Der Kaufmann von Venedig - 5

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Ungläubiger, ich hab dich bei der Hüfte.
Porzia.
Was hält den Juden auf? Nimm deine Buße.
Shylock.
Gebt mir mein Kapital und laßt mich gehn.
Bassanio.
Ich hab es schon für dich bereit: hier ist's.
Porzia.
Er hat's vor offenem Gericht geweigert:
Sein Recht nur soll er haben und den Schein.
Graziano.
Ich sag, ein Daniel, ein zweiter Daniel!
Dank, Jude, daß du mich das Wort gelehrt.
Shylock.
Soll ich nicht haben bloß mein Kapital?
Porzia.
Du sollst nichts haben als die Buße, Jude,
Die du auf eigene Gefahr magst nehmen.
Shylock.
So lass' es ihm der Teufel wohl bekommen!
Ich will nicht länger Rede stehn.
Porzia.
Wart, Jude!
Das Recht hat andern Anspruch noch an dich.
Es wird verfügt in dem Gesetz Venedigs,
Wenn man es einem Fremdling dargetan,
Daß er durch Umweg' oder gradezu
Dem Leben eines Bürgers nachgestellt,
Soll die Partei, auf die sein Anschlag geht,
Die Hälfte seiner Güter an sich ziehn;
Die andre Hälfte fällt dem Schatz anheim,
Und an des Dogen Gnade hängt das Leben
Des Schuldgen einzig, gegen alle Stimmen.
In der Benennung, sag ich, stehst du nun,
Denn es erhellt aus offenbarem Hergang,
Daß du durch Umweg' und auch gradezu
Recht eigentlich gestanden dem Beklagten
Nach Leib und Leben: und so trifft dich denn
Die Androhung, die ich zuvor erwähnt.
Drum nieder, bitt um Gnade bei dem Dogen!
Graziano.
Bitt um Erlaubnis, selber dich zu hängen;
Und doch, da all dein Gut dem Staat verfällt,
Behältst du nicht den Wert von einem Strick;
Man muß dich hängen auf des Staates Kosten.
Doge.
Damit du siehst, welch andrer Geist uns lenkt,
So schenk ich dir das Leben, eh du bittest.
Dein halbes Gut gehört Antonio,
Die andre Hälfte fällt dem Staat anheim,
Was Demut lindern kann zu einer Buße.
Porzia.
Ja, für den Staat, nicht für Antonio.
Shylock.
Nein, nehmt mein Leben auch, schenkt mir das nicht!
Ihr nehmt mein Haus, wenn ihr die Stütze nehmt,
Worauf mein Haus beruht; ihr nehmt mein Leben,
Wenn ihr die Mittel nehmt, wodurch ich lebe.
Porzia.
Was könnt Ihr für ihn tun, Antonio?
Graziano.
Ein Strick umsonst! nichts mehr, um Gottes willen!
Antonio.
Beliebt mein gnädger Herr und das Gericht
Die Buße seines halben Guts zu schenken,
So bin ich es zufrieden, wenn er mir
Die andre Hälfte zum Gebrauche läßt,
Nach seinem Tod dem Mann sie zu erstatten,
Der kürzlich seine Tochter stahl.
Noch zweierlei beding ich: daß er gleich
Für diese Gunst das Christentum bekenne;
Zum andern, stell er eine Schenkung aus
Hier vor Gericht von allem, was er nachläßt,
An seinen Schwiegersohn und seine Tochter.
Doge.
Das soll er tun, ich widerrufe sonst
Die Gnade, die ich eben hier erteilt.
Porzia.
Bist du's zufrieden, Jude? Nun, was sagst du?
Shylock.
Ich bin's zufrieden.
Porzia.
Ihr, Schreiber, setzt die Schenkungsakte auf.
Shylock.
Ich bitt, erlaubt mir, weg von hier zu gehn:
Ich bin nicht wohl, schickt mir die Akte nach,
Und ich will zeichnen.
Doge.
Geh denn, aber tu's.
Graziano.
Du wirst zwei Paten bei der Taufe haben;
Wär ich dein Richter, kriegtest du zehn mehr--
Zum Galgen, nicht zum Taufstein, dich zu bringen.
(Shylock ab.)
Doge.
Ich lad Euch, Herr, zur Mahlzeit bei mir ein.
Porzia.
Ich bitt Eur Hoheit um Entschuldigung.
Ich muß vor Abend fort nach Padua
Und bin genötigt, gleich mich aufzumachen.
Doge.
Es tut mir leid, daß Ihr Verhindrung habt.
Antonio, zeigt Euch dankbar diesem Mann:
Ihr seid ihm sehr verpflichtet, wie mich dünkt.
(Doge, Senatoren und Gefolge ab.)
Bassanio.
Mein würdger Herr, ich und mein Freund, wir sind
Durch Eure Weisheit heute losgesprochen
Von schweren Bußen; für den Dienst erwidern
Wir mit der Schuld des Juden, den dreitausend
Dukaten, willig die gewogne Müh.
Antonio.
Und bleiben Euer Schuldner überdies
An Liebe und an Diensten immerfort.
Porzia.
Wer wohl zufrieden ist, ist wohl bezahlt;
Ich bin zufrieden, da ich euch befreit,
Und halte dadurch mich für wohl bezahlt;
Lohnsüchtiger war niemals mein Gemüt.
Ich bitt euch, kennt mich, wenn wir mal uns treffen;
Ich wünsch euch Gutes, und so nehm ich Abschied.
Bassanio.
Ich muß noch in Euch dringen, bester Herr:
Nehmt doch ein Angedenken, nicht als Lohn,
Nur als Tribut; gewährt mir zweierlei,
Mir's nicht zu weigern und mir zu verzeihn.
Porzia.
Ihr dringt sehr in mich! gut, ich gebe nach:
Gebt Eure Handschuh mir, ich will sie tragen,
Und, Euch zur Lieb, nehm ich den Ring von Euch.
Zieht nicht die Hand zurück, ich will nichts weiter,
Und weigern dürft Ihr's nicht, wenn Ihr mich liebt.
Bassanio.
Der Ring--ach, Herr! ist eine Kleinigkeit,
Ihn Euch zu geben, müßt ich mich ja schämen.
Porzia.
Ich will nichts weiter haben als den Ring,
Und, wie mich dünkt, hab ich nun Lust dazu.
Bassanio.
Es hängt an diesem Ring mehr als sein Wert;
Den teursten in Venedig geb ich Euch
Und find ihn aus durch öffentlichen Ausruf.
Für diesen bitt ich nur, entschuldigt mich.
Porzia.
Ich seh, Ihr seid freigebig im Erbieten;
Ihr lehrtet erst mich bitten, und nun scheint es,
Ihr lehrt mich, wie man Bettlern Antwort gibt.
Bassanio.
Den Ring gab meine Frau mir, bester Herr;
Sie steckte mir ihn an und hieß mich schwören,
Ich woll ihn nie verlieren noch vergeben.
Porzia.
Mit solchen Worten spart man seine Gaben.
Ist Eure Frau nicht gar ein töricht Weib
Und weiß, wie gut ich diesen Ring verdient,
So wird sie nicht auf immer Feindschaft halten,
Weil Ihr ihn weggabt. Gut, gehabt Euch wohl!
(Porzia und Nerissa ab.)
Antonio.
Laßt ihn den Ring doch haben, Don Bassanio;
Laßt sein Verdienst zugleich mit meiner Liebe
Euch gelten gegen Eurer Frau Gebot.
Bassanio.
Geh, Graziano, lauf und hol ihn ein,
Gib ihm den Ring und bring ihn, wenn du kannst,
Zu des Antonio Haus. Fort! eile dich!
(Graziano ab.)
Kommt, Ihr und ich, wir wollen gleich dahin,
Und früh am Morgen wollen wir dann beide
Nach Belmont fliegen. Kommt, Antonio!
(Ab.)

Zweite Szene
Eine Straße
(Porzia und Nerissa kommen)

Porzia.
Erfrag des Juden Haus, gib ihm die Akte
Und laß ihn zeichnen. Wir wollen fort zu Nacht
Und einen Tag vor unsern Männern noch
Zu Hause sein. Die Akte wird Lorenzen
Gar sehr willkommen sein.
(Graziano kommt.)
Graziano.
Schön, daß ich Euch noch treffe, werter Herr.
Hier schickt Euch Don Bassanio, da er besser
Es überlegt, den Ring und bittet Euch,
Mittags bei ihm zu speisen.
Porzia.
Das kann nicht sein;
Den Ring nehm ich mit allem Danke an
Und bitt Euch, sagt ihm das; seid auch so gut,
Den jungen Mann nach Shylocks Haus zu weisen.
Graziano.
Das will ich tun.
Nerissa (zu Porzia).
Herr, noch ein Wort mit Euch.--
(Heimlich.)
Ich will doch sehn, von meinem Mann den Ring
Zu kriegen, den ich immer zu bewahren
Ihn schwören ließ.
Porzia.
Ich steh dafür, du kannst es.
Da wird's an hoch und teuer Schwören gehn,
Daß sie die Ring an Männer weggegeben;
Wir leugnen's keck und überschwören sie.
Fort! eile dich! Du weißt ja, wo ich warte.
Nerissa.
Kommt, lieber Herr! wollt Ihr sein Haus mir zeigen?
(Ab.)


Fünfter Aufzug

Erste Szene
Belmont. Freier Platz vor Porzias Hause
(Lorenzo und Jessica treten auf)

Lorenzo.
Der Mond scheint hell. In solcher Nacht wie diese,
Da linde Luft die Bäume schmeichelnd küßte
Und sie nicht rauschen ließ, in solcher Nacht
Erstieg wohl Troilus die Mauern Trojas
Und seufzte seine Seele zu den Zelten
Der Griechen hin, wo seine Cressida
Die Nacht in Schlummer lag.
Jessica.
In solcher Nacht
Schlüpft' überm Taue Thisbe furchtsam hin
Und sah des Löwen Schatten eh als ihn
Und lief erschrocken weg.
Lorenzo.
In solcher Nacht
Stand Dido, eine Weid in ihrer Hand,
Am wilden Strand und winkte ihrem Liebsten
Zur Rückkehr nach Karthago.
Jessica.
In solcher Nacht
Las einst Medea jene Zauberkräuter,
Den Äson zu verjüngen.
Lorenzo.
In solcher Nacht
Stahl Jessica sich von dem reichen Juden
Und lief mit einem ausgelaßnen Liebsten
Bis Belmont von Venedig.
Jessica.
In solcher Nacht
Schwor ihr Lorenzo, jung und zärtlich, Liebe
Und stahl ihr Herz mit manchem Treugelübd,
Wovon nicht eines echt war.
Lorenzo.
In solcher Nacht
Verleumdete die artge Jessica
Wie eine kleine Schelmin ihren Liebsten,
Und er vergab es ihr.
Jessica.
Ich wollt Euch übernachten, käme niemand.
Doch horcht! ich hör den Fußtritt eines Manns.
(Ein Bedienter kommt.)
Lorenzo.
Wer kommt so eilig in der stillen Nacht?
Bedienter.
Ein Freund.
Lorenzo.
Ein Freund? was für ein Freund? Eur Name, Freund?
Bedienter.
Mein Nam ist Stephano, und ich soll melden,
Daß meine gnädge Frau vor Tages Anbruch
Wird hier in Belmont sein; sie streift umher
Bei heilgen Kreuzen, wo sie kniet und betet
Um frohen Ehestand.
Lorenzo.
Wer kommt mit ihr?
Bedienter.
Ein heilger Klausner und ihr Mädchen bloß.
Doch sagt mir, ist mein Herr noch nicht zurück?
Lorenzo.
Nein, und wir haben nichts von ihm gehört.
Doch, liebe Jessica, gehn wir hinein;
Laß uns auf einen feierlichen Willkomm
Für die Gebieterin des Hauses denken.
(Lanzelot kommt.)
Lanzelot.
Holla, holla! he! heda! holla! holla!
Lorenzo.
Wer ruft?
Lanzelot.
Holla! habt Ihr Herrn Lorenzo und Frau Lorenzo gesehn? Holla! holla!
Lorenzo.
Laß dein Hollarufen, Kerl! Hier!
Lanzelot.
Holla! wo? wo?
Lorenzo.
Hier!
Lanzelot.
Sagt ihm, daß ein Postillon von meinem Herrn gekommen ist, der
sein Horn voll guter Neuigkeiten hat: mein Herr wird vor morgens
hier sein.
(Lanzelot ab.)
Lorenzo.
Komm, süßes Herz, erwarten wir sie drinnen.
Und doch, es macht nichts aus: wozu hineingehn?
Freund Stephano, ich bitt Euch, meldet gleich
Im Haus die Ankunft Eurer gnädgen Frau
Und bringt die Musikanten her ins Freie.
(Stephano ab.)
Wie süß das Mondlicht auf dem Hügel schläft!
Hier sitzen wir und lassen die Musik
Zum Ohre schlüpfen; sanfte Still und Nacht,
Stimmt zu den Klängen süßer Harmonie.
Komm, Jessica! Sieh, wie die Himmelsflur
Ist eingelegt mit Scheiben lichten Goldes!
Auch nicht der kleinste Kreis, den du da siehst,
Der nicht im Schwunge wie ein Engel singt,
Zum Chor der hellgeaugten Cherubim.
So voller Harmonie sind ewge Geister:
Nur wir, weil dies hinfällge Kleid von Staub
Und grob umhüllt, wir können sie nicht hören.
(Musikanten kommen.)
He! kommt und weckt Dianen auf mit Hymnen,
Rührt euer Herrin Ohr mit zartem Spiel,
(Musik)
Zieht mit Musik sie heim.
Jessica.
Nie macht die liebliche Musik mich lustig.
Lorenzo.
Der Grund ist, Eure Geister sind gespannt.
Bemerkt nur eine wilde flüchtge Herde,
Der ungezähmten jungen Füllen Schar:
Sie machen Sprünge, brüllen, wiehern laut,
Wie ihres Blutes heiße Art sie treibt;
Doch schaut nur die Trompete oder trifft
Sonst eine Weise der Musik ihr Ohr,
So seht Ihr, wie sie miteinander stehn;
Ihr wildes Auge schaut mit Sittsamkeit,
Durch süße Macht der Töne. Drum lehrt der Dichter,
Gelenkt hab Orpheus Bäume, Felsen, Fluten,
Weil nichts so stöckisch, hart und voll von Wut,
Das nicht Musik auf eine Zeit verwandelt.
Der Mann, der nicht Musik hat in ihm selbst,
Den nicht die Eintracht süßer Töne rührt,
Taugt zu Verrat, zu Räuberei und Tücken;
Die Regung seines Sinns ist dumpf wie Nacht,
Sein Trachten düster wie der Erebus.
Trau keinem solchen!--Horch auf die Musik!
(Porzia und Nerissa in der Entfernung)
Porzia.
Das Licht, das wir da sehen, brennt im Saal;
Wie weit die kleine Kerze Schimmer wirft!
So scheint die gute Tat in arger Welt.
Nerissa.
Da der Mond schien, sahn wir die Kerze nicht.
Porzia.
So löscht der größre Glanz den kleinern aus.
Ein Stellvertreter strahlet wie ein König,
Bis ihm ein König naht; und dann ergießt
Sein Prunk sich, wie vom innern Land ein Bach
Ins große Bett der Wasser. Horch, Musik!
Nerissa.
Es sind die Musikanten Eures Hauses.
Porzia.
Ich sehe, nichts ist ohne Rücksicht gut;
Mich dünkt, sie klingt viel schöner als bei Tag.
Nerissa.
Die Stille gibt den Reiz ihr, gnädge Frau.
Porzia.
Die Krähe singt so lieblich wie die Lerche,
Wenn man auf keine lauschet; und mir deucht,
Die Nachtigall, wenn sie bei Tage sänge,
Wo alle Gänse schnattern, hielt' man sie
Für keinen bessern Spielmann als den Spatz.
Wie manches wird durch seine Zeit gezeitigt
Zu echtem Preis und zur Vollkommenheit!--
Still! Luna schläft ja beim Endymion
Und will nicht aufgeweckt sein.
(Die Musik hört auf.)
Lorenzo.
Wenn nicht alles
Mich trügt, ist das die Stimme Porzias.
Porzia.
Er kennt mich, wie der blinde Mann den Kuckuck,
An meiner schlechten Stimme.
Lorenzo.
Gnädge Frau, willkommen!
Porzia.
Wir beteten für unsrer Männer Wohlfahrt
Und hoffen, unsre Worte fördern sie:
Sind sie zurück?
Lorenzo.
Bis jetzt nicht, gnädge Frau.
Allein ein Bote ist vorausgekommen,
Sie anzumelden.
Porzia.
Geh hinein, Nerissa,
Sag meinen Leuten, daß sie gar nicht tun,
Als wären wir vom Haus entfernt gewesen;--
Auch Ihr, Lorenzo! Jessica, auch Ihr!
(Trompetenstoß.)
Lorenzo.
Da kommt schon Eur Gemahl, ich höre blasen;
Wir sind nicht Plaudertaschen, fürchtet nichts.
Porzia.
Mich dünkt, die Nacht ist nur ein krankes Tagslicht,
Sie sieht ein wenig bleicher; 's ist ein Tag
Wie's Tag ist, wenn die Sonne sich verbirgt.
(Bassanio, Antonio, Graziano treten auf mit ihrem Gefolge.)
Bassanio.
Wir hielten mit den Antipoden Tag,
Erschient Ihr, während sich die Sonn entfernt.
Porzia.
Wenn mein Betragen nur das Licht nicht scheut,
So mag mein Fußtritt wohl im Dunkeln wandeln:
Ihr seid zu Haus willkommen, mein Gemahl!
Bassanio.
Ich dank Euch, heißt willkommen meinen Freund!
Dies ist der Mann, dies ist Antonio,
Dem ich so grenzenlos verpflichtet bin.
Porzia.
Ihr müßt in allem ihm verpflichtet sein;
Ich hör, er hat sich sehr für Euch verpflichtet.
Antonio.
Zu mehr nicht, als ich glücklich bin gelöst.
Porzia.
Herr, Ihr seid unserm Hause sehr willkommen!
Es muß sich anders zeigen als in Reden,
Drum kürz ich diese Wortbegrüßung ab.
(Graziano und Nerissa haben sich unterdessen besonders unterredet.)
Graziano.
Ich schwör's bei jenem Mond, Ihr tut mir Unrecht!
Fürwahr, ich gab ihn an des Richters Schreiber:
Wär er verschnitten, dem ich ihn geschenkt,
Weil Ihr Euch, Liebste, so darüber kränkt!
Porzia.
Wie? schon ein Zank? worüber kam es her?
Graziano.
Um einen Goldreif, einen dürftgen Ring,
Den sie mir gab; der Denkspruch war daran
Genau der Art, wie Vers' auf einer Klinge
Vom Messerschmied: "Liebt mich und laßt mich nicht."
Nerissa.
Was redet Ihr vom Denkspruch und dem Wert?
Ihr schwurt mir, da ich ihn Euch gab, Ihr wolltet
Ihn tragen bis zu Eurer Todesstunde;
Er sollte selbst im Sarge mit Euch ruhn.
Ihr mußtet ihn um Eurer Eide willen,
Wo nicht um mich, verehren und bewahren.
Des Richters Schreiber!--o ich weiß, der Schreiber,
Der ihn bekam, trägt niemals Haar am Kinn.
Graziano.
Doch, wenn er lebt, bis er zum Mann erwächst.
Nerissa.
Ja, wenn ein Weib zum Manne je erwächst.
Graziano.
Auf Ehr, ich gab ihn einem jungen Menschen,
'ner Art von Buben, einem kleinen Knirps,
Nicht höher als du selbst, des Richters Schreiber.
Der Plauderbub erbat den Ring zum Lohn:
Ich konnt ihm das um alles nicht versagen.
Porzia.
Ihr wart zu tadeln, offen sag ich's Euch,
Euch von der ersten Gabe Eurer Frau
So unbedacht zu trennen; einer Sache,
Mit Eiden angesteckt an Euren Finger
Und so mit Treu an Euren Leib geschmiedet.
Ich schenkte meinem Liebsten einen Ring
Und hieß ihn schwören, nie ihn wegzugeben;
Hier steht er, und ich darf für ihn beteuern,
Er ließ' ihn nicht, er riss' ihn nicht vom Finger
Für alle Schätze, so die Welt besitzt.
Ihr gabt fürwahr, Graziano, Eurer Frau
Zu lieblos eine Ursach zum Verdruß;
Geschäh es nur, es machte mich verrückt.
Bassanio (beiseite).
Ich möchte mir die linke Hand nur abhaun
Und schwören, ich verlor den Ring im Kampf.
Graziano.
Bassanio schenkte seinen Ring dem Richter,
Der darum bat und in der Tat ihn auch
Verdiente; dann erbat der Bursch, sein Schreiber,
Der Müh vom Schreiben hatte, meinen sich,
Und weder Herr noch Diener wollten was
Als die zwei Ringe nehmen.
Porzia.
Welch einen Ring gabt Ihr ihm, mein Gemahl?
Nicht den, hoff ich, den Ihr von mir empfingt.
Bassanio.
Könnt ich zum Fehler eine Lüge fügen,
So würd ich's leugnen; doch Ihr seht, mein Finger
Hat nicht den Ring mehr an sich, er ist fort.
Porzia.
Gleich leer an Treu ist Euer falsches Herz.
Beim Himmel, nie komm ich in Euer Bett,
Bis ich den Ring gesehn.
Nerissa.
Noch ich in Eures,
Bis ich erst meinen sehe.
Bassanio.
Holde Porzia,
Wär Euch bewußt, wem ich ihn gab, den Ring,
Wär Euch bewußt, für wen ich gab den Ring,
Und säht Ihr ein, wofür ich gab den Ring
Und wie unwillig ich mich schied vom Ring,
Da nichts genommen wurde als der Ring,
Ihr würdet Eures Unmuts Härte mildern.
Porzia.
Und hättet Ihr gekannt die Kraft des Rings,
Halb deren Wert nur, die Euch gab den Ring,
Und Eure Ehre, hangend an dem Ring,
Ihr hättet so nicht weggeschenkt den Ring.
Wo wär ein Mann so unvernünftig wohl,
Hätt es Euch nur beliebt, mit einger Wärme
Ihn zu verteidgen, daß er ohne Scheu
Ein Ding begehrte, das man heilig hält?
Nerissa lehrt mich, was ich glauben soll:
Ich sterbe drauf, ein Weib bekam den Ring.
Bassanio.
Bei meiner Ehre, nein! bei meiner Seele!
Kein Weib bekam ihn, sondern einem Doktor
Der Rechte gab ich ihn, der mir dreitausend
Dukaten ausschlug und den Ring erbat;
Ich weigert's ihm, ließ ihn verdrießlich gehn,
Den Mann, der meines teuern Freundes Leben
Aufrechterhielt. Was soll ich sagen, Holde?
Ich war genötigt, ihn ihm nachzuschicken;
Gefälligkeit und Scham bedrängten mich,
Und meine Ehre litt nicht, daß sie Undank
So sehr befleckte. Drum verzeiht mir, Beste!
Denn, glaubt mir, bei den heilgen Lichtern dort,
Ihr hättet, wärt Ihr dagewesen, selbst
Den Ring erbeten für den würdgen Doktor.
Porzia.
Daß nur der Doktor nie mein Haus betritt.
Denn weil er das Juwel hat, das ich liebte,
Das Ihr meintwillen zu bewahren schwurt,
So will ich auch freigebig sein wie Ihr:
Ich will ihm nichts versagen, was ich habe,
Nicht meinen Leib noch meines Gatten Bett;
Denn kennen will ich ihn, das weiß ich sicher.
Schlaft keine Nacht vom Haus! wacht wie ein Argus!
Wenn Ihr's nicht tut, wenn Ihr allein mich laßt:
Bei meiner Ehre, die mein eigen noch!
Den Doktor nehm ich mir zum Bettgenossen.
Nerissa.
Und ich den Schreiber; darum seht Euch vor,
Wie Ihr mich laßt in meiner eignen Hut.
Graziano.
Gut! tut das nur, doch laßt ihn nicht ertappen,
Ich möchte sonst des Schreibers Feder kappen.
Antonio.
Ich bin der Unglücksgrund von diesem Zwist.
Porzia.
Es kränk Euch nicht; willkommen seid Ihr dennoch.
Bassanio.
Vergeht mir, Porzia, mein gezwungnes Unrecht,
Und vor den Ohren aller dieser Freunde
Schwör ich dir, ja, bei deinen holden Augen,
Worin ich selbst mich sehe--
Porzia.
Gebt doch acht!
In meinen Augen sieht er selbst sich doppelt,
In jedem Aug einmal--beruft Euch nur
Auf Euer doppelt Selbst, das ist ein Eid,
Der Glauben einflößt.
Bassanio.
Hört mich doch nur an!
Verzeiht dies, und bei meiner Seele schwör ich,
Ich breche nie dir wieder einen Eid.
Antonio.
Ich lieh einst meinen Leib hin für sein Gut;
Ohn ihn, der Eures Gatten Ring bekam,
War er dahin; ich darf mich noch verpflichten--
Zum Pfande meine Seele--Eur Gemahl
Wird nie mit Vorsatz mehr die Treue brechen.
Porzia.
So seid denn Ihr sein Bürge; gebt ihm den
Und heißt ihn besser hüten als den andern.
Antonio.
Hier, Don Bassanio, schwört, den Ring zu hüten.
Bassanio.
Beim Himmel! eben den gab ich dem Doktor.
Porzia.
Ich hab ihn auch von ihm, verzeiht, Bassanio!
Für diesen Ring gewann der Doktor mich.
Nerissa.
Und Ihr, verzeiht, mein artger Graziano,
Denn jener kleine Bursch, des Doktors Schreiber,
War um den Preis hier letzte Nacht bei mir.
Graziano.
Nun, das sieht aus wie Wegebesserung
Im Sommer, wann die Straßen gut genug.
Was? sind wir Hahnrei, eh wir's noch verdient?
Porzia.
Sprecht nicht so gröblich.--Ihr seid all erstaunt;
Hier ist ein Brief, lest ihn bei Muße durch,
Er kommt von Padua, vom Bellario;
Da könnt Ihr finden: Porzia war der Doktor,
Nerissa dort ihr Schreiber; hier Lorenzo
Kann zeugen, daß ich gleich nach Euch gereist
Und eben erst zurück bin; ich betrat
Mein Haus noch nicht.--Antonio, seid willkommen!
Ich habe beßre Zeitung noch im Vorrat,
Als Ihr erwartet. Diesen Brief erbrecht;
Ihr werdet sehn, drei Eurer Galeonen
Sind reich beladen plötzlich eingelaufen;
Ich sag Euch nicht, was für ein eigner Zufall
Den Brief mir zugespielt hat.
Antonio.
Ich verstumme.
Bassanio.
Wart Ihr der Doktor, und ich kannt Euch nicht?
Graziano.
Wart Ihr der Schreiber, der mich krönen soll?
Nerissa.
Ja, doch der Schreiber, der es niemals tun will,
Wenn er nicht lebt, bis er zum Mann erwächst.
Bassanio.
Ihr müßt mein Bettgenoß sein, schönster Doktor.
Wenn ich nicht da bin, liegt bei meiner Frau.
Antonio.
Ihr gabt mir Leben, Teure, und zu leben:
Hier les ich für gewiß, daß meine Schiffe
Im Hafen sicher sind.
Porzia.
Wie steht's, Lorenzo!
Mein Schreiber hat auch guten Trost für Euch.
Nerissa.
Ja, und er soll ihn ohne Sporteln haben.
Hier übergeb ich Euch und Jessica
Vom reichen Juden eine Schenkungsakte
Auf seinen Tod, von allem, was er nachläßt.
Lorenzo.
Ihr schönen Fraun streut Manna Hungrigen
In ihren Weg.
Porzia.
Es ist beinahe Morgen,
Und doch, ich weiß gewiß, seht ihr noch nicht
Den Hergang völlig ein.--Laßt uns hineingehn,
Und da vernehmt auf Fragartikel uns,
Wir wollen auch auf alles wahrhaft dienen.
Graziano.
Ja, tun wir das; der erste Fragartikel,
Worauf Nerissa schwören muß, ist der:
Ob sie bis morgen lieber warten mag,
Ob schlafen gehn zwei Stunden nur vor Tag?
Doch käm der Tag, ich wünscht ihn seiner Wege,
Damit ich bei des Doktors Schreiber läge.
Gut! lebenslang hüt ich kein ander Ding
Mit solchen Ängsten als Nerissas Ring.
(Alle ab.)
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