Deutsche Humoristen, 2. Band (von 8) - 2

Total number of words is 4510
Total number of unique words is 1558
37.6 of words are in the 2000 most common words
50.7 of words are in the 5000 most common words
57.4 of words are in the 8000 most common words
Each bar represents the percentage of words per 1000 most common words.
wohl schmecken. Der Vizegespann sprach von der Jagdzeit, die am St.
Egiditage, da der Hirsch in die Brunst gehe, begonnen habe, und daß er
morgen früh nach einem Vierzehnender ausgehen wolle, der ihm großen
Schaden in seinem Weinberge getan, zugleich lud er Herrn Wehmüller
ein, mitzugehen, wobei er ihm auf den Fuß trat. Wehmüller verstand,
daß dies ein Wink sei, wie er ihm über den Cordon helfen wolle, und
wenn ihm gleich nicht so zu Mute war, gern von Hirschgeweihen zu
hören, nahm er doch das Anerbieten mit Dank an, nur bat er sich die
Erlaubnis aus, nach der Rückkehr das Bild des Herrn Vizegespanns in
seinem Hause fertig malen zu dürfen. Der kroatische Edelmann und der
Feuerwerker sprachen nun noch mancherlei von der Jagd, und wie der Wein
so vortrefflich stehe, darum sei das Volk auch so lustig; wenn der
unbequeme Pest-Cordon nur erst aufgelöst sei, aller Verkehr sei durch
ihn gestört, und der Cordon sei eigentlich ärger als die Pest selbst.
»Es wird bald aus sein mit dem Cordon,« sagte der Kroate, »die Kälte
ist der beste Doktor, und ich habe heute an den Eicheln gesehen, daß es
einen strengen Winter geben wird; denn die Eicheln kamen heuer früh und
viel, und es heißt von den Eicheln im September:
>Haben sie Spinnen, so kömmt ein bös Jahr,
Haben sie Fliegen, kömmt Mittelzeit zwar,
Haben sie Maden, so wird das Jahr gut,
Ist nichts darin, so hält der Tod die Hut.
Sind die Eicheln früh und sehr viel,
So schau, was der Winter anrichten will:
Mit vielem Schnee kömmt er vor Weihnachten,
Darnach magst du große Kälte betrachten.
Sind die Eicheln schön innerlich,
Folgt ein schöner Sommer, glaub' sicherlich;
Auch wird dieselbe Zeit wachsen schön Korn,
Also ist Müh' und Arbeit nicht verlor'n.
Werden sie innerlich naß befunden,
Tut's uns einen nassen Sommer bekunden;
Sind sie mager, wird der Sommer heiß,
Das sei dir gesagt mit allem Fleiß.<
Diesen September waren sie aber so früh und häufig, daß es gewiß bald
kalt, und der Frost die Pest schon vertilgen wird.« »Ganz recht,« sagte
der Vizegespann, »wir werden einen frühen Winter und einen schönen
Herbst haben; denn tritt der Hirsch an einem schönen Egiditag in
Brunst, so tritt er auch an einem schönen Tage heraus, und wenn er
früh eintritt, wie dieses Jahr, so naht der Winter auch früh.« Über
diesen Wetterbetrachtungen kamen sie auf kalte Winter zu sprechen, und
der Kroate erzählte folgende Geschichte, die ihm vor einigen Jahren im
kalten Winter in der Christnacht geschehen sein sollte, und er beschwor
sie hoch und teuer. Aber eben, als er beginnen wollte, schallte ein
großer Spektakel von der Linde her. Lindpeindler und die Kammerjungfer
stürzten mit dem Geschrei in die Stube: auf dem Tanzplatze sei wieder
ein Wehmüller erschienen. »Ach,« schrie die Kammerjungfer, »er hat mich
wie ein Gespenst angepackt und ist mit mir so entsetzlich unter der
Linde herumgetanzt, daß mir die Haube in den Zweigen blieb.« Auf diese
Aussage sprangen alle vom Tisch auf und wollten hinausstürzen. Der
Vizegespann aber gebot dem Maler sitzen zu bleiben, bis man wisse, ob
er oder der andere es sei.
Da näherte sich das Spektakel, und bald trat der Zigeuner lustig
fiedelnd, von den krähenden Bauern begleitet, mit dem neuen Wehmüller
vor die Schenke. Da klärte sich denn bald der Scherz auf. Devillier
hatte den grauen Reisekittel und den Hut Wehmüllers im hinausgehen
aufgesetzt und ein altes blechernes Ofenrohr, das in einem Winkel lag,
umgehängt, die furchtsame Kammerjungfer zu erschrecken. Nanny ward
sehr ausgelacht, und der Vizegespann befahl nun den Leuten, zu Bette
zu gehen. Da aber einige noch tanzen wollten und grob wurden, rief er
nach seinen Heiducken, setzte selbst eine Bank vor die Türe, legte
eigenhändig einen frechen Burschen über und ließ ihm fünf aufzählen,
auf welche kleine Erfrischung die ganze Ballgesellschaft mit einem
lauten: »+Vivat noster Dominus Vicegespannus!+« jubelnd nach Hause
zog. Nun ordnete sich die übrige Gesellschaft in der engen Stube, wie
es gehen wollte, um Tisch und Herd, auf Kübeln und Tonnen und den zur
Nachtstreue von der Wirtin angeschleppten Strohbündeln. Devillier ließ
einige Krüge Wein bringen, und der erschrockenen Kammerjungfer wurde
auf den Schreck wacker zugetrunken. Man bat dann den Kroaten, seine
versprochene Geschichte zu erzählen, welcher, während Wehmüller in
schweren Gedanken an sein Tonerl Köpfe malte, also begann:

Das Pickenick des Katers Mores.
Erzählung des kroatischen Edelmannes.
»Mein Freihof liegt einsam, eine halbe Stunde von der türkischen
Grenze, in einem sumpfigten Walde, wo alles im herrlichsten und
fatalsten Überfluß ist, zum Beispiel: die Nachtigallen, die einen immer
vor Tag aus dem Schlafe wecken, und im letzten Sommer pfiffen die
Bestien so unverschämt nah und in solcher Menge vor meinem Fenster,
daß ich einmal im größten Zorne den Nachttopf nach ihnen warf. Aber
ich kriegte bald einen Hausgenossen, der ihnen auf den Dienst paßte
und mich von dem Ungeziefer befreite. Heut' sind es drei Jahre, als
ich morgens auf meinen Finkenherd ging mit einem Pallasch, einer guten
Doppelbüchse und einem Paar doppelten Pistolen versehen, denn ich hatte
einen türkischen Wildpretdieb und Händler auf dem Korne, der mir seit
einiger Zeit großen Wildschaden angetan und mir, da ich ihn gewarnt
hatte, trotzig hatte sagen lassen: er störe sich nicht an mir, und
wolle unter meinen Augen in meinem Walde jagen.
Als ich nach dem Finkenherde kam, fand ich alle meine ausgestellten
Dohnen und Schlingen ausgeleert, und merkte, daß der Spitzbube mußte
dagewesen sein. Erbittert stellte ich meinen Fang wieder auf. Da strich
ein großer schwarzer Kater aus dem Gesträuche murrend zu mir her,
und machte sich so zutunlich, daß ich seinen Pelz mit Wohlgefallen
ansah, und ihn liebkosete mit der Hoffnung, ihn an mich zu gewöhnen
und mir etwa aus seinen Winterhaaren eine Mütze zu machen. Ich habe
immer so eine lebendige Wintergarderobe im Sommer in meinem Revier,
ich brauche darum kein Geld zum Kürschner zu tragen, es kommen
mir auch keine Motten in mein Pelzwerk. Vier Paar tüchtige lederne
Hosen laufen immer als lebendige Böcke auf meinem Hofe, und mitten
unter ihnen ein herrlicher Dudelsack, der sich jetzt als lebendiger
Bock schon so musikalisch zeigt, daß die zu einzelnen Hosenbeinen
bestimmten Kandidaten, sobald er mäckernd unter sie tritt, zu tanzen
und gegeneinander zu stutzen anfangen, als fühlten sie jetzt schon ihre
Bestimmung: einst mit meinen Beinen nach diesem Dudelsack ungarisch zu
tanzen. So habe ich auch einen neuen Reisekoffer als Wildsau in meinem
Forste herumlaufen. Ein prächtiger Wolfspelz hat mir im letzten Winter
in der Gestalt von sechs tüchtigen Wölfen schon auf den Leib gewollt;
die Bestien hatten mir ein tüchtiges Loch in die Kammertüre genagt, da
fuhr ich einem nach dem andern durch ein Loch über der Türe mit einem
Pinsel voll Ölfarbe über den Rücken, und erwarte sie nächstens wieder,
um ihnen das Fell über die Ohren zu ziehen. Aus solchen Gesichtspunkten
sah ich auch den schwarzen Kater an, und gab ihm, teils weil er schwarz
wie ein Mohr war, teils, weil er gar vortreffliche Mores oder Sitten
hatte, den Namen Mores. Der Kater folgte mir nach Hause und wußte sich
so vortrefflich durch Mäusefangen und Verträglichkeit mit meinen Hunden
auszuzeichnen, daß ich den Gedanken, ihn aus seinem Pelze zu treiben,
bald aufgegeben hatte. Mores war mein steter Begleiter, und nachts
schlief er auf einem ledernen Stuhle neben meinem Bette. Merkwürdig war
es mir besonders an dem Tiere, daß es, als ich ihm scherzhaft einigemal
bei Tag Wein aus meinem Glase zu trinken anbot, sich gewaltig dagegen
sträubte, und ich es doch einst im Keller erwischte, wie es den Schwanz
ins Spundloch hängte und dann mit dem größten Appetit ableckte. Auch
zeichnete sich Mores vor allen Katzen durch seine Neigung, sich zu
waschen, aus, da doch sonst sein Geschlecht eine Feindschaft gegen das
Wasser hat. Alle diese Absonderlichkeiten hatten den Mores in meiner
Nachbarschaft sehr berühmt gemacht, und ich ließ ihn ruhig bei mir aus
und ein gehen, er jagte auf seine eigene Hand, und kostete mich nichts
als Kaffee, den er über die Maßen gern soff.
So hatte ich meinen Gesellen bis gegen Weihnachten immer als
Schlafkameraden gehabt, als ich ihn die zwei letzten Tage und Nächte
vor dem Christtage ausbleiben sah. Ich war schon an den Gedanken
gewöhnt, daß ihn irgend ein Wildschütze, vielleicht gar mein türkischer
Grenznachbar, möge weggeschossen oder gefangen haben, und sendete
deswegen einen Knecht hinüber zu dem Wildhändler, um etwas von dem
Mores auszukundschaften. Aber der Knecht kam mit der Nachricht zurück,
daß der Wildhändler von meinem Kater nichts wisse, daß er eben von
einer Reise von Stambul zurückgekommen sei, und seiner Frau eine
Menge schöner Katzen mitgebracht habe; übrigens sei es ihm lieb, daß
er von meinem trefflichen Kater gehört, und wolle er auf alle Weise
suchen, ihn in seine Gewalt zu bringen, da ihm ein tüchtiger Bassa
für sein Serail fehle. Diese Nachricht erhielt ich mit Verdruß am
Weihnachtsabend, und sehnte mich um so mehr nach meinem Mores, weil
ich ihn dem türkischen Schelm nicht gönnte. Ich legte mich an diesem
Abend früh zu Bette, weil ich in der Mitternacht eine Stunde Weges nach
der Kirche in die Metten gehen wollte. Mein Knecht weckte mich zur
gehörigen Zeit. Ich legte meine Waffen an und hängte meine Doppelbüchse
mit dem gröbsten Schrote geladen um. So machte ich mich auf den Weg,
in der kältesten Winternacht, die ich je erlebt; ich war eingehüllt
wie ein Pelznickel, die brennende Tabakspfeife fror mir einigemal ein,
der Pelz um meinen Hals starrte von meinem gefrornen Hauch wie ein
Stachelschwein, der feste Schnee knarrte unter meinen Stiefeln, die
Wölfe heulten rings um meinen Hof, und ich befahl meinen Knechten: Jagd
auf sie zu machen.
So war ich bei sternheller Nacht auf das freie Feld hinausgekommen
und sah schon in der Ferne eine Eiche, die auf einer kleinen Insel
mitten in einem zugefrornen Teiche stand und etwa die Hälfte des Weges
bezeichnete, den ich zum Kirchdorfe hatte. Da hörte ich eine wunderbare
Musik, und glaubte anfangs, es sei etwa ein Zug Bauern, der mit einem
Dudelsack sich den Weg zur Kirche verkürzte, und so schritt ich derber
zu, um mich an diese Leute anzuschließen. Aber je näher ich kam, je
toller war die kuriose Musik; sie löste sich in ein Gewimmer auf, und
schon dem Baume nah hörte ich, daß die Musik von demselben herunter
schallte. Ich nahm mein Gewehr in die Hand, spannte den Hahn und
schlich über den festen Teich auf die Eiche los: was sah ich, was hörte
ich? Das Haar stand mir zu Berge; der ganze Baum saß voll schrecklich
heulender Katzen, und in der Krone thronte mein Herr Mores mit krummem
Buckel und blies ganz erbärmlich auf einem Dudelsack, wozu die Katzen
unter gewaltigem Geschrei um ihn her durch die Zweige tanzten. Ich
war anfangs vor Entsetzen wie versteinert, bald aber zwickte mich
der Klang des Dudelsackes so sonderbar in den Beinen, daß ich selbst
anfing zu tanzen und beinahe in eine von Fischern gehauene Eisöffnung
fiel. Da tönte aber die Mettenglocke durch die helle Nacht; ich kam
zu Sinnen und schoß die volle Schrotladung meiner Doppelbüchse in den
vermaledeiten Tanzchor hinein, und in demselben Augenblicke fegte die
ganze Tanzgesellschaft wie ein Hagelwetter von der Eiche herunter und
wie ein Bienenschwarm über mich weg, so daß ich auf dem Eis ausglitt
und platt niederstürzte. Als ich mich aufraffte, war das Feld leer, und
ich wunderte mich, daß ich auch keine einzige von den Katzen getroffen
unter dem Baume fand. Der ganze Handel hatte mich so erschreckt und
so wunderlich gemacht, daß ich es aufgab, nach der Kirche zu gehen;
ich eilte nach meinem Hofe zurück und schoß meine Pistolen mehreremal
ab, um meine Knechte herbeizurufen. Sie nahten mir bald auf dieses
verabredete Zeichen; ich erzählte ihnen mein Abenteuer, und der eine,
ein alter erfahrener Kerl, sagte: »Sein Ihr Gnaden nur ruhig, wir
werden die Katzen bald finden, die Ihr Gnaden geschossen haben.« Ich
machte mir allerlei Gedanken, und legte mich zu Hause, nachdem ich auf
den Schreck einen warmen Wein getrunken hatte, zu Bett.
Als ich gegen Morgen ein Geräusch vernahm, erwachte ich aus dem
unruhigen Schlaf, und siehe da: mein vermaledeiter Mores lag -- mit
versengtem Pelz -- wie gewöhnlich, neben mir auf dem Lederstuhl. Es
lief mir ein grimmiger Zorn durch alle Glieder. Passaveanelkiteremtete!
schrie ich, vermaledeite Zaubercanaille! bist du wieder da? und
griff nach einer neuen Mistgabel, die neben meinem Bette stand.
Aber die Bestie stürzte mir an die Kehle und würgte mich; ich schrie
Zetermordio. Meine Knechte eilten herbei mit gezogenen Säbeln, und
fegten nicht schlecht über meinen Mores her, der an allen Wänden
hinauf fuhr, endlich das Fenster zerstieß und dem Walde zustürzte,
wo es vergebens war, das Untier zu verfolgen; doch waren wir gewiß,
daß Herr Mores seinen Teil Säbelhiebe weg habe, um nie wieder auf dem
Dudelsacke zu blasen. Ich war schändlich zerkratzt, und der Hals und
das Gesicht schwoll mir gräßlich an. Ich ließ nach einer slavonischen
Viehmagd rufen, die bei mir diente, um mir einen Umschlag von ihr
kochen zu lassen, aber sie war nirgends zu finden, und ich mußte nach
dem Kirchdorfe fahren, wo ein Feldscher wohnte.
Als wir an die Eiche kamen, wo das nächtliche Konzert gewesen war,
sahen wir einen Menschen darauf sitzen, der uns erbärmlich um Hilfe
anflehte. Ich erkannte bald Mladka, die slavonische Magd; sie hing
halb erfroren mit den Röcken in den Baumästen verwickelt, und das Blut
rann von ihr nieder in den Schnee; auch sahen wir blutige Spuren von
da her, wo mich die Katzen über den Haufen geworfen, nach dem Walde
zu. Ich wußte nun, wie es mit der Slavonierin beschaffen war, ließ sie
schwebend, daß sie die Erde nicht berührte, auf den Wurstwagen tragen
und festbinden, und fuhr eilend mit der Hexe nach dem Dorf. Als ich
bei dem Chirurg ankam, wurde gleich der Vizegespann und der Pfarrer des
Ortes gerufen, alles zu Protokoll genommen, und die Magd Mladka ward
ins Gefängnis geworfen. Sie ist zu ihrem Glück an dem Schuß, den sie
im Leibe hatte, gestorben, sonst wäre sie gewiß auf den Scheiterhaufen
gekommen. Sie war ein wunderschönes Weibsbild, und ihr Skelett ist nach
Pest ins Naturalienkabinett als ein Muster schönen Wachstumes gekommen;
sie hat sich auch herzlich bekehrt und ist unter vielen Tränen
gestorben. Auf ihre Aussagen sollten verschiedene andere Weibspersonen
in der Gegend gefangen genommen werden, aber man fand zwei tot in ihren
Betten, die andern waren entflohen. -- Als ich wieder hergestellt
war, mußte ich mit einer Kreis-Kommission über die türkische Grenze
reisen. Wir meldeten uns bei der Obrigkeit mit unserer Anzeige gegen
den Wildhändler, aber da kamen wir schier in eine noch schlimmere
Suppe, es wurde uns erklärt: daß der Wildhändler nebst seiner Frau und
mehreren türkischen, serbischen und slavonischen Mägden und Sklavinnen
von Schrotschüssen und Säbelhieben verwundet zu Haus angekommen, und
daß der Wildhändler gestorben sei mit der Angabe: er sei, von einer
Hochzeit kommend, auf der Grenze von mir überfallen und so zugerichtet
worden. Während dies angezeigt wurde, versammelte sich eine Menge
Volks, und die Frau des Wildhändlers mit mehreren Weibern und Mägden,
verbunden und bepflastert, erhoben ein mörderliches Geschrei gegen uns.
Der Richter sagte: er könne uns nicht schützen, wir möchten sehen, daß
wir fortkämen. Da eilten wir nach dem Hofe, sprangen zu Pferde, nahmen
den Kreis-Kommissar in die Mitte, ich setzte mich an die Spitze der
sechs Szekler Husaren, die uns begleitet hatten, und so sprengten wir,
Säbel und Pistole in der Hand, früh genug zum Orte hinaus, um nicht
mehr zu erleiden als einige Steinwürfe und blinde Schüsse, eine Menge
türkischer Flüche mit eingerechnet. Die Türken verfolgten uns bis über
die Grenze, wurden aber von den Szeklern, die sich im Walde setzten,
so zugerichtet, daß wenigstens ein paar von ihnen dem Wildhändler in
Mohammeds Paradies Nachricht von dem Erfolge werden gegeben haben. Als
ich nach Hause kam, war das erste, daß ich meinen Dudelsack visitierte,
den ich auch mit drei Schroten durchlöchert hinter meinem Bette liegen
fand. Mores hatte also auf meinem eigenen Dudelsack geblasen, und war
von ihm gegen meinen Schuß gedeckt worden.
Ich hatte mit der unseligen Geschichte noch viele Schererei. Ich wurde
weitläufig zu Protokoll vernommen; es kam eine Kommission nach der
andern auf meinen Hof und ließ sich tüchtig aufwarten; die Türken
klagten wegen Grenzverletzung, und ich mußte es mir am Ende noch
mehrere Stücke Wild und ein ziemliches Geld kosten lassen, daß die
Gerichtsplackerei endlich einschlief, nachdem ich und meine Knechte
vereidigt worden waren. Trotzdem wurde ich mehrmals vom Kreis-Physikus
untersucht: ob ich auch völlig bei Verstand sei, und dieser kam nicht
eher zur völligen Gewißheit darüber, bis ich ihm ein paar doppelte
Pistolen und seiner Frau eine Verbrämung von schwarzem Fuchspelz und
mehrere tüchtige Wildbraten zugeschickt hatte. So wurde die Sache
endlich still, um aber in etwas auf meine Kosten zu kommen, legte ich
eine Schenke unter der Eiche auf der Insel in dem Teich an, wo seither
die Bauern und Grenznachbarn aus der Gegend sich Sonntags im Sommer
viel einstellen und den ledernen Stuhl, worauf Mores geschlafen, und an
den ich ein Stück seines Schweifes, das ihm die Knechte in der Nacht
abgehauen, genagelt habe, besehen. Den Dudelsack habe ich flicken
lassen, und mein Knecht, der den Wirt dort macht, pflegt oben in der
Eiche, wo Mores gesessen, darauf den Gästen, die um den Baum tanzen,
vorzuspielen. Ich habe schon ein schönes Geld da eingenommen, und wenn
mich die Herrschaften einmal dort besuchen wollen, so sollen sie gewiß
gut bedient werden.« --
Diese Erzählung, welche der Kroat mit dem ganzen Ausdrucke der
Wahrheit vorgebracht hatte, wirkte auf die verschiedenste Weise in
der Gesellschaft. Der Vizegespann, der Tiroler und die Wirtin hatten
keinen Zweifel, und der Savoyarde zeigte seine Freude, daß man noch
kein Beispiel gehabt habe, ein Murmeltier sei eine Hexe gewesen.
Lindpeindler äußerte: es möge an der Geschichte wahr sein, was da
wolle, so habe sie doch eine höhere poetische Wahrheit. Sie sei in
jedem Falle wahr, insofern sie den Charakter der Einsamkeit, Wildnis
und der türkischen Barbarei ausdrücke; sie sei durchaus für den Ort,
auf welchem sie spiele, scharf bezeichnend und mythisch, und darum
dort wahrer als irgend eine Lafontainesche Familiengeschichte. Aber
es verstand keiner der Anwesenden, was Lindpeindler sagen wollte, und
Devillier leugnete ihm gerade ins Gesicht, daß Lafontaine irgend eine
seiner Fabeln jemals für eine wahre Familiengeschichte ausgegeben habe.
Lindpeindler schwieg und wurde verkannt.
Nun aber wendete sich der Franzose zu der Kammerjungfer welche sich
mit stillem Schauer in einen Winkel gedrückt hatte, sprechend: »Und
Sie, schöne Nanny, sind ja so stille, als fühlten Sie sich bei der
Geschichte getroffen.« »Wie so, getroffen?« fragte Nanny. »Nun,
ich meine,« erwiderte Devillier lächelnd, »von einem Schrote des
kroatischen Herrn. Sollte das artigste Kammerkätzchen der Gegend nicht
zu dem Thee dansant eingeladen gewesen sein? -- Das wäre ein Fehler
des Herrn Mores gegen die Galanterie, wegen dessen er die Rache seines
Herrn allein schon verdient hätte.« Alle lachten, Nanny aber gab dem
Franzosen eine ziemliche Ohrfeige und erwiderte: »Sie sind der Mann
dazu, einen in den Ruf zu bringen, daß man geschossen sei, denn Sie
haben selbst einen Schuß!« Und dabei zeigte sie ihm von neuem die fünf
Finger. Worauf Devillier sagte: »Erhebt das nicht den Verdacht, sind
das nicht Katzenmanieren -- Sie waren gewiß dabei; Frau Tschermack, die
Wirtin, wird es uns sagen können, denn die hat gewiß nicht gefehlt. Ich
glaube, daß sie die Blessur in der Hüfte eher bei solcher Gelegenheit
als bei den Wurmserschen Husaren erhalten.« Alles lachte von neuem und
der Zigeuner sagte: »Ich will sie fragen.« Der Kroate fand sich über
die Ungläubigkeit Devilliers gekränkt und fing an, seine Geschichte
nochmals zu beteuern, indem er seine pferdehaarne, steife Halsbinde
ablöste, um die Narben von den Klauen des Mores zu zeigen. Nanny
drückte die Augen zu, und indessen brachte der Zigeuner die Nachricht:
Frau Tschermack meine, Mores müsse es selbst am besten wissen. Er
setzte mit diesen Worten die große, schwarze Katze der Wirtin, welche
er vor der Türe gefangen hatte, der Kammerjungfer in den Schoß, welche
mit einem heftigen Schrei des Entsetzens auffuhr. »Eingestanden!«
rief Devillier. Aber der Spaß war dumm, denn Nanny kam einer Ohnmacht
nah. Die Katze sprang auf den Tisch, warf das Licht um, und fuhr dem
armen Wehmüller über seine nassen Farben; der Vizegespann riß das
Fenster auf und entließ die Katze, aber alles war rebellisch geworden;
die Büffelkühe im Hintergrunde der Stube rissen an den Ketten, und
jeder drängte nach der Türe. Wehmüller und Lindpeindler sprangen
auf den Tisch und stießen mit dem Tiroler zusammen, der es auch in
demselben Augenblicke tat, und mit seinen nägelbeschlagenen Schuhen
mehr Knopflöcher in das Portrait des Vizegespanns trat, als Knöpfe
darauf waren. Devillier trug Nanny hinaus. Der Kroate schrie immer:
»Da haben wir es, das kommt vom Unglauben!« Frau Tschermack aber,
welche mit einem vollen Weinkrug in die Verstörung trat, fluchte stark
und beruhigte die Kühe. Der Zigeuner griff wie ein zweiter Orpheus
nach seiner Violine, und als Monsieur Devillier mit Nanny, die er am
Brunnen erfrischt hatte, wieder hereintrat, kniete der kecke Bursche
vor ihr nieder und sang und spielte eine so rührende Weise auf seinem
Instrumente, daß niemand widerstehen konnte und bald alles stille ward.
Es war dies ein altes zigeunerisches Schlachtlied, wobei der Zigeuner
endlich in Tränen zerfloß, und Nanny konnte ihm nicht widerstehen, sie
weinte auch und reichte ihm die Hand. Lindpeindler aber sprang auf den
Sänger zu, und umarmte ihn mit den Worten: »O, das ist groß, das ist
ursprünglich! Bester Michaly, wollen Sie mir Ihr Lied wohl in die Feder
diktieren?« »Nimmermehr!« sagte der Zigeuner, »so was diktiert sich
nicht. Ich wüßte es auch jetzt nicht mehr und wenn Sie mir den Hals
abschnitten; wenn ich einmal wieder eine schöne Jungfer betrübt habe,
wird es mir auch wieder einfallen.« Da lachte die ganze Gesellschaft,
und Michaly begann so tolle Melodien aus seiner Geige herauszulocken,
daß die Fröhlichkeit bald wieder hergestellt wurde, und Devillier den
Kroaten fragte: ob Mores nicht diesen Tanz aufgespielt hätte? Herr
Lindpeindler notierte sich wenigstens den Inhalt des extemporierten
Liedes; es war die Wehklage über den Tod von tausend Zigeunern. Im
Jahr 1537 wurde in den Zapolischen Unruhen das Kastell Nagy-Ida in
der Abanywarer Gespannschaft mit Belagerung von kaiserlichen Truppen
bedroht. Franz von Perecey, der das Kastell verteidigte, stutzte aus
Truppenmangel tausend Zigeuner in der Eile zu Soldaten, und legte sie,
unter reichen Versprechungen von Geld und Freiheiten auf Kindeskinder,
wenn sie sich wacker hielten, gegen den ersten Anlauf in die äußeren
Schanzen. Auf diese vertrauend hielten sich diese Helden auch ganz
vortrefflich; sie empfingen die Belagerer mit einem heftigen Feuer, so
daß sie umwendeten. Aber nun krochen die Helden übermütig aus ihren
Löchern und schrieen den Fliehenden nach: »Geht zum Henker, ihr Lumpen!
Hätten wir nur Pulver und Blei, so wollten wir euch anders zwiebeln!«
-- Da sahen sich die Abziehenden um, und als sie statt regulierter
Truppen einen frechen Zigeunerschwarm auf den Wällen merkten, ergriff
sie der Zorn; sie drangen in die Schanze und säbelten die armen Helden
bis auf den letzten Mann nieder. Diese Niederlage, eine der traurigsten
Erinnerungen der Zigeuner in jener Gegend, hatte Michaly in der Klage
einer Mutter um ihren Sohn, und einer Braut um ihren gefallenen
Geliebten besungen. --
Devillier sagte nun zu dem Kroaten: »Damit Sie nicht länger meinen
Glauben an den Hexenmeister Mores in Katzengestalt bezweifeln, will ich
Ihnen eine Geschichte erzählen, bei welcher ich selbst geholfen habe,
ein paar Hundert solcher Zauberer zu töten.« »Ein paar Hundert!« riefen
mehrere in der Gesellschaft. »Ja!« erwiderte Devillier, »und das will
ich eben so getrost beschwören, als unser Freund den musizierenden
Katzen-Kongreß.«

Devilliers Erzählung von den Hexen auf dem Austerfelsen.
»Vor mehreren Jahren, da ich als Leutnant zu Dünkirchen in Garnison
lag, genoß ich der vertrauten Freundschaft meines Majors, eines alten
Gasconiers. Er war ein großer Liebhaber von Austern, und zu seiner
Majorschaft gehörte der Genuß von einem großen Austerfelsen, der hinter
einem Lustwäldchen einen halben Büchsenschuß weit vom Ufer in der See
lag, so daß man ihn bei der Ebbe trocknen Fußes erreichen konnte, um
die frischen Austern vom Felsen zu schlagen. Da der Major eine Zeit
her bemerkt hatte, daß in den meisten zu Tage liegenden Austern nichts
drinnen war, konnte er sich gar nicht denken, wer ihm die Austern aus
den Schalen hinwegstehle, und er bat mich, ihn in einer Nacht mit
Schießgewehr bewaffnet nach dem Austerfelsen zu begleiten, um den
Dieb zu belauern. Wir hatten kaum das kleine Gehölz betreten, als uns
ein schreckliches Katzengeheul nach der See hinrief, und wie groß war
unser Erstaunen, als wir den Felsen mit einer Unzahl von Katzen besetzt
fanden, die, ohne sich von der Stelle zu bewegen, das durchdringendste
Jammergeschrei ausstießen. Ich wollte unter sie schießen, aber mein
Freund warnte mich, indem es gewiß eine Gesellschaft von Zauberern und
Hexen sei, und ich durch den Schuß ihre Rache auf uns ziehen könnte.
Ich lachte und lief mit gezogenem Säbel nach dem Felsen hin; aber
wie ward mir zu Mute, da ich unter die Bestien hieb, und sich doch
keine einzige von der Stelle bewegte. Ich warf meinen Mantel über
eine, um sie ungekratzt von der Erde aufheben zu können, aber es war
unmöglich, sie von der Stelle zu bringen, sie war wie angewurzelt. Da
lief es mir eiskalt über den Rücken, und ich eilte, zu meinem Freunde
zurück zu kommen, der mich wegen meiner tollkühnen Expedition tüchtig
ausschmälte. Wir standen noch, bis die Flut eintrat, um zu sehen,
wie sich die Hexenmeister betragen würden, wenn das Wasser über sie
herströmte. Aber da ging es uns wie unserm kroatischen Freund, als die
Kirchglocke das Katzen-Pickenick auf der Eiche unterbrach. Kaum rollte
die erste Welle über den Felsen, als die ganze Hexengesellschaft mit
solchem Ungestüm gegen das Ufer und auf uns losstürzte, daß wir in der
größten Eile Reißaus nahmen.
Am andern Morgen begab sich der alte Major zum Gouverneur der Festung,
und zeigte ihm an: wie die ganze Festung voll Hexen und Zauberern
sei, deren Versammlung er auf seinem Austerfelsen entdeckt habe. Der
Gouverneur lachte ihn anfangs aus und begann, als er ernsthaft Truppen
begehrte, diese Zauberer in der nächsten Nacht niederschießen zu
lassen, an seinem Verstande zu zweifeln. Der Major stellte mich als
Zeugen auf, und ich bestätigte, was ich gesehen, und die wunderbare
Erscheinung von Unbeweglichkeit der Katzen. Dem Gouverneur war die
Sache unbegreiflich, und er versprach, in der nächsten Nacht selbst
zu untersuchen. Er ließ allen Wachen andeuten, ehe er in der Nacht mit
uns und 100 Mann Voltigeurs ausmarschierte, keine Rücksicht darauf
zu nehmen, wenn sie schießen hörten. Als wir dem Gehölze nahten,
tönte dasselbe Katzengeschrei, und wir hatten vom Ufer dasselbe
eigentümlich-schauerliche Schauspiel: den lebendigen, heulenden Felsen
im Mondschein über der weiten unbegrenzten Meeresfläche. Der Gouverneur
stutzte, er wollte hin, aber der Major hielt ihn mit ängstlicher Sorge
zurück. Nun ließ der Gouverneur die hundert Mann von der Landseite den
Felsen umgeben und zwei volle Ladungen unter die Hexenmeister geben,
aber es wich keiner von der Stelle, wenngleich eine Menge Stimmen
unter ihnen zu schweigen begannen. Hierüber verwundert, ließ sich
der Gouverneur nicht länger halten, er ging nach dem Felsen, und wir
folgten ihm; er versuchte, eine der Katzen wegzunehmen, aber sie waren
alle wie angewachsen. Da entdeckte ich, daß sie alle mit einer oder
You have read 1 text from German literature.
Next - Deutsche Humoristen, 2. Band (von 8) - 3
  • Parts
  • Deutsche Humoristen, 2. Band (von 8) - 1
    Total number of words is 4164
    Total number of unique words is 1480
    38.5 of words are in the 2000 most common words
    51.9 of words are in the 5000 most common words
    56.8 of words are in the 8000 most common words
    Each bar represents the percentage of words per 1000 most common words.
  • Deutsche Humoristen, 2. Band (von 8) - 2
    Total number of words is 4510
    Total number of unique words is 1558
    37.6 of words are in the 2000 most common words
    50.7 of words are in the 5000 most common words
    57.4 of words are in the 8000 most common words
    Each bar represents the percentage of words per 1000 most common words.
  • Deutsche Humoristen, 2. Band (von 8) - 3
    Total number of words is 4531
    Total number of unique words is 1589
    37.0 of words are in the 2000 most common words
    49.8 of words are in the 5000 most common words
    55.5 of words are in the 8000 most common words
    Each bar represents the percentage of words per 1000 most common words.
  • Deutsche Humoristen, 2. Band (von 8) - 4
    Total number of words is 4486
    Total number of unique words is 1490
    40.5 of words are in the 2000 most common words
    53.2 of words are in the 5000 most common words
    59.3 of words are in the 8000 most common words
    Each bar represents the percentage of words per 1000 most common words.
  • Deutsche Humoristen, 2. Band (von 8) - 5
    Total number of words is 4328
    Total number of unique words is 1614
    36.8 of words are in the 2000 most common words
    49.3 of words are in the 5000 most common words
    54.8 of words are in the 8000 most common words
    Each bar represents the percentage of words per 1000 most common words.
  • Deutsche Humoristen, 2. Band (von 8) - 6
    Total number of words is 4415
    Total number of unique words is 1619
    38.7 of words are in the 2000 most common words
    51.1 of words are in the 5000 most common words
    56.6 of words are in the 8000 most common words
    Each bar represents the percentage of words per 1000 most common words.
  • Deutsche Humoristen, 2. Band (von 8) - 7
    Total number of words is 4278
    Total number of unique words is 1597
    38.8 of words are in the 2000 most common words
    50.9 of words are in the 5000 most common words
    57.1 of words are in the 8000 most common words
    Each bar represents the percentage of words per 1000 most common words.
  • Deutsche Humoristen, 2. Band (von 8) - 8
    Total number of words is 4341
    Total number of unique words is 1536
    39.8 of words are in the 2000 most common words
    52.6 of words are in the 5000 most common words
    58.3 of words are in the 8000 most common words
    Each bar represents the percentage of words per 1000 most common words.
  • Deutsche Humoristen, 2. Band (von 8) - 9
    Total number of words is 4252
    Total number of unique words is 1668
    40.0 of words are in the 2000 most common words
    52.2 of words are in the 5000 most common words
    57.0 of words are in the 8000 most common words
    Each bar represents the percentage of words per 1000 most common words.
  • Deutsche Humoristen, 2. Band (von 8) - 10
    Total number of words is 3458
    Total number of unique words is 1403
    41.5 of words are in the 2000 most common words
    54.8 of words are in the 5000 most common words
    60.5 of words are in the 8000 most common words
    Each bar represents the percentage of words per 1000 most common words.