Der Dichter Lenz und Friedericke von Sesenheim - 5

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zu Ihnen, die ganz erschrecklich ist und obgleich ich die Lichtstralen,
die Sie mir zuschicken, nicht mit den meinigen vereinigen kann, so mag
ich sie doch gern damit verschwägern.
Nun ist’s Zeit, daß ich vom Pegasus herabsteige, sonst wirft er mich
ins Meer. Kaum hab’ ich so viel Athem Ihnen zu sagen, daß ich, zu der
höchsten Uebereinstimmung der Welt das Zutrauen habe, daß sie mich nach
Straßburg in Ihre Armen führen wird.
=Lenz=.

Von 1772 bis 1776 ist nur noch folgender Brief vorhanden; Lenz hielt
sich in der Zwischenzeit meistens in Straßburg auf. Die Schrift in
diesem Briefe ist eine ganz veränderte, und von derjenigen der vorigen
dadurch unterschieden, daß sie etwas mehr gezogen und flüchtig ist,
während jene gedrängter und kleiner ist. Die ganze zweite Hälfte
desselben ist mit noch sehr gut erhaltenem Bleistift geschrieben.
D. H.

14.
=Kochberg=, den 23sten Oktober 1776.
Wollten Sie so freundschaftlich seyn, lieber Aktuarius, Röderern, falls
er noch in Straßburg ist, zu sagen, er möchte mir das Paket von Herrn
von Kleist, nur mit der Post zuschicken, weil ich sehr ungeduldig
darauf bin; die Briefe könnt’ er mir selbst mitbringen.
Ich bin in Kochberg bei der liebenswürdigsten und geistreichsten Dame,
die ich kenne, mit der ich seit vier, fünf Wochen den englischen
Shakspeare lese. Künftige Woche gehts leider schon wieder nach Weimar.
Der Herzog hat neulich hier einen sonderbaren Zufall gehabt: er fiel
von einem Floß im Schloßgraben ins Wasser, ich sprang nach und hatte
das Glück ihn, ohne Schaden, heraus zu ziehen. =Herder= ist mit ihm
hier gewesen und find’t allgemeinen Beifall. Wer sollte ihm auch den
streitig machen können? Er und =Wieland= sind, wie der Letzte es von
Jedem seyn muß, Freunde und werden es noch immer mehr werden.
=Göthe= hab’ ich nun lang nicht gesehen; er ist so von Geschäften
absorbirt in W., daß er den Herzog nicht einmal hat herbegleiten können.
Leben Sie wohl und grüßen alle guten Freunde, auch Jungfer Lauth.
=Lenz=.
Am Rande:
Wäre es nicht möglich, daß ich, durch Ihre Vermittlung einige der
neuesten Allemanden in Straßburg abgeschrieben herbekommen könnte. Was
Sie dafür auslegen, will ich wieder erstatten. Die von Edelmann würde
Ihnen hier ein ewiges Denkmal setzen.
Nachschrift, mit Bleistift geschrieben:
Kennen Sie =Kaufmann=? Er ist, wie mir die Herzogin Mutter gesagt,
durch Weimar gegangen und hat sehr gefallen. Auch ist er im Merkur.
Grüßen Sie die =deutsche Gesellschaft= und melden Sie mir recht
viel Neues aus Straßburg und Paris. Ist eine gewisse Exzellenz von
=Vietinghof= durch Straßburg gegangen? Er ist ein Vetter von General
bei Baviere. -- Vielleicht sehen Sie mich einmal in herzoglich
sächsischer Uniform wieder. Doch das unter uns.
Melden Sie mir doch ob Herr =Fries=, mit dem ich nach Italien wollte,
noch in Straßburg ist und grüßen ihn, wenn Sie ihn sehen.
Sollte Röderer etwa gar das benannte Paket von Herrn von Kleist noch
nicht erhalten haben, so seyen Sie doch so gütig und begrüßen ihn
selbst darum. Er weiß schon wovon die Rede ist. Und versichern ihm von
mir viele Empfehlungen.


III.
Gedichte von Lenz,
welche in Tiecks Ausgabe von dessen Schriften fehlen.

Pygmalion.
An diesen Lippen, diesen Augen,
Die Welt vergessend, hinzuhangen,
Und aus den rosenrothen Wangen
Des Lebens Ueberfluß zu saugen;
An dieses Busens reiner Fülle,
Die Schmerzen meiner Brust zu wiegen
Und auf des Schooses Fried’ und Stille
Mit thränenmüdem Haupt zu liegen:
Das war mein Wunsch und ist mein Grämen,
Und soll mir doch kein Schicksal nehmen.

An Minna.
Geduld und unerschrockner Muth
Beseelen mein getreues Blut;
Ich fürcht’ mich nicht zu sterben.
Der Himmel kostet Leiden hier,
Ich leide froh, kann ich von dir
Mir einen Blick erwerben.
Nur du verdienst beglückt zu seyn;
Drum will ich gerne Gram und Pein
In meiner Brust verschließen.
Den Thränen will ich widerstehn;
Du Engel sollst sie niemals sehn
Auf meinen Wangen fließen.
Ach! traue deutscher Redlichkeit,
Die sich zu deinem Dienste weiht;
Und willst du sie belohnen,
So müße Tag und Nacht der Schmerz
Dir Freude seyn, und Lust und Scherz
Dein schönes Herz bewohnen.
Alsdann, mein Kind, ist alles gut,
Alsdann, so mag mein junges Blut
Für dich die Erden färben.
Es ist mir sonst nichts fürchterlich,
Als dich betrübt zu sehen, dich!
Viel sanfter thut’s zu sterben.
Drum fleh’ ich, heitre dein Gesicht,
Ich scheue Höll’ und Himmel nicht;
Bleibt mir dein Auge offen.
Wenn du vergnügt und glücklich bist,
Und stünd’ ich auf dem Richtgerüst,
So ist mein Ziel getroffen.
Und wär’ ich in der Sklaverey,
Und hätte nur den Trost dabey,
Für dich, für dich zu leiden,
Und wär’ ich jenseit überm Meer,
Und wüßt’, daß Minna glücklich wär’,
Doch wär’ ich zu beneiden!
Nur sie, nur sie muß glücklich seyn,
Nur sie, nur sie verdient’s allein,
Und gieng die Welt zu Grunde!
Ich selber mit! O wie so schön
Würd’ ich alsdann zu Grunde gehn!
Schlag bald, du schöne Stunde.

In einem Gärtchen am Contade[21],
nachdem der Verfasser im Flusse gebadet hatte.
Erlaube mir, du freundlichster der Wirte,
Du Bild der Gottheit! daß ich diese Myrte
Verflecht’ in dein verzoddelt Haar.
In deinem Gärtchen, das du selbst erzogen,
Sing’ ich, für dich, was Hunderte gelogen,
_Beatus ille_ -- und was Keiner war.
Für meine fünf zehn Sols, nehm’ ich die Stelle
Von dir auf eine Stunde ein.
Denn sieh’, ich komm’ aus Aganippens Quelle,
Und bin von jeder Sorge rein,
Von jeder Leidenschaft -- in diesem Augenblicke
Schickt mich die Gottheit her, dir zuzusehn,
Ganz Herz, ganz Ader für dein Glücke,
Und find’ es unaussprechlich schön.
Das muß gesungen seyn. Da alles singet
In unsern Tagen, schwieg’ ich lang.
Die Freude, dacht’ ich, welche klinget,
Verliert sich schneller als ihr Klang.
Doch deine stille Lust die niemand neidet,
Die niemand fühlt, als du allein, und ich,
Wird die mit einem Lied’ umkleidet,
Erhöhet und verbessert sich.
Was hält mich ab dir dieses Lied zu zeigen?
Ach du verstehst es nicht. Doch zeig’ ich’s hier
Den Bäumen, die wie du ihr Glück verschweigen.
Heut’ Abend sitz hieher, dann rauschen sie es dir.

Die Geschichte auf der Aar.
Aus einem Briefe an Herrn Pf. Mäder in Mühlhausen, von Herrn Pf. Luce
in Münster, vom 14. August 1806; im alsatischen Taschenbuch 1807.
„Sie haben vermuthlich den guten Lenz, Verfasser des Hofmeisters und
anderer geistreichen Schriften, persönlich gekannt. Er hatte sich,
in den siebziger Jahren, lange zu Straßburg aufgehalten, und war
auch manchmal in unsere obern Gegenden gekommen. Einst nach meiner
Zurückkunft von der Helvetischen Gesellschaft zu Olten, erzählte
ich ihm die traurige Begebenheit, die einige Zeit vorher in jener
Gegend vorgefallen war. Es verunglückte ein Schiff auf der Aar. Eine
Bürgersfrau, die mit ihrem Manne ein Raub der Wellen geworden, ergriff
ein Stück des zertrümmerten Schiffes und hielt sich an demselben
über dem Wasser. Der Mann hatte sie beim Rocke gefaßt, und zog sie,
durch die Last seines entnervten Körpers, beinahe ganz unter die
Fluthen. -- Ach! lieber Mann, rief sie in der Angst, wie schwer bist
du! ich gehe zu Grunde! So lebe wohl, liebe Frau! sprach der Edle und
sorge für unsere Kinder! -- Den andern Morgen brachte mir Lenz diese
rührende Geschichte in Versen, und erst die vorige Woche fand ich sein
Manuscript wieder unter meinen Collectaneen. Bewundern Sie mit mir,
mein Lieber, wie meisterhaft der Dichter den Gegenstand behandelt hat,
und urtheilen Sie, ob sein Gedicht, da es gleichsam auf unserm Grund
und Boden gewachsen ist, nicht verdiente, in einer vaterländischen
Schrift aufgewahrt zu werden?“[22]
„Was machst du hier, lieb Mägdelein!
Am Wasser tief und schnelle?
Und sitzest da am Bach allein,
Mit nassen, rothen Bäckelein,
Und guckst auf =eine= Stelle?
Hat dich der Vater was bedroht?
Bekommst du heut kein Morgenbrod?
Hat Bruder dich geschlagen?
Du kannst mir alles sagen.“
Das Mägdlein schaut ihm ins Gesicht,
Sieht, kehrt sich weg und redet nicht.
„Sag, wo bist du zu Hause?“
„„Herr, dort in jener Klause.““ --
Er kriecht zur kleinen Thür hinein,
Und findt ein hagres Mütterlein
Auf schlechten Binsen liegen.
„Sagt, gute Frau, was fehlt dem Kind?
Es sitzt da draußen in dem Wind,
Und ist nicht still zu kriegen.“
„„Ach, lieber Herr!““ das Mütterlein
Mit schwerem Husten saget,
„„Es geht den ganzen Tag allein
Und leidt nicht, daß man’s fraget;
Es hat von seiner Kindheit an
Nichts als beständig weinen ’than.““
„So wahr ein Gott im Himmel ist!
Euch muß was heimlich quälen;
Ihr sagt nicht alles, was ihr wißt,
Ihr sollt mir nichts verhehlen.“
„„Nun, lieber Herr““ -- und faßt den Mann
Mit beiden welken Händen an --
„„Geht an den Strom, fallt auf die Knie,
Und dann kommt wieder morgen früh;
Wird sich mein Husten kehren,
So sollt ihr alles hören.““
Der Blick, der Ton, der Händedruck
Dem Fremden an die Seele schlug.
Er geht zum Bach, fällt auf die Knie,
Kömmt zu dem Weiblein Morgens früh,
Findt sie in bittern Zähren.
„„Ach Herr! was uns verloren gieng,
Kann dieses Blatt und dieser Ring
Am besten euch erklären.““
Mit diesem Wort zieht sie ein Tuch
Aus ihrer Brust, darin ein Buch
Und in dem Buch ein Blättlein war,
Bemalt mit bunten Farben zwar,
Und an dem Farbenblättlein hieng,
Als Siegel ihr Verlöbnißring.
Auf diesem Blättlein schwamm ein Weib
Im höchsten Strom mit halbem Leib.
Ihr Kahn war umgeschlagen;
Und an des Weibes Rocke faßt
Ihr Ehmann sich, doch diese Last
Schien’s Wasser nicht zu tragen.
Je mehr der Fremd’ aufs Blättlein sieht,
Je mehr ihm Aug und Stirne glüht,
Und darf sie nicht mehr fragen.
Das Weiblein weint, heult außer sich,
Beginnt die Brust zu schlagen:
„„Seht, lieber Herr, das Weib bin ich,
Um mich mußt er ertrinken!
Ich, in dem Schrecken, rief ihm: Mann,
Ach, warum faßt du mich denn an?
Und gleich sah ich ihn sinken.““
„Er rief“ -- bei dieser Stelle quoll
Ihr starrend Auge minder --
„„Er rief im Sinken: Frau, leb wohl,
Und sorg für unsre Kinder!““


IV.
Göthe’s ursprüngliche Uebersetzung
der
Ossianischen Gesänge von Selma.

Aus Friederickens Nachlasse
und nach Göthe’s Handschrift abgedruckt.

Die Gesänge von Selma.[23]

Stern der niedersinckenden Nacht! Schön ist dein Licht im Westen! Du
hebest dein lockiges Haupt aus deiner Wolke: ruhig wandelst du über
deinen Hügel. Was siehst du nach der Ebne? Es ruhen die stürmischen
Winde. Das Murmeln der Ströme kommt aus der Ferne. Brüllende Wellen
klettern den entlegenen Felsen hinan. Die Fligen des Abends schweben
auf ihren zarten Schwingen, das Summen ihres Zug’s ist über dem
Fels. Wo nach blickst du, schönes Licht? Aber du lächlest und gehst.
Fahrewohl du schweigender Stral, dass das Licht in Ossians Seele
heraufsteige.
Und es steigt herauf in seiner Stärcke. Ich sehe meine verschiedenen
Freunde. Ihre Versammlung ist auf Lora, wie in den Tagen die vorüber
sind. Fingal kömmt wie eine wässrige Säule von Nebel; seine Helden
sind um ihn her. Und sieh! die Sänger der Lieder; grauhariger Ullin!
ansehnlicher Ryno! Alpin mit der melodischen Stimme! und die sanfte
Klage von Minona! O wie habt ihr euch verändert, meine Freunde, seit
den festlichen Tagen von Selma; da wir wetteiferten wie Lüffte
des Frühlings, sie fliegen über den Hügel und beugen wechselnd das
sanftlispelnde Gras. Minona trat hervor in ihrer Schönheit, mit
niedergeschlagenem Blick und weinendem Auge. Schwer flossen ihr die
Locken am Wind, der nur manchmal vom Hügel her sties. Die Seelen der
Helden wurden trüb, da sie die liebliche Stimme erhub; denn offt hatten
sie das Grab Salgars gesehen, und die dunckle Behausung der weisbusigen
Colma. Colma blieb allein auf dem Hügel mit ihrer melodischen Stimme.
Salgar hatte versprochen zu kommen, aber die Nacht stieg rings umher
nieder. Hört die Stimme von Colma da sie allein sas am Hügel.

Colma.
Es ist Nacht; -- Ich binn allein verlohren auf dem stürmischen Hügel.
Der Wind braust zwischen dem Berge. Der Wasserfall sausst den Felsen
hinab. Keine Hütte nimmt mich vorm Regen auf. Ich bin verloren auf dem
stürmischen Hügel.
Tritt, o Mond! hervor hinter deiner Wolcke; Sterne der Nacht erscheint.
Ist denn kein Licht das mich führe zum Platz wo mein Liebster ausruht
von der Mühe der Jagd! Sein Bogen neben ihm ohngespannt. Seine Hunde
schnobend um ihn her. Aber hier muss ich allein sitzen an dem Felsen
des mosigen Stroms. Und der Strom und der Wind sausst, und ich kann
nicht hören die Stimme meines Geliebten.
Und wie, mein Salgar, wie, der Sohn des Hügels hält sein Versprechen
nicht? Hier ist der Felsen und der Baum, und hier der wilde Strom.
Du versprachst mit der Nacht hier zu seyn. Ach! wohin ist mein Salgar
gangen. Mit dir wollt ich meinem Vater entfliehn; mit dir meinem
stolzen Bruder. Unsre Stämme sind lange schon Feind, aber wir sind
nicht Feinde, o Salgar.
Ruh eine Weile, o Wind! Strom sey eine Weile still, dass meine Stimme
über die Haide schalle, und mich mein Wandrer höre. Salgar! Ich binn’s
das rufft. Hier ist der Baum und der Fels. Salgar mein Liebster! ich
binn hier. Warum zögerst du zu kommen?
Sieh! der Mond erscheint, die Flut glänzt in dem Thal. Die Felsen sind
grau an dem Hange des Hügels. Aber ich seh ihn nicht auf dem Pfad.
Keine Hunde vor ihm her verkünden dass er kommt. Hier muss ich sitzen
allein.
Aber wer sind die, die vor mir auf der Haide liegen? Ist’s nicht
mein Liebster und mein Bruder? Redet, o meine Freunde! Sie antworten
nicht. Ach, ich fürchte -- Ah! Sie sind todt. Ihre Schwerter sind roth
vom Gefecht. O mein Bruder! mein Bruder! warum hast du meinen Salgar
erschlagen? warum, o Salgar, hast du meinen Bruder erschlagen? Lieb
wart ihr mir beyde! Was soll ich zu euerm Ruhm sagen? Du warst schön
auf dem Hügel unter tausenden; er war schröcklich in dem Gefecht.
Redet; hört meine Stimme, Söhne meiner Liebe. Aber ach! sie sind stumm;
Stumm für ewig, ihr Busen ist kalt wie das Grab.
Oh! von dem Felsen des Hügels; von dem Gipfel des windigen Berges,
redet ihr Geister der Todten! Redet ich will nicht erschröcken. --
Wohin seyd ihr zu ruhen gegangen? In welcher Höhle des Hügels kann
ich euch finden? Keine schwache Stimme vernehm ich im Wind, keine
halbverwehte Antwort in den Stürmen des Hügels.
Ich sitze in meinem Jammer. Ich erwarte den Morgen in meinen Trähnen.
Erhebt das Grab ihr Freunde der Todten; aber schliesst es nicht biss
Colma kommt. Mein Leben fliegt weg wie ein Traum: wie könnt ich zurück
bleiben? Hier will ich mit meinen Freunden ruhn, an dem Strom des
schallenden Fels. Wenn die Nacht über den Hügel kommt; wenn der Wind
über die Haide bläst; dann soll mein Geist im Winde stehn, und meiner
Freunde Todt betrauern. Der Jäger höret mich unter seinem Reiserdach,
und fürchtet meine Stimme und liebet sie. Denn süss soll meine Stimme
seyn um meine Freunde, denn lieb waren sie beyde mir.
So war dein Gesang, Minona, sanft erröthendes Mädgen von Torman. Unsere
Trähnen flossen um Colma, und unsre Seelen waren trüb. Ullin kam mit
der Harfe, und sang Alpins Lied. Die Stimme Alpins war lieblich, die
Seele Rynos war ein Feuerstral. Aber sie ruhten schon im engen Haus,
und ihre Stimme hörte man nicht in Selma. Ullin kam einst zurück von
der Jagd eh die Helden fielen. Er vernahm ihren Streit am Hügel, ihr
Gesang war sanft aber traurig. Sie betrauerten den Fall Morars, des
ersten der sterblichen Menschen. Seine Seele war wie die Seele Fingals;
sein Schwert wie das Schwert Oskars. Aber er fiel, und sein Vater
trauerte: seiner Schwester Augen waren voll Trähnen.
Minona’s Augen waren voll Trähnen der Schwester des edelgebohrenen
Morar. Sie wich zurück vor Ullins Gesang, wie der Mond im Westen,
wenn er den Regen voraussieht, und sein schönes Haupt in eine Wolke
verbirgt. Ich rührte die Harfe mit Ullin, der Trauergesang begann.

Ryno.
Der Wind und der Regen sind vorüber, still ist die Mitte des Tags.
Die Wolken sind getheilt am Himmel. Ueber die grünen Hügel fliegt die
unbeständige Sonne. Roth durch das steinige Thal kommt nieder der Strom
von dem Hügel. Süs ist dein Gemurmel, o Strom, aber süser ist die
Stimme die ich höre. Es ist die Stimme Alpins; der Sohn des Gesangs
trauert um den Todten. Von Alter ist sein Haupt gebeugt und roth sein
trähnevoll Aug. Alpin du Sohn des Gesangs, wie so allein auf dem
schweigenden Hügel. Warum klagst du wie ein Windhauch im Wald; wie eine
Well’ um das ferne Gestade.

Alpin.
Meine Trähnen, o Ryno! sind für den Todten; meine Stimme für die
Bewohner des Grabs. Schlanck bist du auf dem Hügel; schön unter den
Söhnen der Ebne. Aber du wirst fallen wie Morar; und auf deinem Grabe
wird der Klagende sitzen. Die Hügel werden dich nicht mehr kennen;
dein Bogen wird in deiner Halle liegen ohngespannt. Du warst leicht, o
Morar! wie ein Reh auf dem Hügel, schröcklich wie ein feurig Meteor.
Dein Grimm war wie der Sturm. Dein Schwert in der Schlacht wie das
Wetterleuchten im Feld. Deine Stimme war wie ein Strom nach dem Regen;
wie der Donner auf fernen Hügeln. Viele stürzten durch deinen Arm; sie
wurden verzehrt in den Flammen deines Zorns.
Aber wenn du zurück kehrtest vom Krieg, wie friedlich war deine Stirne.
Dein Gesicht war gleich der Sonne nach dem Regen; gleich dem Mond in
dem Schweigen der Nacht; still wie der Busen des Teichs wenn der laute
Wind sich gelegt hat.
Eng ist nun deine Wohnung; finster der Platz deines Aufenthalts. Mit
drey Schritten mess’ ich dein Grab, o du der du sonst so gros warst.
Vier Steine mit ihren mosigen Häuptern sind dein einziges Denkmal. Ein
halb verdorrter Baum, langes Gras das im Winde flüstert zeigen dem Auge
des Jägers das Grab des mächtigen Morars. Morar, fürwahr, du bist tief
gesuncken. Du hast keine Mutter die dich beweinte, kein Mädgen mit
ihren Trähnen der Liebe. Todt ist sie die dich gebahr, gefallen ist die
Tochter von Morglän.
Wer ist der auf seinem Stabe? Wer ist der, dessen Haupt von Alter so
grau ist, dessen Augen von Trähnen so roth sind, der bei jedem Schritte
wanckt. -- Es ist dein Vater, o Morar! der Vater keines Sohnes ausser
dir. Er hörte von deinem Ruhm in der Schlacht; er hörte von zerstreuten
Feinden. Er hörte von Morars Ruhm, wie? und hörte nichts von seiner
Wunde? Weine du Vater von Morar! weine; aber dein Sohn hört dich
nicht. Tief ist der Schlaf der Todten, tief ihr Küssen von Staub.
Nimmer wird er deine Stimme vernehmen, nimmer wird er erwachen wenn du
ihm rufst. Wann wird es Morgen im Grabe werden, der den Schlummerer
erwecke.
Fahre wohl du edelster der Menschen; du Erobrer im Feld. Doch das Feld
wird dich nimmer mehr sehen; nimmer der Wald mehr erleuchtet werden vom
Glanze deines Strals. Du hast keinen Sohn hinterlassen; aber der Gesang
soll deinen Nahmen erhalten. Künftige Zeiten sollen von dir hören, sie
sollen hören von dem gefallenen Morar.
Nun erhub sich die Trauer der Helden, aber am meisten Armins berstender
Seufzer. Er dacht’ an den Tod seines Sohns; er fiel in den Tagen seiner
Jugend. Carmor sas nächst an dem Helden, der Führer des schallenden
Galmal. Warum birstet der Seufzer von Armin, sagt er? Ist hier eine
Ursach zum Jammer. Der Gesang kommt mit seiner Musick, die Seele zu
schmelzen, und zu vergnügen. Es ist wie der sanfte Nebel, der von einem
Teiche heraufsteigt, und über das schweigende Thal zieht; die grünen
Blumen füllen sich mit Thau, aber die Sonne kehrt zurück in ihrer
Stärcke, und der Nebel ist weg. Warum bist du so trüb o Armin, Führer
des seeumgebenen Gorma.
Trüb! das binn ich fürwahr: und nicht gering die Ursach meines Jammers.
Carmor, du hast keinen Sohn verlohren; du hast keine Tochter verlohren
in ihrer Schönheit. Colgar der tapfere lebt; und Annira die schönste
der Mädgen. Die Zweige deines Geschlechtes blühen, o Carmor! Aber Armin
ist der letzte seines Stamms. Dunckel ist dein Bed o Daura! und tief
dein Schlaf in dem Grabe. Wann wirst du erwachen mit deinem Gesang mit
deiner Stimme der Lieder. Auf ihr Winde des Herbsts, auf; stürmt über
die finstere Haide! Ihr Ströme der Berge, brüllt! heult ihr Stürme in
dem Gipfel der Eiche! wandele durch zerrissene Wolcken o Mond! Zeige
manchmal dein blasses Gesicht! Bring vor meine Seele jene schröckliche
Nacht da alle meine Kinder fielen; Arindal der mächtige fiel; Daura
die liebe dahinsanck. Daura meine Tochter du warst schön; schön wie
der Mond auf den Hügeln von Fura; weis wie der gefallene Schnee; süs
wie die athmende Luft. Arindal dein Bogen war starck, dein Speer war
schnell in dem Feld. Dein Blick war wie Nebel über der Welle, dein
Schild eine rothe Wolcke im Sturm. Armar berühmt im Kriege, kam und
suchte Daura’s Liebe, er ward nicht lang verschmäht; schön war die
Hoffnung ihrer Freunde.
Erath der Sohn von Odgal, ergrimmte; seinen Bruder hatte Armar
erschlagen. Er kam verkleidet in einen Sohn der See: schön war
sein Kahn auf der Welle; weis seine Locken des Alters; ruhig seine
ernstliche Stirne. Schönste der Mädgen, sprach er; liebliche Tochter
von Armin! Ein Fels nicht weit in der See trägt an seiner Seit’ einen
Baum, roth scheinet die Frucht aus der Ferne. Dort wartet Armar auf
Daura. Ich kam seine Liebe zu holen, hinüber die rollende See.
Sie ging, und rief nach Armar. Niemand antwortete als der Sohn des
Felsens[24]. Armar! Mein Liebster! Mein Liebster? Wie lange ängstest du
mich mit Furcht? Höre, Sohn von Ardnart höre; es ist Daura die dich
ruft. Erath der Verräther floh lachend zurück nach dem Land. Sie hub
ihre Stimme auf, und rief nach ihrem Bruder und ihrem Vater. Arindal,
Armin! Keiner, seiner Daura zu helfen. Ihre Stimme kam über die See.
Arindal mein Sohn stieg nieder vom Hügel, wild in der Beute der Jagd.
Seine Pfeile rasselten an seiner Seite; sein Bogen war in seiner Hand;
fünf dunkelgraue Docken strichen um seine Tritte. Er sah den kühnen
Erath an dem Ufer, ergriff und band ihn an eine Eiche. Fest mit Riemen,
rings um die Lenden gebunden beladet er den Wind mit seinem Geheule.
Arindal besteigt in seinem Nachen die Welle Dauren zum Lande zu
bringen. Armar kam in seinem Grimm und schoss den graubefiederten
Pfeil. Er klang; er sanck in dein Herz, o Arindal mein Sohn; für Erath
den Verräther stirbst du. Das Ruder starrt in seiner Hand, er sanck
über den Felsen und verschied. Ach welcher Jammer, Daura, ringsher um
deine Füsse quillt deines Bruders Blut.
Den Nachen schlagen die Wellen entzwey. Armar stürzt sich in die See,
seine Daura zu retten oder zu sterben. Ein Windstos vom Hügel kommt
schnell über die Wellen. Er sanck, ich sah ihn nicht mehr.
Allein von dem seeumstürmten Felsen hörte man meine Tochter jammern.
Viel und laut war ihr Schreyn, und ihr Vater konnt sie nicht erlösen.
Die ganze Nacht stund ich am Ufer. Ich sah sie beym schwachen Stral des
Monds. Die ganze Nacht hört ich ihr Geschrey. Laut war der Wind, und
der Regen schlug hart an die Seite des Felsens. Eh der Morgen erschien,
ward ihre Stimme schwach. Sie starb weg wie der Abendhauch zwischen dem
Gras auf dem Felsen. Verzehrt von Jammer verschied sie. Und ließ dich
Armin allein: hin ist meine Stärcke im Krieg, gefallen mein Stolz unter
den Mädgen.
Wenn die Stürme des Bergs kommen. Wenn der Nord die Wellen in die Höh’
hebt; Sitz ich am schallenden Gestad, und schau auf den schröcklichen
Felsen. Offt am niedersinckenden Mond seh’ ich die Geister meiner
Kinder. Halb unsichtbaar wandeln sie in traurigem Gespräch neben
einander.[25] Will keins von euch aus Mitleiden reden? Sie sehen ihren
Vater nicht an. Ich bin trüb o Carmor; aber nicht gering die Ursach
meines Schmerzens!
So waren die Worte der Barden in den Tagen des Gesangs; da der König
den Klang der Harfen hörte, und die Geschichte vergangener Zeiten. Die
Fürsten erschienen von allen ihren Hügeln, und hörten den lieblichen
Ton. Sie priesen die Stimme von[26] Cona des ersten unter tausend
Barden. Aber das Alter ist nun auf meiner Zunge, mein Geist ist
weggeschwunden. Ich höre manchmal die Geister der Barden und lerne
ihren lieblichen Gesang. Aber das Gedächtnis schwindet in meiner Seele.
Ich höre den Ruf der Jahre. Sie sagen wie sie vorübergehn, wie? singt
Ossian. Bald wird er liegen im engen Haus, kein Barde seinen Ruhm
erheben. Rollt hin ihr dunkelbraunen Jahre, ihr bringt mir keine Freude
in eurem Lauf. Eröffnet Ossian sein Grab, denn seine Stärcke ist dahin.
Die Söhne des Gesangs sind zur Ruhe gegangen, meine Stimme bleibt über
wie ein Hauch der fern um den seeumgebenen Felsen saust, wenn sich der
Sturm gelegt hat. Das finstere Moos rauscht, und aus der Ferne sieht
der Schiffer die wallenden Bäume.


V.
Gedichte von Göthe an Friedricke.[27]

1.
Erwache Friedericke,
Vertreib’ die Nacht,
Die einer deiner Blicke
Zum Tage macht.
Der Vögel sanft Geflüster
Ruft liebevoll,
Daß mein geliebt Geschwister
Erwachen soll.
Ist dir dein Wort nicht heilig
Und meine Ruh?
Erwache! Unverzeihlich!
Noch schlummerst du?
Horch, Philomelens Kummer
Schweigt heute still,
Weil dich der böse Schlummer
Nicht meiden will.
Es zittert Morgenschimmer
Mit blödem Licht,
Erröthend durch dein Zimmer
Und weckt dich nicht.
Am Busen deiner Schwester,
Der für dich schlagt,
Entschläfst du immer fester
Je mehr es tagt.
Ich seh dich schlummern, Schöne!
Vom Auge rinnt
Mir eine süße Thräne
Und macht mich blind.
Wer kann es fühllos sehen,
Wer wird nicht heiß --
Und wär’ er von den Zehen
Zum Kopf von Eis!
Vielleicht erscheint dir träumend,
O Glück! mein Bild,
Das halb voll Schlaf und träumend
Die Musen schilt.
Erröthen und erblassen
Sieh’ sein Gesicht,
Der Schlaf hat ihn verlassen,
Doch wacht er nicht.
Die Nachtigall im Schlafe
Hast du versäumt,
Drum höre nun zur Strafe
Was ich gereimt.
Schwer lag auf meinem Busen
Des Reimes Joch,
Die schönste meiner Musen,
Du -- schliefst ja noch.

2.
Ein grauer trüber Morgen
Bedeckt mein liebes Feld,
Im Nebel tief verborgen
Liegt um mich her die Welt.
O liebliche Friedricke,
Dürft’ ich nach dir zurück,
In =einem= deiner Blicke
Liegt Sonnenschein und Glück.
Der Baum, in dessen Rinde
Mein Nam’ bei deinem steht,
Wird bleich vom rauhen Winde
Der jede Lust verweht.
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