Der Parasit, oder, die Kunst sein Glück zu machen - 3

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Der ist gar stolz und hochmüthig, hieß es, der wird dich gar nicht
mehr erkennen!
Selicour (nachdem er wohl nachgesehen, ob Madame Belmont auch fort
ist). Sage mir, du Esel! Was fällt dir ein, daß du mir hier so zur
Unzeit über den Hals kommst!
Robineau. Nun, nun! Wie ich Ihm schon sagte, ich komme, mein Glück
zu machen!
Selicour. Dein Glück zu machen! Der Schafskopf!
Robineau. Ei, ei, Vetter! Wie Er mit mir umgeht; ich lasse mir
nicht so begegnen.
Selicour. Du thust wohl gar empfindlich--schade um deinen Zorn--
Von seinem Dorf weg nach Paris zu laufen! Der Tagdieb!
Robineau. Aber was das auf einmal für ein Betragen ist, Herr Vetter!
--Erst der freundliche Empfang und jetzt diesen barschen Ton mit mir!
--Das ist nicht ehrlich und gerade gehandelt, nehm' Er mir's nicht
übel, das ist falsch--und wenn ich das weiter erzählte, wie Er mit
mir umgeht--'s würde Ihm schlechte Ehre bringen! Ja, das würd' es!
Selicour (erschrocken). Weitererzählen! Was?
Robineau. Ja, ja, Vetter!
Selicour. Untersteh dich, Bube!--Ich will dich unterbringen--ich
will für die Mutter sorgen. Sei ruhig, ich schaffe dir einen Platz,
verlaß dich darauf!
Robineau. Nun, wenn Er das--
Selicour. Aber hier können wir nicht davon reden! Fort! Auf mein
Zimmer!
Robineau. Ja, hör' Er, Vetter! Ich möchte so gern ein recht ruhiges
und bequemes Brod. Wenn Er mich so bei der Accise unterbringen
könnte.
Selicour. Verlaß dich drauf; ich schaffe dich an den rechten Platz.
--Ins Dorf mit dem dummen Dorfteufel über Hals und Kopf.--(Ab.)


Dritter Aufzug.

Erster Auftritt.
La Roche und Karl Firmin begegnen einander.

La Roche. Ich suchte Sie schon längst.--Hören Sie!--Nun, ich hab'
Wort gehalten--ich hab' ihn dem Minister abgeschildert, diesen
Selicour.
Karl. Wirklich? Und es ist also vorbei mit ihm? Ganz vorbei?
La Roche. Das nun eben nicht!--noch nicht ganz--denn ich muß Ihnen
sagen, er hat sich herausgelogen, daß ich da stand, wie ein rechter
Dummkopf--Der Heuchler stellte sich gerührt, er spielte den
zärtlichen Freund, den Großmüthigen mit mir, er überhäufte mich mit
Freundschaftsversicherungen und will mich bei dem Bureau als Chef
anstellen.
Karl. Wie? Was? Das ist ja ganz vortrefflich! Da wünsche ich
Glück.
La Roche. Für einen Glücksjäger hielt ich ihn; ich hatte geglaubt,
daß es ihm nur um Stellen und um Geld zu thun wäre; für so falsch und
verrätherisch hätte ich ihn nie gehalten. Der Heuchler mit seinem
süßen Geschwätz! Ich war aber sein Narr nicht und hab' es rundweg
ausgeschlagen!
Karl. Und so sind wir noch, wo wir waren? Und mein Vater ist nicht
besser daran, als vorher?
La Roche. Wohl wahr--aber lassen Sie mich nur machen! Lassen Sie
mich machen!
Karl. Ich bin auch nicht weiter. In den Garten hab' ich mich
geschlichen, ob ich dort vielleicht meiner Geliebten begegnen möchte.
--Aber vergebens! Einige Strophen, die ich mir in der Einsamkeit
ausdachte, sind die ganze Ausbeute, die ich zurückbringe.
La Roche. Vortrefflich! Brav! Machen Sie Verse an Ihre Geliebte!
Unterdessen will ich die Spur meines Wildes verfolgen :der Schelm
betrügt sich sehr, wenn er glaubt, ich habe meinen Plan aufgegeben.
Karl. Lieber La Roche! Das ist unter unserer Würde. Lassen wir
diesen Elenden sein schmutziges Handwerk treiben und das durch unser
Verdienst erzwingen, was er durch Niederträchtigkeit erschleicht.
La Roche. Weg mit diesem Stolz! Es ist Schwachheit, es ist
Vorurtheil!--Wie? Wollen wir warten, bis die Redlichkeit die Welt
regiert--da würden wir lange warten müssen. Alles schmiedet Ränke!
Wohl, so wollen wir einmal für die gute Sache ein Gleiches versuchen.
--Das geht übrigens Sie nichts an.--Machen Sie Ihre Verse, bilden
Sie Ihr Talent aus, ich will es geltend machen, ich--das ist meine
Sache!
Karl. Ja, aber die Klugheit nicht vergessen.--Sie haben sich heute
übel ertappen lassen.
La Roche. Und es wird nicht das letzte Mal sein.--Aber thut nichts!
Ich schreite vorwärts. Ich lasse mich nicht abschrecken, ich werde
ihm so lange und so oft zusetzen, daß ich ihm endlich doch Eins
beibringe. Ich bin lange sein Narr gewesen, jetzt will ich auch ihm
einen Possen spielen. Lassen wir's den Buben so forttreiben, wie
er's angefangen, so werde ich bald der Schelm und Ihr Vater der
Dummkopf sein müssen!
Karl. Man kommt!
La Roche. Er ist es selbst!
Karl. Ich kann seinen Anblick nicht ertragen. In den Garten will
ich zurückgehen und mein Gedicht vollenden. (Ab.)
La Roche. Ich will auch fort! Auf der Stelle will ich Hand ans Werk
legen. Doch nein--es ist besser, ich bleibe. Der Geck glaubte
sonst, ich fürchte mich vor ihm!

Zweiter Auftritt.
Selicour und La Roche.

Selicour. Ach, sieh da! Finde ich den Herrn La Roche hier?
La Roche. Ihn selbst, Herr Selicour!
Selicour. Sehr beschämt, wie ich sehe.
La Roche. Nicht sonderlich.
Selicour. Ihr wüthender Ausfall gegen mich hat nichts gefruchtet--
Der Freund hat seine Bolzen umsonst verschossen.
La Roche. Hat nichts zu sagen.
Selicour. Wahrlich, Freund La Roche! So hart Sie mir auch zusetzten
--Sie haben mir leid gethan mit Ihren närrischen Grillen.
La Roche. Herr Narbonne ist jetzt nicht zugegen.--Zwingt Euch nicht!
Selicour. Was beliebt?
La Roche. Seid unverschämt nach Herzensgelüsten.
Selicour. Sieh doch!
La Roche. Brüstet Euch mit Eurem Triumph. Ihr habt mir's abgewonnen!
Selicour. Freilich, es kann Einen stolz machen, über einen so
fürchterlichen Gegner gesiegt zu haben.
La Roche. Wenn ich's heute nicht recht machte, in Eurer Schule will
ich's bald besser lernen.
Selicour. Wie, Herr La Roche? Sie haben es noch nicht aufgegeben,
mir zu schaden?
La Roche. Um eines unglücklichen Zugs willen verläßt man das Spiel
nicht!
Selicour. Ein treuer Schildknappe also des ehrlichen Firmins!--Sieh,
sieh!
La Roche. Er muß dir oft aus der Noth helfen, dieser ehrliche Firmin.
Selicour. Was gibt er dir für deine Ritterschaft?
La Roche. Was bezahlst du ihm für die Exercitien, die er dir
ausarbeitet?
Selicour. Nimm dich in Acht, Freund Roche!--Ich könnte dir schlimme
Händel anrichten.
La Roche. Werde nicht böse, Freund Selicour!--Der Zorn verräth ein
böses Gewissen.
Selicour. Freilich sollte ich über deine Thorheit nur lachen.
La Roche. Du verachtest einen Feind, der dir zu schwach scheint.
Ich will darauf denken, deine Achtung zu verdienen! (Geht ab.)

Dritter Auftritt.
Selicour allein.

Sie wollen den Firmin zum Gesandten haben.--Gemach, Kamerad!--So
weit sind wir noch nicht.--Aber Firmin betrug sich immer so gut
gegen mich.--Es ist der Sohn vermutlich--der junge Mensch, der sich
mit Versen abgibt, ganz gewiß--und dieser La Roche ist's, der sie
hetzt!--Dieser Firmin hat Verdienste, ich muß es gestehen, und wenn
sie je seinen Ehrgeiz aufwecken, so kenne ich Keinen, der mir
gefährlicher wäre.--Das muß verhütet werden!--Aber in welcher
Klemme sehe ich mich!--Eben diese beiden Firmins wären mir jetzt
gerade höchst nöthig, der Vater mit seinen Einsichten und der Sohn
mit seinen Versen.--Laß uns fürs erste Nutzen von ihnen ziehen, und
dann schafft man sie sich schon gelegentlich vom Halse.

Vierter Auftritt.
Firmin der Vater und Selicour.

Selicour. Sind Sie's, Herr Firmin? Eben wollte ich zu Ihnen.
Firmin. Zu mir?
Selicour. Mich mit Ihnen zu erklären--
Firmin. Worüber?
Selicour. Ueber eine Armseligkeit--Lieber Firmin, es ist mir ein
rechter Trost, Sie zu sehen.--Man hat uns veruneinigen wollen.
Firmin. Uns veruneinigen?
Selicour. Ganz gewiß. Aber es soll ihnen nicht gelingen, hoff' ich.
Ich bin Ihr wahrer und aufrichtiger Freund, und ich hab' es heute
bewiesen, denk' ich, da dieser tollköpfige La Roche mich bei dem
Minister anschwärzen wollte.
Firmin. Wie? Hätte der La Roche--
Selicour. Er hat mich auf das abscheulichste preisgegeben.
Firmin. Er hat seine Stelle verloren.--Setzen Sie sich an seinen
Platz.
Selicour. Er ist ein Undankbarer! Nach allem, was ich für ihn
gethan habe--Und es geschehe, sagte er, um Ihnen dadurch einen
Dienst zu leisten.--Er diente Ihnen aber schlecht. Da er mir zu
schaden suchte.--Was will ich denn anders, als Ihr Glück?--Aber ich
weiß besser, als dieser Brauskopf, was Ihnen dient. Darum habe ich
mir schon ein Plänchen mit Ihnen ausgedacht.--Das lärmende Treiben
der Bureaux ist Ihnen verhaßt, das weiß ich; Sie lieben nicht, in der
geräuschvollen Stadt zu leben.--Es soll für Sie gesorgt werden, Herr
Firmin!--Sie suchen sich irgend ein einsames stilles Plätzchen aus,
ziehen einen guten Gehalt, ich schicke Ihnen Arbeit hinaus, Sie mögen
gern arbeiten, es soll Ihnen nicht daran fehlen.
Firmin. Aber wie--
Selicour. Das sind aber bloß noch Ideen, es hat noch Zeit bis dahin.
--Glücklich, der auf der ländlichen Flur seine Tage lebt! Ach, Herr
Firmin! So wohl wird es mir nicht! Ich bin in die Stadt gebannt,
ein Lastthier der Verhältnisse, den Pfeilen der Bosheit preisgegeben.
Auch hielt ich's für die Pflicht eines guten Verwandten, einen
Vetter, der sich hier niederlassen wollte, über Hals und Kopf wieder
aufs Land zurück zu schicken.--Der gute Vetter! Ich bezahlte ihm
gern die Reisekosten--denn, sagen Sie selbst, ist's nicht unendlich
besser, auf dem Land in der Dunkelheit frei zu leben, als hier in der
Stadt sich zu placken und zu quälen?--
Firmin. Das ist meine Meinung auch.--Aber was wollten Sie
eigentlich bei mir?
Selicour. Nun, wie ich sagte, vor allen Dingen mich von der
Freundschaft meines lieben Mitbruders überzeugen--und alsdann--Sie
haben mir so oft schon aus der Verlegenheit geholfen; ich verhehle es
nicht, ich bin Ihnen so viel--so Vieles schuldig--mein Posten
bringt mich um--mir liegt so Vieles auf dem Halse--wahrhaftig, es
braucht meinen ganzen Kopf, um herum zu kommen--Sie sind zufrieden
mit unserm Minister?
Firmin. Ich bewundere ihn.
Selicour. Ja, das nenn' ich einmal einen fähigen Chef! Und wahrlich,
es war auch die höchste Noth, daß ein solcher an den Platz kam, wenn
nicht alles zu Grunde gehen sollte.--Es ist noch nicht alles, wie es
soll, sagte ich ihm heute--wollen Sie, daß alles seinen rechten Gang
gehe, so müßten Sie ein Memoire einreichen, worin alles, was noch zu
verbessern ist, mit der strengsten Wahrheit angezeigt wäre.--Diese
meine Idee hat er mit Eifer ergriffen und will eine solche Schrift
unverzüglich aufgesetzt haben.--Er trug sie mir auf--aber die
unendlichen Geschäfte, die auf mir liegen--in der That, ich zittre,
wenn ich an einen Zuwachs denke--
Firmin. Und da rechnen Sie denn auf mich--nicht wahr?
Selicour. Nun ja, ich will's gestehen!
Firmin. Sie konnten sich diesmal an keinen Bessern wenden!
Selicour. O das weiß ich! Das weiß ich!
Firmin. Denn da ich so lange Zeit von den Mißbräuchen unter der
vorigen Verwaltung Augenzeuge war--so habe ich, um nicht bloß als
müßiger Zuschauer darüber zu seufzen, meine Beschwerden und
Verbesserungspläne dem Papiere anvertraut--und so findet sich, daß
die Arbeit, die man von Ihnen verlangt, von mir wirklich schon gethan
ist!--Ich hatte mir keinen bestimmten Gebrauch dabei gedacht--ich
schrieb bloß nieder, um mein Herz zu erleichtern.
Selicour. Ist's möglich? Sie hätten--
Firmin. Es liegt alles bereit, wenn Sie davon Gebrauch machen wollen.
Selicour. Ob ich das will! O mit Freuden!--Das ist ja ein ganz
erwünschter Zufall!
Firmin. Aber die Papiere sind nicht in der besten Ordnung!
Selicour. O diese kleine Mühe übernehm' ich gern--noch heute Abend
soll der Minister das Memoire haben--Ich nenne Sie als Verfasser,
Sie sollen den Ruhm davon haben.
Firmin. Sie wissen, daß mir's darauf eben nicht ankommt! Wenn ich
nur Gutes stifte, gleichviel, unter welchem Namen.
Selicour. Würdiger, scharmanter Mann! Niemand läßt Ihrem
bescheidnen Verdienst mehr Gerechtigkeit widerfahren, als ich.--Sie
wollen mir also die Papiere--
Firmin. Ich kann sie gleich holen. Wenn Sie so lange verziehen
wollen.
Selicour. Ja, gehen Sie! Ich will hier warten.
Firmin. Da kommt mein Sohn--Er kann Ihnen unterdessen Gesellschaft
leisten--Aber sagen Sie ihm nichts davon--hören Sie! Ich bitte
mir's aus!
Selicour. So! Warum denn nicht?
Firmin. Aus Ursachen.
Selicour. Nun, wenn Sie so wollen! Es wird mir zwar sauer werden,
Ihre Gefälligkeit zu verschweigen.--(Wenn Firmin fort ist.) Der arme
Schelm! Er fürchtet wohl gar, sein Sohn werde ihn auszanken.

Fünfter Auftritt.
Karl. Selicour.

Karl (kommt, in einem Papier lesend, das er beim Anblick Selicours
schnell verbirgt). Schon wieder dieser Selicour--(Will gehen.)
Selicour. Bleiben Sie doch, mein junger Freund!--Warum fliehen Sie
so die Gesellschaft?
Karl. Verzeihung, Herr Selicour!--(Für sich.) Daß ich dem Schwätzer
in den Weg laufen mußte!
Selicour. Ich habe mich schon längst darnach gesehnt, Sie zu sehen,
mein Bester!--Was machen die Musen? Wie fließen uns die Verse?--
Der gute Herr Firmin hat allerlei dagegen, ich weiß aber, er hat
Unrecht.--Sie haben ein so entschiednes Talent!--Wenn die Welt Sie
nur erst kennte--aber das wird kommen! Noch heute früh sprach ich
von Ihnen--
Karl. Von mir?
Selicour. Mit der Mutter unsers Herrn Ministers--und man hat schon
ein gutes Vorurtheil für Sie, nach der Art, wie ich Ihrer erwähnte.
Karl. So! Bei welchem Anlaß war das?
Selicour. Sie macht die Kennerin--ich weiß nicht, wie sie dazu
kommt--Man schmeichelt ihr, ihres Sohnes wegen.--Wie? Wenn Sie ihr
auf eine geschickte feine Art den Hof machten--derentwegen wollte
ich Sie eben aufsuchen.--Sie verlangte ein paar Couplets von mir für
diesen Abend.--Nun habe ich zwar zu meiner Zeit auch meinen Vers
gemacht, wie ein Andrer, aber der Witz ist eingerostet in den
leidigen Geschäften! Wie wär's nun, wenn Sie statt meiner die
Verschen machten.--Sie vertrauten sie mir an--ich lese sie vor--
man ist davon bezaubert--man will von mir wissen--Ich--ich nenne
Sie! Ich ergreife diese Gelegenheit, Ihnen eine Lobrede zu halten.--
Alles ist voll von Ihrem Ruhm, und nicht lange, so ist der neue Poet
fertig, eben so berühmt durch seinen Witz, als seinen Degen!
Karl. Sie eröffnen mir eine glänzende Aussicht!
Selicour. Es steht ganz in Ihrer Gewalt, sie wirklich zu machen!
Karl (für sich). Er will mich beschwatzen! Es ist lauter Falschheit,
ich weiß es recht gut, daß er falsch ist--aber, wie schwach bin ich
gegen das Lob! Wider meinen Willen könnte er mich beschwatzen.--(Zu
Selicour.) Man verlangt also für diesen Abend--
Selicour. Eine Kleinigkeit! Ein Nichts! Ein Liedchen--wo sich auf
eine ungezwungene Art so ein feiner Zug zum Lobe des Ministers
anbringen ließe.--
Karl. Den Lobredner zu machen, ist meine Sache nicht! Die Würde der
Dichtkunst soll durch mich nicht so erniedrigt werden. Jedes Lob,
auch wenn es noch so verdient ist, ist Schmeichelei, wenn man es an
die Großen richtet.
Selicour. Der ganze Stolz eines echten Musensohns! Nichts von
Lobsprüchen also--aber so etwas von Liebe--Zärtlichkeit--
Empfindung--
Karl (sieht sein Papier an). Konnte ich denken, da ich sie
niederschrieb, daß ich so bald Gelegenheit haben würde?
Selicour. Was? Wie? Das sind doch nicht gar Verse--
Karl. O verzeihen Sie! Eine sehr schwache Arbeit--
Selicour. Ei was! Mein Gott! Da hätten wir ja gerade, was wir
brauchen!--Her damit, geschwind!--Sie sollen bald die Wirkung davon
erfahren--Es braucht auch gerade keine Romanze zu sein--diese
Kleinigkeiten--diese artigen Spielereien thun oft mehr, als man
glaubt--dadurch gewinnt man die Frauen, und die Frauen machen alles.
--Geben Sie! Geben Sie!--Wie! Sie stehen an? Nun, wie Sie wollen!
Ich wollte Ihnen nützlich sein--Sie bekannt machen--Sie wollen
nicht bekannt sein--Behalten Sie Ihre Verse! Es ist Ihr Vortheil,
nicht der meine, den ich dabei beabsichtete.
Karl. Wenn nur--
Selicour. Wenn Sie sich zieren--
Karl. Ich weiß aber nicht--
Selicour (reißt ihm das Papier aus der Hand). Sie sind ein Kind!
Geben Sie! Ich will Ihnen wider Ihren Willen dienen--Ihr Vater
selbst soll Ihrem Talente bald Gerechtigkeit erzeigen. Da kommt er!
(Er steckt das Papier in die rechte Tasche.)

Sechster Auftritt.
Beide Firmins. Selicour.

Firmin. Hier, mein Freund!--aber reinen Mund gehalten! (Gibt ihm
das Papier heimlich.)
Selicour. Ich weiß zu schweigen. (Steckt das Papier in die linke
Rocktasche.)
Karl (für sich). That ich Unrecht, sie ihm zu geben--Was kann er
aber auch am Ende mit meinen Versen machen?
Selicour. Meine werthen Freunde! Sie haben mir eine köstliche
Viertelstunde geschenkt--aber man vergißt sich in Ihrem Umgang.--
Der Minister wird auf mich warten--ich reiße mich ungern von Ihnen
los, denn man gewinnt immer etwas bei so würdigen Personen. (Geht ab,
mit beiden Händen an seine Rocktaschen greifend.)

Siebenter Auftritt.
Beide Firmins.

Firmin. Das ist nun der Mann, den du einen Ränkeschmied und
Kabalenmacher nennst--und kein Mensch nimmt hier mehr Antheil an mir,
als er!
Karl. Sie mögen mich nun für einen Träumer halten--aber je mehr er
Ihnen schön thut, desto weniger trau' ich ihm--Dieser süße Ton, den
er bei Ihnen annimmt--Entweder er braucht Sie, oder er will Sie zu
Grund richten.
Firmin. Pfui über das Mißtrauen!--Nein, mein Sohn! Und wenn ich
auch das Opfer der Bosheit werden sollte--so will ich doch so spät
als möglich das Schlechte von Andern glauben.

Achter Auftritt.
Vorige. La Roche.

La Roche. Sind Sie da, Herr Firmin!--Es macht mir herzliche Freude
--der Minister will Sie besuchen.
Karl. Meinen Vater?--
Firmin. Mich?
La Roche. Ja, Sie!--Ich hab' es wohl bemerkt, wie ich ein Wort von
Ihnen fallen ließ, daß Sie schon seine Aufmerksamkeit erregt hatten.
--Diesem Selicour ist auch gar nicht wohl dabei zu Muthe--So ist
mein heutiger Schritt doch zu etwas gut gewesen.
Karl. O so sehen Sie sich doch wider Ihren eigenen Willen ans Licht
hervorgezogen!--Welche glückliche Begebenheit!
Firmin. Ja, ja! Du siehst mich in deinen Gedanken schon als
Ambassadeur und Minister--Herr von Narbonne wird mir einen kleinen
Auftrag zu geben haben, das wird's alles sein!
La Roche. Nein, nein, sag' ich Ihnen--er will Ihre nähere
Bekanntschaft machen--Und das ist's nicht allein! Nein, nein! Die
Augen sind ihm endlich aufgegangen! Dieser Selicour, ich weiß es,
ist seinem Fall nahe! Noch heute--es ist schändlich und abscheulich
--doch ich sage nichts.--Der Minister ließ in Ihrem Hause nach Ihnen
fragen; man sagte ihm, Sie seien auf dem Bureau--Ganz gewiß sucht er
Sie hier auf! Sagt' ich's nicht? Sieh, da ist er schon! (Er tritt
nach dem Hintergrunde zurück.)

Neunter Auftritt.
Narbonne zu den Vorigen.

Narbonne. Ich habe Arbeiten von Ihnen gesehen, Herr Firmin, die mir
eine hohe Idee von Ihren Einsichten geben, und von allen Seiten hör'
ich Ihre Rechtschaffenheit, Ihre Bescheidenheit rühmen.--Männer
Ihrer Art brauche ich höchst nöthig--Ich komme deßwegen, mir Ihren
Beistand, Ihren Rath, Ihre Mitwirkung in dem schweren Amte
auszubitten, das mir anvertraut ist.--Wollen Sie mir Ihre
Freundschaft schenken, Herr Firmin?
Firmin. So viel Zutrauen beschämt mich und macht mich stolz.--Mit
Freude und Dankbarkeit nehme ich dieses gütige Anerbieten an--aber
ich fürchte, man hat Ihnen eine zu hohe Meinung von mir gegeben.
Karl. Man hat Ihnen nicht mehr gesagt, als wahr ist, Herr von
Narbonne!--Ich bitte Sie, meinem Vater in diesem Punkte nicht zu
glauben.
Firmin. Mache nicht zu viel Rühmens, mein Sohn, von einem ganz
gemeinen Verdienst.
Narbonne. Das ist also Ihr Sohn, Herr Firmin?
Firmin. Ja.
Narbonne. Der Karl Firmin, dessen meine Mutter und Tochter noch
heute Morgen gedacht haben?
Karl. Ihre Mutter und die liebenswürdige Charlotte haben sich noch
an Karl Firmin erinnert!
Narbonne. Sie haben mir sehr viel Schmeichelhaftes von Ihnen gesagt.
Karl. Möchte ich so viele Güte verdienen!
Narbonne. Es soll mich freuen, mit Ihnen, braver junger Mann, und
mit Ihrem würdigen Vater mich näher zu verbinden.--Herr Firmin!
Wenn es meine Pflicht ist, Sie aufzusuchen, so ist es die Ihre nicht
weniger, sich finden zu lassen. Mag sich der Unfähige einer
schimpflichen Trägheit ergeben!--Der Mann von Talent, der sein
Vaterland liebet, sucht selbst das Auge seines Chefs und bewirbt sich
um die Stelle, die er zu verdienen sich bewußt ist.--Der Dummkopf
und der Nichtswürdige sind immer bei der Hand, um sich mit ihrem
anmaßlichen Verdienste zu brüsten--Wie soll man das wahre Verdienst
unterscheiden, wenn es sich mit seinen verächtlichen Nebenbuhlern
nicht einmal in die Schranken stellt?--Bedenken Sie, Herr Firmin,
daß man für das Gute, welches man nicht thut, so wie für das Böse,
welches man zuläßt, verantwortlich ist.
Karl. Hören Sie' s nun, mein Vater!
Firmin. Geben Sie mir Gelegenheit, meinem Vaterlande zu dienen, ich
werde sie mit Freuden ergreifen!
Narbonne. Und mehr verlang' ich nicht--Damit wir besser mit
einander bekannt werden, so speisen Sie Beide diesen Abend bei mir.
Sie finden eine angenehme Gesellschaft--ein paar gute Freunde,
einige Verwandte--Aller Zwang wird entfernt sein, und meine Mutter,
die durch meinen neuen Stand nicht stolzer geworden ist, wird Sie
aufs freundlichste empfangen, das versprech' ich Ihnen.
Firmin. Wir nehmen Ihre gütige Einladung an.
Karl (für sich). Ich werde Charlotten sehen!
La Roche (bei Seite). Die Sachen sind auf gutem Weg--der Augenblick
ist günstig--frisch, noch einen Ausfall auf diesen Selicour! (Kommt
vorwärts.) So lassen Sie endlich dem Verdienst Gerechtigkeit
widerfahren, gut! Nun ist noch übrig, auch das Laster zu entlarven--
Glücklicherweise finde ich Sie hier und kann da fortfahren, wo ich es
diesen Morgen gelassen.--Dieser Selicour brachte mich heute zum
Stillschweigen--ich machte es ungeschickt, ich gesteh' es, daß ich
so mit der Thür ins Haus fiel; aber wahr bleibt wahr! Ich habe doch
recht! Sie verlangten Thatsachen--Ich bin damit versehen.
Narbonne. Was? Wie?
La Roche. Dieser Mensch, der sich das Ansehen gibt, als ob er seiner
Mutter und seiner ganzen Familie zur Stütze diente, er hat einen
armen Teufel von Vetter schön empfangen, der heute in seiner Einfalt,
in gutem Vertrauen zu ihm in die Stadt kam, um eine kleine Versorgung
durch ihn zu erhalten. Fortgejagt wie einen Taugenichts hat ihn der
Heuchler! So geht er mit seinen Verwandten um--und wie schlecht
sein Herz ist, davon kann seine nothleidende Mutter--
Firmin. Sie thun ihm sehr Unrecht, lieber La Roche! Eben dieser
Vetter, den er soll fortgejagt haben, kehrt mit seinen Wohlthaten
überhäuft und von falschen Hoffnungen geheilt in sein Dorf zurück!
Narbonne. Eben mit diesem Vetter hat er sich recht gut betragen.
La Roche. Wie? Was?
Narbonne. Meine Mutter war ja bei dem Gespräch zugegen.
Firmin. Lieber La Roche! Folgen Sie doch nicht so der Eingebung
einer blinden Rache.
La Roche. Schön, Herr Firmin! Reden Sie ihm noch das Wort!
Firmin. Er ist abwesend, es ist meine Pflicht, ihn zu verteidigen.
Narbonne. Diese Gesinnung macht Ihnen Ehre, Herr Firmin; auch hat
sich Herr Selicour in Ansehung Ihrer noch heute eben so betragen.--
Wie erfreut es mich, mich von so würdigen Personen umgeben zu sehen.
--(Zu La Roche) Sie aber, der den armen Selicour so unversöhnlich
verfolgt, Sie scheinen mir wahrlich der gute Mann nicht zu sein, für
den man Sie hält!--Was ich bis jetzt noch von Ihnen sah, bringt
Ihnen wahrlich schlechte Ehre!
La Roche für sich). Ich möchte bersten--aber nur Geduld!
Narbonne. Ich bin geneigt, von dem guten Selicour immer besser zu
denken, je mehr Schlimmes man mir von ihm sagt, und ich gehe damit um,
ihn mir näher zu verbinden.
Karl (betroffen). Wie so?
Narbonne. Meine Mutter hat gewisse Plane, die ich vollkommen
gutheiße--Auch mit Ihnen habe ich es gut vor, Herr Firmin!--Diesen
Abend ein Mehreres.--Bleiben Sie ja nicht lange aus. (Zu Karl.) Sie,
mein junger Freund, legen sich auf die Dichtkunst, hör' ich; meine
Mutter hat mir heute Ihr Talent gerühmt.--Lassen Sie uns bald etwas
von Ihrer Arbeit hören.--Auch ich liebe die Musen, ob ich gleich
ihrem Dienst nicht leben kann.--Ihr Diener, meine Herren!--Ich
verbitte mir alle Umstände. (Er geht ab.)

Zehnter Auftritt.
Vorige ohne Narbonne.

Karl. Ich werde sie sehen! Ich werde sie sprechen!--Aber diese
gewissen Plane der Großmutter--Gott! Ich zittre.--Es ist gar nicht
mehr zu zweifeln, daß sie diesem Selicour bestimmt ist.
Firmin. Nun, mein Sohn! Das ist ja heute ein glücklicher Tag!
La Roche. Für Sie wohl, Herr Firmin--aber für mich?
Firmin. Sei'n Sie außer Sorgen! Ich hoffe, alles wieder ins Gleiche
zu bringen.--(Zu Karl.) Betrage dich klug, mein Sohn! Wenigstens
unter den Augen des Ministers vergiß dich nicht!
Karl. Sorgen Sie nicht! Aber auch Sie, mein Vater, rühren Sie sich
einmal!
Firmin. Schön! Ich erhalte auch meine Lektion.
Karl. Und habe ich nicht recht, Herr La Roche?
Firmin. Laß dir sein Beispiel wenigstens zu einer Warnung dienen.--
Muth gefaßt, La Roche! Wenn meine Fürsprache etwas gilt, so ist Ihre
Sache noch nicht verloren. (Er geht ab.)

Eilfter Auftritt.
Karl Firmin und La Roche.

La Roche. Nun, was sagen Sie? Ist das erlaubt, daß Ihr Vater selbst
mich Lügen straft und den Schelmen in Schutz nimmt?
Karl. Bester Freund, ich habe heute früh Ihre Dienste verschmäht,
jetzt flehe ich um Ihre Hilfe. Es ist nicht mehr zu zweifeln, daß
man ihr den Selicour zum Gemahl bestimmt. Ich bin nicht werth, sie
zu besitzen, aber noch weniger verdient es dieser Nichtswürdige!
La Roche. Braucht's noch eines Sporns, mich zu hetzen? Sie sind
Zeuge gewesen, wie man mich um seinetwillen mißhandelt hat! Hören
Sie mich an! Ich habe in Erfahrung gebracht, daß der Minister ihm
noch heute eine sehr wichtige und kitzliche Arbeit aufgetragen, die
noch vor Abend fertig sein soll. Er wird sie entweder gar nicht
leisten, oder doch etwas höchst Elendes zu Markte bringen. So kommt
seine Unfähigkeit ans Licht. Trotz seiner süßlichten Manieren hassen
ihn Alle und wünschen seinen Fall. Keiner wird ihm helfen, dafür
steh' ich, so verhaßt ist er!
Karl. Meinen Vater will ich schon davon abhalten.--Ich sehe jetzt
wohl, zu welchem Zweck er mir mein Gedicht abschwatzte. Sollte er
wohl die Stirne haben, sich in meiner Gegenwart für den Verfasser
auszugeben?
La Roche. Kommen Sie mit mir in den Garten, er darf uns nicht
beisammen antreffen.--Du nennst dich meinen Meister, Freund Selicour!
Nimm dich in Acht----dein Lehrling formiert sich, und noch vor
Abend sollst du bei ihm in die Schule gehen! (Gehen ab.)


Vierter Aufzug.

Erster Auftritt.
Madame Belmont. Charlotte.

Mad. Belmont. Bleib da, Charlotte! Wir haben ein Wörtchen mit
einander zu reden, eh die Gesellschaft kommt.--Sage mir, mein Kind!
Was hältst du von dem Herrn Selicour?
Charlotte. Ich, Mama?
Mad. Belmont. Ja, du!
Charlotte. Nun, ein ganz angenehmer, verdienstvoller, würdiger Mann
scheint er mir zu sein.
Mad. Belmont. Das hör' ich gerne! Ich freue mich, liebes Kind, daß
du eine so gute Meinung von ihm hast--denn, wenn dein Vater und ich
etwas über dich vermögen, so wird Herr Selicour bald dein Gemahl sein.
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