Buch von der Deutschen Poeterey - 3

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wie es der natur auch gemeße ist. Denn es muß ein Mensch jhm erstlich
etwas in seinem gemüte fassen, hernach das was er gefast hat außreden.
Die worte bestehen in dreyerley; inn der elegantz oder ziehrligkeit, in
der _composition_ oder zuesammensetzung, vnd in der dignitet vnd
ansehen.
Die ziehrligkeit erfodert das die worte reine vnd deutlich sein. Damit
wir aber reine reden mögen, sollen wir vns befleissen deme welches wir
Hochdeutsch nennen besten vermögens nach zue kommen, vnd nicht derer
örter sprache, wo falsch geredet wird, in vnsere schrifften vermischen:
als da sind, +es geschach+, für, +es geschahe+, +er sach+, für, +er
sahe+; +sie han+, für +sie haben+ vnd anderes mehr: welches dem reime
auch bißweilen außhelffen sol; als:
Der darff nicht sorgen für den spot,
Der einen schaden krieget hot.
So stehet es auch zum hefftigsten vnsauber, wenn allerley Lateinische,
Frantzösische, Spanische vnnd Welsche wörter in den text vnserer rede
geflickt werden; als wenn ich wolte sagen:
Nennt an die _courtoisie_, vnd die _deuotion_,
Die euch ein _cheualier_, _madonna_, thut erzeigen:
Ein' handvol von _fauor_ _petirt_ er nur zue lohn,
Vnd bleibet ewer Knecht vnd _seruiteur_ gantz eigen.
Wie selttzam dieses nun klinget, so ist nichts desto weniger die
thorheit innerhalb kurtzen Jharen so eingeriessen, das ein jeder, [E 1b]
der nur drey oder vier außländische wörter, die er zum offtern nicht
verstehet, erwuscht hat, bey aller gelegenheit sich bemühet dieselben
herauß zue werffen, Da doch die Lateiner eine solche abschew vor
dergleichen getragen, das in jhren versen auch fast kein griechisch wort
gefunden wird, das zwar gantz griechisch ist. Dann Juuenalis setzet inn
einem orte ζωὴ καὶ ψυχή, eben dieselben auß zue lachen, die sich in
jhren buhlereyen mit griechischen wörtern behelffen: in dem andern orte
aber thut er es darumb, das er die schändliche sünde, daran Christen
auch nicht gedencken sollen, lateinisch auß zuesprechen abschew treget:
wiewol er sonsten kein blat für das maul nimpt. Was aber die _nomina
propria_ oder eigentlichen namen der Götter, Männer vnd Weiber vnd
dergleichen betrifft, dürffen wir nach art der Lateiner vnd Griechen
jhre casus nicht in acht nemen, sondern sollen sie so viel möglich auff
vnsere endung bringen. Als, ich mag künlich nach der Deutschen gebrauche
sagen:
Der schnelle plitz, des Jupiters geschoß,
vnd nicht, +des Jouis+. Item, +der Venus pfeile+, nicht +veneris+. Wie
es denn auch die Römer mit den griechischen wörtern machen. Die
Frantzosen gleichfals. Bartaß in seinem Buche, dem er den titel die
Herrligkeit gegeben:
_Vn grand Gymnosophiste, vn Druyde, vn Brachman._
Item die Hollender. Als Heinsius:
van daer is zij gegaen
By Thetis haer vrindin, en sprack Neptunus aen.
Doch können wir anfanges, weil es in vieler ohren noch etwas harte
lautet, etliche lateinische endungen noch gebrauchen, biß wir in die
gewonheit kommen sind. Als wenn ich der Erinnen, die Stobeus anzeucht,
verß geben wollte.
Χαῖρέ μοι Ῥώμα θυγάτηρ Ἄρηος,
mag ich wol setzen:
[E 2a] +O Rom, des Martis kind, sey sehr gegrüßt von mir+; denn im fall
ich spreche, +O Rom, du kind des Mars+, möchte es vielen zue anfange
seltzam vorkommen.
Die _diphthongi_ oder doppeltlautenden Buchstaben, weil sie bey vns
nicht vblich, dürffen nur mit dem selblautenden buchstaben geschrieben
werden, dessen thon sie haben; als +Enéas+, +Eschylus+, +Mecenas+ &c.
Newe wörter, welches gemeiniglich _epitheta_, derer wir bald gedencken
werden, vnd von andern wörtern zuesammen gesetzt sindt, zue erdencken,
ist Poeten nicht allein erlaubet, sondern macht auch den getichten, wenn
es mässig geschiehet, eine sonderliche anmutigkeit. Als wenn ich die
nacht oder die Music eine arbeittrösterinn, eine kummerwenderinn, die
Bellona mit einem dreyfachen worte kriegs-blut-dürstig, vnd so fortan
nenne. Item den Nortwind einen wolckentreiber, einen felssen stürmer vnd
meerauffreitzer: wie jhn Ronsardt (denn die Frantzosen nechst den
Griechen hierinnen meister sindt) im 202. Sonnet seines andern buches
der Buhlersachen heisset:
_Fier Aquilon horreur de la Scythie,
Le chasse-nue, & l'esbransle-rocher,
L'irrite-mer._
Welches auß dem _Ouidio_ genommen ist.
_Apta mihi vis est, hac tristia nubila pello,
Hac freta concutio, nodosaque robora verto._
Solches stehet auch an seinem orte bey den Lateinern nicht vbel; als da
Catullus saget in seinem vberauß schönen getichte vom Atys:
+_Vbi cerua syluicultrix, vbi aper nemoriuagus_+ Vnd Publius Syrus von
dem storche:
_Pietaticultrix, gracilipes, crotalistria,
Auis exulhiemis._
[E 2b] In welchen erfindungen Joseph Scaliger zue vnserer zeit meines
bedünckens alle andere, auch die alten selber, vbertroffen.
Darbey aber vns Deutschen diß zue mercken ist, das das _nomen verbale_,
als treiber, stürmer, auffreitzer, &c. allzeit, wie bey den Lateinern,
muß hinten gesetzt werden; wieder der Frantzosen gebrauch, derer sprache
es nicht anders mit sich bringt. So Heinsius in dem Lobgetichte des
Weingottes, welches er auch zum theil von dem Ronsardt entlehnet:
Nacht-looper, Heupe-soon, Hooch-schreeuwer, Groote-springer,
Goet-geuer, Minne-vrient, Hooft-breker, Leeuwen-dwinger,
Hert-vanger, Herßen-dief, Tong-binder, Schudde-dol,
Geest-roerder, Waggel-voet, Staet-kruijßer, Altijet-vol.
Vnd nach meiner verdolmetschung:
Nacht-leuffer, Hüffte-sohn, Hoch-schreyer, Lüfften-springer,
Guet-geber, Liebesfreundt, Haupt-brecher, Löwen-zwinger,
Hertz-fänger, Hertzen-dieb, Mund-binder, Sinnen-toll,
Geist-rhürer, wackel-fuß, Stadt-kreischer, Allzeit-voll.
Wie denn auch sonsten die _epitheta_ bey vns gar ein vbel außsehen
haben, wenn sie hinter jhr _substantiuum_ gesetzet werden, als: +Das
mündlein roht+, +der Weltkreiß rund+, +die hände fein+; für: +das rothe
mündlein+, +der [E 3a] runde Weltkreiß+, +die feinen hände+, &c. wiewol
bey vnsern reimenmachern nichts gemeiner ist.
So bringen auch die Frantzosen newe _Verba_ herfür, welche, wenn sie mit
bescheidenheit gesetzet werden, nicht vnartig sind. Als Ronsardt
brauchet in einer Elegie an die Caßandra, das wort _Petrarquiser_, das
ist, wie Petrarcha buhlerische reden brauchen:
_Apprendre l'art de bien Petrarquiser._
Vnd ich habe es jhm mit einem anderen worte nachgethan, da ich die Leyer
anrede:
Jetzt solt du billich mehr als wol,
O meine lust, Pindarisiren.
Ich darff aber darumb nicht bald auß dem Frantzösischen sagen:
_approchiren_, _marchiren_; oder auß dem Lateine: _dubitiren_,
_seruiren_; _gaudiren_, wie zwar die zue thun pflegen, die eher jhre
Muttersprache verterben, als das sie nicht wollen sehen laßen, das sie
auch was frembdes gelernet haben.
Wie nun wegen reinligkeit der reden frembde wörter vnnd dergleichen
mußen vermieden werden; so muß man auch der deutligkeit halben sich für
alle dem hüten, was vnsere worte tunckel vnd vnverstendtlich macht. Als
wann ich sagen wollte: +Das weib das thier ergrieff+. Hier were zue
zweiffeln, ob das weib vom thiere, oder das thier vom weibe were
ergrieffen worden: welches die Griechen eine ἀμφιβολίαν nennen.
Der πλεονασμὸς, da etwas vbriges gesaget wird, verstellet auch die rede
zue weilen nicht wenig. Als wann ich spreche:
Ein schwartzes Kind das nicht war weiß;
weil es sich wol ohne diß verstehet. So wie Pansa sagete: Das Kind were
von der Mutter zehen monat im leibe getragen worden: fragete Cicero: ob
andere weiber die kinder im rocke trügen. Doch hilfft bißweilen das was
vbrig hinzue gesetzet wird auch zu [E 3b] auffmutzung der rede. So saget
Virgilius:
_Vocemque his auribus hausi._
Mit meinen ohren hab' ich es vernommen;
zue mehrer bestetigung deßen das er erzehlet.
Die ἀναστροφὴ oder verkehrung der worte stehet bey vns sehr garstig,
als: +Den sieg die Venus kriegt+; für: +Die Venus kriegt den sieg+.
Item: +Sich selig dieser schätzen mag+; für: +Dieser mag sich selig
schätzen+. Vnnd so offte dergeleichen gefunden wird, ist es eine gewiße
anzeigung, das die worte in den verß gezwungen vnd gedrungen sein.
Auff die außlesung der worte, sagen wir nun billich auch von jhrer
zuesammensetzung; wie wir nemlich die buchstaben, syllaben vnd wörter
aneinander fügen sollen.
Weil ein buchstabe einen andern klang von sich giebet als der andere,
soll man sehen, das man diese zum offteren gebrauche, die sich zue der
sache welche wir für vns haben am besten schicken. Als wie Virgilius von
dem berge Etna redet, brauchet er alles harte vnd gleichsam knallende
buchstaben:
_Vidimus vndantem ruptis fornacibus Aetnam
Flammarumque globos, liquefactaque voluere saxa_
wie Etna, wenn er strewet
Die flammen in die lufft, vnd siedend' hartz außspeyet,
Vnd durch den holen schlund bald schwartze wolcken bläßt,
Bald gantze klüfften stein' vnd kugeln fliegen lest.
Heinsius saget:
Gelyck als Etna schiet vyt haere diepe kolcken
Een grondeloose zee van vlammen in de wolcken.
So, weil das L vnd R fließende buchstaben sein kan ich mir [E 4a] sie in
beschreibung der bäche vnd wäßer wol nütze machen, als:
Der klare brunnen quilt mitt lieblichem gerausche &c.
Wie nun bißweilen eine solche zuesammenstoßung der buchstaben recht vnd
guet ist; soll man sie doch sonsten mitt einander so wißen zue
vermengen, das nicht die rede dadurch gar zue raw oder zue linde werde.
Eben dieses ist es auch, wann eine syllabe oder wort zue offte
wiederholet wird; als: +Die die dir diese dinge sagen+.
Item, Es siehet nicht wol auß, wenn ein Verß in lauter eynsylbigen
wörtern bestehet. Deßen exempel Ronsard giebet:
_Ie vy le ciel si beau, si pur et net._
Wiewol wir deutschen, wegen der menge der einsylbigen wörter die wir
haben, es zuezeiten kaum vermeiden können.
Hergegen sollen die verß, sonderlich die Masculini (wie wir sie im
folgenden Capitel nennen werden) sich nicht mit viel sylbigen wörtern
enden.
Ich wil euch williglich mit vnterthänigkeit.
Zue dienste sein, Hertzlieb, bey der gelegenheit.
Dann die verß gar zue grob vnd harte dadurch gemacht werden.
Das ansehen vnd die dignitet der Poetischen rede anlangt, bestehet
dieselbe in den _tropis_ vnnd _schematibus_, wenn wir nemblich ein wort
von seiner eigentlichen bedeutung auff eine andere ziehen. Dieser
figuren abtheilung, eigenschafft vnd zuegehör allhier zue beschreiben,
achte ich darumb vnvonnöthen, weil wir im deutschen hiervon mehr nicht
als was die Lateiner zue mercken haben, vnd also genungsamen vnterricht
hiervon neben den exempeln aus Scaligers vnnd anderer gelehrten leute
büchern nemen können. Dessen wil ich nur erinnern, das für allen dingen
nötig sey, höchste möglichkeit zue versuchen, wie man die _epitheta_; an
denen bißher bey vns grosser mangel ge-[E 4a]wesen, sonderlich von den
Griechen vnd Lateinischen abstehlen, vnd vns zue nutze machen möge: Dann
sie den Poetischen sachen einen solchen glantz geben, das Stesichorus
für den anmutigsten Poeten ist gehalten worden, weil er desselbigen zum
füglichsten sich gebraucht hat.
Sie mussen aber so gemacht werden, das sie entweder die dinge von denen
wir reden von andern vnterscheiden; als da der Poet spricht: _nigra
hirundo_, +die schwartze Schwalbe+, oder sie vermehren als: _frigida
bello Dextera_, +eine handt die im kriege nicht viel außrichtet+.
Sie mussen auch warhafftig sein, vnd etwas nicht anders beschreiben als
es ist. Zum exempel: _florida Hybla_; weil viel Blumen darauff wachsen
sollen: _Parnassia laurus_, _æstuosa Calabria_, vnd dergleichen. Strabo
rhümet den Homerus, das er die eigenschafft eines, etwedern dinges sehr
genaw in acht genommen, vnd jhm vnfehlber sein gehöriges _epitheton_
allzeit gegeben habe. Die Poeten, denen mehr freyheit als den Oratoren
eingeräumet ist, können auch wol den schnee weiß, vnnd den wein feuchte
nennen: wie Aristoteles im dritten buche der Rhetoric, vnnd Quintilianus
im sechsten Capitel des achten buches saget. Wiewol Virgilius nicht ohne
vrsache setzet:
_cæduntque securibus humida vina;_
Denn in dem er spricht, das man in den Mitternächtischen Ländern den
gefrorenen Wein, der doch von natur sonst naß ist, mit äxten zuehawen
muß, macht er das man desto mehr der vngewöhnlichen kälte nachdenckt.
Letzlich haben wir in vnserer sprache dieses auch zue mercken, das wir
nicht vier oder fünff _epitheta_ zu einem worte setzen, wie die
Italiener thun, die wol sagen dürffen:
_Alma, bella, angelica, et fortunata donna;_
Du schönes, weisses, englisches, glückhafftes, edles bildt;
[F 1a] Denn solches bloß zue außfüllung des verses dienet.
Dieses sey nun von der allgemeinen zuegehör der Poetischen rede: weil
aber die dinge von denen wir schreiben vnterschieden sind, als gehöret
sich auch zue einem jeglichen ein eigener vnnd von den andern
vnterschiedener Character oder merckzeichen der worte. Denn wie ein
anderer habit einem könige, ein anderer einer priuatperson gebühret, vnd
ein Kriegesman so, ein Bawer anders, ein Kauffmann wieder anders
hergehen soll: so muß man auch nicht von allen dingen auff einerley
weise reden; sondern zue niedrigen sachen schlechte, zue hohen
ansehliche, zue mittelmässigen auch mässige vnd weder zue grosse noch
zue gemeine worte brauchen.
In den niedrigen Poetischen sachen werden schlechte vnnd gemeine leute
eingeführet; wie in Comedien vnd Hirtengesprechen. Darumb tichtet man
jhnen auch einfaltige vnnd schlechte reden an, die jhnen gemässe sein:
So Tityrus bey dem Poeten, wenn er seines Gottes erwehnet, redet er
nicht von seinem plitze vnd donner, sondern
+_Ille meas_+, sagt er, +_errare boues, vt cernis, & ipsum
Ludere quæ vellem calamo permisit agresti._+
Du siehst, er leßt mein Vieh herumb gehn ohne ziehl,
Vnd mich auff meiner flöt' auch spielen was ich wil.
Wie Theocritus sonsten inn dem paß wol jederman vberlegen, so weiß ich
doch nicht wie sein Aites mir sonderlich behaget: inmassen ich denn auch
halte, das Heinsius gleichfals grossen gefallen daran treget, der dieses
Idyllion Lateinisch vnnd Hollendisch gegeben. Weil ich jhm aber im
deutschen nachgefolget, vnd den niedrigen Character, von dem wir jetzo
reden, nicht besser vorzuestellen weiß, wil ich meine übersetzung
hierneben fügen.
[F 1b] =Theocriti Aites.=
Bist du gekommen dann, nach dem ich nun gewacht
Nach dir, mein liebstes Kind, den dritten tag vnnd Nacht?
Du bist gekommen, ja. doch wer nicht kan noch mag
Sein lieb sehn wann er wil, wird alt auff einen tag.
So viel der Früling wird dem Winter vorgesetzt,
Vor wilden pflaumen vns ein Apffel auch ergetzt,
Das Schaff mit dicker woll' ein Lamb beschämen kan,
Die Jungfraw süsser ist als die den dritten Man
Bereit hat fort geschickt; so viel als besser springt
Ein rehbock als ein Kalb, vnd wann sie lieblich singt
Die leichte Nachtigall den Vogeln abgewint,
So ist dein beysein mir das liebste das man findt.
Ich habe mich gesetzt bey diesen Buchbawm hin,
Gleich wie ein Wandersman thut im fürüber ziehn,
In dem die Sonne sticht. ach, das die liebe doch
Vns wolte beyderseits auch fügen an jhr ioch,
An jhr gewündtschtes Ioch, vnd das die nach vns sein
Von vns mit stettem rhum erzehlten vberein:
Es ist ein liebes par gewesen vor der zeit,
Das eine freyte selbst, das ander ward gefreyt:
Sie liebten beyde gleich. ward nicht das volck ergetzt
Wie liebe wiederumb mit liebe ward ersetzt!
Ach Jupiter, vnd jhr, jhr Götter gebt mir zue,
[F 2a] Wann ich nach langer zeit schon lieg' in meiner rhue,
Das ich erfahren mag, das dem der mich jtzt liebt
Vnd meiner trewen gunst ein jeder zeugniß giebt;
Doch mehr das junge volck. nun diß muß nur ergehn,
Jhr Götter, wie jhr wolt. es pflegt bey euch zue stehn
Doch lob' ich dich zwar hoch, so hoff' ich dennoch nicht
Das jrrgend jemand ist der etwas anders spricht.
Dann ob dein grimm mir schon offt' etwas vbels thut
So machst du es hernach doch doppelt wieder gut.
O volck von Megara, jhr schiffer weit bekandt,
Ich wündsche das jhr wol bewohnt das reiche landt
Vnd vfer bey Athen, weil jhr so höchlich liebt
Dioclem der sich auch im lieben sehr geübt:
Weil allzeit vmb sein grab sehr viel liebhaber stehn,
Die lernen einig nur mit küssen vmb recht gehn,
Vnd streiten gleich darumb, vnd wer dann Mundt an mundt
Am aller besten legt, dem wird der krantz vergunt,
Den er nach hause dann zue seiner Mutter bringt.
Ach, ach, wie glücklich ist dem es so wol gelingt
Das er mag richter sein. wie offte rufft er wol
Das Ganymedes jhm den Mund so machen sol
Als einen Stein durch den der goldschmiedt vrtheil spricht
Ob auch gewiß das Goldt recht gut sey oder nicht.
[F 2b] Hergegen in wichtigen sachen, da von Göttern, Helden, Königen,
Fürsten, Städten vnd der gleichen gehandelt wird, muß man ansehliche,
volle vnd hefftige reden vorbringen, vnd ein ding nicht nur bloß nennen,
sondern mit prächtigen hohen worten vmbschreiben. Virgilius sagt nicht:
_die_ oder _luce sequenti_; sondern
_vbi primos crastinus ortus
Extulerit Titan, radiisque retexerit orbem._
Wann Titan morgen wird sein helles liecht auffstecken,
Vnd durch der stralen glantz die grosse welt entdecken.
Die mittele oder gleiche art zue reden ist, welche zwar mit jhrer ziehr
vber die niedrige steiget, vnd dennoch zue der hohen an pracht vnd
grossen worten noch nicht gelanget. In dieser gestalt hat Catullus seine
Argonautica geschrieben; welche wegen jhrer vnvergleichlichen schönheit
allen der Poesie liebhabern bekandt sein, oder ja sein sollen. Bißhieher
auch dieses: nun ist noch vbrig das wir von den reimen vnd
vnterschiedenen art der getichte reden.


Das VII. Capitel.
Von den reimen, jhren wörtern vnd arten der getichte.

EIn reim ist eine vber einstimmung des lautes der syllaben vnd wörter
zue ende zweyer oder mehrer verse, welche wir nach der art die wir vns
fürgeschrieben haben zuesammen setzen. Damit aber die syllben vnd worte
in die reimen recht gebracht werden, sind nachfolgende lehren in acht
zue nemen.
Erstlich, weil offte ein Buchstabe eines doppelten lautes ist, soll man
sehen, das er in schliessung der reimen nicht vermenget [F 3a] werde.
Zum exempel: Das e in dem worte +ehren+ wird wie ein griechisch ε, in
dem worte +nehren+ wie ein η außgesprochen: kan ich also mit diesen
zweyen keinen reim schliessen. Item, wenn ich des Herren von Pybrac
_Epigramma_ wolte geben:
_Adore assis, comme le Grec ordonne,
Dieu en courant ne veut estre honoré,
D'vn ferme coeur il veut estre adoré,
Mais ce coeur là il faut qu'il nous le donne._
Zum beten setze dich, wie jener Grieche lehret,
Denn GOtt wil auff der flucht nicht angeruffen sein:
Er heischet vnd begehrt ein starckes hertz' allein;
Das hat man aber nicht, wann er es nicht bescheret.
Hier, weil das e im +lehret+ wie ε, das im +bescheret+ wie η gelesen
wird, kan ich vor +bescheret+ das wort +verehret+ setzen. So schicken
sich auch nicht zusammen +entgegen+ vnd +pflegen+; +verkehren+ vnd
+hören+: weil das ö von vnns als ein ε, vnnd die mitlere sylbe im
+verkehren+ wie mit einem η gelesen wirdt. So kan ich auch +ist+ vnd
+bist+ wegen des vngleichen lautes gegen einander nicht stellen.
Das e, wann es vor einem andern selblautenden Buchstaben zue ende des
wortes vorher gehet, es sey in wasserley versen es wolte, wird nicht
geschrieben vnd außgesprochen, sondern an seine statt ein solches
zeichen ' darfür gesetzt. Zum exempel wil ich nachfolgendes Sonnet
setzen, weil diese außenlaßung zue sechs malen darinnen wiederholet
wird:
Ich muß bekennen nur, wol tausendt wündtschen mir,
[F 3b] Vnd tausendt noch dar zue, ich möchte die doch meiden
Die mein' ergetzung ist, mein trost, mein weh vnd leiden
Doch macht mein starckes hertz', vnd jhre grosse ziehr,
An welcher ich sie selbst dir, Venus setze für,
Das ich, so lang' ein Hirsch wird lieben püsch' vnd Heiden,
So lange sich dein Sohn mit threnen wird beweiden,
Wil ohne wancken stehn, vnd halten vber jhr.
Kein menschlich weib hat nicht solch gehn, solch stehn, solch lachen,
Solch reden, solche tracht, solch schlaffen vnnd solch wachen:
Kein Waldt, kein Heller fluß, kein hoher Berg, kein Grundt
Beherbrigt eine Nymf' an welcher solche gaben,
Zue schawen mögen sein; die so schön haar kan haben,
Solch' augen als ein stern, so einen roten mundt.
Hiervon werden außgeschlossen, wie auch Ernst Schwabe in seinem Büchlein
erinnert, die eigenen namen, als: +Helene+, +Euphrosine+; darnach alle
einsylbige wörter, als: +Schnee+, +See+, +wie+, +die+, &c.
Zue ende der reimen, wann ein Vocalis den folgenden [F 4a] verß anhebet,
kan man das e stehen lassen oder weg thun. Stehen bleibt es:
wie rufft er vor dem ende
Vns seinen Kindern zue.
Weg gethan aber wird es:
Jhr hölen voller moß, jhr auffgeritzten stein'
Jhr felder, &c.
Wann auff das e ein Consonans oder mitlautender Buchstabe folget, soll
es nicht aussen gelassen werden: ob schon niemandt bißher nicht gewesen
ist, der in diesem nicht verstossen. Ich kan nicht recht sagen:
Die wäll der starcken Stadt vnnd auch jhr tieffe Graben;
Weil es +die Wälle+ vnd +jhre Graben+ sein soll. Auch nicht wie Melißus:
Rot rößlein wolt' ich brechen,
für, +Rote rößlein+.
Gleichfals nicht:
Nemt an mein schlechte reime,
für: +Meine+.
Es soll auch das e zueweilen nicht auß der mitten der wörter gezogen
werden; weil durch die zuesammenziehung der sylben die verse
wiederwertig vnd vnangeneme zue lesen sein. Als, wann ich schriebe:
Mein Lieb, wann du mich drücktst an deinen lieblchen Mundt,
So thets meinm hertzen wol vnd würde frisch vnd gsundt.
Welchem die reime nicht besser als so von statten gehen, [F 4b] mag es
künlich bleiben lassen: Denn er nur die vnschuldigen wörter, den Leser
vnd sich selbst darzue martert vnnd quelet. Wiewol es nicht so gemeinet
ist, das man das e niemals aussenlassen möge: Weil es in Cancelleyen
(welche die rechten lehrerinn der reinen sprache sind) vnd sonsten
vblich, auch im außreden nicht verhinderlich ist. Vnnd kan ich wol
sagen, +vom+ für +von dem+, +zum+ für +zue dem+, vnd dergleichen. So ist
es auch mit den _verbis_. Als:
Die Erde trinckt für sich, die Bäwme trincken erden,
Vom Meere pflegt die lufft auch zue getruncken werden,
Die Sonne trinckt das Meer, der Monde trinckt die Sonnen;
Wolt dann, jhr freunde, mir das trincken nicht vergonnen?
Hier, ob gleich die wörter +trincket+, +pfleget+, +wollet+, inn eine
sylbe gezogen sind, geschieht jhnen doch keine gewalt. Hiesige verß aber
sindt in Griechischen bei dem Anacreon:
Ἑ γῆ μέλαινα πίνει
Πίνει δὲ δένδρε' ἀυτὴν
Πίνει θάλασσα δ' ἄυρας,
Ο δ' ἥλιος θάλασσαν,
Τὸν δ' ἥλιον σελήνη.
Τὶ μοι μάχεσθ' ἑταῖροι,
Κ' ἀυτῷ θέλοντι πίνειν;
Welche oden ich sonst auch in ein _distichon_ gebracht; weil ich zue den
lateinischen Anacreonten weder lust noch glück habe.
[G 1a] _Terra bibit, terram plantæ, auras æquor, amici,
Æquor Sol, Solem Luna; nec ipse bibam?_
Stehet das h zue anfange eines wortes, so kan das e wol geduldet werden;
als:
Vnd was hilfft es das mein spiel
Alle die es hören loben
Du hergegen, o mein licht?
Die ich lobe, hörst es nicht.
Oder auch aussen bleiben; als:
Was kan die künstlich' hand?
Ferner soll auch das e denen wörtern zue welchen es nicht gehöret
vnangehencket bleiben; als in _casu nominatiuo_:
+Der Venus Sohne.+ Item, wie Melißus sagt:
+Ein wolerfahrner helde.+
Vnd:
Dir scheint der Morgensterne;
Weil es +Sohn+, +Held+, +Stern+ heisset.
Vber diß, die letzte sylbe in den männlichen, vnd letzten zwo inn den
weiblichen reimen (wie wir sie bald abtheilen werden) sollen nicht an
allen Buchstaben gleiche sein; als, in einem weiblichen reime:
Wir sollen frembdlingen gar billich ehr' erzeigen,
Vnd so viel möglich ist, ein willig hertze zeigen.
Es ist falsch; weil die letzten zwo sylben gantz eines sindt: kan aber
so recht gemacht werden:
Wir sollen frembdlingen gar billich ehr' erzeigen,
Vnd, wann es müglich ist, die Sonn' auch selbst zueneigen.
Wiewol es die Frantzosen so genaw nicht nemen. Dann in [G 1b]
nachfolgender Echo, welche vom tantze redet, alle verß gleiche fallen.
_Qui requiert fort & mesure & cadance? Dance.
Qui faict souuent aux nopces residence? Dance.
Qui faict encor filles en abondance? Dance.
Qui faict sauter fols par outrecuidance? Dance.
Qui est le grand ennemy de prudence? Dance.
Qui met aux frons cornes pour euidence? Dance.
Qui faict les biens tomber en decadence? Dance._
Gleichfals begehet man einen fehler, wann in dem _rythmo fœminino_
die letzte sylbe des einen verses ein t, des andern ein d hat; weil t
harte vnd d gelinde außgesprochen wird. Als im 23. Psalme:
Auff einer grünen Awen er mich weidet,
Zum schönen frischen wasser er mich leitet.
So auch, wann das eine u ein selblautender, das andere ein
doppeltlautender Buchstabe ist, vnd fast wie ein i außgesprochen wird.
Als im 42. Psalme:
Bey jhm wird heil gefunden,
Israel er von sünden.
Dann in dem worte +sünden+ ist das u ein _diphthongus_.
Vnd letzlich wird der reim auch falsch, wann in dem einen verse das
letzte wort einen doppelten _consonantem_; vnnd das in dem andern einen
einfachen hat; als: wann der eine verß sich auff das wort +harren+; der
andere auff das wort +verwahren+, oder der eine auff +rasen+, der andere
auff +gleicher massen+ endete. Denn es eine andere gelegenheit mit der
Frantzösischen sprache hatt, da zwar zweene _consonantes_ geschrieben,
aber gemeiniglich nur einer außgesprochen wird.
[G 2a] Das wir nun weiter fortfahren, so ist erstlich ein jeglicher
verß, wie sie die Frantzosen auch abtheilen, (denn der Italiener zarte
reimen alleine auf die weibliche endung außgehen) entweder ein
_fœmininus_, welcher zue ende abschiessig ist, vnd den accent in der
letzten sylben ohne eine hat, Als:
Er hat rund vmb sich her das wasser außgespreitet,
Den köstlichen pallast des Himmels zue bereitet;
Oder _masculinus_, das ist, männlicher verß, da der thon auff der
letzten sylben in die höhe steiget; als:
Den donner, reiff vnd schnee, der wolcken blawes zelt,
Ost, Norden, Sud vnd West in seinen dienst bestelt.
Nachmals ist auch ein jeder verß entweder ein _iambicus_ oder
_trochaicus_; nicht zwar das wir auff art der griechen vnnd lateiner
eine gewisse grösse der sylben können inn acht nemen; sondern das wir
aus den _accenten_ vnnd dem thone erkennen, welche sylbe hoch vnnd
welche niedrig gesetzt soll werden. Ein Iambus ist dieser:
Erhalt vns Herr bey deinem wort.
Der folgende ein Trochéus:
Mitten wir im leben sind.
Dann in dem ersten verse die erste sylbe niedrig, die andere hoch, die
dritte niedrig, die vierde hoch, vnd so fortan, in dem anderen verse die
erste sylbe hoch, die andere niedrig, die dritte hoch, &c. außgesprochen
werden. Wiewol nun meines wissens noch niemand, ich auch vor der zeit
selber nicht, dieses genawe in acht genommen, scheinet es doch so hoch
von nöthen zue sein, als hoch von nöthen ist, das die Lateiner nach den
_quantitatibus_ oder grössen der sylben jhre verse richten vnd
reguliren. Denn es gar einen übelen klang hat:
[G 2b] +Venus die hat Juno nicht vermocht zue obsiegen+; weil +Venus+
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