C. F. Gellerts Sämmtliche Schriften - 1

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C. F. Gellerts
sämmtliche
S c h r i f t e n.

Zweyter Theil.

[Illustration]

Mit Königl. Preuß. allergnädigstem Privilegio.
Berlin und Stettin,
b e y J o a c h i m P a u l i, 1772.


Innhalt des zweyten Theils.

Moralische Gedichte.
Der Menschenfreund. S. 3
Reichthum und Ehre. 15
Der Christ. 33
Der Stolz. 57
Die Freundschaft. 71
Der Ruhm. 76

Vermischte Gedichte.
An den Herrn Grafen Hanns Moritz von Brühl; bey seinem
vierzehnten Geburtstage. S. 81
An Herrn Johann Andreas Cramer; bey seiner Verbindung. 84
Auf Herrn Willens Tod. 87

Geistliche Oden und Lieder.
Bitten. S. 107
Danklied. 108
Das Gebet. 111
Die Ehre Gottes aus der Natur. 115
Prüfung am Abend. 116
Gelassenheit. 119
Die Wachsamkeit. 121
Wider den Uebermuth. 124
Beständige Erinnerung des Todes. 125
Osterlied. 128
Der Kampf der Tugend. 130
Die Güte Gottes. 134
Das natürliche Verderben des Menschen. 136
Der Weg des Frommen. 141
Paßionslied. 143
Der thätige Glaube. 147
Warnung vor der Wollust. 149
Morgengesang. 152
Von der Quelle der guten Werke. 155
Preis des Schöpfers. 158
Trost der Erlösung. 160
Lied am Geburtstage. 163
Vom Worte Gottes. 165
Weihnachtslied. 167
Geduld. 169
Gottes Macht und Vorsehung. 172
Die Liebe des Nächsten. 175
Abendlied. 178
Auf die Himmelfahrt des Erlösers. 179
Am Communiontage. 182
Zufriedenheit mit seinem Zustande. 184
Vom Tode. 186
Wider den Aufschub der Bekehrung. 188
Bußlied. 194
Die Liebe der Feinde. 195
Demuth. 197
Weihnachtslied. 200
Das Glück eines guten Gewissens. 202
Versicherung der Gnade Gottes. 205
Ermunterung die Schrift zu lesen. 206
Abendlied. 210
Paßionslied. 211
In Krankheit. 216
Osterlied. 218
Vertraun auf Gottes Vorsehung. 222
Wider den Geiz. 224
Allgemeines Gebet. 227
Trost eines schwermüthigen Christen. 230
Osterlied. 234
Betrachtung des Todes. 236
Um Ergebung in den göttlichen Willen. 239
Am neuen Jahre. 240
Der Schutz der Kirche. 242
Trost des ewigen Lebens. 244


Moralische Gedichte.

Der Menschenfreund.
Wie selig lebt ein Mann, der seine Pflichten kennt,
Und, seine Pflicht zu thun, aus Menschenliebe brennt,
Der, wenn ihn auch kein Eid zum Dienst der Welt verbindet,
Beruf, und Eid und Amt schon in sich selber findet!
Ihm wird des andern Wohl sein eignes Himmelreich;
Er fühlet meine Noth, als träf ihn selbst der Streich;
Und das, was ihn beherrscht, ist ein gerecht Bestreben,
So treu, als er sich lebt, der ganzen Welt zu leben.
Das seine milde Hand dir Glück und Ruhe schafft,
Ist kein erzwungner Trieb von deiner Thränen Kraft:
Er sieht, du bist es werth, er sieht, er kann dir nützen,
Und mehr, als du gehofft, wirst du durch ihn besitzen.
Nicht macht er dich beglückt, daß du sein Sklave seyst,
Und aus Erkenntlichkeit ihm dein Gewissen leihst,
Und, weil er dein gedacht, ihm dich auf ewig schenkest,
Und, wie er denkt und glaubt, auch mit ihm glaubst und denkest.
Auch hilft dir nicht sein Herz nur bloß aus Weichlichkeit.
Indem es jede Noth aus innrer Wollust scheut;
Viel minder wird er dich mit seiner Gunst beglücken,
Um, was er einmal that, dir zehnmal vorzurücken.
Nicht darum wird dein Glück von seiner Huld vermehrt,
Von seinem Arm beschützt, damit man öfters hört:
»Ich hob ihn aus dem Staub in den beglückten Orden,
Ich sprach: er werde groß, und er ist groß geworden.«
Nein, wenn der Menschenfreund sich um dein Wohl bemüht:
So glaub, er wartet nicht, bis es der Erdkreis sieht.
Er bittet dich vielmehr die Wohlthat zu verschweigen;
Gott und sein eignes Herz sind ihm die liebsten Zeugen.
Kein Stolz noch Eigennutz wirkt seine Gütigkeit.
Was die Natur befiehlt, was die Vernunft gebeut,
Was dein Bedürfniß heischt, dieß reizet seine Triebe,
Auch ohne Ruhm und Lohn, zu wahrer Menschenliebe.
Nie hält er sich zu schwach, dir hülfreich beyzustehn;
Sein Ansehn und sein Freund, sein Stand, sein Wohlergehn,
Sind Mittel deines Glücks; und kann er nicht durch Thaten,
So wird er durch Verstand, und durch Erfahrung rathen.
O! spricht er bey sich selbst, mir gab der Allmacht Hand,
Bey Gütern und Gewalt, auch Willen und Verstand;
Die letzten wend ich an, damit die ersten Gaben,
Indem sie mir genützt, der Welt genützet haben.
Was soll der reiche Schatz? Wie soll er nur allein
Des Moders halber Raub und meine Marter seyn?
Und soll ich, als ein Thor, mein Herz und mein Gewissen,
Vergnügen und Verstand zugleich mit ihm verschliessen?
Welch Elend ist mein Glück, wenn ich von Unruh voll,
Als meines Schatzes Herr, den Schatz nur hüten soll!
Bekam ich darum nur der Väter reiches Erbe,
Damit ich reicher noch, als meine Väter, sterbe?
Ist dieß des Reichthums Frucht, daß ich, dem Geize treu,
Bey allem Ueberfluß selbst arm und dürftig sey:
So fluch ich auf mein Glück, und nenn es eine Bürde,
Und hielt ein Freudenfest, wenn sie gestohlen würde.
Der, der aus seiner Hand, die ihn mit Müh ernährt,
Und noch vom Fleisse schwitzt, sein schwarzes Brodt verzehrt,
Und sichs zufrieden gönnt, ists gleich das letzte Stücke,
Lebt besser ohne Glück, als ich bey grossem Glücke.
Zwar seh ich, wie Gargil sein reiches Gut gebraucht,
Wenn stets sein Speisesaal von zwanzig Schüsseln raucht;
Nie hebt die Tafel an, so zeigen neue Trachten,
Daß ihm die Väter nicht umsonst ihr Geld vermachten.
Wahr ists, Gargil lebt wohl, komm auch um Mitternacht!
Da kömmt kein Gast zu spät, wo stets der Mundkoch wacht.
Dich wird der liebste Wirth mit Speisen überladen,
Mit Gläsern auf dich gehn, und dich mit Weine baden.
Trink dich um den Verstand, du trinkst ihm nie zu viel.
Du taumelst, taumle recht, denn dieses wünscht Gargil;
Er lacht den andern Tag, wenn du die Stirne streichest,
Und krank durch seine Huld, aus seinem Hause schleichest.
So braucht Gargil sein Gut, und legt der Schwelgerey,
Mit welcher ers verpraßt, der Großmuth Namen bey,
Und meynt, er lebe klug, und lebt, und schwelgt bethöret,
Bis sein Palast für Schuld der ganzen Stadt gehöret.
O! denkt der Menschenfreund, Suffen mag Häuser baun,
Und sich, beym Leben schon, durch Stein verewigt schaun;
Was nützt die stolze Wand, als daß von seinem Segen
Die Enkel einst, in ihr, der Wollust sanfter pflegen?
Haut ganze Wälder um, legt theure Gärten an,
Viel habt ihr für die Pracht, nichts für die Welt gethan;
Schmückt Gärten, Haus und Hof mit Bildern und mit Säulen,
Den Künstlern wird die Welt, nicht euch, den Ruhm ertheilen.
Ich will mit meinem Gut, das mir das Glück verliehn,
Mein reinliches Gemach nicht glänzend überziehn;
Es ist bequem genug, mich und den Freund zu fassen;
Der Freund besucht es gern, und wirds nicht gern verlassen.
Den Fremden, und dem Freund sey stets mein Tisch gedeckt.
Wenn ein gesund Gerücht mir und den Gästen schmeckt;
Was soll der Ueberfluß aus Feldern, Wald und Seen,
Dem Tisch und mir zur Last, vor meinen Augen stehen?
Macht mich ein kluger Freund, durch Reden voller Geist,
Bey wenig Speisen satt: so hab ich wohl gespeist,
Und tausche nicht mit dem, der hundert Schüsseln zählet,
Und doch bey jeder klagt, daß ihm der Hunger fehlet.
Die Welt hat Recht genug zu meinem Wohlergehn.
Was ich nicht selbst bedarf, muß ihr zu Dienste stehn.
Für alle schuf der Herr die Güter dieser Erden,
Für alle, die da sind, und noch gebohren werden.
Daß mancher Fromme darbt, manch redlich Herz verdirbt,
Und der, zum Greis versehn, vor Noth als Jüngling stirbt;
Daß mancher Vater ächzt, weil er bey Fleiß und Wachen
Nicht so viel Brodt erschwitzt, die Kinder satt zu machen,
Thut dieses die Natur? Giebt sie nicht reichlich gnug?
Verschwendung, Hoffart, Geiz, List, Eigennutz, Betrug,
Dieß macht den Erdkreis arm. O steinern Herz des Bösen,
Zum Retten hast du Kraft, und willst doch nicht erlösen!
So lange siecht Philet von Weh und Angst beklemmt.
Warum? weil noch bis itzt kein Samariter kömmt.
Er leidet ohne Schuld, und wäre längst genesen,
Wärst du zum Mitleid nicht zu kalt und karg gewesen.
So denkt der Menschenfreund; er denkt nicht nur, er thut,
Er theilt mit Klugheit aus, und freut sich, daß sein Gut
Die Zahl der Frohen mehrt, die Zahl Entblößter mindert,
Und, wenn er längst verwest, noch manches Elend hindert.
Er hilft der Wissenschaft; weil, wenn er die beschützt,
Er auch der Wahrheit hilft, und auch der Tugend nützt,
Und ihrem größten Feind, der Gott und sie entehret,
Dem Sohn der Finsterniß, dem Aberglauben wehret.
Ein Kopf, dem die Natur mehr Geist, als Glück, verliehn,
Ist seiner Achtung werth; er sucht ihn aufzuziehn,
Durch Beyspiel, durch Verstand, durch Großmuth, Hülf und Wachen,
Klug, edelmüthig, treu, groß, und beglückt zu machen.
Was kann er edlers thun, als daß er für die Welt,
Ein nicht von seinem Blut entsproßnes Kind erhält?
Er schenkt ihm Zucht und Kunst, der Vater gab ihm Leben;
Wer hat für diesen Sohn das Meiste hergegeben?
Er setzt das ganze Jahr gewisse Gelder aus.
Für wen? frißt sie vielleicht der Schmeichler und der Schmaus?
Erkauft er sich damit der Dichter Lorberreiser?
O nein! erröthet nur, er baut den Wittwen Häuser,
Wird zarter Waisen Gott, und schätzt sich dann beglückt,
Wenn sie durch seine Hand zum Dienst der Welt geschickt,
Den Zeiten nützlich sind. O! spricht er, dieser Saame
Sey, wenn ich nicht mehr bin, mein Preis und später Name.
So wie der Wuchrer zählt, wenn itzt ein Jahr verläuft,
Wie hoch sein baares Geld sich durch die Zinsen häuft;
So zählt der Menschenfreund mit jedes Tages Ende
Den Wucher seines Guts, das Wohlthun seiner Hände.
Er lacht des eitlen Staats; für das verschmißne Geld,
Wovon Marull ein Haus unnützer Diener hält,
Die ihm im Wege stehn, und ihm und seinen Pferden
Am Müßiggange gleich, und gleich an Geilheit werden;
Für dieß verpraßte Geld weis unser Menschenfreund
Den, der mit Jammer wacht, und auf dem Lager weint,
Aus Liebe zur Natur, bewegt von selgen Pflichten,
Großmüthig zu erfreun, und göttlich aufzurichten.
Zum Prinzen fehlt ihm nichts, als ein gehorchend Land.
Kommt, Völker, gebet ihm den Zepter in die Hand:
Er wird als Antonin das Ruder weislich führen,
Gelinde, wie Trajan, groß, wie August, regieren.
Er hält nicht Glück und Volk für sich allein gemacht,
Sich hält er für die Welt von Gott hervorgebracht;
Ihm will er, als sein Bild, durch wahre Hoheit gleichen,
Durch Liebe sucht er dieß, und wirds durch Lieb erreichen.
Kein Undank schreckt ihn ab, dir noch sein Herz zu weihn.
Versuch es, sey sein Feind, du wirsts nicht lange seyn:
Durch Wohlthun wird er bald Haß und Verfolgung schwächen,
Und wenn du ihn bedrängst, sich nur durch Großmuth rächen.
Wo aber bleibt die Frucht von allem, was er gab?
O Freund! sprich seiner Huld nicht gleich den Nutzen ab;
Der Landmann pflegt im Herbst den Acker feist zu bauen,
Und sein erspartes Korn den Hufen zu vertrauen,
Itzt sieht er keine Frucht, er sieht nach kurzer Zeit
Sein reich gestreutes Korn vergraben und verschneyt,
Und doch verzagt er nicht; nach wenig Frühlingstagen
Zeigt sich sein Feld bereit, im Sommer reich zu tragen.
Das Grüne sproßt hervor, die Saat fängt an zu blühn,
Der Stengel eines Korns, so klein er erstlich schien,
Wird vielfach schon ein Halm; dann trägt in vollen Aehren
Ein einzig Korn oft Brodt, dich Tage zu ernähren.
So zeigt der Wohlthat Frucht sich nicht im Augenblick;
Itzt leget sie den Grund zu eines Waisen Glück.
Dieß scheint nicht viel gethan; was hilft das Glück des einen,
Wenn tausend gegen ihn ihr Unglück noch beweinen?
Doch warte kurze Zeit, der Waise wird ein Mann,
Der durch Verstand und Kunst und Güter dienen kann.
Er hilft, er dient, er nützt, sorgt, wachet und verbessert,
Und mehrt des andern Wohl, so, wie man seins vergrössert.
So keimt aus einem Glück oft ganzer Häuser Heil.
Und ganzer Häuser Wohl wird ganzer Länder Theil:
So nützt des ersten Hand, die dem das Glück gegeben,
In ihm noch oft der Welt nach eines Mannes Leben.
O! wollte doch der Mensch des Menschen Schutzgott seyn:
So wär das meiste Weh noch unbekannte Pein!
Belebte jedes Herz der Geist der Menschenliebe:
So wären Neid und Haß noch ungezeugte Triebe.
Als Glieder schuf uns Gott, als Bürger einer Welt,
In der des einen Hand die Hand des andern hält.
Wir trennen dieses Band, und bleiben fühllos stehen,
Und bauen unser Glück auf andrer Untergehen.
Ein treu und redlich Herz wohnt bey Vernunft in dir;
Allein du denkst, du sprichst, du glaubst nicht so, wie wir:
So siehst du deine Quaal in blinder Eifrer Händen,
Die redend heilig sind, und Gott durch Thaten schänden.
Aus Eifer für den Gott, der Liebe nur gebeut,
Verfolgt und drängt man dich, und stößt aus Heiligkeit
Dich schäumend von sich aus, und suchet durch Verheeren,
Durch Martern des Barbars dich christlich zu bekehren.
Hält nicht noch manches Land, aus nie befohlner Pflicht,
Rechtgläubig vor dem Herrn, ein heilig Blutgericht,
Zum Bau des Christenthums und Ketzern zum Verderben,
Die oft weit seliger, als ihre Henker, sterben?
So lieblos macht der Mensch den Menschen unglücksvoll,
Statt, daß er ihn als Freund mit Sanftmuth tragen soll.
Komm wieder, glücklich Jahr, du goldne Zeit der Alten,
Da Wahrheit, Treu und Recht, und Menschenliebe galten!

Reichthum und Ehre.
Wie? leb ich darum nur, daß ich mich lebend kränke?
So ist mein Leben selbst das schrecklichste Geschenke:
So wünscht ich tausendmal, daß ich, von Einsicht leer,
Unedel, wie das Thier, nicht wüßte, daß ich wär.
Zufrieden will ich seyn, gesichert von den Schmerzen:
Dieß wünscht und sucht mein Herz und mit ihm Aller Herzen.
Allein, wie still ich ihn, den Trieb, der mich besiegt?
O! wär ich reich und groß: so wär ich wohl vergnügt.
Könnt ich ihm Ueberfluß die Güter mir gewähren,
Wovon mich jedes rührt, was würd ich mehr begehren?
Ja, Reichthum wünsch ich mir. Doch hab ich auch bedacht,
Ob das der Reichthum ist, wozu der Schein ihn macht?
Kann nicht, durch Wahn verführt, mein Herz für ihn entbrennen?
Ihr, die ihr ihn besitzt, lehrt seinen Werth mich kennen.
Cleant, der reichste Mann, wird der zufrieden seyn:
So ruh ich eher nicht, bis Schätze mich erfreun.
Ich geh ihm heimlich nach. Er zählt, und lacht im Zählen,
Und eilt, was er gezählt, in Schlössern zu verhelen.
Des Kastens Thüre knarrt, vor dem er schmachtend kniet:
Cleant erschrickt, springt auf und sieht sich um, und sieht
Die Kammer zehnmal durch, greift zitternd auf das Bette,
Ob sich vielleicht der Dieb darinn verborgen hätte.
Er findet nichts und geht; tiefsinnig geht er fort,
Mißtrauisch kehrt er schnell nach dem verlaßnen Ort,
Und greift an jedes Schloß, und reißt, um zu erfahren,
Ob sie verschlossen sind, wie sie verschlossen waren.
Cleant! Dich ruft dein Weib, der Tisch ist schon bereit.
Man bringt ein halbes Brodt, er sieht es an, und schreyt:
Wie? gestern schnitt ichs auf, und halb ists schon verzehret?
Frau! Bettler werden wir, wenn das noch länger währet.
Er ißt und schielt auf das, was er dem Weibe gab;
Es schmeckt der guten Frau: dieß ist genug: Deckt ab!
Ein Mann, der mehr besitzt, als oft kein Prinz besessen,
Ißt sich nicht satt und läßt sein Weib nicht satt sich essen?
Nichtswürdiger Cleant, du solltest glücklich seyn?
Du, deines Schatzes Knecht? Nein, er ist deine Pein.
Bestraf mich nicht, o Gott, mit Schätzen dieser Erden,
Um ein Unseliger, um ein Cleant zu werden!
Ich eile vom Cleant zum glücklichern Lupin.
Er glänzt und alles glänzt in seinem Haus um ihn:
Er führt mich selbst herum. Mehr kann man nicht erblicken,
Mehr Kunst und mehr Geschmack, ersonnen zum Entzücken.
Hier herrscht Bequemlichkeit, vereint mit kluger Pracht.
Was Künstlern witzig glückt, was Maler ewig macht,
Was feine Wollust heischt, dieß lachte mir entgegen,
Und nichts gebrach an dem, was Menschen wünschen mögen.
Wie glücklich, fieng ich an, wie glücklich sind Sie nicht!
Und eine Röthe stieg Lupinen ins Gesicht.
Was kann man, fuhr ich fort, noch mehr, als dieß begehren?
Ich glücklich? sprach Lupin, und schon entwischten Zähren,
Mein Sohn, ein Bösewicht, den ich nicht bessern kann,
Mein Weib, das mich nicht liebt -- Ich unglückselger Mann!
Was hilft mir mein Pallast; was helfen Millionen?
Würd ich dieß Elend los, in Hütten wollt ich wohnen.
Alcest ist reich und jung, genießt, was er besitzt,
Und sorgt, man rühmts ihm nach, daß es auch Freunden nützt.
Kein Geiz, kein Weib, kein Sohn stört ihn in seinen Freuden,
Kein Neid; wie könnte man den, der gern giebt, beneiden?
Sein Haus ist eine Stadt und jeder Tag ein Fest.
Wenn niemand glücklich ist: so ists vielleicht Alcest.
Itzt zeigt mir ihn, mein Freund. O welch ein blaß Gesichte!
Wie kraftlos geht der Mann! Sind dieß des Fiebers Früchte?
Ja, siech zu seyn, dieß ist sein Unglück auf der Welt.
Noch siecher machen ihn die Aerzte für sein Geld;
Ich kenn ihn, spricht mein Freund, die Nacht ist seine Plage,
Und für die Quaal der Nacht rächt sich Alcest bey Tage.
Er suchet Freund und Welt, Zerstreuung, Spiel und Scherz;
Doch weder Freund noch Lust dringt in sein mattes Herz.
Sein Tisch ist reich besetzt, sein Wein ist stets der beste;
Doch beides, Tisch und Wein, vergnügt nur seine Gäste.
Alcest ist mißvergnügt und will es doch nicht seyn.
Er ißt, ihm ekelt schon, er trinkt, ihm schmeckt kein Wein.
Doch setzt er denen zu, die bey der Tafel essen,
Und trinkt den Wein mit Zwang, nur um sich zu vergessen.
Ach! sprach er einst zu mir, ich bin mir selbst verhaßt;
Mein Reichthum heißt mein Glück, und ist doch meine Last;
Was mich am Tag erfreut, quält schlaflos mich im Bette.
Siech bin ich; würd ichs seyn, wofern ich minder hätte?
Cleant, Lupin, Alcest, so fehlt, so reich ihr seyd,
Euch bey dem Ueberfluß doch die Zufriedenheit?
Und Tausend, die der Thor bey Schätzen glücklich preiset,
Beweisen tausendfach mir das, was ihr beweiset.
So brauch ich, um beglückt, nicht eben reich zu seyn?
Und zur Zufriedenheit nicht Pracht und Fülle? Nein.
Vernunft! so wehre doch den ungerechten Trieben,
Und nöthige mein Herz, die Schätze nicht zu lieben,
Die man mit Müh gewinnt, bald prassend sie verzehrt,
Bald geizig sie bewacht und bald mit Fluch vermehrt.
Wie schwer, wie mühsam ists, sich Schätze zu erwerben!
Soll ich sie dumm erfreyn und hinterlistig erben?
Soll ich durch Sklaverey vor Grossen sie erstehn,
Und niederträchtig seyn, um mich bald reich zu sehn?
Soll ich sie, wie Serpil, durch Meineid mir erlügen,
Staat, Mündel und Altar und Gott darum betrügen?
Verwünscht sey so ein Schatz! Verflucht sey der Gewinn,
Durch den ich reich, als Thor, reich, als ein Räuber, bin!
Dieß, sprichst du, such ich nicht. Ich kenne beßre Güter.
Ist nicht der Ruhm das Ziel der feurigsten Gemüther?
Die Achtung vor der Welt, die sucht mein Herz allein.
Welch Glück, im Leben groß, im Tod unsterblich seyn!
Das thun, mit Beyfall thun, was wenig sich erkühnen!
Ruhm will ich nicht allein, ich will ihn auch verdienen;
Entweder etwas thun, das schreibenswürdig ist;
Wo nicht, selbst dieser seyn, den Welt und Nachwelt liest.
Wär ich die Lust des Volks, der Weisheit erste Zierde:
So würd ich glücklich seyn, beglückt durch Ruhmbegierde.
Mein ganzes Herz entbrennt, o Ruhm, allein für dich!
Dir weih ich meinen Fleiß, des Lebenslust und mich.
Mein Nächster liegt und ruht, der träge Thor, er ruhe!
Ich wache diese Nacht, daß ich was Grosses thue.
Mir winkt ein lieber Freund. Wie gern wär ich um ihn!
Doch nein, mein rühmlich Werk -- Geht, sagts, er soll mich fliehn.
Wie heiter lacht der Tag! Ich will -- doch nein, er lache!
Was heißt ein schöner Tag, wenn ich mich ewig mache!
Wie matt bin ich durch Fleiß! -- Geht, langt mir ein Glas Wein --
Doch er erzeugt den Schlaf. Gut, Wasser gebt herein.
Wie lange hab ich mich lebendig schon begraben!
Könnt ich dich, Doris, nicht zum edlern Umgang haben?
In deinem treuen Arm schmeckt ich des Lebens Ruh:
Wer ist so schön, so klug, so treu, so fromm, wie du?
Doch kann man, wenn man liebt, auch frey nach Ehre streben?
O nein, die Liebe stört. Gut, ich will einsam leben. --
Viel Jahre sind vorbey. Wen rühmt man itzo? Mich.
Wer denkt am gründlichsten? Wer schreibt am feinsten? Ich.
So warst du, seltnes Glück, denn mir allein beschieden?
Dir, Ehre, seys gedankt, ich bin nunmehr zufrieden.
Ich bin des Volkes Lust, der Klugen Augenmerk. --
Allein, mein Ruhm wird alt. Er braucht ein neues Werk.
Auf, auf, Glückseliger! dein Feuer möcht erkalten,
Den Ruhm, den du ersiegt, den mußt du auch erhalten.
Auf! wag es noch einmal! Vergiß den Zeitvertreib,
Schlaf, Freunde, Lieb und Wein; verläugne dich, und schreib.
Wahr ists, dein Körper siecht, dein Fleiß ist sein Verderben;
Doch besser, jung mit Ruhm, als alt unrühmlich sterben. --
Nun liest die Welt von mir ein neues Meisterstück:
Sie liest, liests noch einmal, erstaunt, und wünscht mir Glück.
Nun ist mein Wunsch gestillt. Was könnt ich mehr begehren?
Mit dem ersiegten Ruhm soll still mein Herz sich nähren.
Wie viel empfind ich itzt! Wie viel -- doch wie mich deucht:
So seh ich einen noch, der mir Berühmten gleicht.
Nur einen? nein, noch viel. Dieß kann ich nicht vertragen,
Nein, neben mir zu stehn, dieß muß sich keiner wagen.
Ich will ein Urbild seyn. Eh bin ich nicht vergnügt,
Bis jeden, der mir gleicht, mein größrer Geist besiegt.
Wie lange läßt du dich, o Thor, vom Ruhm beseelen!
Du siehsts, er quälet dich, und wird dich ewig quälen.
Wie bey des Fiebers Glut den Durst, der dich verzehrt,
Der oft genoßne Trank nie stillt und stets vermehrt:
So wird durch allen Ruhm, den man für dich empfindet,
Dein Ehrgeiz nicht gestillt, nur immer mehr entzündet.
Betrachte doch den Ruhm, vielleicht verlöscht die Glut.
Ist nicht der größte Ruhm ein klein und flüchtig Gut?
Ein kleines Gut, sprichst du, wenn eine Welt mich ehret,
Und, was sie von mir denkt, mich durch Bewundrung lehret?
O Freund! dieselbe Welt, die deinen Namen preist,
Hat oft in einem Tag ein Wandrer durchgereist.
Was pralst du mit der Welt? Der kleinste Theil der Erden
War noch nicht klein genug, von dir erfüllt zu werden.
Der Mann, von dem du denkst, daß er dich schätzt und liest,
Weis warlich vielmal kaum, daß du gebohren bist;
Und der, auf dessen Gunst du zehnmal stolz geschworen,
Lacht heimlich über dich und zählt dich zu den Thoren.
Doch der Bewundrer Zahl, die dich mit Ruhm erfreun,
Sey Millionen stark, wirst du drum glücklich seyn?
Wer sind die Willigen, die dich zum Wunder machten?
Ists meistens nicht ein Volk, das ich und du verachten?
Hat einer oder zween, wenn hundert dich genannt,
Zum Lobspruch gnug Geschmack, zum Richten gnug Verstand?
Sey stolz! Zehn lobten dich; allein von eben diesen
Ward, sey nicht länger stolz, bald drauf ein Geck gepriesen.
»Sind denn nicht Kenner da? Was sagen die von mir?«
Sie loben dich: noch mehr, sie sind entzückt von dir.
An dir hat unsre Zeit den feinsten Geist bekommen,
Du bist der klügste Kopf; sie selber ausgenommen.
Fast jeder, der dich lobt, belohnt sich für den Dienst,
Und ist sich ingeheim, was du zu seyn ihm schienst.
Dein Kenner ist, wie du, hat göttlich schöne Gaben;
Doch auch, wie du, den Stolz, sie nur allein zu haben.
Viel rühmen dich. Warum? Aus Ueberzeugung? Nein.
Man lehrt durch Höflichkeit dich wieder höflich seyn.
Warum hat dich Crispin so vielmal schon erhoben?
Er wird dein Lob, um sich der Welt selbst einzuloben.
Der Redner rühmet dich; nicht, weil dus würdig bist,
Nein, um uns darzuthun, daß er ein Redner ist.
Hier spricht ein Tisch von dir. Wie? schätzen dich die Blöden?
O nein, sie wollten itzt nicht mehr von Wetter reden.
Sarkast lobt heute dich; warum? dächtst du das wohl?
Damit sein künftger Spott mehr Eindruck machen soll.
Gesetzt, daß Tausend sich im Ernst für dich erklären,
Gesetzt, dein Ruhm ist groß, wie lange wird er währen?
Ein Herz, das diesen Tag bey deinem Namen wallt,
Bleibt oft den folgenden bey deinem Namen kalt.
Man wird es heimlich satt, dich immer hoch zu achten,
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