C. F. Gellerts Sämmtliche Schriften - 3

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Tritt ein Apostel auf, und kündiget den Lüsten
Den Krieg gottselig an; und Heiden werden Christen.
Man widersetzt sich ihm. Der Weise schmäht das Wort.
Bestrafet und beschimpft stößt man den Lehrer fort.
Er duldet froh die Schmach, mit der man ihm begegnet;
Man droht, er zittert nicht; man fluchet ihm, er segnet,
Redt freudig vor dem Volk, und muthig vor dem Thron,
Und redt in Banden noch das Wort von Gottes Sohn;
Und seine Lehre siegt. Schon stürzen die Altäre,
Von Hoheit, Ehr und Glück, von der Gewalt der Heere,
Dem Arm des Vorurtheils, des Lasters und der List,
Vergebens unterstützt. Der Heide wird ein Christ.
Er glaubt, bezwingt sein Herz, bezwingt des Lasters Mächte;
Und Sklaven wilder Lust sind plötzlich Gottes Knechte.
Schon eilen auf ihr Haupt Verachtung, Schmach und Spott.
Verleugnet euern Herrn; nein! unser Herr ist Gott.
Man wütet, und umsonst! der Christ erträgt die Leiden,
Und in des Henkers Arm des Todes Quaal mit Freuden.
Die Lehre Jesu siegt. Hat Gott sie nicht geschützt,
Sie nicht durch Kraft und Geist, durch Wunder unterstützt:
So mußt du dieß, daß sie hat Beyfall finden können,
Und daß sie sich erhielt, der Wunder Wunder nennen.
Du siehst viel Zweifel. Gut! Siehst du nicht auch viel Licht?
Wenn du Beweise siehst; dann ist der Glaube Pflicht.
Der Wahrheit heimlich feind, sinnreich in eitlen Fragen,
Hängst du dem Zweifel nach, und magst ihm nicht entsagen.
Prüf die Religion; doch denk auch was du bist.
Daß dein Verstand umschränkt und Gott unendlich ist.
Thu ihren Willen treu; dann wirst du inne werden,
Sie sey des Himmels Geist und nicht der Witz der Erden.

Der Stolz.
Der du zu deiner Ruh dein Nichts so gern vergißt,
Und desto mehr dich dünkst, je weniger du bist,
Mensch! was erzeugt den Stolz, mit dem dein Herz sich nähret?
Nur dein Verdienst dir rühmt und Beßrer Werth entehret,
An Andern hassest du des Stolzes Eitelkeit,
Und sklavisch machst du ihn zum Herrn, der dir gebeut.
Wie, sprichst du, mir den Stolz, dieß Laster, vorzurücken?
Wenn zeig ich ihn? Sehr oft. Er redt aus deinen Blicken,
Er pralt in deinem Gang, gebeut aus deinem Ton;
Oft ist dein Kleid und oft des Dieners Kleid sein Thron;
Der Titel, der dich bläht, der Name deiner Väter,
Der dich so oft entzückt, wird dein und sein Verräther.
Was ists, wodurch der Stolz dich nicht zu fesseln weis?
Stand, Schönheit, Glück und Ruhm, Witz, Tugend, Kunst und Fleiß,
Das, was wir hoch mit Recht, und oft mit Unrecht, schätzen,
Dieß alles beut er auf, sich fest in dir zu setzen;
Und hast du kein Verdienst: so täuscht er dich durch Schein,
Läßt, was du niemals warst, dich in Gedanken seyn;
Und was du endlich hast, dieß sind vollkommne Gaben.
Und heimlich wirst du sie bloß dir zu danken haben.
So, sprichst du, soll ich blind der Güter Werth verschmähn,
Nicht wissen, was ich bin, was ich vermag, nicht sehn,
Den Vorzug, der mich schmückt, vor vielen schmückt, nicht kennen,
Mir den Genuß des Glücks und meiner selbst, nicht gönnen?
Mein Stolz ist ein Gefühl von meinem eignen Werth.
Wenn hab ich mehr zu seyn, als ich verdient, begehrt?
Kann ich in mir das Amt der Wahrheit wohl verwalten,
Und minder von mir selbst, als sich gebühret, halten?
O Freund! wer bist du denn? Ich seh aus deiner Pracht,
Dich hat der Ueberfluß, der Reichthum stolz gemacht.
Berechtigt dich ein Gut, das aus der Väter Kisten
In deine Hände fiel, dich königlich zu brüsten?
Ist jener, der durch Fleiß der Dürftigkeit entflohn,
Nicht würdiger, als du bey deiner Million?
Ist dieses ein Verdienst, viel Ueberfluß besitzen?
Verstehst du denn die Kunst, den Reichthum schön zu nützen,
Der Andern Glück zu seyn? Wozu gebrauchst du ihn?
Des Volks Bewunderung durch Pracht auf dich zu ziehn,
In Kutschen dich zu blähn, in Schlössern stolz zu wohnen,
Der Schmeichler Knecht zu seyn, und Narren zu belohnen;
Deswegen bist du stolz?
So recht! versetzt Crispin,
Er hat den Schatz ererbt; doch ich erwarb mir ihn.
Mir hat der Fleiß mein Gut, ihm hats das Glück bescheret;
Durch Witz hab ichs erreicht, durch Sparsamkeit vermehret.
Ich treibe keine Pracht, kein Hochmuth nimmt mich ein.
Doch ists nicht ein Verdienst, mit Ehren reich zu seyn?
Und darf ich dieß Verdienst nicht an mir selbst bemerken?
So gründlich weis Crispin sich in dem Stolz zu stärken.
Sein Gut, durch stumme List und tückischen Verstand
Den Armen abgedrückt, und Freunden oft entwandt,
Dem Fürsten und dem Staat durch Gleißnerey entrissen,
Dieß nennt er sein Verdienst, und trotzt auf sein Gewissen.
Doch, sey auch kein Crispin, sey reich durch bessern Fleiß,
Entstund dein Ueberfluß, dein Glück, auf dein Geheiß?
Wer gab zu deiner Kunst dir Fähigkeit und Kräfte?
Wodurch gelungen dir so glückliche Geschäffte?
Warst du der Herr der Zeit, die günstig dir erschien?
Des Zufalls, der mehr Glück, als Andern, dir verliehn?
Sind jene Redlichen, die sich im Mangel grämen,
Nicht diese, die durch Fleiß und Kunst dich oft beschämen?
Allein ich streite dir den größten Fleiß nicht ab.
Was schaffst du mit dem Gut, das Fleiß und Kunst dir gab?
»Ich unterhalte die, die gern sich nähren wollen --
Ich baue --« Baust du bloß, daß Andre leben sollen?
»Ich sorge für mein Haus und laß ihm einst mein Glück.«
Ich ließ ihm, wär ich du, gern weniger zurück,
Und würde, mir das Wohl der Meinen zu verpfänden,
Auf ihre Zucht, ihr Herz, weit mehr, als du, verwenden.
Du glaubst, du thust sehr viel; doch kenntest du die Pflicht
Des Reichthums und dich selbst: so glaubtest du dieß nicht.
Doch jener, dessen Geist dem Staube sich entrissen,
Den, ihrem Throne nah, die Fürsten günstig küssen;
Er, den die Weisheit hob und in der Höhe schützt,
Er, der sich selbst verzehrt, indem er Ländern nützt;
Er winkt, so flieht die Schaar des Hofes ihm entgegen,
Dem dräut sein Blick den Fluch, und jenem lacht er Segen;
Hat er, der Fürsten Freund, den jeder Tag mehr preist,
Und dessen Glanz zu sehn, der Fremde kostbar reist;
Er, dessen Namen schon ins Ohr entfernter Zeiten
Die Sänger des Apolls mit ewgem Laut verbreiten;
Hat er, den alles schätzt und sein Verdienst ihn lehrt,
Nicht Recht zu seinem Stolz, mit dem er sich verehrt?
O hätt er Muth genug, die Schmeichler zu verachten,
Dreist in sein Herz zu gehn und streng es zu betrachten,
Entkleidet von dem Schein, was Schein ist, zu verschmähn,
Wie würd er so beschämt auf seine Grösse sehn!
Was ist die Weisheit denn, durch die sein Geist gestiegen?
Oft nur die Wissenschaft, den Fürsten zu vergnügen,
Durch Scenen stolzer Lust ihn glücklich zu zerstreun,
Und, um sich groß zu sehn, des Fürsten Knecht zu seyn.
Was ist die Wachsamkeit, die seine Hoheit schützet?
Den, welcher mehr Verstand, mehr Witz, als er besitzet,
Dem Weisheit und Natur ein edler Herz verliehn,
Den Augen seines Herrn sorgfältig zu entziehn.
Was ist der Edelmuth, mit dem er Andern dienet?
Ists Tugend, daß er sich, dein Schuz zu seyn, erkühnet?
Bewegt ihn dein Verdienst, wenn er die Bittschrift liest,
Mehr, als die Kunst, mit der ein Narr den Saum ihm küßt?
Er hilft mir, weil mein Flehn sein weichlichs Herz beschweret;
Und meine Demuth ists, die ihn die Großmuth lehret.
Was ist des Grossen Fleiß, von dem er stündlich spricht?
Wem dient er? Meistens sich und selten seiner Pflicht.
Was treibt ihn feurig an, das Schwerste zu vollführen?
Sein Amt? Nein, mehr die Furcht, sein Amt nicht zu verlieren.
O spricht er bey sich selbst: Gesegnet sey mein Rath!
Gesegnet sey mein Fleiß! denn beides hält den Staat;
Und wenn er dieß sich sagt, spricht oft das Land indessen:
Verflucht sey doch die Kunst, den Unterthan zu pressen!
»Geschieht nicht, was geschieht, im ganzen Staat durch mich?
Wer übersieht ihn mehr, wer kennt ihn mehr als ich?«
Stirb, und vor deiner Gruft wird sich der Staat beschweren,
Du habst ihn nur gekannt, um tief ihn zu verheeren.
Hat jener, der sein Haus im Dunkeln treu regiert,
Ihm Fleiß und Tugend läßt, nicht mehr, als du vollführt?
Ihn ehret die Vernunft; und gegen seine Grösse
Ist deine Hoheit Schwulst, und dein Verdienst nur Blösse.
Am Stolz dem Grossen gleich, und stolzer oft, als er,
Tritt, der die Demuth lehrt, der Weise, dort einher,
Zeigt uns auf seiner Stirn, dem menschlichen Geschlechte,
Der künftgen Welt zum Dienst, verwachte finstre Nächte.
Wer, denkt er, trieb die Kunst so hoch, als ich sie trieb?
Wer schrieb am gründlichsten, seitdem man Bücher schrieb?
Ein Licht, aus meinem Geist hellstralend ausgeflossen,
Hat endlich den Verstand der Menschen aufgeschlossen.
Nun irrt kein Sterblicher, wofern er mich versteht,
Er lese, was ich schrieb. Sind so viel Alphabet
Voll Weisheit, hell erklärt, und kettenweis bewiesen,
Jahr aus, Jahr ein, gedruckt, und monatlich gepriesen,
Sind diese nicht geschickt, die Wahrheit zu erhöhn?
Nein, ehe glaubt ich selbst, mein Ruhm könnt untergehn.
O glaub es, stolzer Mann, wer wird dich künftig lesen?
Die Welt verlöre nichts, wärst du gleich nicht gewesen.
Ja, denkt ein Damon hier, der stolze Mann ist klein;
In meiner Wissenschaft, da glückt es, groß zu seyn.
Ist nicht mein kostbar Werk der Schmuck in Büchersälen?
Sagts nicht, wie viel ich weis, wie oft die Andern fehlen?
Führ einen Kenner an, ders nicht für göttlich hält?
Ja, Damon, doch dieß Werk, was nützt es denn der Welt?
Hast du durch deinen Dienst sie dir so sehr verpflichtet,
Als jener, der sein Dorf zur Tugend unterrichtet?
Doch dein Verdienst sey mehr, als ein gelehrter Ruf.
Sey selbst der größte Geist, den die Natur erschuf;
In dir sey Wissenschaft, Geschmack und Witz verbunden;
Hab überdacht, geprüft, und habe selbst erfunden;
Sey mit der Welt genau, die vor dir war, bekannt;
Sprich stets Beredsamkeit, sprich göttlichen Verstand;
Erforsche die Natur auf dem geheimsten Gleise;
Schreib ganze Schulen klug, und Nationen weise,
Und habe denn das Ziel des größten Ruhms erreicht,
Daß itzt dir keiner glich, und künftig keiner gleicht;
Noch hast du wenig Recht, Geringre zu verachten,
Und als den Würdigsten mit Stolz dich zu betrachten.
Der Geist, mit dem du dich so vieles Ruhms erkühnt,
Woher bekamst du ihn; was hat ihn dir verdient?
Sprach, eh du aus dem Nichts, als Mensch gebildet, giengest,
Schon ein Verdienst für dich, daß du so viel empfiengest?
Das jene weise Hand dir mehr, als uns verleiht,
Giebt dir kein Recht zum Stolz, nein, zur Erkenntlichkeit.
Der Fleiß, den du verehrst, ist dieser Fleiß dein eigen?
Wer gab dir Muth und Lust, so glücklich ihn zu zeigen?
Geburt und Unterricht, der Lehrer und der Freund,
Das Beyspiel und das Glück, und was sich sonst vereint,
Den Trieb nach Wissenschaft und deinen Fleiß zu mehren,
Weß sind sie? Wag es nur, und zieh von deinen Ehren
Gerecht den Antheil ab, den jedes fordern kann,
Was hätte, sonder sie, dein grosser Fleiß gethan?
Du hast weit mehr gewirkt, als Tausend nicht verrichten,
Wahr ists; doch hattest du nicht auch weit größre Pflichten?
Gehört zur edlen That Erfolg und Umfang bloß?
Der Quell, aus dem sie fließt, macht unsre Handlung groß.
Verschwende deinen Fleiß in Schaaren grosser Thaten,
Ihr Nutzen greif um sich, und segne ganze Staaten;
Allein, was war der Grund von deiner edlen Müh?
Der Menschen Glück? Sprach dieß in deiner Brust für sie?
Belebte deinen Fleiß, beseelte deine Triebe
Der heilge Ruf der Pflicht, der Geist der Menschenliebe?
Wie oder war dein Ruhm, der Geist der Eitelkeit,
Dein Glück der Gott, dem du den ewgen Fleiß geweiht?
Oft nur für unsern Ruhm erringen wir uns Stärke,
Und auf unedlem Grund erbaun wir edle Werke.
So füllt die Lilie wohlriechend ihr Gebiet,
Die doch den Nahrungssaft aus faulem Staube zieht:
So wird die Fruchtbarkeit, mit der die Saat sich hebet,
Und unsre Scheuren füllt, doch erst vom Schlamm belebet.
Die hellsten Tugenden, sind diese Tugend nur?
Wie oft erzwinget sie der Hochmuth der Natur!
Er macht sie scheinbar nach, und weis, durch Kunst bescheiden,
In Demuth, Höflichkeit und Güte sich zu kleiden.
Sieh jenen Gütigen! Stolz ists, der ihn erweicht;
Ich seh es aus der Hand, die mir die Gutthat reicht.
Nimm, sagt er durch die Art, mit der er sie beweget,
Das, was ein Niedriger, wie du, zu schätzen pfleget.
Du hast dich itzt mit Recht, mich anzuflehn, erkühnt;
Nützt nicht mein Ueberfluß auch dem, ders nicht verdient?
Was ist der fromme Wunsch, womit Alcest uns segnet?
Stolz, den der Gruß beseelt, mit dem wir ihm begegnet.
Sieh jenen Höflichen; mit welcher Freundlichkeit
Bemerkt er unsern Wunsch! Er schenkt uns seine Zeit,
Schleicht sich in unser Herz, und sucht, und lernt in allen,
Der Künste schwerste Kunst, jedwedem zu gefallen.
Sich selber ist er nichts, und alles sind wir ihm;
Doch seine Höflichkeit ist stolzer Ungestüm
Und ein Befehl für uns, ihn doppelt hoch zu achten,
Weil er so gütig war, nicht laut uns zu verachten.
Sieh die Bescheidne dort. Ihr Gang, ihr Blick, ihr Ton
Ist Demuth; lobe sie, und sie erröthet schon.
Sie giebt der Schönheit Ruhm erschrocken dir zurücke,
Und widerlegt ihn noch durch lobenswerthre Blicke,
Verringert ihren Werth, der sich dein Lob gewann,
Damit sie dir beweist, wie schön sie denken kann,
Und wird zuletzt vor dir der Demuth Thränen weinen,
Aus Stolz, was Göttlichers, als Andre sind, zu scheinen.
Man eifert auf den Stolz, nennt seinen Eifer Pflicht,
Und unser Eifer selbst ist Stolz, der aus uns spricht.
Man schreibt ein sinnreich Werk, dieß Laster zu vertreiben,
Und wird aus Stolz geschickt, schön wider ihn zu schreiben.
Man rühmt des Weisen Ruh, rühmt die Gelassenheit,
Mit der er sich beschützt, wenn ihm der Unfall dräut;
Und oft ist diese Ruh geheimer Trotz der Seelen,
Der spricht: Giengs nach Verdienst, so würde nichts mir fehlen.
Man rühmt des Helden Muth, der, wenn das Schwerdt der Schlacht
Itzt Legionen frißt, ihn unerschüttert macht;
Oft ist sein Muth nur Stolz. Er denkt, für meine Waffen,
Mich zu vertheidigen, sind diese nur geschaffen.
Doch herrscht der Uebermuth in Hohen nur allein?
Nein, selber das Gebiet der Niedrigsten ist sein.
Der arme Landmann sieht des Aermern reichre Garben;
Er sollte, denkt sein Stolz, er wohl, doch ich nicht, darben.
So sieht des Bettlers Noth ein Bettler ungerührt;
Mir Würdigern, denkt er, mir hätte viel gebührt.
So schließt des Künstlers Stolz aus seiner Tracht von Seide,
Wie viel er besser ist, als der im wollnen Kleide.
O Mensch! vertreibe doch den Glanz des falschen Lichts!
Warum verbirgst du dir mit so viel Kunst dein Nichts?
Was ist des Menschen Ruhm, des Klugen wahre Grösse?
Die Kenntniß seiner selbst, die Kenntniß seiner Blösse;
Ein redendes Gefühl, das laut im Herzen spricht:
So viel ich hab und bin, hab ichs von mir doch nicht;
So wenig ich empfieng, will ichs mit Dank besitzen,
Mich seiner täglich freun, und unverdient es nützen.
Und ist dein Ohr, o Freund! vor dieser Stimme taub:
So schleiche tiefgebückt und krümme dich im Staub,
Und predige das Nichts der äusserlichen Ehren,
Du wirst den gröbsten Stolz auch noch im Staub ernähren.

Die Freundschaft.
Sey ohne Freund; wie viel verliert dein Leben!
Wer wird dir Trost und Muth im Unglück geben,
Und dich vertraut im Glück erfreun?
Wer wird mit dir dein Glück und Unglück theilen,
Dir, wenn du rufst, mit Rath entgegen eilen,
Und wenn du fehlst, dein Warner seyn?
Sprich nicht: Wo sind der Freundschaft seltne Früchte?
Wer hält den Bund, den ich mit ihm errichte?
Wer fühlt den Trieb, den ich empfand?
O klage nicht! Es giebt noch edle Seelen.
Doch sehn wir auch, wenn wir uns Freunde wählen,
Genug auf Tugend und Verstand?
Aus Eitelkeit für jenen sich erklären,
Weil er vielleicht begehrt, wie wir begehren,
Und weil sein Umgang uns gefällt;
Das Herz ihm weihn, noch eh wir seines kennen,
Aus Eigennutz ihm unsre Zeit vergönnen;
Dieß ist nicht Freundschaft, dieß ist Welt.
Um einen Freund von edler Art zu finden,
Mußt du zuerst das Edle selbst empfinden,
Das dich der Liebe würdig macht.
Hast du Verdienst, ein Herz voll wahrer Güte:
So sorge nichts: ein ähnliches Gemüthe
Läßt deinen Werth nicht aus der Acht.
Du mußt für dich und die empfangnen Gaben
Erst Sorgfalt gnug, gnug Ehrerbietung haben;
Und deinem Herzen nichts verzeihn.
Du mußt dich oft, ohn Eigennutz zu dienen,
Du mußt dich stets, gerecht zu seyn, erkühnen.
Und daß es Andre sind, dich freun.
Ein Herz, das nie sich selbst mit Ernst bekämpfet,
Nie Stolz und Neid und Eigensinn gedämpfet;
Liebt dieses Herz wohl dauerhaft.
Wie bald wirds nicht durch kleine Fäll ermüden!
Es fühlet sich, und stört der Freundschaft Frieden
Durch ungezähmte Leidenschaft.
Hast du das Herz, mit dem du dich verbunden,
Dem deinen gleich, der Liebe werth gefunden:
So thue, was die Weisheit spricht.
Sie heißt in ihm dich jede Tugend ehren,
Wie sehr du liebst, durch Thaten ihn belehren,
Und macht sein Glück zu deiner Pflicht.
Sie legt dir auf, sein Gutes nachzuahmen.
Du ahmst es nach, und du belebst den Saamen
Der Eintracht und der Zärtlichkeit.
Du sorgst mit Lust für deines Freundes Ruhe,
Er, ob er gnug, dich zu verdienen, thue;
Und eure Treu wächst durch die Zeit.
Dein Freund, ein Mensch, wird seine Fehler haben;
Du duldest sie bey seinen grössern Gaben,
Und milderst sie mit sanfter Hand.
Sein gutes Herz bedient sich gleicher Rechte,
Begeistert deins, wenns minder rühmlich dächte,
Und sein Verstand wird dein Verstand.
Wenn, ungewiß bey meiner Pflicht, ich wanke,
Wie stärkt mich oft der selige Gedanke:
Was thät Arist bey dieser Pflicht?
Verfahre so, als wär er selbst zugegen.
So giebt ein Blick auf ihn mir ein Vermögen;
Und der erst wankte, wankt itzt nicht.
Ein gleicher Zweck, des Geistes höchste Freude,
Der Weisheit Glück, vereint und führt uns beide;
Denn ich und er, sind beid ihr Freund.
Ein gleiches Gut, das höchste Gut der Erden,
Der Tugend Glück, läßt uns zufriedner werden;
Denn nur für sie sind wir vereint.
Ich eile froh, sein Glück ihm zu versüssen;
Doch daß ichs that, soll er nicht immer wissen;
Mein Herz belohnt mich schon dafür.
Und wenn ich ihm vor seinen Augen diene,
Entzieh ich doch dem Dienst des Dienstes Miene,
Als nützt ich minder ihm, denn mir.
Theilt er mit mir die Last der grössern Sorgen;
So bleibt von mir die kleinst ihm nicht verborgen,
Und schwindet in Vertraulichkeit.
Kaum klag ichs ihm, was mich im Stillen drücket:
So hat sein Blick oft schon mein Herz erquicket,
Eh mich sein Mund mit Trost erfreut.
Entfernt von ihm wird mir ein Glück zu Theile;
Und wenn im Geist ichs ihm zu sagen eile,
Wird mir dieß Glück gedoppelt süß.
Entfernt von ihm drohn mir des Unglücks Pfeile;
Und wenn im Geist ichs ihm zu klagen eile,
So fühl ich minder Kümmerniß.
Wenn wir vertraut, mit aufgewecktem Herzen,
Nach reifem Ernst, die Stund uns froh verscherzen:
So bildet der Geschmack den Scherz.
Den Witz, den Geist, die uns itzt scherzen lehren,
Beseelt die Lieb; und daß wir uns verehren,
Vergißt auch nie das muntre Herz.
Sollt je ein Zwist der Freundschaft Ruhe kränken,
Sollt übereilt ich ihr zum Nachtheil denken,
Und meinem Freund ein Anstoß seyn:
So eil ich schon, den Fehler zu gestehen.
Wars klein von mir, ihn hitzig zu begehen:
So ist es groß, ihn zu bereun.
Mensch, lerne doch dein Leben dir versüssen,
Und laß dein Herz von Freundschaft überfliessen,
Der süssen Quelle für den Geist!
Sie quillt nicht bloß für diese kurzen Zeiten;
Sie wird ein Bach, der sich in Ewigkeiten
Erquickend durch die Seel ergeußt.
Dort werd ich erst die reinste Freundschaft schätzen,
Und bey dem Glück, sie ewig fortzusetzen,
Ihr heilig Recht verklärt verstehn.
Dort werd ich erst ihr ganzes Heil erfahren,
Mich ewig freun, daß wir so glücklich waren,
Fromm mit einander umzugehn.

Der Ruhm.
Was ist das Gut, nach dem du strebst,
Der Ruhm, für den du denkst und lebst?
Wags, du sein Freund, ihn zu betrachten!
Gewährt er, was er dir verspricht,
So bleib ihm treu. Gewährt ers nicht,
So lern ihn dreist verachten.
Welch Glück, wenn mich ein Grosser schätzt,
Der Fürst an seine Seite setzt,
Und laut mir seinen Beyfall schenket!
Alsdann wird mein Verdienst bekannt;
Dann denkt von mir das ganze Land
Groß, wie mein Ehrgeitz denket.
Wer ist der Grosse, der dich ehrt?
Sprich, kennt er der Verdienste Werth?
Setz ihn im Geist aus seinem Stande!
Vielleicht wird dir sein Beyfall klein;
Vielleicht hältst dus, ihm werth zu seyn,
Nunmehr für eine Schande.
Wenn itzt des Dichters Lobgedicht,
Der Redner göttlich von dir spricht,
Und laut dich die Geschichte preisen;
Wenn, auf ihr Wort, die halbe Welt
Dich für den größten Weisen hält;
Wirst du darum zum Weisen?
Wächst deiner Tugend etwas zu,
Gewinnet deines Geistes Ruh;
Wenn viele deinen Namen hören?
Bist du beglückt, in dir beglückt?
Wenn Thor und Thörinn auf dich blickt,
Und Länder dich verehren?
Suchst du den Ruhm nicht in der Pflicht,
Giebt dir dein Herz den Beyfall nicht;
Was wird dir andrer Beyfall nützen?
Und hast du deinen Ruhm in dir;
Was sorgst du kummervoll dafür,
Den äussern zu besitzen?
Wenn jener deinen Namen liest,
Gleichgültig nennt, und dann vergißt;
Ist dieß ein schätzbar Glück zu nennen?
Ist dieß die Welt, die von dir hört;
Wenn gegen einen, der dich ehrt,
Dich tausend noch nicht kennen?
Ist dieß des Nachruhms Ewigkeit;
Wenn ein Scribent der Trockenheit
Sich künftig an dein Leben waget?
Und wenn dem Wandrer einst noch spät
Der Stein, vor dem er müßig steht,
Daß du zu früh starbst, saget?
Und ist das Glück so ungemein,
Von einer Welt gerühmt zu seyn,
Die oft den wahren Ruhm verkennet;
Das Laster rühmet, wenn es gleißt,
Die Wildheit Muth, den Unsinn Geist,
Und Ehrsucht Grösse nennet?
Du strebst mit Eifersucht und Angst,
Damit du ihren Ruhm erlangst,
Wohlan, du sollst ihn schnell erstreben!
Doch welch unsichres Eigenthum!
Vielleicht reut bald die Welt der Ruhm,
Den sie dir schnell gegeben.
Die Zahl der Klugen ist nicht groß.
Verlangst du ihren Beyfall bloß,
So such ihn still in ihrer Sphäre.
Der Kluge sieht auf dein Verdienst;
Und bist du das nicht, was du schienst,
So bist du sonder Ehre.
Erwirb dir Tugend und Verstand;
Nicht, um sie, von der Welt genannt,
Mit eitlem Stolze zu besitzen.
Erwirb sie dir mit edler Müh,
Und halte dieß für Ruhm, durch sie
Der Welt und dir zu nützen.
Nicht deines Namens leerer Schall,
Nicht deiner Tugend Wiederhall
Muß dich zu grossen Thaten stärken.
Die Zeit, die Kräfte, grosser Geist!
Die du so laut dem Ruhme weihst,
Die weihe still den Werken.
Erfüllst du, was die Weisheit spricht,
Und gleicht dein Eifer deiner Pflicht:
So wird der Ruhm ihm folgen müssen.
Und wenn dein Werth ihn nicht erhält:
So giebt dir ihn, Trotz aller Welt,
Doch ewig dein Gewissen.


Vermischte Gedichte.

An
den Herrn Grafen
Hanns Moritz von Brühl;
bey seinem vierzehnten
Geburtstage.
O Graf! vom Himmel bestimmt, den Jahren, welche noch kommen,
Ein Beyspiel seltner Verdienste zu seyn!
Am Tage deiner Geburt bitt ich zum Schöpfer der Menschen
Um noch mehr Seelen, der deinigen gleich.
Am Tage deiner Geburt bitt ich mit freudigen Thränen,
Mit Thränen, welche die Liebe mich lehrt:
Erfüll die Hoffnung der Welt, und sey in jeglichem Alter
Durch neue Tugenden nützlich und groß.
Ja, Graf, ich weis es gewiß, du wirst die Hoffnung erfüllen,
Die deine Jugend verehrungswerth macht.
Nie herrscht ein kleinerer Wunsch in deiner rühmlichen Seele,
Als Menschen glücklich und weise zu sehn.
Du wirst, begabet mit Macht, sie nur zum Wohlthun gebrauchen,
Und, unverblendet vom Glanze des Glücks,
Noch gütig, wenn du gebeutst, noch liebreich, wenn du bestrafest,
Noch groß seyn, wenn du die Bitte versagst.
Bey allem Beyfall der Welt, und bey der Liebe der Fürsten,
Wird der Gedanke dir niemals entfliehn,
Daß das vollkommenste Glück in einem reinen Gewissen,
Die wahre Hoheit im Herzen besteht.
Kein Mensch ist edel und frey, der den Begierden gehorchet,
Noch groß, wofern er dem Schöpfer nicht dient;
Er sey das Wunder der Welt, er sey der König der Helden,
Stets ist er ohne die Tugend ein Knecht.
Dich wird in Zukunft, ein Volk, das Volk der Schmeichler belagern,
Die Pest der grossen und glücklichen Welt;
Doch, stolz auf wahres Verdienst, wirst du den Lobspruch verachten,
Den dir der Richter im Herzen versagt.
Von edler Absicht erfüllt, wird dich die Mühe nicht quälen,
Zu scheinen, was man doch wirklich nicht ist.
Von edler Absicht erfüllt, wirst du dir immerfort ähnlich
Und auch im kleinen noch liebenswerth seyn.
Der Ruhm, der Beyfall der Welt, ist der Verdienste Gefährte;
Doch heimlich folget die Eifersucht nach.
Wie wirst du, glücklicher Graf, einst diese Feindinn besiegen?
Durch Güte, wie sie dein Onkel besiegt.
Auf, Graf! bereichre dich itzt, itzt in dem Lenze der Jahre,
Mit allen Schätzen der Weisheit und Kunst.
Dein Rang, dein heller Verstand, dein edelfühlendes Herze,
Wie viel verspricht es der hoffenden Welt,
Dieß, in den Jahren des Kinds schon reifer denkender Jüngling,
Dieß bittet dich dein Verehrer und Freund.
Mein Lob ermuntre dein Herz! denn wenn sie keines verdienen,
So lob ich selber die Könige nicht.

An
Herrn
Johann Andreas Cramer;
bey seiner Verbindung.
O Freund, welch angenehm Gesichte,
Rührt meinen Geist, indem ich dichte;
Dein künftig Schicksal zeigt sich mir.
Ich sehe sich in lange Zeiten
Dein Leben und Verdienst verbreiten,
Und Glück und Tugend folgen dir.
Dich seh ich an Charlottens Seite
Nach vielen Jahren noch, wie heute,
Als Mann und Freund vergnügt mit ihr,
Und immer dich, bey treuen Küssen,
Vertraulich und empfindungsvoll,
Das Glück der Zärtlichkeit geniessen,
Von der nur wenig Herzen wissen,
Die nur ein Cramer singen soll.
So wie sich deine Jahre mehren,
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