Das Friedensfest - 5

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+Wilhelm+: Weshalb belügen Sie mich? -- sagen Sie doch -- getrost, --
ja. -- Daß es so kommen mußte, war ja .... es war ja so lächerlich
selbstverständlich. -- Wie habe ich mich nur so können verblenden
lassen!
+Frau Buchner+ _(mit Fiebereifer)_: Wilhelm! ich halte Sie heute, wie
damals, für einen guten und edlen Menschen. Ich versichere Sie: nicht
einen Augenblick lang habe ich an Ihnen gezweifelt. Auch jetzt, wo mir
auf einmal so angst und bange wird ....
+Wilhelm+ _(erhebt sich, holt tief Luft ein, wie Jemand der
Beklemmungen fühlt)_: Es ist mir nur .... ich wußte es ja längst und
doch ......
+Frau Buchner+: Ich komme zu Ihnen, Wilhelm! -- ich sage Ihnen offen
.... es ist auf einmal so über mich gekommen. -- Ich sorge mich auf
einmal so entsetzlich um Ida.
+Wilhelm+: Ich muß gestehen ...... nur gerade jetzt -- --
+Frau Buchner+: Ich weiß ja, Sie lieben das Kind. Es kann sie ja
auch Niemand inniger lieben! -- Ich weiß, Sie werden mit allen
Kräften streben, meine Tochter glücklich zu machen. An Ihrem Willen
wird es nicht fehlen, aber nun .... nun habe ich so mancherlei
.... nun habe ich so viel gesehen hier und -- erfahren. Da ist mir
vieles ..... vieles von dem, was Sie mir früher gesagt haben, erst
verständlich geworden. Ich verstand Sie nicht. Ich hielt Sie für
einen Schwarzseher. Ich nahm Vieles gar nicht einmal Ernst. Mit einem
festen, frohen Glauben kam ich hierher. Ich schäme mich förmlich.
Was habe ich mir zugetraut! Solche Naturen wollte ich lenken, ich
schwache, einfältige Person! -- Nun wankt Alles. Ich fühle auf einmal
meine furchtbare Verantwortung: für mein Kind, für meine Ida bin ich
doch verantwortlich. Jede Mutter ist doch verantwortlich für ihr
Kind. Reden Sie mir zu, Wilhelm! sagen Sie mir, daß Alles noch gut
werden wird! Sagen Sie mir: wir werden glücklich! --: Sie und Ida.
Beweisen Sie mir, daß ich unnütz Furcht und Sorge habe, +Wilhelm+!
...................
+Wilhelm+: Warum -- haben Sie’s -- soweit -- kommen lassen? -- Ich habe
Sie gewarnt -- und gewarnt. Was habe ich Ihnen gesagt? ich habe gesagt:
wir Alle .... wir Geschwister .... daß wir unheilbar kranken ..... vor
allem ich .... daß wir an uns schleppen. -- Binden Sie Ihre Tochter
nicht an einen Krüppel, -- habe ich Ihnen gesagt. -- Warum haben Sie
mir nicht glauben wollen?
+Frau Buchner+: Ich weiß nicht. Ich weiß das selbst nicht.
+Wilhelm+: Nun haben Sie mich eingeschläfert, mein Gewissen
beschwichtigt, -- und jetzt -- halb toll bin ich geworden vor Glück.
-- Ich habe Augenblicke durchlebt -- durchkostet --! und auch andere
wieder ...... Die furchtbarsten Kämpfe meines Lebens -- und nun --
verlangen Sie .... nun man muß zusehen, -- vielleicht, ja vielleicht
....
+Frau Buchner+: Wilhelm! ich verehre Sie! -- ich weiß, daß Sie am Ende
doch jedes Opfer bringen. Aber Ida .... wenn es für sie zu spät ist
.... wenn sie daran zu Grunde geht!
+Wilhelm+: Warum haben Sie mir denn nicht glauben wollen? -- Sie wissen
nicht -- was mich das jetzt kostet. Stufe um Stufe mühsam gebaut habe
ich mir -- ach, so mühsam! so mühsam! ... Dies Haus hier lag hinter
mir. -- Gerettet war ich fast. -- Nun hat es mich wieder hereingerissen
... Warum mußten Sie es nur so weit kommen lassen? warum ......
+Frau Buchner+ _(unter Thränen)_: Ich weiß nicht! ich weiß das selbst
nicht! ich habe das Kind erzogen. Es ist mir Alles in Allem gewesen; an
seinem Glück zu arbeiten ist auf der Welt mein’ einziger Beruf gewesen.
-- Nun kamen -- Sie in unser Haus. -- Ich gewann Sie lieb. -- Ich
dachte auch an Ihr Glück, ich ..... Das hätte ich vielleicht nicht thun
sollen .... Ich dachte vielleicht eben so sehr an Ihr Glück -- und --
wer weiß? -- am Ende -- zu -- allermeist -- an -- +Ihr+ Glück _(einen
Augenblick lang starren Beide einander bestürzt in die Augen)_.
+Wilhelm+: Frau Buchner!!!
+Frau Buchner+ _(das Gesicht mit den Händen bedeckend, wie Jemand, der
sich schämt, weinend ab durch den Treppenausgang)_.
+Wilhelm+ _(thut mechanisch ein paar Schritte hinter ihr drein, steht
still, sucht seiner inneren Bewegung Herr zu werden, muß sich aber
plötzlich, von Weinen geschüttelt, an der Wand stützen.)_
+Ida+ _(ihr Gesicht ist bleich, ihre Mienen drücken Ernst und Besorgniß
aus. Sie tritt leisen Schrittes zu Wilhelm, umfaßt ihn und drückt ihre
Wange an die seine)_: Ach, Willy! sieh’ ’mal: es kommen trübe und -- es
kommen -- nicht, Willy? -- es kommen auch wieder helle Tage. Wer wird
sich gleich so ..... so ganz und gar muthlos machen lassen.
+Wilhelm+ _(leidenschaftlich stammelnd)_: Ida! -- Einzige!! --
Liebste!! -- Süße -- wie soll ich denn nur ..... wie sollt ich denn nur
jetzt leben ohne Dich? -- Deine Stimme, Deine Worte, Dein ganzes süßes,
wunderbares Wesen, Deine Hände ...... Deine milden, treuen Hände.
+Ida+: Denkst Du ich? -- Denkst Du ich möchte leben, ohne Dich? -- Nein
Du! -- wir wollen uns umschlingen und nicht los lassen -- fest -- fest
-- und so lange es so ist ......
+Wilhelm+: Ja, ja! -- aber -- wenn’s nun ’mal anders würde?
+Ida+: Ach, sprich nicht so!
+Wilhelm+: Ich meine ja nur .... man kann doch nie wissen ... Eins kann
sterben ....
+Ida+: Ach, wir sind jung.
+Wilhelm+: Wenn auch. -- Einmal kommt’s doch auch -- alt werd’ ich so
wie so nicht.
+Ida+ _(heiß)_: Dann umarm’ ich Dich -- dann drück’ ich mich an Dich --
dann geh’ -- ich -- mit Dir.
+Wilhelm+: Ida! -- das sagt man so. -- Das thust Du doch nicht.
+Ida+: Das thue ich!
+Wilhelm+: Du denkst Dir das jetzt so -- Du weißt nicht wie schnell man
vergißt.
+Ida+: Ich könnte nicht athmen ohne Dich!
+Wilhelm+: Das bildet man sich ein ....
+Ida+: Nein, nein, nein, Wilhelm! .....................
+Wilhelm+: So zu lieben -- wäre aber -- sogar eine Thorheit. Man wird
doch nicht alles auf +eine+ Karte setzen.
+Ida+: Ich -- versteh’ Dich -- nicht ganz.
+Wilhelm+: Nur so .... ich .... sieh’ ’mal _(in ärgerlichem Tone)_.
Ach, Du! -- das Thema ist unerquicklich! ...... wie geht es Vater?
+Ida+: Er schläft jetzt -- aber was hast Du denn nur?
+Wilhelm+ _(umhergehend)_: Das kommt so -- man weiß nicht wie.
_(Plötzlich knirschend)_ -- Es giebt Momente, sag’ ich Dir ....! wenn
einen die Wuth der Verzweiflung übermannt ..... in solchen Augenblicken
kann ich mir denken .... in solchen Augenblicken kommt’s dazu, daß
Menschen sich fünf Stock hoch -- den Kopf zuerst -- auf das Pflaster
stürzen; -- förmlich wollüstig wird einem diese Vorstellung.
+Ida+: Gott behüte! -- Solchen Vorstellungen mußt Du nicht nachhängen,
Willy!
+Wilhelm+: Warum denn nicht, möchte ich wissen? warum sollen Kerls,
wie ich, zwischen Himmel und Erde herumschmarotzen? --: Nichtsnutzige
Geschöpfe! -- Sich selbst ausmerzen -- das wäre doch noch was, -- dann
hätte man doch +einmal+ etwas Nützliches gethan.
+Ida+: Es ist ja im Grunde nicht zu verwundern: -- Du bist überreizt
und abgespannt ...
+Wilhelm+ _(in schroffen abweisenden Tone)_: Laß mich zufrieden Du, das
verstehst Du nicht! _(über sich selbst erschrocken, verändert.)_ Ach,
Du! -- Du mußt mir’s nicht übel nehmen. -- Geh’ doch lieber jetzt! Ich
möchte Dich nicht verletzen. Und wie mir nun ’mal zu Muthe ist -- kann
ich nicht -- einstehen für mich.
+Ida+ _(küßt Wilhelm stumm auf den Mund, dann ab in das Seitengemach)_.
+Wilhelm+: _(blickt ihr nach, geht, steht still, zeigt ein Gesicht voll
Schrecken und Staunen und faßt sich an die Stirn, wie Jemand, der sich
auf bösem Wege ertappt hat. Während dies geschieht, ist Robert durch
den Treppenbogen eingetreten)_.
+Robert+ _(den Hut in der rechten Hand, über’m Arm den Ueberzieher und
eine Reisedecke, in der Linken einen Plaidriemen, begiebt sich bis an
den Tisch, wo er die Sachen ablegt)_.
+Wilhelm+ _(bemerkt ihn und sagt, nachdem er ihn eine Weile
beobachtet)_: Wohin -- willst Du?
+Robert+: Fort.
+Wilhelm+: Jetzt?
+Robert+: Warum nicht? -- _(den Plaidriemen ausbreitend)_. Ich habe
genug -- über und über sogar! -- Mutter wird künftig ..... wird künftig
die Weihnachtstage -- ohne mich auskommen müssen -- _(nach dem Ofen
umblickend)_. Es ist kalt hier.
+Wilhelm+: Draußen friert’s.
+Robert+ _(die Reisedecke rollend)_: So! -- um zehn thaute es doch.
+Wilhelm+: Es ist umgeschlagen.
+Robert+: Wie wird man nur den Berg ’runter kommen bei der Glätte?
+Wilhelm+: Der Mond scheint ja!
+Robert+: Wenn auch.
..................
+Wilhelm+: Er phantasirt nicht mehr.
+Robert+: So, so!
..................
+Wilhelm+: Er will keinen Arzt.
+Robert+: So, so!
..................
+Wilhelm+: Es ist so plötzlich gekommen, man --
+Robert+: Hm -- ja, ja!
+Wilhelm+: Es muß doch in ihm gesteckt haben.
+Robert+: Natürlich -- sonst wäre er doch wohl nicht nach Hause
gekommen .........
..................
+Wilhelm+: Mir graut -- was daraus werden soll?!
+Robert+: Was soll man machen?!
..................
+Wilhelm+: Meiner Seele -- ich weiß nicht, was ich anfange, -- wenn
er einmal stirbt ..... Mit meinem Bewußtsein! mit dem, was ich jetzt
erkannt habe! ..... ich wüßte wirklich nicht ..... und nun noch die
Reue, die Gewissensbisse ..... ä! -- was da! -- was liegt schließlich
daran?!
+Robert+: I, Du! -- da hätte man viel zu thun ..... der Alte ist ein
Bischen anders -- na ja -- unsere Vorstellung stimmte nicht ganz.
Gott, ja! aber das ändert doch nichts an der Sache.
+Wilhelm+: Ich sage Dir -- es ist mir heiliger Ernst -- mit Wollust
würde ich heut verzichten, auf das ganze elende Bischen Leben, wenn es
ihm zu Gute käme.
+Robert+ _(den Ueberrock anziehend)_: Das hat wenig Sinn Du -- meiner
Ansicht nach -- Sieh mal, ich gehe jetzt in ein kleines, geheiztes
Comptoirchen, setze mich mit dem Rücken an den Ofen -- kreuze die Beine
unter dem Tisch -- zünde mir diese ..... selbe Pfeife hier an und
schreibe -- in aller Gemüthsruhe hoffentlich, solche ..... na, Du weißt
schon solche Scherze, ..... solche Reclamescherze: Afrikareisender
..... nahe am Verschmachten, na ..... und da laß ich denn gewöhnlich
eine Caravane kommen, die unsern Artikel führt. -- Mein Chef ist
sehr zufrieden -- es geht durch den Inseratentheil aller möglichen
Zeitungen; und was die Hauptsache ist --: Wenn ich da so sitze, siehst
Du, und die Gasflamme den ganzen Tag so über mir fauchen höre -- von
Zeit zu Zeit so’n Blick in den Hof -- so’n Fabrikhof ist nämlich was
Wunderbares! -- was Romantisches, sag ich Dir! ..... mit einem Wort, da
summt mich keine Hummel an.
+Wilhelm+: Dann lieber gleich todt sein.
+Robert+: Geschmacksache! -- Für mich ist es ein idealer Winkel
geradezu; -- soll man sich denn immerfort aus dem Gleichgewicht bringen
lassen, soll man sich denn kopfverwirrt machen lassen, -- ich werde
so wie so zwei bis drei Tage gebrauchen um mich -- auf mein Bischen
Lebensweisheit zu besinnen.
+Wilhelm+: Sag was Du willst: das nenn ich feig.
+Robert+: Na item, nenn es so. Früher oder später kommst Du doch
auf meinen Standpunkt. Vater ist auch zuletzt auf diesen Standpunkt
gekommen. Vater und Du, Ihr ähnelt einander zum verwechseln. Ihr seid
dieselben Idealisten. Anno 48 hat Vater auf den Barrikaden angefangen,
und als einsamer Hypochonder macht er den Schluß. -- Man muß sich an
die Welt und an sich selbst +bei Zeiten+ gewöhnen, Du! -- eh man sich
die Hörner abgelaufen hat.
+Wilhelm+: Oder aber an sich arbeiten, um anders zu werden.
+Robert+: Das sollte mir einfallen, ich bin, wie ich bin. Ich habe ein
Recht so zu sein, wie ich bin.
+Wilhelm+: Dann fordere Dein Recht auch offen!
+Robert+: Ich werde mich hüten, denn ich will zu meinem Rechte
+kommen+. Die Moralphilister sind nun mal in der Mehrheit. -- Uebrigens
ich muß nun doch gehen -- also .... und wenn ich Dir rathen soll, Du:
nimm Dich vor den sogenannten guten Vorsätzen in Acht!
+Wilhelm+ _(kalt)_: Wie meinst Du denn das?
+Robert+: Ganz einfach: man muß nicht +Dinge+ leisten wollen, die man
seiner ganzen Naturanlage nach nun mal nicht leisten kann.
+Wilhelm+: Zum Beispiel?
+Robert+: I! -- zu mir kommen zum Beispiel manchmal solche Kerls, die
mir den Kopf wer weiß wie heiß machen, von Idealen schwatzen. Man
müsse für die menschheitlichen Ideale kämpfen, was weiß ich! -- ich
und für Andere kämpfen! fabelhafte Zumuthung! -- und für was und zu
was denn? -- Na aber wie ich Dich kenne, Dich beunruhigt so was, Du
würdest herumlaufen, wie einer der gestohlen hat: was bin ich für ein
Jammerkerl! würdest Du Dir in einem fort sagen. Hab ich nicht Recht? na
und dann käme schließlich der gute Vorsatz, und der drückt einen dann,
das kenne ich. Ich bin auch früher mit hunderterlei solcher Vorsätze
herumgelaufen. -- Jahrelang -- und das ist kein Vergnügen sag ich Dir!
+Wilhelm+: Ich weiß nicht recht, auf was Du hinaus willst?
+Robert+: Etwas Bestimmtes habe ich auch durchaus nicht im Auge: --
die Unruhe -- an der Du jetzt laborirst -- hat ja auch noch andre
Ursachen ...... Ich jedenfalls ..... wenn ich früher merkte .... in
früheren Zeiten habe ich ja auch ähnliches durchgemacht -- aber sobald
ich merkte, daß die Geschichte über meine Kräfte ging, habe ich ihr
gewöhnlich kurz entschlossen den Rücken gewandt.
+Wilhelm+: Soll das ein Wink sein?
+Robert+: Wink? -- ich wüßte nicht ..... also nochmals -- laß Dir’s gut
gehen und .....
+Wilhelm+: Sag mir doch mal Du -- rein objektiv -- es hat ein gewisses
Interesse für mich .... es ist nur weil ....
+Robert+: Bitte, -- was wünschest Du zu hören?
+Wilhelm+: Du hast selbst vorhin etwas gesagt.
+Robert+: Wann, vorhin?
+Wilhelm+: Als wir über Vater sprachen.
+Robert+: Ach richtig, ja -- was soll ich denn da gesagt haben?
+Wilhelm+: Du sagtest, es würde vielleicht doch gut werden mit Ida und
mir.
+Robert+: Ja so, -- Euer Verhältniß, -- das hätte ich gesagt. --?
+Wilhelm+: Das hast Du gesagt.
+Robert+: Nu ja, ich habe da +manches+ gesagt.
+Wilhelm+: Das heißt so viel, als -- Du bist von manchem, was Du da
gesagt hast, zurückgekommen.
+Robert+: Ganz recht, das bin ich.
+Wilhelm+: Auch was die .... diese selbe Sache anbelangt ....?
+Robert+: Euer Verhältniß?
+Wilhelm+: Ja.
+Robert+: Ist Dir das denn wichtig?
+Wilhelm+: Ja, vielleicht.
+Robert+: Ja.
+Wilhelm+: Du bist also nicht mehr der Ansicht -- daß wir .....
+Robert+: Nein.
+Wilhelm+: Schön -- ich danke Dir -- Du bist offen -- ich danke Dir.
-- Aber nehmen wir mal an -- setzen wir den Fall, ich kehre der ganzen
Sache den Rücken -- sehen wir zunächst mal ganz davon ab, was das für
mich bedeuten würde angenommen -- also, ich ginge auf der Stelle mit
Dir -- was sollte dann -- aus Ida -- werden?
+Robert+: Hm -- Ida? -- Ida? _(zuckt die Achseln)_ hm ja, ja -- das
läßt sich nicht so schnell .... das heißt -- besorgen würde mich das
wirklich nicht so sehr.
+Wilhelm+: Du!!! das ist Deine alte Perfidie! das kenne ich.
+Robert+: Perfid? wieso denn? nein da täuschest Du Dich! um perfid zu
sein ist mein Interesse doch nicht ausreichend -- mein Interesse an der
Sache mein ich. Ich glaube wirklich nicht .....
+Wilhelm+: Das weiß ich besser, Du. Du wirst mich doch nicht dieses
Mädchen kennen lehren wollen?! es ist nun mal so -- verlaß Dich darauf!
sie hat nun mal ein Gefühl für mich, ich kann’s nicht ändern -- ich
bilde mir nichts ein darauf. -- Was wird also aus ihr werden, wenn ich
davon laufe?
+Robert+: Hm -- machst Du Dir also wirklich ernstlich darüber Gedanken?
+Wilhelm+: Allerdings -- ja -- allerdings.
+Robert+: Antworte mir doch gefälligst erst mal darauf: wenn Ihr Euch
heirathet, was wird dann aus Ida?
+Wilhelm+: Das kann kein Mensch wissen.
+Robert+: O doch, Du! das weiß man --: Mutter.
+Wilhelm+: Als ob Ida mit Mutter zu vergleichen wäre.
+Robert+: Aber Du mit Vater.
+Wilhelm+: Jeder Mensch ist ein +neuer+ Mensch.
+Robert+: Das möchtest Du gern glauben. Laß gut sein! da verlangst
Du zu viel von Dir. Die fleischgewordene Widerlegung bist Du ja doch
selbst.
+Wilhelm+: Das möchte ich wissen.
+Robert+: I, das weißt Du sehr genau.
+Wilhelm+: Schließlich kann man sich darüber hinaus entwickeln.
+Robert+: Wenn man danach erzogen ist nämlich.
+Wilhelm+: Ach, es hat keinen Sinn weiter zureden.
+Robert+: Durchaus meine Ansicht.
+Wilhelm+: Das kann ja doch zu nichts führen _(ausbrechend, außer
sich.)_ Ihr wollt mich zu Grunde richten! -- Ich bin das Opfer eines
Complots! -- Ihr habt Euch gegen mich verschworen, Ihr wollt mich
abthun! -- Ihr wollt mich endgültig abthun!
+Robert+: Das war Vaters zweites Wort.
+Wilhelm+: Das ist lächerlich, -- Deine Bemerkungen sind einfach
lächerlich! -- Habe ich etwa nicht Grund, das zu sagen -- wollt Ihr
mich etwa nicht von Ida trennen? Es ist ..... aufrichtig gesagt -- mir
fehlen die Worte ..... Es liegt eine so fabelhafte Anmaßung .... eine
Brutalität liegt darin -- über alle Begriffe geradezu! Mit Ida soll ich
Mitleid haben! -- wer hat denn mit mir Mitleid, sag mal? nenn mir einen
Menschen! -- wer denn?
+Robert+: Selbstverständlich! -- wenn Du so sprichst,
selbstverständlich!
+Wilhelm+: Man verlangt Opfer von mir. -- Auf einmal soll ich die
unsinnigsten Opfer bringen! Ich soll ....
+Robert+: Du kannst Dir jedes Wort getrost sparen. -- Unter solchen
Verhältnissen selbstverständlich. -- Es ist Dein gutes Recht, das
Mädchen fest zu halten.
+Wilhelm+: Unter solchen Verhältnissen? -- unter was für Verhältnisse?
sag mir doch bitte!
+Robert+: Du sprachst von Ida -- vorhin -- meines Wissens ...
+Wilhelm+: Nun ja -- also was --?
+Robert+: Jetzt sprichst Du von Dir -- es kam so heraus -- na --
mit einem Wort, wenn es Dir gleichgültig ist, was aus dem Mädchen
wird -- wenn Du die nöthige Dosis .... nun sagen wir meinetwegen
Rücksichtslosigkeit auf Lager hast .... wenn Du sie so nimmst .... so
wie einen neuen Rock oder Hut oder so was ......
+Wilhelm+: Robert! -- so durch und durch herzlos, wie Du bist, -- Du
hast doch diesmal Recht -- ich gehe mit Dir .... hier aus dem Hause --
heißt das -- gehe ich mit Dir .... ein Stück -- nicht weit -- und nun
.... nun .... bin ich fertig -- mit Euch Allen. -- Ja, ja, jetzt bin
ich -- rede nicht erst! -- jetzt bin ich wirklich fertig -- ganz und
gar .......
+Robert+ _(sieht ihn erstaunt an und zuckt dann mit den Achseln.)_
+Wilhelm+ _(mit steigender Heftigkeit)_: Du, Du! -- gieb Dir keine Mühe
-- es gelingt Dir nicht -- mich kannst Du nicht täuschen mit Deiner
harmlosen Ruhe. -- Recht hast Du allerdings, aber was Dich auf den
rechten Gedanken gebracht hat, das sag ich Dir in’s Gesicht, das ist
jämmerlicher Neid ..... das ist einfach tief klägliche Mißgunst! -- Du
weißt sehr gut, daß ich ehrlich kämpfen würde, doch ihrer schließlich
einigermaßen würdig zu werden. -- Du weißt sehr gut, wie dieses Mädchen
mit ihrer Reinheit mich reinigt. Aber Du willst es nicht! Du willst
mich nicht gereinigt wissen. -- Warum willst Du es nicht? -- nun weil
.... weil Du selbst so bleiben mußt, wie Du bist ...... weil sie mich
liebt und nicht Dich! -- Und deshalb hast Du mir diesen ganzen Abend
mit Deinem Polizeiblick aufgelauert ..... hast mir immer und immer
wieder zu erkennen gegeben, daß Du etwas von mir weißt -- ja wohl!
Du hast ganz Recht! ich bin ein durch und durch lasterhafter Mensch.
Nichts ist mehr rein an mir. Besudelt, wie ich bin gehöre ich nicht
neben diese Unschuld, und ich bin auch entschlossen, kein Verbrechen zu
begehen. Aber Du Robert! Du wirst dadurch nicht reiner; ein Glück für
Dich, daß Du Dich nicht mehr schämen kannst!
+Robert+ _(hat während des letzten Drittels von Wilhelms Rede seine
Sachen genommen und ist dem Ausgang zugeschritten. Die Klinke in der
Hand bleibt er stehen, als ob er reden wollte, besinnt sich eines
anderen, zuckt resignirt mit den Achseln und entfernt sich sehr ruhig.
Ab.)_
+Wilhelm+ _(dem Davongegangenen nachrufend)_: Robert! -- Robert! --
+Ida+ _(aus dem Nebenzimmer eintretend)_: Wen rufst Du denn?
+Wilhelm+: Ach -- Du bist hier.
+Ida+: Der Arzt ist drin, Wilhelm -- er sagt -- es sei doch ernst, es
....
+Stimme der Frau Scholz+ _(jammernd)_: Mein lieber guter Mann, ach!
.... ach, mein lieber, guter Mann!
+Wilhelm+: Was habe ich gethan! was habe ich nun wieder gethan!
+Ida+: Es drückt mir das Herz ab. -- Ich möchte Dich gern -- nicht
fragen, ich .... aber es muß etwas .... Du hast etwas Willy!
+Wilhelm+: Gar Nichts habe ich -- in die Einsamkeit möchte ich wieder
-- dort ist unser Platz, Ida.
+Ida+: Weshalb --? ich verstehe garnicht.
+Wilhelm+ _(barsch und heftig)_: Ja, ja, ja! das ist ja die alte
Leier --: ich versteh Dich nicht, ich versteh Dich nicht! -- Mutter
und Vater haben auch ihr Leben lang verschiedene Sprachen gesprochen;
Du verstehst mich nicht! Du kennst mich nicht! -- Du hast platte
Backfischillusionen, und da habe ich nichts weiter zu thun, als mich
zu verstecken vor Dir und zu verstecken -- bis ich ganz und gar zum
elendesten Betrüger und Schurken werde.
+Ida+ _(hat Wilhelm bestürzt angeblickt, nun weint sie)_.
+Wilhelm+: Da siehst Du nun: dies ist mein wahres Gesicht. Und ich
brauche nur einen Augenblick lang zu vergessen, was ich Dir gegenüber
für eine Rolle spiele, da kommt es auch schon hervor. Du kannst mein
wahres Gesicht nicht ertragen. Du weinst und Du würdest Jahre hindurch
weinen, wenn ich nicht Mitleid mit Dir hätte. -- Nein, Ida, es darf
zwischen uns nichts werden ..... ich bin zu dem festen Entschluß
gekommen.
+Ida+ _(An seinen Hals fliegend)_: Das ist nicht wahr! -- das ist nun
und nimmermehr wahr!
+Wilhelm+: Denk’ an das, was Du hier gesehen hast! sollen wir es von
neuem gründen? -- sollen wir dieses selbe Haus von neuem gründen?
+Ida+: Es wird anders werden! es wird besser werden, Wilhelm.
+Wilhelm+: Wie kannst Du das sagen?
+Ida+: Das +fühle+ ich.
+Wilhelm+: Aber Du stürzst Dich blindlings in’s Verderben, Ida! ich
reiße Dich in’s Verderben!
+Ida+: Ich habe keine Furcht, -- davor habe ich keine Furcht, Wilhelm!
hab’ nur wieder Vertrauen! gieb’ mir nur wieder Deine Hand! Dann werd’
ich Dir etwas sein können -- stoß mich nur nicht von Dir ........
+Wilhelm+: Gieb’ mich frei! -- zum ersten Mal liebst Du! -- Du liebst
eine Illusion. Ich habe mich weggeworfen, wieder und wieder. Ich habe
Dein Geschlecht in Andern geschändet. -- Ich bin ein Verworfener. --
+Ida+ _(jauchzend und weinend ihn umhalsend)_: Du bist +mein+! Du bist
+mein+!
+Wilhelm+: Ich bin Deiner nicht werth!
+Ida+: O sage das nicht! vor Dir bin ich klein, ach, wie klein! wie
eine kleine, kleine Motte bin ich nur. Wilhelm, ich bin nichts ohne
Dich! ich bin Alles durch Dich -- zieh’ Deine Hand -- nicht -- von mir
-- armseligen -- Geschöpfe!
+Wilhelm+: Ida!!! -- ich Dir? Ida ich? ... _(umarmen und küssen sich
unter Lachen und Weinen.)_ Ich soll meine Hand nicht von Dir ziehen? --
Ja -- was -- sagst Du denn da -- was sagst Du -- denn nur -- da -- Du
-- böse .....
+Ida+: Nun -- versprichst Du -- mir -- nun ...
+Wilhelm+: Ich schwöre Dir -- jetzt .... _(ein markdurchdringender
Aufschrei aus dem Nebenzimmer schneidet die Rede ab. Betroffen und
entsetzt starren Ida und Wilhelm einander in die Augen)_.
+Stimme der Frau Scholz+: Mein Mann -- stirbt ja! -- mein -- guter,
lieber Mann -- stirbt ja doch -- mein Mann .... _(lautes Weinen)_.
+Wilhelm+: Gott! -- mein Gott -- was? -- Vater!!! Vater!!! _(will sich
in’s Nebenzimmer stürzen; halbwegs kommt Ida ihm zuvor.)_
+Ida+: Wilhelm! -- komm’ zu Dir selbst! -- und -- geh’ nicht -- ohne
mich!
_(+Friebe+ kommt von Schluchzen geschüttelt aus dem Nebenzimmer und
verschwindet in der Küche.)_
+Auguste+ _(folgt Friebe auf dem Fuße. Vor Wilhelm stehen bleibend,
stößt sie mühsam hervor)_: Wer -- trägt nun -- die Schuld? -- wer? wer
--? -- _(Sie bricht am Tisch zusammen, ein dumpfes und hohles Stöhnen
entringt sich ihrer Brust. Das laute Weinen der Frau Scholz ist noch
immer hörbar.)_
+Wilhelm+ _(will ausbrechen)_: Auguste!
+Ida+ _(an Wilhelm’s Brust beschwichtigend, mit bebenden Lauten)_:
Wilhelm, -- ich glaube -- Dein Vater -- ist nicht mehr.
_(Wilhelm will auf’s Neue ausbrechen, wird abermals durch Ida
beschwichtigt, kämpft seinen Schmerz nieder, sucht und findet Ida’s
Hand, die er krampfhaft in seiner drückt, und geht Hand in Hand mit dem
Mädchen aufrecht und gefaßt auf das Nebengemach zu.)_
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