Der Jungbrunnen: Neue Märchen von einem fahrenden Schüler - 6

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bewegen und herumzuwälzen, wie er immer im Schlafe that. So schlief
er bald ganz fidel ein und ließ sich von seiner Herzallerliebsten was
Angenehmes träumen.


Sechstes Kapitel.
Wie Musje Morgenroth das Wandern ankommt, ohne daß er Kehrt macht.

Eine ganze Zeitlang lebten sie also mitsammen, und Musje Morgenroth
ward gar wohlbeleibt, denn die kräftige Fleischbrühe schlug bei ihm
gut an, besonders weil er von der Fee her nicht an allzunährende
Kost gewöhnt war. Einen Tag um den andern mußt' er mit seinem
Pfefferröhrchen die Kleider des Pikbuben ausklopfen, und das gab immer
entsetzlich viel Staub. Es stand da ein großes Conterfei vom Pikbuben
unter den andern Tröpfen; da hängte er den Rock und die Beinkleider des
Originals an, stieg mit der Leiter hinauf und klopfte dann was er nur
konnte. Nebenan, d. h. wenn man auf der einen Seite übers Gebirg stieg,
war die große Wüste Sahara, und da zog der ganze Staub hinüber. Die
armen Kameele und Reisenden meinten dann, es käme ein Wirbelwind, der
den Sand aufwühle; es war aber nur der Staub aus des Pikbuben Garderobe.
Manchmal kamen auch des Pikbuben Vettern über die Berge. Der aber
konnte sie nicht ausstehn, weil sie ihn den schwarzen Peter schimpften,
und jagte sie wieder fort; denn er meinte, er wäre allein Trumpf,
und der Coeurbube und Carobube und Trefle dürften sich nicht wichtig
machen. Ja er hatte so seine Schrullen, und dann war er sehr schlimm
und wüthig.
Eines schönen Morgens hatte er auch wieder so getobt und entsetzlich
viel Staub gemacht, daß der erschrockene Musje Morgenroth sich sein
Pfefferröhrchen an den Beinkleidern zu Schanden klopfte. Da saß er
nun und war gar bekümmert. Ach, dachte er, wenn ich doch wär', wo
der Pfeffer wächst! Und wie er so sann, kam ihn immer gewaltigeres
Verlangen an, fortzulaufen, daß er den Finger an die Nase legte und
nachdachte, wie es wohl anzustellen sei. Den Dampfstuhl hatte der
Pikbube gleich wieder geheizt und leer weiterfliegen lassen. Gott weiß,
wo der jetzt steckte! So bloß Reißaus nehmen, ging nimmer an; denn der
Riese hätte mit den Siebenmeilenstiefeln das arme Stiefelputzerchen
wohl eingeholt, und wenn es auch den Vorsprung einer ganzen Nacht
gehabt hätte. Endlich fiel ihm eine List ein, um den Riesen auf einen
falschen Weg zu leiten; denn da konnt' er in alle Ewigkeit laufen,
ohne ihn einzuholen. Der Pikbube aber war gar einfältig, so wie man es
bei gebildeten Leuten oft findet, wenn sie vor lauter Weisheit nicht
klug sind. Denn weise war er, das mußte man ihm lassen, und hatte
erstaunlich viel Gelehrsamkeit am Leibe. Musje Morgenroth also trat
mit einem gar ehrlichen Gesicht zu ihm und sagte: Ich habe darüber
nachgedacht, Excellenz, wie wohl es mir hier geht, und bin so zu
sagen ordentlich gerührt dadurch. Ich könnte mich sogar entschließen,
auf immer hier mein Jahr abzudienen. -- Da schmunzelte der Pikbube
und sagte: Ihr seid auch ein ganz ausnehmend gebildeter Mann,
liebster Musje Morgenroth. Wer sonst bei mir war, hat sich trotz der
menschenfreundlichen Behandlung fortgesehnt; ja einige haben sogar
den Versuch der Flucht gemacht! -- Excellenz scherzen! sagte Musje
Morgenroth. -- Nein, verlaßt Euch drauf, fuhr der Pikbube fort. Einer
war schon weit in die schöne Gegend hineingelaufen; aber natürlich
überholt' ich ihn mit den Siebenmeilenstiefeln. -- Da that nun das
kluge Stiefelputzerchen höchlich erstaunt, daß die Herrn Flüchtlinge
nicht lieber durch die Wüste Sahara gelaufen wären. Es wär' so schöner
gerader Weg, auch recht fest, absonderlich nach dem Regen, und auf der
andern Seite, wo es in die schönen Thale hinabginge, lägen die fatalen
Berge dazwischen. -- Aha, dachte der Riese, er hat's doch schon heraus.
Wollen uns nur in Acht nehmen, und wenn der Musje einmal vermißt wird,
gleich über die Wüste ihm nachtraben. -- Und wie er das dachte, strich
er sich den Bart und meinte wunder wie fein er sei; und das war doch
gerade die Einfalt.
Abends, als Beide zu Bett gingen, legte der Riese seine hohle Hand
sorglicher als je über seinen Schlafkumpan und schlief dann ganz guter
Dinge ein. Wie nun Musje Morgenroth ihn schnarchen hörte, zog er ein
Federmesser heraus und piekte ihm tapfer in den kleinen Finger. Da
wachte der Pikbube halb auf und fragte:
Warum hast du mich gestochen?
Morgen wird's an dir gerochen,
Ich zerbläu' dir alle Knochen!
Musje Morgenroth aber antwortete:
Es war ein Floh,
Der stach Euch so.
Ich armer Musje
Um Gnade fleh'.
Ich will mir's überlegen! brummte der Riese und schlief wieder ein.
Da piekte ihm Musje Morgenroth wieder herzhaft in den kleinen Finger.
Der Pikbube aber war schon tief eingeschlafen; weil er's aber im Traum
fühlte, und dachte, es wär' ein Floh, hob er die Hand auf und legte sie
unter seinen Kopf. Musje Morgenroth aber stand ganz leise auf, schlug
dem schnarchenden Riesen ein Schnippchen und huschte aus der Höhle
hinaus.
Es war wunderherrlicher Mondenschein; die Tröpfe standen wie weiße
Gespenster, unheimlich und spukhaft, und das Conterfei des Riesen
schien dem Entwischten ein böses Gesicht zu schneiden. Der aber war
bald übers Gebirg und wanderte lustig in die monddämmerige Gegend
hinaus. Er hätte gern ein Lied gesungen; aber er fürchtete, es könne
ihn verrathen, und so fuhr er nur immer verstohlen über die Saiten der
Guitarre, die er nicht dahinten gelassen hatte, daß die Vögel im Traum
meinten, es wär' im Himmel Concert. Und so ging er, ohne auszuruhn,
vorwärts bis zum lichten Morgen.
Wie der Riese am Morgen aufwachte und Musje Morgenroth nicht fand,
merkte er gleich Unrath, stand aber gar nicht zu hastig auf und fuhr
gemächlich in seine Siebenmeilenstiefeln. Dann nahm er den Weg zwischen
die Beine und stapelte in die große Wüste hinein, und immer immer
weiter, bis er dahin kam, wo die Welt mit Brettern vernagelt ist. Da
merkte er wohl, daß er betrogen war; und noch dazu war so viel Sand in
seine Stiefel gekommen, daß er die Füße nicht mehr heben konnte; und so
ist er im Sande elendiglich umgekommen.
Musje Morgenroth jedoch wanderte gar guter Dinge fürbaß, blieb an jedem
Wegweiser stehn, ob zu lesen stände, wo man nach dem Pfefferland kommt,
und fragte jeden, der ihm begegnete; aber keiner konnt's ihm sagen.
Wie es nun gegen Mittag war, bekam er doch Lust nach der Fleischbrühe
beim Riesen und seufzte ganz traurig: Ach daß ich doch wäre, wo der
Pfeffer wächst! denn wenn ich unterwegs verhungere, kann ich doch mein
Glück nicht machen! -- Er hatte aber keinen Heller Geld, überhaupt
nichts, als was er auf dem Leibe trug; denn das Hemd, das ihm noch
übrig gewesen, mußte er ganz zu Charpie verzupfen und dem Pikbuben in
die Wunden legen, die ihm seine Vettern schlugen; -- und seine Guitarre
wollt' er nicht versetzen. Da ging gerade ein Mann vorbei, der hatte
gehört was er seufzte, trat an ihn heran und sagte: Dahin sollt Ihr
bald kommen; habt nur die Güte mir zu folgen. -- Musje Morgenroth ging
auch richtig, ohne sich zu besinnen, mit, und der fremde Mann führte
ihn durch sein Haus in einen großen Garten, stellte ihn an ein Beet,
darauf eben nichts zu schauen war als schöne fette Erde, und sagte:
Hier, theurer Fremdling, wächst Pfeffer! -- Aber ich sehe ja nichts,
sagte Musje Morgenroth. -- Die Saat ist erst seit einem Monat im
Boden, erwiederte der Mann, aber sie keimt schon; und damit wühlte er
wahrhaftig ein paar schöne schwarze Pfefferkörner hervor, die von der
Feuchtigkeit beschlagen waren, und wies sie dem Musje Morgenroth. Der
begriff den Mann nicht, sagte aber: Das ist eine sehr hoffnungsvolle
Plantage, lieber Herr, und ein verdienstlich Werk, diesem Getreidebau
Eingang zu verschaffen. -- Das meine ich! sagte der Andre und strahlte
vor Vergnügen. Ihr seid aber meiner Seel' der Erste, der Interesse
dafür zeigt; die Meisten begreifen meine Pläne nicht, oder belachen sie
gar. -- Ei ei, sagte Musje Morgenroth, das ist ja recht unverständig,
eine gute nützliche Unternehmung zu belachen! -- Er merkte nun wohl,
daß es nicht recht richtig mit dem Mann war, ließ sich aber von ihm
in sein Haus zurückführen, wo sie denn gar köstlich aßen und tranken,
und nach Tisch brachte der Wirth seinen Gast in eine Kammer, darin er
sein Geld bewahrte und gab ihm einen ganzen Beutel voll Dukaten zur
Reisezehrung mit auf den Weg; denn, sagte er, Ihr seid ein gebildeter
Mann; und wenn ich Pfefferernte habe, gebe ich ein großes Volksfest;
zu dem seid aber nur Ihr geladen, und die Ungläubigen müssen mit langen
Nasen abziehn. -- Da versprach ihm denn Musje Morgenroth, er werde ganz
gewiß kommen zur Pfefferernte, bedankte sich höflichst und ging.
Er war schon wieder ein gut Stück weiter gewandert und sagte dabei
immer vor sich hin: Ach wenn ich doch wäre, wo der Pfeffer wächst! Da
gesellte sich ein Bursch zu ihm, sagte, er ginge des Weges, sie könnten
selbander gehn. Der war aber seines Zeichens ein Spitzbube, und wie er
nun den Beutel mit Gold sah, den Musje Morgenroth alle Augenblick zog,
um einem Armen ein Almosen zu geben, dachte er: den Vogel willst du
rupfen. Herr, fing er an, wenn Ihr gern wissen wollt, wo der Pfeffer
wächst, dahin kann ich Euch weisen; kommt nur mit! So ging er linksab
einen wilden Waldsteg, und Musje Morgenroth hatte kein Arg, sondern
folgt' ihm auf der Ferse. Sie waren eine Weile gegangen und kamen
endlich zu einer wilden Schlucht; da saßen noch so ein zehn oder elf
Bursche um ein Feuer, schmauchten ihr Pfeifchen und spielten Würfel.
Hier bring' ich Euch Einen, rief ihnen Musje Morgenroths Begleiter zu,
der will gern wissen, wo der Pfeffer wächst. Er hat einen gespickten
Beutel; das ist wohl genug Schulgeld, um's ihn zu lehren. Fangt nur
die Lection an! Damit warf er das arme Stiefelputzerchen nieder, riß
ihm den Beutel weg, und nun fiel die ganze Bande über ihn her, schlug
ganz gottesjämmerlich auf ihn los und schrie dabei: Hier wächst der
Pfeffer! Merkst du, wie er beißt? Hier wächst der Pfeffer! Und so
schlugen sie den Aermsten, bis er stille war mit Schreien, und trugen
ihn durch den dicken Wald wieder auf die Landstraße, wo sie ihn für
todt liegen ließen.


Siebentes Kapitel.
Ende gut, Alles gut.

Er war aber nicht todt, sondern nachdem er ein paar Stunden da gelegen
hatte, schlug er die Augen wieder auf, und war ihm kein Leids geschehn,
außer daß er braun und blau war. Er schleppte sich mit Mühe ins nächste
Dorf, da gab ihm eine gute Frau Wirthin einen Krug Bier und eine
Butterbemme um Gotteswillen; und Nachts bekam er eine weiche Streu,
darauf schlief er bis an den hellen Tag und war wieder frisch und
gesund.
Eine geraume Zeit zog er nun herum und verdiente sein Brod mit
Musiciren, forschte aber immer fleißig nach dem Land, wo der Pfeffer
wächst. Da kam er eines Tags an eine große Mauer, in der war ein
stattliches Thor, und über demselben stand mit goldnen Buchstaben:
Durch dieses Thor kommt man ins Land, wo der Pfeffer wächst. Man kann
leicht denken, wie froh Musje Morgenroth war. Er mußte sich einmal
recht auslassen, nahm also die Guitarre vor und sang und spielte,
während er die tollsten Luftsprünge machte. Das Lied lautete aber so:
Lustig Blut und frische Lieder,
So gebührt's dem Wandersmann;
Berg hinauf und Thal hernieder
Ficht ihn sonst das Heimweh an.
Ging ich singend sonder Ruh
Manche Meil' in lauter Wonnen.
Süßer klarer Liedesbronnen,
Riesele, riesele immerzu!
Wenn der Wald thut kühlig rauschen
In der warmen Sommerlust,
Müssen Eich' und Linde lauschen
Auf den Klang aus meiner Brust.
Ob auch reißen Rock und Schuh,
Jauchze doch im Schein der Sonnen.
Süßer klarer Liedesbronnen,
Riesele, riesele immerzu!
Aber so die Winde streichen
Und regieren über Feld,
Sing' ich allestund ingleichen,
Bis die Trübe sich erhellt.
Denke dann: Du Wetter du,
Bist vor meinem Sang zerronnen.
Süßer klarer Liedesbronnen,
Riesele, riesele immerzu!
Und in Dörflein und in Städtchen
Zieh ich nur mit Liedern ein;
Alle tugendlichen Mädchen
Nicken mir vom Fensterlein.
Habe gleich als wie im Nu
Einen herzigen Schatz gewonnen;
Süßer klarer Liedesbronnen,
Riesele, riesele immerzu!
Da that sich in der Mauer ein Fensterlein auf und ein Kopf erschien
mit gar brummiger Miene und einer großen schwarzen Nase. Guter Freund,
sagte der Mann -- und der Kopf war nämlich des Zöllners Kopf -- hier
dürft Ihr nicht mit so viel Lärm Einzug halten, wie Ihr's sonst mögt
getrieben haben. Hier im Land ist große Trauer; alle Welt läuft mit
schwarzer Nase herum und lamentirt und weint, denn dem König seine
Tochter ist schwer krank. -- Was fehlt denn dem Fräulein Prinzeß?
fragte Musje Morgenroth. -- Ach, sagte der Zöllner, sie leidet am
freiwilligen Hinken. Vor zwei Jahren ist ihr Einer begegnet, der war
damit behaftet; und da sagte sie, sie wolle auch einmal ihren Willen
haben und auch freiwillig hinken. Seitdem humpelt sie nun beständig,
und kein Arzt weiß dem Ding abzuhelfen. Nun hat der König dem, der
sie heilen könne, drei Wünsche zu thun erlaubt; die wolle er ihm
erfüllen, wenn er's vermöchte, und wär's sein halbes Königreich. Das
Land wünscht sehnlichst, es möchte Einer kommen, der's verstände;
denn so lange die Prinzeß krank ist, müssen wir Alle schwarze Nasen
tragen. -- Ei, erwiederte Musje Morgenroth, schließt hurtig das Thor
auf! ich will sie schon kuriren. -- Der alte Zöllner sah ihn von
oben bis unten an und schnitt ein ungläubiges Gesicht, öffnete ihm
aber ungesäumt. Da trat nun Musje Morgenroth in das Land ein, wo der
Pfeffer wächst, und wunderte sich ausnehmend, denn er hatte sich's viel
kurioser vorgestellt. Sagt einmal, frug er, wo wächst denn eigentlich
der Pfeffer? Ich bin von Haus aus Stiefelputzer und möchte mir so
im Vorbeigehn ein Rohr abschneiden. -- Ihr habt einen wunderlichen
Glauben, lieber Mann, erwiederte der alte Zöllner. Hier wächst bei
jedem Rohr der dazugehörige Stiefelputzer mit. -- Ach du mein Gott,
rief Musje Morgenroth, da ist ja nichts für unsereins zu holen! Nein,
aber so eine närrische Einrichtung! Das ist einmal ein putziges
Land! -- Der Zöllner schien das im Stillen übelzunehmen, sagte aber
nichts. Indem kam ein langer schwarzer Zug daher; vorne ging Einer
mit schwarzer Nase und einem Pfefferrohr; dann kam ein Leichenwagen,
den zwei Pferde mit schwarzen Nasen zogen; auf dem Sarg lag wieder
ein Pfefferrohr und eine große Schaar Leidtragender folgte, alle mit
schwarzen Nasen und Pfefferröhren. Seht Ihr, Herr? sagte der Zöllner,
das ist ein Stiefelputzerbegräbniß. Musje Morgenroth riß Mund und
Augen auf; das war ihm doch nie im Traum eingefallen. Uebrigens, sagt'
er, scheint hier die edle Stiefelputzerkunst fabrikmäßig betrieben zu
werden, und das ist doch eine unwürdige Art. -- Der Zöllner schoß ihm
giftige Blicke zu, sagte aber wieder nichts; denn er war ein gebildeter
Mann, und wies Musje Morgenroth nach des Königs Palast.
Wie er nun in den Palast kam, ließ er sich beim König melden, und
trug ihm sein Anerbieten vor: er wolle die Prinzessin kuriren. Ach
lieber Herr Unterthan! sagte der König, es haben's schon so viele
versucht und ist doch nicht gelungen; ich fürchte, Ihr kommt auch
vergebens. -- Laßt mich nur machen, sagte Musje Morgenroth; ich habe
Praxis in solchen Dingen; nur muß ich Euch bitten, mir ein tüchtiges
Pfefferrohr zu verschaffen. -- Der König sah ihn verwundert an und
fragte: Ihr wollt der Prinzeß doch nicht weh thun? -- Behüte! sagte
Musje Morgenroth, ich schneide das Pfefferrohr klein, nehme Salz und
Essig und Oel und mache ein Tränklein; davon muß sie einnehmen, alle
Stunde einen Eßlöffel voll. Da war denn der König beruhigt, sandte
nach dem Kirchhof und ließ das Pfefferrohr holen, das auf des eben
verblichenen Stiefelputzers Grab gelegt werden sollte. Es wurde auch
nicht geweigert; denn die Pfefferaner waren gute Unterthanen, und der
König konnte thun, was er wollte.
Musje Morgenroth aber ließ sich zur Prinzessin führen, nahm Salz und
Essig und Oel mit, und riegelte sorgfältig hinter sich ab. Was da
innen geschehen ist, weiß man nicht genau. Man hörte es nur im Zimmer
klatschen, wie wenn ein Kleid ausgeklopft würde oder ein Kind die Ruthe
bekäme, und klägliches Geschrei erscholl, und es war als ob sich Zwei
im Zimmer herumjagten. Vielleicht machte die Zubereitung des Tränkleins
so viel Lärm, vielleicht war auch ein anderer Grund; kurz man hat nie
so recht klug daraus werden können. Die Kur war aber schnell gethan;
denn nach einer Viertelstunde öffnete sich die Thür, die schöne
Prinzessin kam freilich ein bischen verweint, aber doch ohne zu humpeln
heraus, fiel ihrem Vater um den Hals und sagte: Ich bin kurirt, Papa!
-- Der war nun gar zu neugierig, wie es zugegangen sei. Das Tränklein
war wohl eingerührt, aber es schien kaum ein Tröpfchen davon genossen
zu sein. Die Prinzeß jedoch wollte nie sagen, wie die Kur geschehen
sei, und Musje Morgenroth zeigte auch keine absonderliche Lust dazu.
Sogar der Pfefferrohrstock war ganz geblieben; der Herr Doktor sagte,
er habe ihn nicht gebraucht; das Salz und Essig und Oel sei schon
allein kräftig genug gewesen. Weil man's nun nicht herausbringen
konnte, dachte man nicht länger dran und war herzensfroh, daß die
schöne Prinzessin nun gesund war. Im ganzen Land sang man Loblieder auf
Musje Morgenroth, wusch sich die Nase wieder weiß und aß Gänsebraten,
was sonst nur an hohen Festtagen geschah.
Musje Morgenroth aber ging zum König und sagte: Nun hätte ich aber
auch Lust, meine drei Wünsche zu thun. -- Wünscht immer drauf los!
sagte der König; aber ich bitte Euch, seid nicht gar zu unverschämt;
sonst macht Ihr mich zum armen Mann. -- Seid ohne Sorge, Majestät,
erwiederte Morgenroth; ich bin ein gebildeter Mann. Als solcher aber
bin ich arm, und wünsche daher fürs erste schrecklich viel Geld, damit
ich mich in Ruhestand setzen und Jungfer Abendbrod heirathen kann. --
Schrecklich viel Geld sollt Ihr haben, sagte der König. -- Zweitens,
fuhr Musje Morgenroth fort, möcht' ich einen schönen goldnen Knopf
auf mein Pfefferrohr. -- Wenn's weiter nichts ist! sagte der König;
aber nun nehmt Euch einmal zusammen beim dritten Wunsch; denn ich
möcht' Euch gern was recht Liebes zu Gefallen thun. -- So macht mich
zum Geheimerath, platzte Musje Morgenroth verlegen heraus. -- Wie Ihr
denn wollt, sagte Se. Majestät; Ihr sollt gleich das Patent haben.
Darauf rief er seinen Kanzler, der das Pergament dem Musje Morgenroth
in einer goldnen Kapsel einhändigen mußte; und nun wurde auch der
Hofseckelmeister gerufen, der mußte ihm schrecklich viel Geld geben,
und der Hof-Goldschmied machte ihm einen wundervollen Knopf von purem
Golde auf sein Pfefferrohr, daß Musje Morgenroth sich gar nicht zu
lassen wußte vor übergroßer Freude. Er begehrte aber sehnlichst zu
seiner Jungfer Abendbrod zurück, und da ließ der König Extra-Post
kommen, so gern er ihn auch behalten hätte. Wie er nun schon im Wagen
saß und Abschied nahm, stieg der König noch zu guter Letzt auf den
Wagentritt und steckte ihm den Orden ~pour le mérite~ an, und die
Prinzessin gab ihm ein schwarzes Nähkästchen von Ebenholz mit silbernen
Sternen und ein schwarzes Sammetkleid, ebenfalls silbernbesternt; er
sollt's seiner Frau Geheimeräthin bringen. Da traten dem guten Musje
die Thränen in die Augen; er rief: Schwager, fahr zu! und die Pferde
liefen was sie konnten, und der Schwager blies, und Musje Morgenroth
hielt sein naßgeweintes Schnupftüchelchen zum Fenster hinaus und
wedelte damit gar gerührt zum letzten Lebewohl.
Die Pferde liefen aber Tag und Nacht, und wie eine volle Woche um war,
wachte Musje Morgenroth in der Frühe auf, rieb sich die Augen, und da
hielt die Kutsche vor dem Gartenhäuschen der Fee. Jungfer Abendbrod
aber, die eben im Garten war und die Rosenkäfer und Eidechslein auf
die Seite kehrte, trat ganz erstaunt vor die Thür. Als sie aber ihren
Liebsten herausspringen sah, warf sie den Besen weit weg und flog ihm
in die Arme, und da die Fee eine Viertelstunde später zum Fenster
hinausschaute, lagen sie noch immer einander in den Armen und konnten's
gar nicht glauben, daß sie einander wieder hatten.
Gleich am andern Tag ward nun Hochzeit gehalten, und da trug Jungfer
Abendbrod das schwarze Sammetkleid mit den silbernen Sternen, und die
101 Geheimerathsfräulein waren eingeladen und Fresco's und die Fee
auch, und der Fritz, der dem Musje Morgenroth immer Grobheiten über
sein Pfefferrohr gesagt hatte. Die Geheimerathssippschaft rümpfte
freilich im Stillen die Nasen; aber was sollten sie thun? er war doch
einmal Geheimerath und hatte noch dazu einen Orden, und beim König
vom Pfefferland wären sie schön angekommen, wenn sie all das nicht
respektirt hätten. Geheimerath Morgenroth aber lebte nun gar vergnügt
mit seiner Frau Geheimeräthin, schrieb ein dickes Buch Reisebilder und
bekam viele Kinder, die alle Geheimeräthe und Geheimeräthinnen wurden.


Veilchenprinz.

Das Haus lag einsam und still, etwas entfernt von der großen
Landstraße, die durch das grüne Gezweig der Bäume wie ein silberner
Streif hindurchschimmerte. Vorn war ein freier Platz, mit eisernem
Geländer eingefaßt, und zierliche Blumenanlagen lachten aus den
dunkeln Schatten einiger hohen Kastanien hervor. Hinter dem Hause aber
erstreckte sich ein großer Garten, aus dem ein kleines Pförtchen auf
das freie Feld führte.
Was war das für ein wunderbarer Garten! Uralte Bäume streckten ihre
Häupter trotzig in das klare Himmelsblau und suchten der Sonne den
Eingang zu wehren. Aber die goldenen Strahlen schlüpften dennoch durch
und glitzerten auf den sauberen Kieswegen und drangen sogar in die
duftigen Lauben ein von Jasmin und Nachtviolen, die sich an lebendige
Hecken und üppige Weingelände anlehnten. Aber das Schönste war eine
silberhelle Fontäne, die versteckt zwischen Trauerweiden in ein
kleines Becken von weißen Steinen plätscherte, und wer vorüberging,
hörte wohl ihr trauliches Geschwätz, aber konnte sie selbst nicht
sehen, bis er näher trat und durch die Zweige schaute und den
Wasserstrahl kerzengrade aufsteigen und in tausend blinkenden Stäubchen
herabfallen sah. Nicht gar weit davon führte der Weg einen Hügel
hinauf, an der einen Seite dicht mit Jasmin umbüscht, auf der Seite
nach dem Springbrunnen zu offen, und da war ein Bänkchen aus Baumrinde
geschnitzt. Von hier aus sah man auf die Trauerweiden herab, über die
der Strahl weit hinaus sich erhob, und in der weiten Ferne zog sich
das blaue Gebirg nebelhaft hin, das sich nach und nach mit dem Himmel
vereinte und der schönste Rahmen zu dem lieblichen Bilde war.
An dem Rande des Beckens nun lag ganz versteckt ein kleines Beet von
Veilchen, von keinem Gärtner gepflanzt. Eine Lücke in den Zweigen
ließ etwas breitere Sonnenstrahlen hindurchfallen, und der stäubende
Thau des Springbrunnens hatte die schüchternen Pflänzchen erzogen
und genährt. Nun standen sie da in ihrer jugendlichen Schönheit, und
die Schmetterlinge nur flatterten zu ihnen und kos'ten mit ihnen und
flohen bestürzt davon, wenn ein neckendes Wassertröpfchen ihre Flügel
getroffen hatte.
Jedes dieser kleinen Blümchen war bewohnt von einem zarten Elfen,
dessen Leben innig mit dem seiner Wohnung verknüpft war, und das
waren überaus feine Wesen, gar zierlich von Gestalt und Gesicht,
und die kleinen Herzen schlugen von lauter Liebe und holdseliger
Freundlichkeit. Auch einen König hatten sie, der älter war, als sie
Alle, und sein Völkchen weise regierte. Er hatte viel zu thun den
ganzen Tag über, und wenn er des Abends sein kleines Haupt mit der
goldnen Krone senkte und sich zum Schlafen anschickte, fielen ihm
die Augen bald zu. Denn das Völkchen war wohl gutmüthig und folgsam,
aber ein wenig lose und lustig, und scherzte gern mit den schönen
Schmetterlingen oder den buhlerischen Lüftchen. Das gab nun der König
nicht zu, und wenn er auch nicht hindern konnte, daß die jungen
Herren kamen, so befahl er doch, daß die Jungfrauen sittsam die Augen
niederschlagen und die Jünglinge sich auch stille verhalten sollten.
Der König hatte einen Sohn, dessen Namen ich nicht nennen kann,
weil ich ihn nicht weiß; wir wollen ihn also Veilchenprinz nennen.
Daß Veilchenprinz schön war, versteht sich von selbst. Sind doch
alle Prinzen und Prinzessinnen schön, und wenn sie's nicht sind,
ist's wenigstens wider den Respekt, es zu sagen; dann aber wissen
wir schon, daß die Veilchenelfen alle sehr schön sind, und so wird
der Sohn des Königs wohl keine Ausnahme machen. Außerdem aber war
Veilchenprinz in jeder Beziehung höchst ausgezeichnet, und wenn sein
Herr Vater einmal gestorben wäre, hätten die Veilchen einen guten
König bekommen. Der Alte aber dachte nicht ans Sterben, ließ vielmehr
seinen Sohn seine ganze Kraft und Strenge fühlen und hatte immer
was an ihm zu hofmeistern. Bald stand er nicht grade, bald war er
schlecht frisirt, bald schaute er trüb aus den Augen; und da freute
sich denn Veilchenprinz auf die Nacht, wo er unbeaufsichtigt war und
hinaufschauen konnte zu den Sternen, die ihn viel freundlicher ansahen,
als sein Herr Vater.
Nun wollte dieser ihn mit Gewalt verheirathen, und zwar an eine
Cousine, die ziemlich nah mit dem königlichen Hause verwandt war.
Veilchenprinz liebte sie nicht und dachte mit Sorgen und Kummer der
Zeit, wo er sich nicht mehr mit seiner Jugend würde entschuldigen
können. Seine Cousine war zwar auch schön und gut, aber nicht sehr
klug und schrecklich langweilig. Denn sie konnte Stunden lang neben
ihm stehen und ihn ansehen, ohne ein Wörtchen zu sprechen, und wenn
sie etwas hervorbrachte, war es etwas ganz Albernes. Dazu war sie ein
wenig eitel und putzsüchtig, und wenn nicht der König auf sie besonders
ein scharfes Auge gehabt hätte, so würde sie der bunte Schmetterling
noch viel öfter besucht haben, mit dem sie sich Abends in der Dämmerung
zuweilen unterhielt. Vielleicht wären sie aber dennoch ein Pärchen
geworden, wenn nicht etwas Anderes dazwischen gekommen wäre.
Eines Morgens in aller Frühe, als die Veilchen noch schliefen, aber
die Sonne schon lustig auf den Wellen des Wassers tanzte, hörte
Veilchenprinz leichte Schritte den Weg daherhüpfen, und eine helle,
frische Stimme sang eine gar muntre Melodie. Die Worte verstand er
nicht, denn die Stimme war zu weit entfernt, und er konnte auch von
der Gestalt nichts erblicken, als ein weißes Kleidchen, das durch die
Zweige sich bewegte. Er horchte mit verhaltenem Athem, und die Stimme
kam näher, so daß er ganz deutlich folgende Worte hören konnte:
Mühlen still die Flügel drehn,
Ueber die Stoppeln pfeift der Wind;
Arme Hütten im Grunde stehn,
Fensterlein sind schmal und blind.
Bald da kommt ein Sonnenschein,
Blickt so lustig wie er kann;
Mühlenflügel und Fensterlein
Fangen ein Tanzen und Glitzern an.
Dürftig Herz, so bist du ganz,
Blöd' und blind viel Tag und Nacht,
Bis ein leiser Liebesglanz
Dich unsäglich fröhlich macht.
Die Stimme schwieg. Veilchenprinz strengte alle Kräfte an, um durch
die Bäume zu sehen; aber plötzlich bogen sich die Zweige auseinander
und ein junges Mädchen näherte sich dem Springbrunnen. Das weiße
Kleidchen, das vorher schon verrätherisch durch die Büsche geschaut
hatte, war mit blauen Schleifen zierlich garnirt, und im Haar trug sie
ein Band von derselben Farbe, das zu beiden Seiten über die Schultern
herunter hing. In der Hand hielt sie ein weißes Morgenhäubchen, das
sie eben abgenommen zu haben schien, und ein unendlich reizender Zug
von Unbefangenheit und unschuldiger Freude ging über ihr junges
Gesicht. Veilchenprinz aber sah nichts von dem allen; er sah nur ihre
Augen, die ihn wie mit einem gewaltigen Zauber gebannt hatten. Das war
ihm auch nicht übel zu nehmen, denn sie funkelten und glänzten wie
Gazellenaugen, und Veilchenprinz hatte noch nie schwarze Augen gesehen.
Er selbst hatte blaue, und sein langweiliges Cousinchen auch, und so
das ganze Veilchenvolk. Das Mädchen aber stand eine ganze Zeit am
Brunnen und schien eine große Freude zu haben über das Geplätscher des
Wassers und wie die kleinen Wellen sich jagten und hin und her hüpften.
»Hier ist es einmal schön!« rief sie aus und klatschte erfreut in die
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