Buch von der Deutschen Poeterey - 2

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Leute aber lassen vns weder die rechte zeit noch gelegenheit: wie sich
denn Politianus in einer epistel hefftig darüber beschwäret, vnd
Ronsardt, wie Muretus meldet, hat pflegen zue sagen, er empfinde nicht
so grosse lust wann er seine eigene Liebe beschriebe, als er grossen
verdruß empfinde, wann er anderer jhre liebe beschreiben muste. Wiewol
etliche, gemeiniglich aber die schlimmesten, sich selber hierzue
antragen, vnd den leuten jhre träwme fast einzwingen. Diese meinet
sonderlich Aristoteles, _Eth. ad Nic. lib. 9. c. 7._ da er saget, das
sie jhre getichte vber die maße lieb haben, vnd so hertzlich gegen jhnen
geneiget sein: wie die eltern gegen den kindern. Vnd _Cicero 5. Tusc._
spricht auch fast auff diesen schlag: _In hoc enim genere nescio quo
pacto magis quam in aliis suum cuique pulchrum est. adhuc neminem
cognoui Poetam, & mihi fuit cum Aquinio amicitia, qui sibi non optimus
videretur._ Das ferner die Poeten mit der warheit nicht allzeit
vbereinstimmen, ist zum theil oben deßenthalben Vrsache erzehlet worden,
vnd soll man auch wissen, das die gantze Poeterey im nachäffen der Natur
bestehe, vnd die dinge nicht so sehr beschreibe wie sie sein, als wie
sie etwan sein köndten oder solten. Es sehen aber die menschen nicht
alleine die sachen gerne, welche an sich selber eine ergetzung haben;
als schöne Wiesen, Berge, Felde, flüße, ziehrlich Weibesvolck vnd
dergleichen: sondern sie hören auch die dinge mit lust erzehlen, welche
sie doch zue sehen nicht begehren; als wie Hercules seine Kinder
ermordet, wie Dido sich selber entleibet, wie die Städte in den brand
gesteckt werden, wie die pest gantze Länder durchwütet, vnd was sonsten
mehr bei den Poeten zue finden ist. Dienet also dieses alles zue
vberredung vnd vnterricht auch ergetzung der Leute; [B 4b] welches der
Poeterey vornemster zweck ist. Die nahmen der Heidnischen Götter
betreffendt, derer sich die stattlichsten Christlichen Poeten ohne
verletzung jhrer religion jederzeit gebrauchet haben, angesehen das
hierunter gemeiniglich der Allmacht Gottes, welcher die ersten menschen
nach den sonderlichen wirckungen seiner vnbegreifflichen Maiestet
vnterschiedene namen gegeben, als das sie, wie Maximus Tyrius meldet,
durch Minerven die vorsichtigkeit, durch den Apollo die Sonne, durch den
Neptunus die Lufft welche die Erde vnnd Meer durchstreichet; zue zeiten
aber vorneme Leute, die wie Cicero im andern buche von den Gesetzen
saget, vmb jhres vordienstes willen in den Himmel beruffen sein, zue
zeiten was anders angedeutet wird, ist allbereit hin vnd wieder so viel
bericht darvon geschehen, das es weiterer außführung hoffentlich nicht
wird von nöthen sein. Was auch der Poeten Leben angehet, (damit ich mich
nicht zue lange auffhalte) ist es nicht ohn, das freylich etliche von
jhnen etwas auß der art schlagen, vnd denen, die in anderer Leute
mängeln falcken, in jhren eigenen Maulwörffe sein, anlaß geben jhnen
vbel nach zue reden. Die Vrsache kan wol zum theile sein, das jhre
Poetische gemüter vnterweilen etwas sicherer vnd freyer sein, als es
eine vnd andere zeit leidet, vnd nach des volckes Vrtheil nicht viel
fragen. Zum theile thut auch der wein etwas; sonderlich bey denen,
welchen Horatius besser gefellt da er schreibet:
_Prisco si credis, Mæcenas docte, Cratino,
Nulla valere diu, nec viuere carmina possunt,
Quæ scribuntur aquæ potoribus._
Mecenas, wil du mir vnd dem Cratinus gleuben,
Der der da wasser trinckt kan kein guet carmen schreiben;
Als Pindarus, der stracks im anfange seiner bücher saget: [C 1a] Ἄριστον
μὲν ὕδωρ, +Das Wasser ist das beste das man findt+. Mit welchem es
Alceus, Aristophanes, Alcman, Ennius vnd andere nicht gehalten hetten;
auch Eschilus nicht, dem Sophocles vorgeworffen, der wein hette seine
Tragedien gemacht, nicht er. Vnd zum theile thut auch zue dem etwas
nachleßigen wandel mancher Poeten nicht wenig die gemeinschafft etlicher
alten, die jhre reine sprache mit garstigen epicurischen schrifften
besudelt, vnd sich an jhrer eigenen schande erlustiget haben. Mit denen
wir aber vmbgehen mußen wie die bienen, welche jhr honig auß den
gesunden blumen saugen, vnd die gifftigen Kräuter stehen lassen. Doch
wie ehrliche, auffrichtige, keusche gemüter (welche von den auch
keuschen Musen erfodert werden) derer die jhre geschickligkeit mit vblen
sitten vertunckeln nicht entgelten können, so sind auch nicht alle
Poeten die von Liebessachen schreiben zue meiden; denn viel vnter jhnen
so züchtig reden, das sie ein jegliches ehrbares frawenzimmer vngeschewet
lesen möchte. Man kan jhnen auch deßentwegen wol jhre einbildungen
lassen, vnd ein wenig vbersehen, weil die liebe gleichsam der wetzstein
ist an dem sie jhren subtilen Verstand scherffen, vnd niemals mehr
sinnreiche gedancken vnd einfälle haben, als wann sie von jhrer
Buhlschafften Himlischen schöne, jugend, freundligkeit, haß vnnd gunst
reden. Wie dann hiervon der Frantzösischen Poeten Adler Peter Ronsardt
ein artiges Sonnet geschrieben, welches ich nebenst meiner vbersetzung
(wiewol dieselbe dem texte nicht genawe zuesaget) hierbey an zue ziehen
nicht vnterlassen kan:
_Ah belle liberté, qui me seruois d'escorte,
Quand le pied me portoit où libre ie voulois!
Ah! que ie te regrette! helas, combien de fois
Ay-ie rompu le ioug, que maulgré moy ie porte!_
_Puis ie l'ay rattaché, estant nay de la sorte,
[C 1b] Que sans aimer ie suis & du plomb & du bois,
Quand ie suis amoureux i'ay l'esprit & la vois,
L'inuention meilleure, & la Muse plus forte._
_Il me faut donc aimer pour auoir bon esprit,
Afin de conceuoir des enfans par escrit,
Prolongeant ma memoire aux despens de ma vie._
_Ie ne veux m'enquerir s'on sent apres la mort:
Ie le croy: ie perdroy d'escrire toute enuie:
Le bon nom qui nous suit est nostre reconfort._
Du güldne Freiheit du, mein wünschen vnd begehren,
Wie wol doch were mir, im fall ich jederzeit
Mein selber möchte sein, vnd were gantz befreyt
Der liebe die noch nie sich wollen von mir kehren,
Wiewol ich offte mich bedacht bin zue erweren.
Doch lieb ich gleichwol nicht, so bin ich wie ein scheit,
Ein stock vnd rawes bley. die freye dienstbarkeit,
Die sichere gefahr, das tröstliche beschweren
Ermuntert meinen geist, das er sich höher schwingt
Als wo der pöfel kreucht, vnd durch die wolcken dringt,
Geflügelt mitt vernunfft, vnd mutigen gedancken,
Drumm geh' es wie es wil, vnd muß ich schon darvon,
So vberschreit ich doch des lebens enge schrancken:
Der name der mir folgt ist meiner sorgen lohn.
[C 2a] Welchen namen wenn die Poeten nicht zue gewarten hetten, würden
viel derselben durch die boßheit der Leute, die sie mehr auß neide alß
billicher vrsache verfolgen, von jhrem löblichen vorsatze zuerücke
gehalten vnd abgeschreckt werden. Es wird aber bey jhnen nicht stehen,
vnd ich bin der tröstlichen hoffnung, es werde nicht alleine die
Lateinische Poesie, welcher seit der vertriebenen langwierigen barbarey
viel große männer auff geholffen, vngeacht dieser trübseligen zeiten und
höchster verachtung gelehrter Leute, bey jhrem werth erhalten werden;
sondern auch die Deutsche, zue welcher ich nach meinem armen vermögen
allbereit die fahne auffgesteckt, von stattlichen gemütern allso
außgevbet werden, das vnser Vaterland Franckreich vnd Italien wenig wird
bevor dörffen geben.


Das IIII. Capitel.
Von der Deutschen Poeterey.

VOn dieser Deutschen Poeterey nun zue reden, sollen wir nicht vermeinen,
das vnser Land vnter so einer rawen vnd vngeschlachten Lufft liege, das
es nicht eben dergleichen zue der Poesie tüchtige _ingenia_ könne
tragen, als jergendt ein anderer ort vnter der Sonnen. Wein vnnd früchte
pfleget man zue Loben von dem orte da sie herkommen sein; nicht die
gemüter der menschen. Der weise Anacharsis ist in den Scitischen wüsten
gebohren worden. Die Vornemsten Griechen sind in Egypten, Indien vnd
Franckreich gereiset, die weißheit zue erlernen. Vnd, vber diß das wir
so viel Vorneme Poeten, so heutiges tages bey vns erzogen worden, vnter
augen können stellen, erwehnet Tacitus von den Deutschen in dem buche
das er von jhnen geschrieben, das ob wol weder Mann noch Weib vnter
jhnen zue seiner zeit den freyen künsten ob zue liegen pflegeten,
faßeten sie doch alles was sie im [C 2b] gedächtniß behalten wolten in
gewisse reimen vnd getichte. Wie er denn in einem andern orte saget, das
sie viel von des Arminius seinen thaten zue singen pflegeten. Welches
sie vieleichte den Frantzosen nachgethan haben, bey denen, wie Strabo im
fünfften buche anzeiget, +Dreyerley Leute waren, die man in sonderlichen
ehren hielt: _Bardi_, _Vates_ vnnd Druiden. Die Barden sungen
Lobgetichte vnnd waren Poeten; Die _Vates_ opfferten vnd betrachteten
die Natur aller dinge; Die Druiden pflegten vber die Natürliche
Wissenschafft auch von gueten sitten zue vnterrichten.+ Welches auch
Marcellinus im fünfften buche bekrefftiget: +Die Barden+, saget er,
+haben berümbter männer ritterliche thaten mit heroischen Versen
beschrieben, vnd mit süßen melodien zue der leyer gesungen+, Vnd
_Lucanus_ im ersten buche des bürgerlichen Krieges:
_Vos quoque qui fortes animas belloque peremptas
Laudibus in longum vates demittitis æuum,
Plurima securi fudistis carmina Bardi._
Das ich der meinung bin, die Deutschen haben eben dieses im gebrauche
gehabt, bestetiget mich, vber das was Tacitus meldet, auch der alten
Cimbrer oder Dänen ebenmäßiger gebrauch, die von jhren Helden schöne und
geistreiche Lieder ertichtet haben, deren nicht wenig von alten jahren
her in Dennemarck noch verhanden sind, vnd von vielen gesungen werden.
So ist auch Hiarnes bey jhnen einig vnnd alleine deßentwegen zum
Königreiche kommen, weil er dem vorigen Könige zue ehren ein solch
grabgetichte gemacht, das vor allen andern den preiß behalten.
[C 3a] Vnd vber diß, sind doch eines vngenannten Freyherrens von Wengen,
Juncker Winsbeckens, Reinmars von Zweter, der ein Pfältzischer vom Adel
vnd bey Keyser Friedrichen dem ersten vnd Heinrichen dem sechsten
auffgewartet hatt, Marners auch eines Edelmannes, Meister Sigeherrens,
vnd anderer sachen noch verhanden, die manchen stattlichen Lateinischen
Poeten an erfindung vnd ziehr der reden beschämen. Ich wil nur auß dem
Walter von der Vogelweide, Keyser Philipses geheimen rahte, den Goldast
anzeucht, einen einigen ort setzen; darauß leichtlich wird zue sehen
sein, wie hoch sich selbige vorneme Männer, vngeachtet jhrer adelichen
ankunfft vnd standes, der Poeterey angemaßet:
Nun sende vns Vater vnd Suhn den rechten Geist heraben,
Das wir mit deiner süssen füchte ein dürres hertze erlaben.
Vnkristenlichen dingen ist al al dui kristenheit so vol,
Swa kristentum ze siechhus lit da tut man jhm nicht wol.
Ihn dürstet sehre
Nach der lehre
Als er vom Rome was gewon,
Der jhn da schancte
Vnd jhn da trancte
Als é da wurde er varende von.
Swas im da leides je gewar
Das kam von Symonis gar.
Vnd ist er da so fründebar
Das er engetar
[C 3b] Nicht sin schaden genügen.
Kristentum vnd Kristenheit
Der disü zwei zusamme sueit
Gelih lanc, gelih breit,
Lieb vnd leit
Der wolte auch das wir trügen
In kriste Kristenliches leben
Sit er vns vf eine gegeben
So suln wir vns nicht scheiden, &c.
Das nun von langer zeit her dergleichen zue vben in vergessen gestellt
ist worden, ist leichtlicher zue beklagen, als die vrsache hiervon zue
geben. Wiewol auch bey den Italienern erst Petrarcha die Poeterey in
seiner Muttersprache getrieben hat, vnnd nicht sehr vnlengst Ronsardus;
von deme gesaget wird, das er, damit er sein Frantzösisches desto besser
außwürgen köndte, mit der Griechen schrifften gantzer zwölff jahr sich
vberworffen habe; als von welchen die Poeterey jhre meiste Kunst, art
vnd liebligkeit bekommen. Vnd muß ich nur bey hiesiger gelegenheit ohne
schew dieses errinnern, das ich es für eine verlorene arbeit halte, im
fall sich jemand an vnsere deutsche Poeterey machen wolte, der, nebenst
dem das er ein Poete von natur sein muß, in den griechischen vnd
Lateinischen büchern nicht wol durchtrieben ist, vnd von jhnen den
rechten grieff erlernet hat; das auch alle die lehren, welche sonsten
zue der Poesie erfodert werden, vnd ich jetzund kürtzlich berühren wil,
bey jhm nichts verfangen können.


Das V. Capitel.
[C 4a] Von der zuegehör der Deutschen Poesie, vnd erstlich von der
invention oder erfindung, vnd Disposition oder abtheilung der dinge von
denen wir schreiben wollen.

WEil die Poesie, wie auch die Rednerkunst, in dinge vnd worte
abgetheilet wird; als wollen wir erstlich von erfindung vnd eintheilung
der dinge, nachmals von der zuebereitung vnd ziehr der worte, vnnd
endtlich vom maße der sylben, Verse, reimen, vnnd vnterschiedener art
der _carminum_ vnd getichte reden.
Die erfindung der dinge ist nichts anders als eine sinnreiche faßung
aller sachen die wir vns einbilden können, der Himlischen vnd
jrrdischen, die Leben haben vnd nicht haben, welche ein Poete jhm zue
beschreiben vnd herfür zue bringen vornimpt: darvon in seiner Idea
Scaliger außfürlich berichtet. An dieser erfindung henget stracks die
abtheilung, welche bestehet in einer füglichen vnd artigen ordnung der
erfundenen sachen. Hier mußen wir vns besinnen, in was für einem _genere
carminis_ vnd art der getichte (weil ein jegliches seine besondere
zuegehör hat) wir zue schreiben willens sein.
Ein Heroisch getichte (das gemeiniglich weitleufftig ist, vnd von hohem
wesen redet) soll man stracks von seinem innhalte vnd der Proposition
anheben; wie Virgilius in den büchern vom Ackerbawe thut:
_Quid faciat lætas segetes, quo sidere terram
Vertere, Mæcenas, vlmisque adiungere vites
Conueniat; quæ cura boum, qui cultus habendo
Sit pecori, atque apibus quanta experientia parcis,
Hinc canere incipiam._
Vnd ich (wiewol ich mich schäme, das ich in mangel ande-[C 4b]rer
deutschen exempel mich meiner eigenen gebrauchen soll, weil mir meine
wenigkeit vnd vnvermögen wol bewust ist) in dem ersten buche der noch
vnaußgemachten Trostgetichte in Wiederwertigkeit des Krieges:
Des schweren Krieges last den Deutschland jetzt empfindet,
Vnd das Gott nicht vmbsonst so hefftig angezündet
Den eifer seiner macht, auch wo in solcher pein
Trost her zue holen ist, soll mein getichte sein.
Nachmals haben die heiden jhre Götter angeruffen, das sie jhnen zue
vollbringung des werckes beystehen wollen: denen wir Christen nicht
allein folgen, sondern auch an frömigkeit billich sollen vberlegen sein.
Virgilius spricht weiter an gedachtem orte:
_Vos, o clarissima mundi
Lumina, labentem cœlo quæ ducitis annum,
Liber, & alma Ceres, &c._
Vnd ich:
Diß hab ich mir anjetzt zue schreiben fürgenommen.
Ich bitte wollest mir geneigt zue hülffe kommen
Du höchster trost der welt, du zueversicht in not,
Du Geist von GOtt gesandt, ia selber wahrer GOtt.
Gieb meiner Zungen doch mit deiner glut zue brennen,
Regiere meine faust, vnd laß mich glücklich rennen
Durch diese wüste bahn, durch dieses newe feldt,
Darauff noch keiner hat für mir den fuß gestelt.
Wiewol etliche auch stracks zue erste die anruffung setzen. Als
Lucretius:
[D 1a] _Aeneadum genetrix, hominum diuumque voluptas,
Alma Venus, &c._
Vnd Wilhelm von Sallust in seiner andern woche:
_Grand Dieu, qui de ce Tout m'as fait voir la naissance,
Descouure son berceau, monstre-moy son enfance.
Pourmeine mon esprit par les fleuris destours
Des vergers doux-flairans, où serpentoit le cours
De quatre viues eaux: conte-moy quelle offence
Bannit des deux Edens Adam, & sa semence._
Gott, der du mich der welt geburt hast sehen lassen,
Laß mich nun jhre wieg' vnd kindheit jetzt auch fassen,
Vnd meinen Geist vnd sinn sich in dem kreiß' ergehn
Der gärte vol geruchs, hier wo vier flüsse schön'
Hinrauschen mitten durch: erzehl vmb was für sachen
Sich Adam vnd sein sam' auß Eden muste machen.
Doch ist, wie hier zue sehen, in der anruffung allzeit die proposition
zuegleich begrieffen. Auff dieses folget gemeiniglich die dedication;
wie Virgilius seine _Georgica_ dem Keiser Augustus zuegeschrieben. Item
die vrsache, warumb man eben dieses werck vor sich genommen: wie im
dritten buche vom Ackerbawe zue sehen:
+_Cetera, quæ vacuas tenuissent carmina mentes,
Omnia, jam vulgata_+;
vnd wie folget. Dem ich in den Trostgetichten auch habe nachkommen
wollen:
Das ander ist bekandt. wer hat doch nicht geschrieben
[D 1b] Von Venus eitelkeit, vnd von dem schnöden lieben,
Der blinden jugendt lust? wer hat noch nie gehört
Wie der Poeten volck die grossen Herren ehrt,
Erhebt sie an die lufft, vnd weiß herauß zue streichen
Was besser schweigens werth, lest seine feder reichen
Wo Menschen tapfferkeit noch niemals hin gelangt,
Macht also das die welt mit bloßen lügen prangt?
Wer hat zue vor auch nicht von riesen hören sagen,
Die Waldt vnd Berg zuegleich auff einen orth getragen,
Zue stürtzen Jupitern mit aller seiner macht,
Vnnd was des wesens mehr? nun ich bin auch bedacht
Zue sehen ob ich mich kan auß dem staube schwingen,
Vnd von der dicken schar des armen volckes dringen
So an der erden klebt. ich bin begierde voll
Zue schreiben wie man sich im creutz' auch frewen soll,
Sein Meister seiner selbst. ich wil die neun Göttinnen,
Die nie auff vnser deutsch noch haben reden können,
Sampt jhrem Helicon mit dieser meiner handt
Versetzen allhieher in vnser Vaterlandt.
Vieleichte werden noch die bahn so ich gebrochen,
Geschicktere dann ich nach mir zue bessern suchen,
[D 2a] Wann dieser harte krieg wird werden hingelegt,
Vnd die gewündschte rhue zue Land vnd Meer gehegt.
Das getichte vnd die erzehlung selber belangend, nimpt sie es nicht so
genawe wie die Historien, die sich an die zeit vnd alle vmbstende
nothwendig binden mußen, vnnd wiederholet auch nicht, wie Horatius
erwehnet, den Troianischen krieg von der Helenen vnd jhrer brüder geburt
an: lest viel außen was sich nicht hin schicken wil, vnd setzet viel das
zwar hingehöret, aber newe vnd vnverhoffet ist, vntermenget allerley
fabeln, historien, Kriegeskünste, schlachten, rathschläge, sturm,
wetter, vnd was sonsten zue erweckung der verwunderung in den gemütern
von nöthen ist; alles mit solcher ordnung, als wann sich eines auff das
andere selber allso gebe, vnnd vngesucht in das buch keme. Gleichwol
aber soll man sich in dieser freyheit zue tichten vorsehen, das man
nicht der zeiten vergeße, vnd in jhrer warheit irre. Wiewol es
Virgilius, da er vorgegeben, Eneas vnd Dido hetten zue einer zeit
gelebet, da doch Dido hundert jahr zuevor gewesen, dem Keyser vnd
Römischen volcke, durch welches die stadt Carthago bezwungen worden, zue
liebe gethan, damit er gleichsam von den bösen flüchen der Dido einen
anfang der feindschafft zwischen diesen zweyen mächtigen völckern
machte. Ob aber bey vns Deutschen so bald jemand kommen möchte, der sich
eines vollkommenen Heroischen werckes vnterstehen werde, stehe ich sehr
im zweifel, vnnd bin nur der gedancken, es sey leichtlicher zue
wündschen als zue hoffen.
Die Tragedie ist an der maiestet dem Heroischen getichte gemeße, ohne
das sie selten leidet, das man geringen standes personen vnd schlechte
sachen einführe: weil sie nur von Königlichem willen, Todtschlägen,
verzweiffelungen, Kinder- vnd Vätermörden, brande, blutschanden, kriege
vnd auffruhr, kla-[D 2b]gen, heulen, seuffzen vnd dergleichen handelt.
Von derer zugehör schreibet vornemlich Aristoteles, vnd etwas
weitleufftiger Daniel Heinsius; die man lesen kan.
Die Comedie bestehet in schlechtem wesen vnnd personen; redet von
hochzeiten, gastgeboten, spielen, betrug vnd schalckheit der knechte,
ruhmrätigen Landtsknechten, buhlersachen, leichtfertigkeit der jugend,
geitze des alters, kupplerey vnd solchen sachen, die täglich vnter
gemeinen Leuten vorlauffen. Haben derowegen die, welche heutiges tages
Comedien geschrieben, weit geirret, die Keyser vnd Potentaten
eingeführet; weil solches den regeln der Comedien schnurstracks
zuewieder laufft.
Zue einer Satyra gehören zwey dinge: die lehre von gueten sitten vnd
ehrbaren wandel, vnd höffliche reden vnd schertzworte. Jhr vornemstes
aber vnd gleichsam als die seele ist, die harte verweisung der laster
vnd anmahnung zue der tugend: welches zue vollbringen sie mit allerley
stachligen vnd spitzfindigen reden, wie mit scharffen pfeilen, vmb sich
scheußt. Vnd haben alle Satyrische scribenten zum gebrauche, das sie
vngeschewet sich vor feinde aller laster angeben, vnd jhrer besten
freunde ja jhrer selbst auch nicht verschonen, damit sie nur andere
bestechen mögen: wie es denn alle drey Horatius, Juuenalis vnnd Persius
meisterlich an den tag gegeben.
Das Epigramma setze ich darumb zue der Satyra, weil die Satyra ein lang
Epigramma, vnd das Epigramma eine kurtze Satyra ist: denn die kürtze ist
seine eigenschafft, vnd die spitzfindigkeit gleichsam seine seele vnd
gestallt; die sonderlich an dem ende erscheinet, das allezeit anders als
wir verhoffet hetten gefallen soll: in welchem auch die spitzfindigkeit
vornemlich bestehet. Wiewol aber das Epigramma aller sachen vnnd wörter
fähig ist, soll es doch lieber in Venerischem wesen, vberschrifften der
begräbniße vnd gebäwe, Lobe vornemer Männer vnd Frawen, kurtzweiligen
schertzreden vnnd anderem, es sey was [D 3a] es wolle, bestehen, als in
spöttlicher hönerey vnd auffruck anderer leute laster vnd gebrechen.
Denn es ist eine anzeigung eines vnverschämten sicheren gemütes, einen
jetwedern, wie vnvernünfftige thiere thun, ohne vnterscheidt anlauffen.
Die Eclogen oder Hirtenlieder reden von schaffen, geißen, seewerck,
erndten, erdgewächsen, fischereyen vnnd anderem feldwesen; vnd pflegen
alles worvon sie reden, als von Liebe, heyrathen, absterben,
buhlschafften, festtagen vnnd sonsten auff jhre bäwrische vnd
einfältige art vor zue bringen.
In den Elegien hat man erstlich nur trawrige sachen, nachmals auch
buhlergeschäffte, klagen der verliebten, wündschung des todes, brieffe,
verlangen nach den abwesenden, erzehlung seines eigenen Lebens vnnd
dergleichen geschrieben; wie dann die meister derselben, Ouidius,
Propertius, Tibullus, Sannazar, Secundus, Lotichius vnd andere
außweisen.
Das ich der Echo oder des Wiederruffes zue ende der wörter gedencke,
thue ich erstlich dem Dousa zue ehren, welcher mit etlichen solchen
getichten gemacht hat, das wir etwas darvon halten; wiewol das so
Secundus geschrieben (wie alle andere seine sachen) auch sehr artlich
ist: darnach aber, weil ich sehe, das sie bey den Frantzosen gleichfalls
im gebrauche sein; bey denen man sich ersehen kan. So sind jhrer auch
zwey in meinen deutschen _Poematis_, die vnlengst zue Straßburg auß
gegangen, zue finden. Welchen buches halben, das zum theil vor etlichen
jahren von mir selber, zum theil in meinem abwesen von andern vngeordnet
vnd vnvbersehen zuesammen gelesen ist worden, ich alle die bitte denen
es zue gesichte kommen ist, sie wollen die vielfältigen mängel vnd
irrungen so darinnen sich befinden, beydes meiner jugend, (angesehen das
viel darunter ist, welches ich, da ich noch fast ein knabe gewesen,
geschrieben habe) vnnd dann denen zuerechnen, die auß keiner bösen
meinung meinen gueten namen dadurch zue erweitern bedacht ge-[D 3b]wesen
sein. Ich verheiße hiermitt, ehestes alle das jenige, was ich von
dergleichen sachen bey handen habe, in gewiße bücher ab zue theilen, vnd
zue rettung meines gerüchtes, welches wegen voriger vbereileten edition
sich mercklich verletzt befindet, durch offentlichen druck jedermann
gemeine zue machen.
Hymni oder Lobgesänge waren vorzeiten, die sie jhren Göttern vor dem
altare zue singen pflagen, vnd wir vnserem GOtt singen sollen.
Dergleichen ist der lobgesang den Heinsius vnserem erlöser, vnd der den
ich auff die Christnacht geschrieben habe. Wiewol sie auch zuezeiten
was anders loben; wie bey dem Ronsard ist der Hymnus der Gerechtigkeit,
Der Geister, des Himmels, der Sternen, der Philosophie, der vier
Jahreszeiten, des Goldes, &c.
Sylven oder wälder sind nicht allein nur solche _carmina_, die auß
geschwinder anregung vnnd hitze ohne arbeit von der hand weg gemacht
werden, von denen Quintilianus im dritten Capitel des zehenden buches
saget: _Diuersum est huic eorum vitium, qui primùm discurrere per
materiam stylo quàm velocissimo volunt, & sequentes calorem atque
impetum ex tempore scribunt: Hoc syluam vocant_; vnd wie an den schönen
_syluis_ die _Statius_ geschrieben zue sehen ist, welche er in der
Epistel für dem ersten buche nennet _libellos qui subito calore & quadam
festinandi voluptate ipsi fluxerant_: sondern, wie jhr name selber
anzeiget, der vom gleichniß eines Waldes, in dem vieler art vnd sorten
Bäwme zue finden sindt, genommen ist, sie begreiffen auch allerley
geistliche vnnd weltliche getichte, als da sind Hochzeit- vnd
Geburtlieder, Glückwündtschungen nach außgestandener kranckheit, item
auff reisen, oder auff die zuerückkunft von denselben, vnd dergleichen.
Die Lyrica oder getichte die man zur Music sonderlich gebrauchen kan,
erfodern zueföderst ein freyes lustiges gemüte, vnd wollen mit schönen
sprüchen vnnd lehren häuffig geziehret [D 4a] sein: wieder der andern
Carminum gebrauch, da man sonderliche masse wegen der sententze halten
muß; damit nicht der gantze Cörper vnserer rede nur lauter augen zue
haben scheine, weil er auch der andern glieder nicht entberen kan. Jhren
inhalt betreffendt, saget Horatius:
_Musa dedit fidibus diuos, puerosque deorum
Et pugilem victorem, & equum certamine primum,
Et iuuenum curas, & libera vina referre._
Er wil so viel zue verstehen geben, das sie alles was in ein kurtz
getichte kan gebracht werden beschreiben können; buhlerey, täntze,
banckete, schöne Menscher, Gärte, Weinberge, lob der mässigkeit,
nichtigkeit des todes, &c. Sonderlich aber vermahnung zue der
fröligkeit: welchen inhalts ich meiner Oden eine, zue beschliessung
dieses Capitels, setzen wil:
~Ode.~
Ich empfinde fast ein grawen
Das ich, Plato, für vnd für
Bin gesessen vber dir;
Es ist zeit hienauß zue schawen,
Vnd sich bei den frischen quellen
In dem grünen zue ergehn,
Wo die schönen Blumen stehn,
Vnd die Fischer netze stellen.
Worzue dienet das studieren,
Als zue lauter vngemach?
Vnter dessen laufft die Bach
Vnsers lebens das wir führen,
Ehe wir es innen werden,
[D 4b] Auff jhr letztes ende hin;
Dann kömpt (ohne geist vnd sinn),
Dieses alles in die erden.
Hola, Junger, geh' vnd frage
Wo der beste trunck mag sein;
Nim den Krug, vnd fülle Wein.
Alles trawren leidt vnd klage,
Wie wir Menschen täglich haben
Eh' vns Clotho fortgerafft
Wil ich in den süssen safft
Den die traube giebt vergraben.
Kauffe gleichfals auch melonen,
Vnd vergiß des Zuckers nicht;
Schawe nur das nichts gebricht.
Jener mag der heller schonen,
Der bey seinem Gold vnd Schätzen
Tolle sich zue krencken pflegt
Vnd nicht satt zue bette legt;
Ich wil weil ich kan mich letzen.
Bitte meine guete Brüder
Auff die music vnd ein glaß
Nichts schickt, dünckt mich, nicht sich baß
Als guet tranck vnd guete Lieder.
Laß ich gleich nicht viel zue erben,
Ey so hab' ich edlen Wein;
Wil mit andern lustig sein,
Muß ich gleich alleine sterben.


[E 1a] Das VI. Capitel.
Von der zuebereitung vnd ziehr der worte.

NAch dem wir von den dingen gehandelt haben, folgen jetzund die worte;
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