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Das Käthchen von Heilbronn: Oder, die Feuerprobe - 5

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  Kunigunde. Warum? Weshalb?
  Der Graf vom Strahl. Veit Schmidt! Hans, du! Karl Böttiger! Fritz
  Töpfer! Ist niemand unter euch?
  Kunigunde. Was fällt Euch ein?
  Der Graf vom Strahl. Mein Fräulein, in der Tat, ich muß
  gestehn-Kunigunde. Welch ein besondrer Eifer glüht Euch an?--Was ist
  dies für ein Kind?
  Der Graf vom Strahl.--Es ist die Jungfrau, Die heut mit so viel Eifer
  uns gedient.
  Kunigunde. Bei Gott, und wenns des Kaisers Tochter wäre! - Was
  fürchtet Ihr? Das Haus, wenn es gleich brennt, Steht, wie ein Fels,
  auf dem Gebälke noch; Sie wird, auf diesem Gang, nicht gleich
  verderben. Die Treppe war noch unberührt vom Strahl; Rauch ist das
  einzge Übel, das sie findet.
  Käthchen (erscheint in einem brennenden Fenster) Mein Fräulein! He!
  Hilf Gott! Der Rauch erstickt mich! - Es ist der rechte Schlüssel
  nicht.
  Der Graf vom Strahl (zu Kunigunden). Tod und Teufel! Warum regiert
  Ihr Eure Hand nicht besser?
  Kunigunde. Der rechte Schlüssel nicht?
  Käthchen (mit schwacher Stimme). Hilf Gott! Hilf Gott!
  Der Graf vom Strahl. Komm herab, mein Kind!
  Kunigunde. Laßt, laßt!
  Der Graf vom Strahl. Komm herab, sag ich! Was sollst du ohne
  Schlüssel dort? Komm herab!
  Kunigunde. Laßt einen Augenblick--!
  Der Graf vom Strahl. Wie? Was, zum Teufel!
  Kunigunde. Der Schlüssel, liebes Herzens-Töchterchen, Hängt, jetzt
  erinnr' ich michs, am Stift des Spiegels, Der überm Putztisch
  glänzend eingefugt!
  Käthchen. Am Spiegelstift?
  Der Graf vom Strahl. Beim Gott der Welt! Ich wollte, Er hätte nie
  gelebt, der mich gezeichnet, Und er, der mich gemacht hat, obenein! -
  So such!
  Kunigunde. Mein Augenlicht! Am Putztisch, hörst du?
  Käthchen (indem sie das Fenster verläßt). Wo ist der Putztisch?
  Voller Rauch ist alles.
  Der Graf vom Strahl. Such!
  Kunigunde. An der Wand rechts.
  Käthchen (unsichtbar). Rechts?
  Der Graf vom Strahl. Such, sag ich!
  Käthchen (schwach). Hilf Gott! Hilf Gott! Hilf Gott!
  Der Graf vom Strahl. Ich sage, such!--Verflucht die hündische
  Dienstfertigkeit!
  Flammberg. Wenn sie nicht eilt: das Haus stürzt gleich zusammen!
  Der Graf vom Strahl. Schafft eine Leiter her!
  Kunigunde. Wie, mein Geliebter?
  Der Graf vom Strahl. Schafft eine Leiter her! Ich will hinauf.
  Kunigunde. Mein teurer Freund! Ihr selber wollt--?
  Der Graf vom Strahl. Ich bitte! Räumt mir den Platz! Ich will das
  Bild Euch schaffen
  Kunigunde. Harrt einen Augenblick noch, ich beschwör Euch. Sie
  bringt es gleich herab.
  Der Graf vom Strahl. Ich sage, laßt mich!--Putztisch und Spiegel ist,
  und Nagelstift, Ihr unbekannt, mir nicht; ich finds heraus, Das Bild
  von Kreid und Öl auf Leinewand, Und brings Euch her, nach Eures
  Herzens Wunsch.
  (Vier Knechte bringen eine Feuerleiter.)
  - Hier! Legt die Leiter an!
  Erster Knecht (vorn, indem er sich umsieht). Holla! Da hinten!
  Ein anderer (zum Grafen). Wo?
  Der Graf vom Strahl. Wo das Fenster offen ist.
  Die Knechte (heben die Leiter auf). Oha!
  Der erste (vorn). Blitz! Bleibt zurück, ihr hinten da! Was macht
  ihr? Die Leiter ist zu lang!
  Die anderen (hinten). Das Fenster ein! Das Kreuz des Fensters
  eingestoßen! So!
  Flammberg (der mit geholfen). Jetzt steht die Leiter fest und rührt
  sich nicht!
  Der Graf vom Strahl (wirft sein Schwert weg). - Wohlan denn!
  Kunigunde. Mein Geliebter! Hört mich an!
  Der Graf vom Strahl. Ich bin gleich wieder da!
  (Er setzt einen Fuß auf die Leiter.)
  Flammberg (aufschreiend). Halt! Gott im Himmel!
  Kunigunde (eilt erschreckt von der Leiter weg). Was gibts?
  Die Knechte. Das Haus sinkt! Fort zurücke!
  Alle. Heiland der Welt! Da liegts in Schutt und Trümmern!
  (Das Haus sinkt zusammen, der Graf wendet sich, und drückt beide
  Hände vor die Stirne; alles, was auf der Bühne ist, weicht zurück und
  wendet sich gleichfalls ab.--Pause.)
  
  Vierzehnter Auftritt
  Käthchen tritt rasch, mit einer Papierrolle, durch ein großes Portal,
  das stehen geblieben ist, auf; hinter ihr ein Cherub in der Gestalt
  eines Jünglings, von Licht umflossen, blondlockig, Fittiche an den
  Schultern und einen Palmzweig in der Hand.
  
  Käthchen (so wie sie aus dem Portal ist, kehrt sie sich, und stürzt
  vor ihm nieder). Schirmt mich, ihr Himmlischen! Was widerfährt mir?
  Der Cherub (berührt ihr Haupt mit der Spitze des Palmenzweigs, und
  verschwindet).
  (Pause.)
  
  Fünfzehnter Auftritt
  Die Vorigen ohne den Cherub.
  
  Kunigunde (sieht sich zuerst um). Nun, beim lebendgen Gott, ich
  glaub, ich träume!--Mein Freund! Schaut her!
  Der Graf vom Strahl (vernichtet). Flammberg!
  (Er stützt sich auf seine Schulter.)
  Kunigunde. Ihr Vettern! Tanten! Herr Graf! so hört doch an!
  Der Graf vom Strahl (schiebt sie von sich). Geht, geht!--Ich bitt
  Euch!
  Kunigunde. Ihr Toren! Seid ihr Säulen Salz geworden? Gelöst ist
  alles glücklich.
  Der Graf vom Strahl (mit abgewandtem Gesicht). Trostlos mir! Die
  Erd hat nichts mehr Schönes. Laßt mich sein.
  Flammberg (zu den Knechten). Rasch, Brüder, rasch!
  Ein Knecht. Herbei, mit Harken, Spaten!
  Ein anderer. Laßt uns den Schutt durchsuchen, ob sie lebt!
  Kunigunde (scharf). Die alten, bärtgen Gecken, die! das Mädchen, Das
  sie verbrannt zur Feuersasche glauben, Frisch und gesund am Boden
  liegt sie da, Die Schürze kichernd vor dem Mund, und lacht!
  Der Graf vom Strahl (wendet sich). Wo?
  Kunigunde. Hier!
  Flammberg. Nein, sprecht! Es ist nicht möglich.
  Die Tanten. Das Mädchen wär--?
  Alle. O Himmel! Schaut! Da liegt sie.
  Der Graf vom Strahl (tritt zu ihr und betrachtet sie). Nun über dich
  schwebt Gott mit seinen Scharen!
  (Er erhebt sie vom Boden.) Wo kommst du her?
  Käthchen. Weiß nit, mein hoher Herr.
  Der Graf vom Strahl. Hier stand ein Haus, dünkt mich, und du warst
  drin. - Nicht? Wars nicht so?
  Flammberg.--Wo warst du als es sank?
  Käthchen. Weiß nit, ihr Herren, was mir widerfahren.
  (Pause.)
  Der Graf vom Strahl. Und hat noch obenein das Bild.
  (Er nimmt ihr die Rolle aus der Hand.)
  Kunigunde (reißt sie an sich). Wo?
  Der Graf vom Strahl. Hier.
  Kunigunde (erblaßt).
  Der Graf vom Strahl. Nicht? Ists das Bild nicht?--Freilich!
  Die Tanten. Wunderbar!
  Flammberg. Wer gab dir es? Sag an!
  Kunigunde (indem sie ihr mit der Rolle einen Streich auf die Backen
  gibt).
  Die dumme Trine! Hatt ich ihr nicht gesagt, das Futteral?
  Der Graf vom Strahl Nun, beim gerechten Gott, das muß ich sagen - Ihr
  wolltet das Futtral?
  Kunigunde. Ja und nichts anders! Ihr hattet Euren Namen drauf
  geschrieben; Er war mir wert, ich hatts ihr eingeprägt.
  Der Graf vom Strahl. Wahrhaftig, wenn es sonst nichts war-Kunigunde.
  So? meint Ihr? Das kommt zu prüfen mir zu und nicht Euch.
  Der Graf vom Strahl. Mein Fräulein, Eure Güte macht mich stumm.
  Kunigunde (zu Käthchen). Warum nahmst dus heraus, aus dem Futteral?
  Der Graf vom Strahl. Warum nahmst dus heraus, mein Kind?
  Käthchen. Das Bild?
  Der Graf vom Strahl. Ja!
  Käthchen. Ich nahm es nicht heraus, mein hoher Herr. Das Bild, halb
  aufgerollt, im Schreibtischwinkel, Den ich erschloß, lag neben dem
  Futtral.
  Kunigunde. Fort!--das Gesicht der Äffin!
  Der Graf vom Strahl. Kunigunde!-Käthchen. Hätt ichs hinein erst
  wieder ordentlich In das Futtral--?
  Der Graf vom Strahl. Nein, nein, mein liebes Käthchen! Ich lobe
  dich, du hast es recht gemacht. Wie konntest du den Wert der Pappe
  kennen?
  Kunigunde. Ein Satan leitet' ihr die Hand!
  Der Graf vom Strahl. Sei ruhig!--Das Fräulein meint es nicht so bös.
  --Tritt ab.
  Käthchen. Wenn du mich nur nicht schlägst, mein hoher Herr!
  (Sie geht zu Flammberg und mischt sich im Hintergrund unter die
  Knechte.)
  
  Sechzehnter Auftritt
  Die Herren von Thurneck. Die Vorigen.
  
  Ritter von Thurneck. Triumph, ihr Herrn! Der Sturm ist abgeschlagen!
  Der Rheingraf zieht mit blutgem Schädel heim!
  Flammberg. Was! Ist er fort?
  Volk. Heil, Heil!
  Der Graf vom Strahl. Zu Pferd, zu Pferd! Laßt uns den Sturzbach
  ungesäumt erreichen, So schneiden wir die ganze Rotte ab!
  (Alle ab.)
  
  
  Vierter Akt
  Szene: Gegend im Gebirg, mit Wasserfällen und einer Brücke.
  
  Erster Auftritt
  Der Rheingraf vom Stein, zu Pferd, zieht mit einem Troß Fußvolk über
  die Brücke. Ihnen folgt der Graf vom Strahl zu Pferd; bald darauf
  Ritter Flammberg mit Knechten und Reisigen zu Fuß. Zuletzt
  Gottschalk gleichfalls zu Pferd, neben ihm das Käthchen.
  
  Rheingraf (zu dem Troß). Über die Brücke, Kinder, über die Brücke!
  Dieser Wetter vom Strahl kracht, wie vom Sturmwind getragen, hinter
  uns drein; wir müssen die Brücke abwerfen, oder wir sind alle
  verloren! (Er reitet über die Brücke.)
  Knechte des Rheingrafen (folgen ihm). Reißt die Brücke nieder! (Sie
  werfen die Brücke ab.)
  Der Graf vom Strahl (erscheint in der Szene, sein Pferd tummelnd).
  Hinweg!--Wollt ihr den Steg unberührt lassen?
  Knechte des Rheingrafen (schießen mit Pfeilen auf ihn). Hei! Diese
  Pfeile zur Antwort dir!
  Der Graf vom Strahl (wendet das Pferd). Meuchelmörder!--He!
  Flammberg!
  Käthchen (hält eine Rolle in die Höhe). Mein hoher Herr!
  Der Graf vom Strahl (zu Flammberg). Die Schützen her!
  Rheingraf (über den Fluß rufend). Auf Wiedersehn, Herr Graf! Wenn
  Ihr schwimmen könnt, so schwimmt; auf der Steinburg, diesseits der
  Brücke, sind wir zu finden. (Ab mit dem Troß.)
  Der Graf vom Strahl. Habt Dank ihr Herrn! Wenn der Fluß trägt, so
  sprech ich bei euch ein! (Er reitet hindurch.)
  Ein Knecht (aus seinem Troß). Halt! zum Henker! nehmt Euch in acht!
  Käthchen (am Ufer zurückbleibend). Herr Graf vom Strahl!
  Ein anderer Knecht. Schafft Balken und Bretter her!
  Flammberg. Was! bist du ein Jud?
  Alle. Setzt hindurch! Setzt hindurch! (Sie folgen ihm.)
  Der Graf vom Strahl. Folgt! Folgt! Es ist ein Forellenbach, weder
  breit noch tief! So recht! So recht! Laßt uns das Gesindel völlig
  in die Pfanne hauen! (Ab mit dem Troß.)
  Käthchen. Herr Graf vom Strahl! Herr Graf vom Strahl!
  Gottschalk (wendet mit dem Pferde um). Ja, was lärmst und schreist
  du?--Was hast du hier im Getümmel zu suchen? Warum läufst du hinter
  uns drein?
  Käthchen (hält sich an einem Stamm). Himmel!
  Gottschalk (indem er absteigt). Komm! Schürz und schwinge dich!
  Ich will das Pferd an die Hand nehmen, und dich hindurch führen.
  Der Graf vom Strahl (hinter der Szene). Gottschalk!
  Gottschalk. Gleich, gnädiger Herr, gleich! Was befehlt Ihr?
  Der Graf vom Strahl. Meine Lanze will ich haben!
  Gottschalk (hilft das Käthchen in den Steigbügel). Ich bringe sie
  schon!
  Käthchen. Das Pferd ist scheu.
  Gottschalk (reißt das Pferd in den Zügel). Steh, Mordmähre!--So zieh
  dir Schuh und Strümpfe aus!
  Käthchen (setzt sich auf einen Stein). Geschwind!
  Der Graf vom Strahl (außerhalb). Gottschalk!
  Gottschalk. Gleich, gleich! Ich bringe die Lanze schon.--Was hast
  du denn da in der Hand?
  Käthchen (indem sie sich auszieht). Das Futteral, Lieber, das
  gestern--nun!
  Gottschalk. Was! Das im Feuer zurück blieb?
  Käthchen. Freilich! Um das ich gescholten ward. Früh morgens, im
  Schutt, heut sucht ich nach und durch Gottes Fügung--nun, so! (Sie
  zerrt sich am Strumpf.)
  Gottschalk. Je, was der Teufel! (Er nimmt es ihr aus der Hand.) Und
  unversehrt, bei meiner Treu, als wärs Stein!--Was steckt denn drin?
  Käthchen. Ich weiß nicht.
  Gottschalk (nimmt ein Blatt heraus). "Akte, die Schenkung, Stauffen
  betreffend, von Friedrich Grafen vom Strahl"--Je, verflucht!
  Der Graf vom Strahl (draußen). Gottschalk!
  Gottschalk. Gleich, gnädiger Herr, gleich!
  Käthchen (steht auf). Nun bin ich fertig!
  Gottschalk. Nun, das mußt du dem Grafen geben! (Er gibt ihr das
  Futtral wieder.) Komm, reich mir die Hand, und folg mir! (Er führt
  sie und das Pferd durch den Bach.)
  Käthchen (mit dem ersten Schritt ins Wasser). Ah!
  Gottschalk. Du mußt dich ein wenig schürzen.
  Käthchen. Nun, bei Leibe, schürzen nicht! (Sie steht still.)
  Gottschalk. Bis an den Zwickel nur, Käthchen!
  Käthchen. Nein! Lieber such ich mir einen Steg! (Sie kehrt um.)
  Gottschalk (hält sie). Bis an den Knöchel nur, Kind! bis an die
  äußerste, unterste Kante der Sohle!
  Käthchen. Nein, nein, nein, nein; ich bin gleich wieder bei dir!
  (Sie macht sich los, und läuft weg.)
  Gottschalk (kehrt aus dem Bach zurück, und ruft ihr nach). Käthchen!
  Käthchen! Ich will mich umkehren! Ich will mir die Augen zuhalten!
  Käthchen! Es ist kein Steg auf Meilenweite zu finden!--Ei so wollt
  ich, daß ihr der Gürtel platzte! Da läuft sie am Ufer entlang, der
  Quelle zu, den weißen schroffen Spitzen der Berge; mein Seel, wenn
  sich kein Fährmann ihrer erbarmt, so geht sie verloren!
  Der Graf vom Strahl (draußen). Gottschalk! Himmel und Erde!
  Gottschalk!
  Gottschalk. Ei, so schrei du!--Hier, gnädiger Herr; ich komme schon.
  (Er leitet sein Pferd mürrisch durch den Bach.--Ab.)
  
  Szene: Schloß Wetterstrahl. Platz, dicht mit Bäumen bewachsen, am
  äußeren zerfallenen Mauernring der Burg. Vorn ein Holunderstrauch,
  der eine Art von natürlicher Laube bildet, worunter von Feldsteinen,
  mit einer Strohmatte bedeckt, ein Sitz. An den Zweigen sieht man ein
  Hemdchen und ein Paar Strümpfe usw. zum Trocknen aufgehängt.
  Zweiter Auftritt
  Käthchen liegt und schläft. Der Graf vom Strahl tritt auf.
  
  Der Graf vom Strahl (indem er das Futteral in den Busen steckt).
  Gottschalk, der mir dies Futteral gebracht, hat mir gesagt, das
  Käthchen wäre wieder da. Kunigunde zog eben, weil ihre Burg
  niedergebrannt ist, in die Tore der meinigen ein; da kommt er und
  spricht: unter dem Holunderstrauch läge sie wieder da, und schliefe;
  und bat mich, mit tränenden Augen, ich möchte ihm doch erlauben, sie
  in den Stall zu nehmen. Ich sagte, bis der alte Vater, der Theobald
  sich aufgefunden, würd ich ihr in der Herberge ein Unterkommen
  verschaffen; und indessen hab ich mich herabgeschlichen, um einen
  Entwurf mit ihr auszuführen.--Ich kann diesem Jammer nicht mehr
  zusehen. Dies Mädchen, bestimmt, den herrlichsten Bürger von
  Schwaben zu beglücken, wissen will ich, warum ich verdammt bin, sie
  einer Metze gleich, mit mir herum zu führen; wissen, warum sie hinter
  mir herschreitet, einem Hunde gleich, durch Feuer und Wasser, mir
  Elenden, der nichts für sich hat, als das Wappen auf seinem Schild.
  --Es ist mehr, als der bloße sympathetische Zug des Herzens; es ist
  irgend von der Hölle angefacht, ein Wahn, der in ihrem Busen sein
  Spiel treibt. So oft ich sie gefragt habe: Käthchen! Warum
  erschrakst du doch so, als du mich zuerst in Heilbronn sahst? hat sie
  mich immer zerstreut angesehen, und dann geantwortet: Ei, gestrenger
  Herr! Ihr wißts ja!--Dort ist sie!--Wahrhaftig, wenn ich sie so
  daliegen sehe, mit roten Backen und verschränkten Händchen, so kommt
  die ganze Empfindung der Weiber über mich, und macht meine Tränen
  fließen. Ich will gleich sterben, wenn sie mir nicht die Peitsche
  vergeben hat--ach! was sag ich? wenn sie nicht im Gebet für mich, der
  sie mißhandelte, eingeschlafen!--Doch rasch, ehe Gottschalk kommt,
  und mich stört. Dreierlei hat er mir gesagt: einmal daß sie einen
  Schlaf hat, wie ein Murmeltier, zweitens, daß sie, wie ein Jagdhund,
  immer träumt, und drittens, daß sie im Schlaf spricht; und auf diese
  Eigenschaften hin, will ich meinen Versuch gründen.--Tue ich eine
  Sünde, so mag sie mir Gott verzeihen.
  (Er läßt sich auf Knieen vor ihr nieder und legt seine beiden Arme
  sanft um ihren Leib.--Sie macht eine Bewegung als ob sie erwachen
  wollte, liegt aber gleich wieder still.)
  Der Graf vom Strahl. Käthchen! Schläfst du?
  Käthchen. Nein, mein verehrter Herr.
  (Pause.)
  Der Graf vom Strahl. Und doch hast du die Augenlider zu.
  Käthchen. Die Augenlider?
  Der Graf vom Strahl. Ja; und fest, dünkt mich.
  Käthchen. - Ach, geht
  Der Graf vom Strahl. Was! Nicht? Du hättst die Augen auf?
  Käthchen. Groß auf, so weit ich kann, mein bester Herr; Ich sehe
  dich ja wie du zu Pferde sitzest.
  Der Graf vom Strahl. So!--Auf dem Fuchs--nicht?
  Käthchen. Nicht doch! Auf dem Schimmel.
  (Pause.)
  Der Graf vom Strahl. Wo bist du denn, mein Herzchen? Sag mir an.
  Käthchen. Auf einer schönen grünen Wiese bin ich, Wo alles bunt und
  voller Blumen ist.
  Der Graf vom Strahl. Ach, die Vergißmeinnicht! Ach, die Kamillen!
  Käthchen. Und hier die Veilchen; schaut ein ganzer Busch.
  Der Graf vom Strahl. Ich will vom Pferde niedersteigen, Käthchen,
  Und mich ins Gras ein wenig zu dir setzen. - Soll ich?
  Käthchen. Das tu, mein hoher Herr.
  Der Graf vom Strahl (als ob er riefe). He! Gottschalk!--Wo laß ich
  doch das Pferd;--Gottschalk! Wo bist du?
  Käthchen. Je, laß es stehn. Die Liese läuft nicht weg.
  Der Graf vom Strahl (lächelt). Meinst du?--Nun denn, so seis!
  (Pause.--Er rasselt mit seiner Rüstung.)
  Mein liebes Käthchen!
  (Er faßt ihre Hand.)
  Käthchen. Mein hoher Herr!
  Der Graf vom Strahl. Du bist mir wohl recht gut.
  Käthchen. Gewiß! Von Herzen.
  Der Graf vom Strahl. Aber ich--was meinst du? Ich nicht.
  Käthchen (lächelnd). O Schelm!
  Der Graf vom Strahl. Was, Schelm! Ich hoff--?
  Käthchen. O geh! Verliebt ja, wie ein Käfer, bist du mir.
  Der Graf vom Strahl. Ein Käfer! Was! Ich glaub du bist-Käthchen.
  Was sagst du?
  Der Graf vom Strahl (mit einem Seufzer). Ihr Glaub ist, wie ein Turm,
  so fest gegründet!--Seis! Ich ergebe mich darin.--Doch, Käthchen,
  Wenns ist, wie du mir sagst-Käthchen. Nun? Was beliebt?
  Der Graf vom Strahl. Was, sprich, was soll draus werden?
  Käthchen. Was draus soll werden?
  Der Graf vom Strahl. Ja! hast dus schon bedacht?
  Käthchen. Je, nun.
  Der Graf vom Strahl.--Was heißt das?
  Käthchen. Zu Ostern, übers Jahr, wirst du mich heuern.
  Der Graf vom Strahl (das Lachen verbeißend). So! Heuern! In der
  Tat! Das wußt ich nicht! Kathrinchen, schau!--Wer hat dir das
  gesagt?
  Käthchen. Das hat die Mariane mir gesagt.
  Der Graf vom Strahl. So! Die Mariane! Ei!--Wer ist denn das?
  Käthchen. Das ist die Magd, die sonst das Haus uns fegte.
  Der Graf vom Strahl. Und die, die wußt es wiederum--von wem?
  Käthchen. Die sahs im Blei, das sie geheimnisvoll In der
  Silvesternacht, mir zugegossen.
  Der Graf vom Strahl. Was du mir sagst! Da prophezeite sie--?
  Käthchen. Ein großer, schöner Ritter würd mich heuern.
  Der Graf vom Strahl. Und nun meinst du so frischweg, das sei ich?
  Käthchen. Ja, mein verehrter Herr.
  (Pause.)
  Der Graf vom Strahl (gerührt).--Ich will dir sagen, Mein Kind, ich
  glaub, es ist ein anderer. Der Ritter Flammberg. Oder sonst. Was
  meinst du?
  Käthchen. Nein, nein!
  Der Graf vom Strahl. Nicht?
  Käthchen. Nein, nein, nein!
  Der Graf vom Strahl. Warum nicht? Rede!
  Käthchen. - Als ich zu Bett ging, da das Blei gegossen, In der
  Silvesternacht, bat ich zu Gott, Wenns wahr wär, was mir die Mariane
  sagte, Möcht er den Ritter mir im Traume zeigen. Und da erschienst
  du ja, um Mitternacht, Leibhaftig, wie ich jetzt dich vor mir sehe,
  Als deine Braut mich liebend zu begrüßen.
  Der Graf vom Strahl. Ich wär dir--? Herzchen! Davon weiß ich
  nichts. - Wann hätt ich dich--?
  Käthchen. In der Silvesternacht. Wenn wiederum Silvester kommt,
  zwei Jahr.
  Der Graf vom Strahl. Wo? In dem Schloß zu Strahl?
  Käthchen. Nicht! In Heilbronn; Im Kämmerlein, wo mir das Bette
  steht.
  Der Graf vom Strahl. Was du da schwatzst, mein liebes Kind.--Ich lag
  Und obenein todkrank, im Schloß zu Strahl.
  (Pause.--Sie seufzt, bewegt sich, und lispelt etwas.)
  Der Graf vom Strahl. Was sagst du?
  Käthchen. Wer?
  Der Graf vom Strahl. Du!
  Käthchen. Ich? Ich sagte nichts.
  (Pause.)
  Der Graf vom Strahl (für sich). Seltsam, beim Himmel! In der
  Silvesternacht--(Er träumt vor sich nieder.) - Erzähl mir doch etwas
  davon, mein Käthchen! Kam ich allein?
  Käthchen. Nein, mein verehrter Herr.
  Der Graf vom Strahl. Nicht?--Wer war bei mir?
  Käthchen. Ach, so geh!
  Der Graf vom Strahl. So rede!
  Käthchen. Das weißt du nicht mehr?
  Der Graf vom Strahl. Nein, so wahr ich lebe.
  Käthchen. Ein Cherubim, mein hoher Herr, war bei dir, Mit Flügeln,
  weiß wie Schnee, auf beiden Schultern, Und Licht--o Herr! das
  funkelte! das glänzte!--Der führt', an seiner Hand, dich zu mir ein.
  Der Graf vom Strahl (starrt sie an). So wahr, als ich will selig
  sein, ich glaube, Da hast du recht!
  Käthchen. Ja, mein verehrter Herr.
  Der Graf vom Strahl (mit beklemmter Stimme). Auf einem härnen Kissen
  lagst du da, Das Bettuch weiß, die wollne Decke rot?
  Käthchen. Ganz recht! so wars!
  Der Graf vom Strahl. Im bloßen leichten Hemdchen?
  Käthchen. Im Hemdchen?--Nein.
  Der Graf vom Strahl. Was! Nicht?
  Käthchen. Im leichten Hemdchen?
  Der Graf vom Strahl. Mariane, riefst du?
  Käthchen. Mariane, rief ich! Geschwind! Ihr Mädchen! Kommt doch
  her, Christine!
  Der Graf vom Strahl. Sahst groß, mit schwarzem Aug, mich an?
  Käthchen. Ja, weil ich glaubt, es wär ein Traum.
  Der Graf vom Strahl. Stiegst langsam, An allen Gliedern zitternd,
  aus dem Bett, Und sankst zu Füßen mir--?
  Käthchen. Und flüsterte-Der Graf vom Strahl (unterbricht sie). Und
  flüstertest, mein hochverehrter Herr!
  Käthchen (lächelnd). O Nun! Siehst du wohl?--Der Engel zeigte
  dir-Der Graf vom Strahl. Das Mal--Schützt mich, ihr Himmlischen!
  Das hast du?
  Käthchen. Je, freilich!
  Der Graf vom Strahl (reißt ihr das Tuch ab).
  Wo? Am Halse?
  Käthchen (bewegt sich). Bitte, bitte.
  Der Graf vom Strahl. O ihr Urewigen!--Und als ich jetzt, Dein Kinn
  erhob, ins Antlitz dir zu schauen?
  Käthchen. Ja, da kam die unselige Mariane Mit Licht--und alles war
  vorbei; Ich lag im Hemdchen auf der Erde da, Und die Mariane spottete
  mich aus.
  Der Graf vom Strahl. Nun steht mir bei, ihr Götter: ich bin doppelt!
  Ein Geist bin ich und wandele zur Nacht!
  (Er läßt sie los und springt auf.)
  Käthchen (erwacht). Gott, meines Lebens Herr! Was widerfährt mir!
  (Sie steht auf und sieht sich um.)
  Der Graf vom Strahl. Was mir ein Traum schien, nackte Wahrheit ists:
  Im Schloß zu Strahl, todkrank am Nervenfieber, Lag ich danieder, und
  hinweggeführt, Von einem Cherubim, besuchte sie Mein Geist in ihrer
  Klause zu Heilbronn!
  Käthchen. Himmel! Der Graf!
  (Sie setzt sich den Hut auf, und rückt sich das Tuch zurecht.)
  Der Graf vom Strahl.
  Was tu ich jetzt? Was laß ich?
  (Pause.)
  Käthchen (fällt auf ihre beiden Kniee nieder). Mein hoher Herr, hier
  lieg ich dir zu Füßen, Gewärtig dessen, was du mir verhängst! An
  deines Schlosses Mauer fandst du mich, Trotz des Gebots, das du mir
  eingeschärft; Ich schwörs, es war ein Stündchen nur zu ruhn, Und
  jetzt will ich gleich wieder weiter gehn.
  Der Graf vom Strahl. Weh mir! Mein Geist, von Wunderlicht geblendet,
  Schwankt an des Wahnsinns grausem Hang umher! Denn wie begreif ich
  die Verkündigung, Die mir noch silbern wiederklingt im Ohr, Daß sie
  die Tochter meines Kaisers sei?
  Gottschalk (draußen). Käthchen! He, junge Maid!
  Der Graf vom Strahl (erhebt sie rasch vom Boden).
  Geschwind erhebe dich! Mach dir das Tuch zurecht! Wie siehst du aus?
  
  Dritter Auftritt
  Gottschalk tritt auf. Die Vorigen.
  
  Der Graf vom Strahl. Gut, Gottschalk, daß du kommst! Du fragtest
  mich, Ob du die Jungfrau in den Stall darfst nehmen; Das aber schickt
  aus manchem Grund sich nicht; Die Friedborn zieht aufs Schloß zu
  meiner Mutter.
  Gottschalk. Wie? Was? Wo?--Oben auf das Schloß hinauf?
  Der Graf vom Strahl. Ja, und das gleich! Nimm ihre Sachen auf, Und
  auf dem Pfad zum Schlosse folg ihr nach.
  Gottschalk. Gotts Blitz auch, Käthchen! hast du das gehört?
  Käthchen (mit einer zierlichen Verbeugung). Mein hochverehrter Herr!
  Ich nehm es an, Bis ich werd wissen, wo mein Vater ist.
  Der Graf vom Strahl. Gut, gut! Ich werd mich gleich nach ihm
  erkundgen.
  (Gottschalk bindet die Sachen zusammen; Käthchen hilft ihm).
  Nun? Ists geschehn?
  (Er nimmt ein Tuch vom Boden auf, und übergibt es ihr.)
  Käthchen (errötend). Was! Du bemühst dich mir?
  (Gottschalk nimmt das Bündel in die Hand.)
  Der Graf vom Strahl. Gib deine Hand!
  Käthchen. Mein hochverehrter Herr!
  (Er führt sie über die Steine; wenn sie hinüber ist, läßt er sie
  vorangehen und folgt.--Alle ab.)
  
  Szene: Garten. Im Hintergrunde eine Grotte, im gotischen Stil.
  Vierter Auftritt
  Kunigunde, von Kopf zu Fuß in einen feuerfarbnen Schleier verhüllt,
  und Rosalie treten auf.
  
  Kunigunde. Wo ritt der Graf vom Strahl hin?
  Rosalie. Mein Fräulein, es ist dem ganzen Schloß unbegreiflich.
  Drei kaiserliche Kommissarien kamen spät in der Nacht, und weckten
  ihn auf; er verschloß sich mit ihnen, und heut, bei Anbruch des Tages
  schwingt er sich aufs Pferd, und verschwindet.
  Kunigunde. Schließ mir die Grotte auf.
  Rosalie. Sie ist schon offen.
  Kunigunde. Ritter Flammberg, hör ich, macht dir den Hof; zu Mittag,
  wann ich mich gebadet und angekleidet, werd ich dich fragen, was
  dieser Vorfall zu bedeuten? (Ab in die Grotte.)
  
  Fünfter Auftritt
  Fräulein Eleonore tritt auf, Rosalie.
  
  Eleonore. Guten Morgen, Rosalie.
  Rosalie. Guten Morgen, mein Fräulein!--Was führt Euch so früh schon
  hierher?
  Eleonore. Ei, ich will mich mit Käthchen, dem kleinen, holden Gast,
  den uns der Graf ins Schloß gebracht, weil die Luft so heiß ist, in
  dieser Grotte baden.
  Rosalie. Vergebt!--Fräulein Kunigunde ist in der Grotte.
  Eleonore. Fräulein Kunigunde?--Wer gab euch den Schlüssel?
  Rosalie. Den Schlüssel?--Die Grotte war offen.
  Eleonore. Habt ihr das Käthchen nicht darin gefunden?
  Rosalie. Nein, mein Fräulein. Keinen Menschen.
  Eleonore. Ei, das Käthchen, so wahr ich lebe, ist drin!
  Rosalie. In der Grotte? Unmöglich!
  Eleonore. Wahrhaftig! In der Nebenkammern eine, die dunkel und
  versteckt sind.--Sie war vorangegangen; ich sagte nur, als wir an die
  Pforte kamen, ich wollte mir ein Tuch von der Gräfin zum Trocknen
  holen.--O Herr meines Lebens; da ist sie schon!
  
  Sechster Auftritt
  Käthchen aus der Grotte. Die Vorigen.
  
  Rosalie (für sich). Himmel! Was seh ich dort?
  Käthchen (zitternd). Eleonore!
  Eleonore. Ei, Käthchen! Bist du schon im Bad gewesen? Schaut, wie
  das Mädchen funkelt, wie es glänzet! Dem Schwane gleich, der in die
  Brust geworfen, Aus des Kristallsees blauen Fluten steigt! - Hast du
  die jungen Glieder dir erfrischt?
  Käthchen. Eleonore! Komm hinweg.
  Eleonore. Was fehlt dir?
  Rosalie (schreckenblaß). Wo kommst du her? Aus jener Grotte dort?
  Du hattest in den Gängen dich versteckt?
  Käthchen. Eleonore! Ich beschwöre dich!
  Kunigunde (im Innern der Grotte). Rosalie!
  Rosalie. Gleich, mein Fräulein! (Zu Käthchen). Hast sie gesehn?
  Eleonore. Was gibts? Sag an!--Du bleichst?
  Käthchen (sinkt in ihre Arme). Eleonore!
  
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