Der Jungbrunnen: Neue Märchen von einem fahrenden Schüler - 10

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Nachdem die Nixe ihre Geschichte beendet hatte, folgte eine kleine
Stille. Dann sagte Fedelint und betrachtete traurig seine Mütze, die
nun nicht mehr passen wollte: Liebes, schönes Fräulein! Ich weiß
nicht, ob ich lachen oder weinen soll. Das Lied kenne ich nun wohl,
wodurch ich Funzifudelchen gewinne; aber mit dem Kopfputz wird sie mich
doch nimmermehr lieb haben. -- Närrchen! lachte die Nixe, das ist das
Wenigste. Ja freilich habt Ihr ein bischen Mühsal davon, denn Ihr müßt
Euch die Hörner ablaufen; aber ich sag' Euch gut dafür, daß Ihr in der
nächsten Mitternacht vor dem Glas-Pavillon steht und dabei, wenn Euch
der Kopf friert, wie sonst die Mütze aufhaben werdet. Das müßt Ihr aber
so anstellen. Seht Ihr wohl? da hinter den Bäumen, wo die lichte Stelle
ist, dämmert schon der Morgen; sobald es Tag wird, macht Euch auf und
streift durch den Wald und seht dabei fleißig nach Eurer Taschenuhr.
Denn alle Stunde müßt Ihr die Hörnlein gegen einen Eichstamm stupfen;
dann werden sie kleiner. Abends aber, sobald der Mond herauf ist, wird
Euch ein braunes Reh begegnen, das noch kein Geweih hat. Eure Hörnlein
sind dann schon ganz kurz, kaum eines Daumens stark. Wenn Ihr das Reh
seht und sein Rufen hört, sprecht folgenden Vers:
Rehlein schlank und Rehlein braun,
Von der allerschönsten Fraun,
Undula der Wassernix,
Bring' ich zu dir Gruß und Knix.
Und sie läßt dir freundlich sagen,
Dies Geweihlein sollst du tragen.
Nimm's und hab noch tausend Dank,
Rehlein braun und Rehlein schlank!
Dann fühlt nach Eurem Kopf, und Ihr werdet der Bürde los und ledig
sein. Wißt Ihr aber? wenn Ihr mir was Liebes thun wollt, dieweil ich
Euch zu Funzifudelchen verholfen habe, so werft dem Professor Sutorius
am hellen Tage die Fenster ein. Und nun Adieu!
Sie steckte Fedelint noch die Taschen seines Schlafrocks mit den
~beaux-restes~ der Mahlzeit voll, Alles fein säuberlich in große
Blätter gewickelt, und nahm dann Abschied. Einige Geschichtschreiber
meinen, die Nix habe ihn noch zu guter Letzt im Küssen examinirt,
und er habe ganz glänzend bestanden. Wir können das nicht verbürgen;
so viel aber steht fest, daß er zu sich selbst sagte, wie er durch
den dämmernden Wald dahinschritt: Es ist doch zuweilen gut, wenn man
getrennt ist von seiner Braut und die eine verwunschene Prinzessin ist,
daß sie nicht alles sehn kann, was man thut.
Im Wald aber wachten alle Vögel auf und fingen an zu zwitschern und
nahmen Besuch an von den Sonnenblitzen, die zu ihnen in die Nestchen
kamen. Es war Alles übermüthig und vergnügt, und die Zweige der jungen
Buchen konnten es nicht lassen, Fedelint zu necken und ihm das Gesicht
zu streicheln, daß er manchmal ganz bitterböse wurde. Dann aber
lachte er sich selbst aus und ging die verschlungenen Wege weiter,
die Taschenuhr in der Hand, und richtig alle Stunden stupfte er die
Hörnlein an einen Eichstamm und sagte bei sich: Mach' ich's doch gerade
so gut wie die kleinen Zicklein, und mein Geweih ist erst von gestern!
Dabei sang er sich beständig das Lied der Nixe Undula vor, um es nicht
zu vergessen. Ei der schändliche Sutorius! brummte er auch mitunter.
Ich habe es gleich gemerkt, es mußte so was passirt sein; denn wenn er
im Colleg über die ~Nixa maritima~ sprach, war er ganz ruhig; nur bei
der ~Nixa aquosa~, wozu er die Wildbachnixen zählte, verwirrte er sich
jedes Mal. Ja, ja, das war das böse Gewissen! -- Und dann riß Fedelint
immer ganz ärgerlich eine Knospe oder eine Blume ab, und murmelte so
was wie: Pfui, der alte Sünder!
Wie es um Mittag war und er Schlag zwölf Uhr seine Hörnlein abgewetzt
hatte, und sie waren schon ganz zierlich und klein, kam er an eine
kühle schattige Stelle, wo ein kleiner Brunn rieselte, mit Epheu und
Immergrün überrankt. Ei, da willst du Halt machen und essen, sagte er
zu sich selbst; denn beim Mittag und Vesper durfte er ruhn, hatte ihm
Undula gesagt; sonst mußte er fortwährend laufen, um sich die Hörner
abzulaufen. Setzte sich also ganz lustig ins hohe grüne Gras, packte
seine Taschen aus und fing an drauf los zu essen. Kaum hatte er eine
kleine Weile gegessen, da klang's fern durch den Wald, wie eine Geige,
und Einer sang dazu. Zum Kuckuk! dachte Fedelint, ich könnte Stein
und Bein schwören, daß das mein Bruder ist. Gerade so machte er das
~staccato~ und die Doppelgriffe. -- Indem fing die Geige eine neue
Melodie an, und ein schöner Tenor sang dazu:
Auf freier, frischer Straßen
Da wandr' ich lustig hin.
Mich freut gar aus der Maßen,
Daß ich ein Fiedler bin.
Hol' ich mein' Fiedel vor,
Da spitzt der Wald sein Ohr;
Die Vöglein in den Zweigen
Die zwitschern mit im Chor.
Am Abend in den Schenken,
Wann klingt die Fiedel mein,
Da thut sich Alles schwenken;
Der Wirth der schenkt mir ein.
Gar stattlich ist sein Bauch;
Sonst dreht' er sich wohl auch.
Die Zeche steht im Schornstein;
Da löscht sie aus der Rauch.
Will mich ein Harm beschleichen,
Ich weiß wohl, was ich thu';
Ein Liedlein thu' ich streichen
Und sing' mir eins dazu.
Gleich hat der flinke Takt
Die Beine mir gepackt;
Ich muß dazu auch tanzen,
Und fort ist, was mich zwackt.
Das Lied war kaum zu Ende, so trat der Musikant aus den Bäumen hervor
und stand vor Fedelint. Beide sahen sich groß an. Bruder, schrie
endlich Fedelint, was hast du für einen hübschen Bart gekriegt!
-- Bruder, schrie der Andere halb erschrocken, was hast du für
abscheuliche Hörnlein! -- Ach stoß dich nicht dran! sagte Fedelint
wieder, ich hab' sie mir bald abgelaufen. Er schloß den verwunderten
Bruder ans Herz, und nachdem sie sich fröhlich geküßt hatten, zog
der Student den Fiedler ins Gras nieder, nöthigte ihn mitzuessen und
erzählte ihm seine ganze Geschichte. Und wo bist du denn herumgewesen,
Franz? schloß er. Da kamen nun bunte, wunderseltsame Historien zum
Vorschein. Zu allerletzt war Franz an eines Königs Hof gewesen, hatte
sich sterblich in die Prinzessin verliebt und ihr mit seiner Musik
auch das Herz gestohlen. Sie waren nun schon ganz glücklich und hatten
sich verabredet, Franz solle am folgenden Tage Visite beim alten
König machen und um die Hand seiner Tochter sich bewerben; da bekam
der Premier-Minister Wind davon und ließ in einer schönen Nacht Franz
aufheben und mit zwei Gendarmen über die Grenze bringen. Ach! seufzte
Franz und sah die zwei schönen Sardellen auf dem Brödchen, das er
eben in der Hand hielt, mit feuchtem Blick an -- wie soll ich sie je
vergessen?
Junge, rief Fedelint, nimmermehr sollst du sie vergessen! Siehst
du wohl? wenn ich Funzifudelchen und das halbe Reich habe, bist du
geborner Prinz von Geblüt; da wird der Alte schon klein beigeben.
Juchhe! schrie Franz, aß geschwind die Sardellen auf, that einen
prächtigen Luftsprung und fiedelte drauf los, daß es nur so jubelte,
und er und Fedelint tanzten und sangen dabei:
Will mich ein Harm beschleichen,
Ich weiß wohl, was ich thu';
Ein Liedlein thu' ich streichen
Und sing' mir eins dazu.
Gleich hat der flinke Takt
Die Beine mir gepackt;
Ich muß dazu auch tanzen,
Und fort ist, was mich zwackt.
Hör' auf, Franz! schrie Fedelint, mir geht der Athem aus. -- Der
aber strich noch eine Weile fort; dann schloß er mit einem langen,
köstlichen Triller und sagte: Hör', Fedelint, du mußt mir das Lied der
Nixe vorsingen. Wenn du heut um Mitternacht die Serenade bringst, geh'
ich mit und begleite dich auf der Geige; das wird sich besser machen,
als wenn du mit deinem dünnen Bariton allein dich hören lässest. --
Bravo! sagte Fedelint. Aber erst will ich meine Hörnlein an den Stamm
da stupfen, es ist wahrhaftig schon fünf Minuten über Ein Uhr. Und
damit butzte er den Kopf an die Eiche, unter der sie gespeis't hatten,
daß Franz vor Lachen sich die Seiten hielt. Dann fing Fedelint an und
sang Undula's Lied, und Franz strich die Fiedel dazu, und ich wollte
selbst, ich wäre dabei gewesen.


Siebentes Kapitel.
Wie Fedelint an den Unrechten kommt.

Sie waren nun den ganzen Tag im Forst herumgeirrt, und Fedelints
Hörnlein hatten mehr und mehr abgenommen, daß er sie schon hätte mit
den braunen Locken bedecken können. Da ging der volle Mond in großem
Glanze am Horizonte auf, und sie sahen von einem Hügel, den sie
erklimmten, das zauberhafte Schauspiel seelensvergnügt mit an. Jetzt
ist die rechte Zeit! jauchzte Fedelint; still, Franz! war dir's nicht
auch, als hörtest du da geradezu das Reh rufen? -- Ja, sagte Franz, es
rief was; aber ob's von einem Reh war, will ich nicht beschwören. --
Indem hatte der stürmische Fedelint den Bruder schon mit fortgezogen.
Siehst du? Siehst du? der braune Fleck da? raunte er ihm zu. -- Ja ja,
erwiederte Franz, ein brauner Fleck ist's; aber ob's ein Reh ist, will
ich nicht beschwören. Fedelint aber hörte nicht, sondern stand schon
steif und fest da, räusperte sich und hob mit lauter Stimme an:
Rehlein schlank und Rehlein braun,
Von der allerschönsten Fraun,
Undula der Wassernix,
Bring' ich zu dir Gruß und Knix.
Und sie läßt dir freundlich sagen,
Dies Geweihlein sollst du tragen.
Nimm's und hab' noch tausend Dank,
Rehlein braun und Rehlein schlank!
Ach Herr Jesus, Herr Jesus, mein Kopf! schrie da auf einmal ein Mensch.
-- Horch, Fedelint, sprach Franz, da hast du einmal was Dummes gemacht!
Dacht' ich's doch gleich. -- Sie schlüpften eilig durch die Sträucher
und zu dem Orte hin, von wo die Stimme erschollen war, und da sahn sie
die Bescherung. Der alte verrückte Kapellmeister lief wie unsinnig
in seinem braunen Schlafrock zwischen den Bäumen herum, faßte sich
jammernd und wehklagend nach dem Kopf, wo richtig Fedelints Hörnlein
saßen, und auf dem Platz, wo er gesessen hatte, lag der große dicke
Bassistenkönig, der Waldteufel mit dem Bilde Muffels des Ersten auf der
Brust. In demselben Augenblick trat das Reh, dem das Geweih bestimmt
gewesen, aus den Schatten hervor, sah sich die Gesellschaft verlegen an
und nahm dann hastig Reißaus ins Dickicht hinein.
Aber lieber alter verrückter Kapellmeister! wie kommt Ihr denn hierher?
rief Fedelint. Und was in aller Welt habt Ihr mit dem Waldteufel
vorgehabt? -- Der Alte sah sie Beide mit starrem Blick an. Plötzlich
sprang er wie unsinnig auf den Waldteufel los, faßte ihn und rief:
Wollt Ihr mir noch hinter mein Geheimniß kommen, wie Ihr mir den
Schabernack mit den Hörnern angethan habt? Ihr Teufelssakkermenter! --
Und damit rannte er so eilig fort, daß ihm der braune Schlafrock wie
eine Fahne nachwehte und die Beiden versteinert dastanden.
Ein alter Jägersmann trat schlau lächelnd zu ihnen. Mit dem ist's
nicht richtig, Ihr Herren, fing er an. Denkt nur! gestern Nacht, ich
hatte eben meine Büchse in die Ecke gestellt, und will mich hinlegen
und schlafen, da geschieht plötzlich ein gewaltiges Brausen durch
die Luft, daß mir altem Jäger ordentlich bange wird, und wie ich den
Kopf aus meiner Hütte stecke, sehe ich ein ganz Heer von Waldteufeln
herangeflogen kommen, und hinterdrein jagt das kleine dürre Männchen,
das Ihr eben gesehen habt, und schreit, was es nur kann: Halt' doch
still, Nixe! halt' doch still! Wirklich kriegt er den einen zu fassen,
stolpert aber über eine Baumwurzel und fällt längelangs zur Erde. Wie
er sich wieder aufgerappelt hatte, waren die andern alle verschwunden;
der eine Waldteufel aber lag ganz zerknittert neben ihm. Im Nu hatte
er ihn in der Hand und rief jubelnd: Hab' ich dich endlich! Hab' ich
dich! Dann setzte er sich auf einen gefällten Baumstamm und besah ihn
von hinten und vorn. Ganz verstimmt! brummte er ärgerlich, bog die
Pappe wieder gerade, zog so ein Ding wie eine Gabel aus der Tasche,
hielt sie vors Ohr und drehte dann den Waldteufel. Es ist wirklich ~Fis
dur~ geworden, sagte er vor sich hin. Das wird Mühe kosten, ihn wieder
auf ~C moll~ zu bringen! -- Und nun saß er die ganze Nacht und den
ganzen vergangenen Tag auf demselben Fleck, machte die Roßhaare bald
kürzer, bald länger und hielt immer von Zeit zu Zeit die Gabel vors
Ohr, die ganz wunderlich klang. Mich dauerte der arme Mensch; ich trat
am Ende zu ihm und brachte ihm ein Stück Brod und einen Käse. Er sah
erschrocken auf, versteckte den Waldteufel rasch, nahm aber die Speisen
kopfnickend an, ohne ein Wort zu sprechen. Sobald ich fort war und er
aufgegessen hatte, was ich ihm brachte, fing er wieder von vorn an zu
spielen und die Gabel vors Ohr zu halten, und das hat er getrieben, bis
Ihr kamt. Wißt Ihr mir vielleicht zu sagen, wer er ist, meine Herren?
Es ist der alte verrückte Kapellmeister aus der Stadt, sagte Fedelint.
Weiß der liebe Himmel, was er wieder für Schrullen im Kopf hat! Aber
wollt Ihr wohl so gut sein, Herr Jäger, uns nach der Stadt zu weisen?
-- Von Herzen gern, sagte der Jäger; ich will ohnedies sehen, ob noch
ein Laden offen ist, um mir etwas Pulver zu kaufen.
Und so schritten die Drei in wechselnden Gesprächen durch die
monddämmerigen Laubgänge der Stadt zu.


Achtes Kapitel.
Wie das Märchen von Fedelint und Funzifudelchen ein fröhliches Ende
nimmt.

Im Glas-Pavillon sah's in dieser Nacht wie alle Nächte aus.
Funzifudelchen hatte französische Stunde und mußte aus dem ~Charles
XII.~ übersetzen, den ihr der Lehrer vorlas. Der alte König saß mit
seinem lieben Rapudänzelchen dabei und hörte zu, obgleich sie Beide
eigentlich kein Französisch verstanden. Sie thaten aber doch so, denn
es war Mode, und der König stieß alle Augenblicke seine Gemahlin an und
sagte: Hör', wie unser Kind viel weiß! es geht ja wie Wasser. -- Der
Lehrer zupfte dann an den Vatermördern, machte ein wichtiges Gesicht
und sagte: Es mag auch wohl am Lehrer liegen, Majestät. Bei jedem
Andern hätte Fräulein Prinzessin Tochter Königliche Hoheit nicht so
viel gelernt, trotz ihrer ~qualités excellentes~; aber meine Verdienste
um die französische Sprache sind von der Pariser Akademie -- --
Schnurrurrurrurrrrrrr ... ging es unten auf der Straße los. ~Ah mon
Dieu!~ rief Funzifudelchen, welch ein gräulicher Lärm! Der König
stürzte zum Fenster und sah draußen den alten verrückten Kapellmeister
stehn und mit wahrem Feuereifer den großen Waldteufel schwingen. Der
Mond beleuchtete gerade die Hörnlein, die aus dem langen weißen Haar
hervorschauten; aber das dürre Figürchen stak in einem feierlichen
schwarzen Anzug, um den Hals war eine schlohweiße Binde geknüpft,
und ein großmächtiger Blumenstrauß saß im Knopfloch, als ging's zur
Hochzeit. Indem der König eben nach seiner Börse griff, um dem alten
Musikanten einen Groschen hinabzuwerfen und ihn fortzuschicken, kam
schon die Wache und nahm den alten verrückten Kapellmeister trotz alles
Sträubens und Schreiens: es wäre das Lied der Nixe Undula, und ganz
richtig nach ~C moll~ gestimmt! mit sich fort.
Daß man doch nie vor Störungen sicher ist! sagte Muffel der Erste ganz
ärgerlich und setzte sich wieder. Bitte, Herr Beaumarchais, fahren
Sie fort. -- Die Prinzessin war ein wenig unruhig und zerstreut. Da
klang's vom nahen Kirchthurm Mitternacht, und unter dem Fenster fing
eine wunderliebliche Melodie an; eine Geige spielte einige reizende
Passagen, dann sang ein zarter Bariton folgendes Lied:
Dein Herzlein mild,
Du liebes Bild,
Das ist noch nicht erglommen;
Und drinnen ruht
Verträumte Glut,
Wird bald zu Tage kommen.
Es hat die Nacht
Einen Thau gebracht
Den Blumen all im Walde,
Und Morgens drauf
Da blüht's zuhauf
Und duftet durch die Halde.
Die Liebe sacht
Hat über Nacht
Dir Thau ins Herz gegossen,
Und Morgens dann,
Man sieht dir's an,
Das Knösplein ist erschlossen!
Ach Himmel! rief die Prinzessin, was ist das? Ich +sehe+! Ich +sehe+!
Ach Herr Beaumarchais, was haben Sie für große Vatermörder! Ach lieber
Vater, liebe Mutter! -- Und damit fiel sie den erstaunten Eltern um den
Hals und hätte beinah auch Herrn Beaumarchais umarmt. Der aber machte
einen respektvollen Diener und sagte: Entschuldigen Sie, Königliche
Hoheit! das wäre ein Verstoß gegen die Regel der französischen
Etiquette. Muffel der Erste aber und Rapudanzia fielen wechselsweise
sich und Funzifudelchen in die Arme und lachten und weinten. Da klopfte
es an die Thür. Herein! Herein! riefen Alle miteinander, und da ging
die Thür auf und Fedelint trat ein. Ach, schrie Funzifudelchen ganz
laut, was für ein schöner Mensch! -- und darauf wurde sie ganz roth und
schwieg stille. Der König aber trat zu Fedelint und sagte: Junger Mann,
seid Ihr der Sänger? Und als Fedelint in wortlosem Entzücken dastand,
trat geschwind Einer mit einer Fiedel hinter der Thür hervor und sagte:
Ja, Majestät, das ist er, und mein Bruder auch, und ich schmeichle mir
nun geborner Prinz von Geblüt zu werden. -- Donnerwetter, das sollt
Ihr! sagte der König, umarmte erst Fedelint und dann Franz, führte
darauf den noch immer stummen Studenten seiner Tochter zu und sagte: Da
habt Ihr Euch, Kinderchen!
Meine Feder vermag die nun folgenden Stunden nicht würdig zu schildern.
Was aber weiter sich zugetragen, wird Jeder aus der Weltgeschichte
schon wissen, in der König Fedelint und König Franz eine so bedeutende
Rolle spielen. Nur einige Detail-Notizen sollen gegeben werden, die
ungerechter Weise von den Historiographen nicht angeführt worden sind.
Daß Fedelint keinen seiner alten Freunde vergaß, braucht wohl kaum
erwähnt zu werden. Der alte verrückte Kapellmeister verstarb noch in
selbiger Nacht; sonst hätte sich der junge König seiner gewiß ganz
besonders angenommen. Vor allen Dingen bezahlte dieser seine Schulden,
und zwar doppelt und dreifach, und gab allen Studenten in seinem Reich,
als seinen ehemaligen Genossen, einen famosen Wein-Commerce und sechs
Monate Ferien. Seine alte Wirthin aber, die Schneidersfrau, wurde zur
Hof-Thee-Köchin ernannt und bekam ein ganz unglaublich hohes Gehalt,
denn sie hatte dem weiland Studenten viel Gutes erwiesen.
Allen Nachtwächtern und Pedellen, die ihn so oft ins Carcer gebracht
hatten, verzieh Fedelint aufrichtig, versprach ihnen sogar Beförderung
und schenkte Jedem einen Fedelintd'or. Einem aber konnte er nicht
verzeihen, und das war der Professor Theophilus Sutorius. Bei der
Hochzeit ließ er vor dem Stadtthor ein großes Schauspiel vorstellen,
und dem mußten bei Strafe alle Bürger ohne Ausnahme beiwohnen. Als es
nun eben recht im Gange war, verließ Fedelint die Loge, ging in die
menschenleere Stadt zurück und warf dem Professor alle Fensterscheiben
ein, und zwar mit harten Thalern, damit er sie wieder machen lassen
könne. Der letzte Thaler aber war in einen Zettel gewickelt, darauf
stand:
Weil du Undula betrogst
Und die ganze Welt belogst,
Hast du's selbst auf dem Gewissen,
Sind die Fenster dir zerschmissen.
Bessre dich und kehr noch um!
Sonst nimmt Fedelint es krumm.
Dieses droh' ich dir zum Schluß,
Theophilus Sutorius!
Ob der Professor sich diesen schönen Vers wirklich zu Herzen genommen
hat, weiß ich nicht zu sagen. Fedelint aber und Funzifudelchen
lebten in einer sehr glücklichen Ehe; und wenn ja einmal eine kleine
Verstimmung eintrat, schrieb Fedelint ein Billet an seinen Bruder,
dessen Königreich dem seinen benachbart war, und der ließ anspannen und
fuhr mit seiner Gemahlin herüber. Wenn er dann da war, ging er zu den
schmollenden Eheleutchen, zog die Fiedel hervor und spielte und sang:
Will mich ein Harm beschleichen,
Ich weiß wohl, was ich thu';
Ein Liedlein thu' ich streichen,
Und sing' mir eins dazu.
Gleich hat der flinke Takt
Die Beine mir gepackt;
Ich muß dazu auch tanzen,
Und fort ist, was mich zwackt.
Und da fingen Fedelint und Funzifudelchen auch an zu tanzen und tanzten
einander in die Arme, und dann war Alles vorbei, und diese Geschichte
auch.


Epilog.

Ein Krämer und ein Schneider
Die kamen zur Lorelei,
Zwei fromme, verständige Seelen,
Und war noch ein Dritter dabei.
Der Krämer hub an zu sprechen:
Ich habe viel sagen gehört,
Es säß' eine Hexe dadroben,
Die singend die Schiffer bethört.
Es spielt die liebe Sonne
Um Fels und Ufer so klar,
Und wär's mit der Hexe richtig,
Wir würden sie jetzt gewahr.
Der Schneider sprach: Einst hab' ich
So manches Meßgewand
Zu Cölln für die Priester geschneidert;
Die klärten mir auf den Verstand.
Die Mähr von der singenden Lore
Ist eitel Lug und Wahn,
Vom leidigen Teufel ersonnen,
Die armen Seelen zu fahn. --
Der Dritte ging daneben,
Sah staunend hoch empor,
Dann in die Brandung nieder
Und horchte mit halbem Ohr.
Wehmüthig blickt' er auf Jene,
Sang leise vor sich hin:
»Ich weiß nicht, was soll es bedeuten,
Daß ich so traurig bin!«

Druck von +Gustav Schade+, Oranienburgerstr. 27.


In demselben Verlage sind erschienen und besonders als
=geeignete Festgeschenke=
zu empfehlen:

Lebrecht Dreves
Gedichte.
Herausgegeben von +Joseph Freiherrn von Eichendorff+.
Vollständige Ausgabe mit dem Bildnis des Dichters.
16. eleg. carton. 2 Thlr.
Wenn wir heutzutage aus den Staubwirbeln der Parteiungen plötzlich
in's Freie hinaustreten, so überrascht, ja erschreckt es uns
fast, wie die Natur draußen in unberührter Keuschheit den ihr von
Gott gemessenen Gang ruhig fortgeht. Die Blumen und Bäume blühen,
als wäre nichts geschehen, die Wipfel rauschen ihr uraltes Lied
und wir ahnen den Gottesfrieden, von dem die Wälder und Ströme
träumerisch reden. Einen ähnlichen erfrischenden Eindruck machen
die nachstehenden Lieder in dieser Zeit. Mögen sie, wie frühzeitige
Lerchen, den neuen Frühling anbrechen und dem liebenswürdigen
Dichter auf seiner Wanderschaft noch viele freundliche Gesellen
werben!
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