don Cesar, der sie sende!
(Er geht ab; die ohnmächtige Beatrice wird von dem zweiten Chor
auf eine Bank gesetzt und so hinweg getragen; der erste Chor bleibt
bei dem Leichnam zurück, um welchen auch die Knaben, die die
Brautgeschenke tragen, in einem Halbkreis herumstehen.)

Fünfter Auftritt.

Chor. (Cajetan.)
Sagt mir! Ich kann's nicht fassen und deuten,
Wie es so schnell sich erfüllend genaht.
Längst wohl sah ich im Geist mit weiten
Schritten das Schreckensgespenst herschreiten
Dieser entsetzlichen, blutigen That.
Dennoch übergießt mich ein Grauen,
Da sie vorhanden ist und geschehen,
Da ich erfüllt muß vor Augen schauen,
Was ich in ahnender Furcht nur gesehen.
All mein Blut in den Adern erstarrt
Vor der gräßlich entschiedenen Gegenwart.
Einer aus dem Chor. (Manfred.)
Lasset erschallen die Stimme der Klage!
Holder Jüngling!
Da liegt er entseelt,
Hingestreckt in der Blüthe der Tage,
Schwer umfangen von Todesnacht,
An der Schwelle der bräutlichen Kammer!
Aber über dem Stummen erwacht
Lauter, unermeßlicher Jammer.
Ein Zweiter. (Cajetan.)
Wir kommen, wir kommen
Mit festlichem Prangen
Die Braut zu empfangen,
Es bringen die Knaben
Die reichen Gewande, die bräutlichen Gaben,
Das Fest ist bereitet, es warten die Zeugen;
Aber der Bräutigam höret nicht mehr,
Nimmer erweckt ihn der fröhliche Reigen,
Denn der Schlummer der Todten ist schwer.
Ganzer Chor.
Schwer und tief ist der Schlummer der Todten,
Nummer erweckt ihn die Stimme der Braut,
Nimmer des Hifthorns fröhlicher Laut,
Starr und fühllos liegt er am Boden!
Ein Dritter. (Cajetan.)
Was sind die Hoffnungen, was sind Entwürfe,
Die der Mensch, der vergängliche, baut?
Heute umarmtet ihr euch als Brüder,
Einig gestimmt mit Herzen und Munde,
Diese Sonne, die jetzo nieder
Geht, sie leuchtete eurem Bunde!
Und jetzt liegst du, dem Staube vermählt,
Von des Brudermords Händen entseelt,
In dem Busen die gräßliche Wunde!
Was sind Hoffnungen, was sind Entwürfe,
Die der Mensch, der flüchtige Sohn der Stunde,
Aufbaut auf dem betrüglichen Grunde?
Chor. (Berengar.)
Zu der Mutter will ich dich tragen,
Eine unbeglückende Last!
Diese Cypresse laßt uns zerschlagen
Mit der mörderischen Schneide der Axt,
Eine Bahre zu flechten aus ihren Zweigen,
Nimmer soll sie Lebendiges zeugen,
Die die tödtliche Frucht getragen,
Nimmer in fröhlichem Wuchs sich erheben,
Keinem Wandrer mehr Schatten geben;
Die sich genährt auf des Mordes Boden,
Soll verflucht sein zum Dienst der Todten!
Erster. (Cajetan.)
Aber wehe dem Mörder, wehe,
Der dahin geht in thörichtem Muth!
Hinab, hinab in der Erde Ritzen
Rinnet, rinnet, rinnet sein Blut.
Drunten aber im Tiefen sitzen
Lichtlos, ohne Gesang und Sprache,
Der Themis Töchter, die nie vergessen,
Die Untrüglichen, die mit Gerechtigkeit messen,
Fangen es auf in schwarzen Gefäßen,
Rühren und mengen die schreckliche Rache.
Zweiter. (Berengar.)
Leicht verschwindet der Thaten Spur
Von der sonnenbeleuchteten Erde,
Wie aus dem Antlitz die leichte Geberde--
Aber nichts ist verloren und verschwunden,
Was die geheimnißvoll waltenden Stunden
In den dunkel schaffenden Schooß aufnahmen--
Die Zeit ist eine blühende Flur,
Ein großes Lebendiges ist die Natur,
Und alles ist Frucht, und alles ist Samen.
Dritter. (Cajetan.)
Wehe, wehe dem Mörder, wehe,
Der sich gesät die tödtliche Saat!
Ein andres Antlitz, eh sie geschehen,
Ein anderes zeigt die vollbrachte That.
Muthvoll blickt sie und kühn dir entgegen,
Wenn der Rache Gefühle den Busen bewegen;
Aber ist sie geschehn und begangen,
Blickt sie dich an mit erbleichenden Wangen.
Selber die schrecklichen Furien schwangen
Gegen Orestes die höllischen Schlangen,
Reizten den Sohn zu dem Muttermord an;
Mit der Gerechtigkeit heiligen Zügen
Wußte sie listig sein Herz zu betrügen,
Bis er die tödtliche That nun gethan--
Aber, da er den Schooß jetzt geschlagen,
Der ihn empfangen und liebend getragen,
Siehe, da kehrten sie
Gegen ihn selber
Schrecklich sich um--
Und er erkannte die furchtbaren Jungfraun
Die den Mörder ergreifend fassen,
Die von jetzt an ihn nimmer lassen,
Die ihn mit ewigem Schlangenbiß nagen,
Die von Meer zu Meer ihn ruhelos jagen
Bis in das delphische Heiligthum.
(Der Chor geht ab, den Leichnam Don Manuels auf einer Bahre tragend.)


Vierter Aufzug.
Die Säulenhalle.--Es ist Nacht; die Scene ist von oben herab durch
eine große Lampe erleuchtet.

Erster Auftritt.

Donna Isabella und Diego treten auf.
Isabella.
Noch keine Kunde kam von meinen Söhnen,
Ob eine Spur sich fand von der Verlornen?
Diego.
Noch nichts, Gebieterin!--doch hoffe Alles
Von deiner Söhne Ernst und Emsigkeit.
Isabella.
Wie ist mein Herz geängstiget, Diego!
Es stand bei mir, dies Unglück zu verhüten.
Diego.
Drück' nicht des Vorwurfs Stachel in dein Herz.
An welcher Vorsicht ließest du's ermangeln?
Isabella.
Hätt' ich sie früher an das Licht gezogen,
Wie mich des Herzens Stimme mächtig trieb!
Diego.
Die Klugheit wehrte dir's, du thatest weise;
Doch der Erfolg ruht in des Himmels Hand.
Isabella.
Ach, so ist keine Freude rein! Mein Glück
Wär' ein vollkommnes ohne diesen Zufall.
Diego.
Dies Glück ist nur verzögert, nicht zerstört;
Genieße du jetzt deiner Söhne Frieden.
Isabella.
Ich habe sie einander Herz an Herz
Umarmen sehn--ein nie erlebter Anblick!
Diego.
Und nicht ein Schauspiel bloß, es ging von Herzen,
Denn ihr Geradsinn haßt der Lüge Zwang.
Isabella.
Ich seh' auch, daß sie zärtlicher Gefühle,
Der schönen Neigung fähig sind; mit Wonne
Entdeck' ich, daß sie ehren, was sie lieben.
Der ungebundnen Freiheit wollen sie
Entsagen, nicht dem Zügel des Gesetzes
Entzieht sich ihre brausend wilde Jugend,
Und sittlich selbst blieb ihre Leidenschaft.
--Und will dir's jetzo gern gestehn, Diego,
Daß ich mit Sorge diesem Augenblick,
Der aufgeschloßnen Blume des Gefühls
Mit banger Furcht entgegen sah--Die Liebe
Wird leicht zur Wuth in heftigen Naturen.
Wenn in den aufgehäuften Feuerzunder
Des alten Hasses auch noch dieser Blitz,
Der Eifersucht feindsel'ge Flamme schlug--
Mir schaudert, es zu denken--ihr Gefühl,
Das niemals einig war, gerade hier
Zum erstenmal unselig sich begegnet--
Wohl mir! Auch diese donnerschwere Wolke,
Die über mir schwarz drohend niederhing,
Sie führte mir ein Engel still vorüber,
Und leicht nun athmet die befreite Brust.
Diego.
Ja, freue deines Werkes dich. Du hast
Mit zartem Sinn und ruhigem Verstand
Vollendet, was der Vater nicht vermochte
Mit aller seiner Herrscher Macht--Dein ist
Der Ruhm; doch auch dein Glücksstern ist zu loben!
Isabella.
Vieles gelang mir! Viel auch that das Glück!
Nichts Kleines war es, solche Heimlichkeit
Verhüllt zu tragen diese langen Jahre,
Der Mann zu täuschen, den umsichtigsten
Der Menschen, und ins Herz zurückzudrängen
Den Trieb des Bluts, der mächtig, wie des Feuers
Verschloßner Gott, aus seinen Banden strebte!
Diego.
Ein Pfand ist mir des Glückes lange Gunst,
Daß Alles sich erfreulich lösen wird.
Isabella.
Ich will nicht eher meine Sterne loben,
Bis ich das Ende dieser Thaten sah.
Daß mir der böse Genius nicht schlummert,
Erinnert warnen mich der Tochter Flucht.
--Schilt oder lobe meine That, Diego!
Doch dem Getreuen will ich nichts verbergen.
Nicht tragen konnt' ich's, hier in müß'ger Ruh
Zu harren des Erfolgs, indeß die Söhne
Geschäftig forschen nach der Tochter Spur.
Gehandelt hab' auch ich--Wo Menschenkunst
Nicht zureicht, hat der Himmel oft gerathen.
Diego.
Entdecke mir, was mir zu wissen ziemt.
Isabella.
Einsiedelnd auf des Ätna Höhen haust
Ein frommer Klausner, von Uralters her
Der Greis genannt des Berges, welcher, näher
Dem Himmel wohnend, als der andern Menschen
Tief wandelndes Geschlecht, den ird'schen Sinn
In leichter, reiner Ätherluft geläutert
Und von dem Berg der aufgewälzten Jahre
Hinabsieht in das aufgelöste Spiel
Des unverständlich krummgewundnen Lebens.
Nicht fremd ist ihm das Schicksal meines Hauses,
Oft hat der heil'ge Mann für uns den Himmel
Gefragt und manchen Fluch hinweggebetet.
Zu ihm hinauf gesandt hab' ich alsbald
Des raschen Boten jugendliche Kraft,
Daß er mir Kunde von der Tochter gebe,
Und stündlich harr' ich dessen Wiederkehr.
Diego.
Trügt mich mein Auge nicht, Gebieterin,
So ist's derselbe, der dort eilend naht,
Und Lob fürwahr verdient der Emsige!

Zweiter Auftritt.

Bote. Die Vorigen.
Isabella.
Sag' an und weder Schlimmes hehle mir
Noch Gutes, sondern schöpfe rein die Wahrheit!
Was gab der Greis des Bergs dir zum Bescheide?
Bote.
Ich soll mich schnell zurückbegeben, war
Die Antwort, die Verlorne sei gefunden.
Isabella.
Glücksel'ger Mund, erfreulich Himmelswort,
Stets hast du das Erwünschte mir verkündet!
Und welchem meiner Söhne war's verliehn,
Die Spur zu finden der Verlornen?
Bote.
Die Tiefverborgne fand dein ältster Sohn.
Isabella.
Don Manuel ist es, dem ich sie verdanke!
Ach, stets war dieser mir ein Kind des Segens!
--Hast du dem Greis auch die geweihte Kerze
Gebracht, die zum Geschenk ich ihm gesendet,
Sie anzuzünden seinem Heiligen?
Denn, was von Gaben sonst der Menschen Herzen
Erfreut, verschmäht der fromme Gottesdiener.
Bote.
Die Kerze nahm er schweigend von mir an,
Und zum Altar hintretend, wo die Lampe
Dem Heil'gen brannte, zündet' er sie flugs
Dort an, und schnell in Brand steckt' er die Hütte,
Worin er Gott verehrt seit neunzig Jahren.
Isabella.
Was sagst du? Welches Schreckniß nennst du mir?
Bote.
Und dreimal Wehe! Wehe! rufend, stieg er
Herab vom Berg; mir aber winkt' er schweigend,
Ihm nicht zu folgen, noch zurückzuschauen.
Und so, gejagt von Grausen, eilt' ich her!
Isabella.
In neuer Zweifel wogende Bewegung
Und ängstlich schwankende Verworrenheit
Stürzt mich das Widersprechende zurück.
Gefunden sei mir die verlorne Tochter
Von meinem ältsten Sohn, Don Manuel?
Die gute Rede kann mir nicht gedeihen,
Begleitet von der unglücksel'gen That.
Bote.
Blick' hinter dich, Gebieterin! Du siehst
Des Klausners Wort erfüllt vor deinen Augen;
Denn Alles müßt' mich trügen, oder dies
Ist die verlorne Tochter, die du suchst,
Von deiner Söhne Ritterschaar begleitet.
(Beatrice wird von dem zweiten Halbchor auf einem Tragsessel
gebracht und auf der vordern Bühne niedergesetzt. Sie ist noch
ohne Leben und Bewegung.)

Dritter Auftritt.

Isabella. Diego. Bote. Beatrice. Chor. (Bohemund, Roger, Hippolyt
und die neun andern Ritter Don Cesars.)
Chor. (Bohemund.)
Des Herrn Geheiß erfüllend, setzen wir
Die Jungfrau hier zu deinen Füßen nieder,
Gebieterin--Also befahl er uns
Zu thun und dir zu melden dieses Wort:
Es sei dein Sohn Don Cesar, der sie sendet.
Isabella (ist mit ausgebreiteten Armen auf sie zugeeilt und tritt
mit Schrecken zurück.)
O Himmel! Sie ist bleich und ohne Leben!
Chor. (Bohemund.)
Sie lebt! Sie wird erwachen! Gönn' ihr Zeit,
Von dem Erstaunlichen sich zu erholen,
Das ihre Geister noch gebunden hält.
Isabella.
Mein Kind! Kind meiner Schmerzen, meiner Sorgen!
So sehen wir uns wieder! So mußt du
Den Einzug halten in des Vaters Haus!
O, laß an meinem Leben mich das deinige
Anzünden! An die mütterliche Brust
Will ich dich pressen, bis, vom Todesfrost
Gelöst, die warmen Adern wieder schlagen! (Zum Chor.)
O, sprich! Welch Schreckliches ist hier geschehn?
Wo fandst du sie? Wie kam das theure Kind
In diesen kläglich jammervollen Zustand?
Chor. (Bohemund.)
Erfahr' es nicht von mir, mein Mund ist stumm.
Dein Sohn Don Cesar wird dir Alles deutlich
Verkündigen, denn er ist's, der sie sendet.
Isabella.
Mein Sohn Don Manuel, so willst du sagen?
Chor. (Bohemund.)
Dein Sohn Don Cesar sendet sie dir zu.
Isabella (zu dem Boten).
War's nicht Don Manuel, den der Seher nannte?
Bote.
So ist es, Herrin, das war seine Rede.
Isabella.
Welcher es sei, er hat mein Herz erfreut;
Die Tochter dank' ich ihm, er sei gesegnet!
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