Briefe von Goethe an Lavater aus den Jahren 1774 bis 1783 - 2

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die Löwen gehören in ihr Geschlecht, daß sich ieder ehrliche Hauskater
zutraut er könne und dürfe Löwen und Pardeln die Tazze reichen und sich
brüderlich mit ihnen herumsielen die doch ein vor allemal von Gott zu
einer andern Art Thiere gebildet sind. Adieu. Eh wir Zürich nahen hörst
du mehr von mir.
Bern d. 17. Okt. 79.
Grüs dein Weib und die kleine, es soll mich wundern ob und wie
wir uns verändert finden.


16.

Genf d. 28ten Okt. (1779)
L. Br. Deinen Brief hat mir Tobler gegeben, der mich nur in Gegenwart
Diodatis gesprochen hat, wo's ihm nicht so von der Brust will, und ich
bin auch nicht so in Gesellschaft mich aufzuknöpfen. Wir ziehen langsam,
bis jetzt noch mit schönem Glück und Vorteil, sind vorgestern in der
^Vallée du lac de Joux^ und auf der ^Dole^ gewesen beym schönsten Wetter
und Umständen. Heut warten wir das trübe in Genv ab.
Noch weis ich nicht wenn wir kommen, du sollst noch mehr von mir hören.
Ich halte sonst viel vom überraschen, diesmal ist das Herumziehen eh wir
uns sehn auch gut. Nicht allein vergnüglich sondern geseegnet uns beyden
soll unsre Zusammenkunft seyn. Für ein Paar Leute die Gott auf so
unterschiedne Art dienen sind wir vielleicht die einzigen, und denke wir
wollen mehr zusammen überlegen und ausmachen, als ein ganz ^Concilium^
mit seinen Pfaffen, Huren und Mauleseln. Eins werden wir aber doch wohl
thun daß wir einander unsere Partikular-Religionen ungehudelt lassen. Du
bist gut darinne aber ich bin manchmal hart und unhold, da bitt ich dich
im Voraus um Geduld. Denn z. E. da hat mir Tobler deine Offenb. Joh.
gegeben, an der ist mir nun nichts noch als deine Handschrift, darüber
hab ich sie auch zu lesen angefangen.[3] Es hilft aber nicht, ich kann
das göttliche nirgends und das poetische nur hie und da finden, das
Ganze ist mir fatal, mir ists als röch ich überall einen Menschen durch
der gar keinen Geruch von dem gehabt hat der da ist A und O. Siehst du
l. Br. wenn nun deine Vorerinnerung grade das Gegentheil besagt und
unterm 24 September 1779!! da werden wir wohl thun, wenn wir irgend ein
sittsam Wort zusammen sprechen, ich bin ein sehr irdischer Mensch, mir
ist das Gleichniß vom ungerechten Haushalter, vom verlohrnen Sohn, vom
Säemann, von der Perle, vom Groschen &c. &c. göttlicher (:wenn ie was
göttlich's da seyn soll:) als die sieben Botschafter, Leuchter, Hörner,
Siegel, Sterne und Wehe. Ich denke auch aus der Wahrheit zu seyn, aber
aus der Wahrheit der fünf Sinne und Gott habe Geduld mit mir wie bisher.
Gegen deine Messiade hab ich nichts, sie liest sich gut, wenn man einmal
das Buch mag, und was in der Apokalypse enthalten ist, drückt sich durch
deinen Mund rein und gut in die Seele, wie mich dünkt. Das willst du da,
wozu denn aber die ewigen Trümpfe, mit denen man nicht sticht und kein
Spiel gewinnt, weil sie kein Mensch gelten läßt. Du siehst, Bruder, ich
bin immer der alte, dir wieder von eben der Seite wie vormals zur Last.
Auch bin ich in Versuchung gewesen das Blatt wieder zu zerreissen. Doch
da wir uns doch sehn werden so mag es gehn.
[Fußnote 3: In diesem Briefe spricht Goethe -- was zu Verhüthung von
Mißverständnissen nicht unbemerkt gelassen werden darf -- von der
_homiletischen_ Bearbeitung der _Offenbarung Jesu an Johannes_, welche
Lavater bald nach seinem Antritte des Diakonates zu St. Peter in Zürich
(1778) für seine wöchentlichen Abendpredigten zu erklären anfing. Um
eben diese Zeit aber bearbeitete L. in der Vollkraft seines Geistes und
folgend dem Triebe seiner rastlosen, man möchte beynahe sagen,
übermenschlichen Thätigkeit dasselbe Buch auch poetisch in einem
Gedichte, welches im Jahr 1780, unter dem Titel: _Jesus Messias_ oder
_die Zukunft des Herrn_, in vier und zwanzig Gesängen, in _Zürich_ ans
Licht trat. Siehe _Lavaters_ Lebensbeschr. von seinem Tochtermann G.
Geßner, Bd. II. S. 222. u. ff. Auf dieses _poetische Werk_ beziehn sich
die, mit den vorliegenden gar sehr contrastirenden, Aeußerungen Goethes
im 17, 20. u. 21ten Briefe.
A. d. H.]
Vom Herzog sag ich dir nichts voraus, noch haben ihn die gescheutsten
Leute falsch beurtheilt. Du sollst ihm das Haupt salben wie mit
köstlichem Balsam und ich will mich mit dir im stillen über ihn freuen;
denn weil Gott außer der Sonne und dem Mond und den ewigen Sternen, lass
ich neuerdings niemand zu Zeugen des was mich freut oder ängstet.
Du bist ein bescheidener Mensch daß du nur eine Ahndung von meinem Biß
auf das neue ^Systema naturae^ in deinen Gliedern gespürt hast. Sey nur
ruhig, alter Paradiesvogel, man darf dich wohl mit anderm rarem Vieh für
gleiches Geld sehen lassen.
Dein Strumpfwürker ist von Frankfurt aus besorgt und wird sein Geld
haben. Nun leb wohl. Es ist spät verzeih mir mein Wesen, und sieh an dem
Brief wie wohl mir's ist dir nahe zu seyn, und nach der ganzen Schweiz
noch den reinen Eindruck von dir mit fortzunehmen.
Grüs dein Weib, sey hübsch fleisig, vor 14 Tagen kommen wir noch nicht.
Du hörst indeß wieder von mir. Ich liebe dich wie ich lieben kann.
d. 29. früh.
^NB^. In Lausanne habe ich die gar liebliche Br. zwey mal gesehn, und
über sie den Bruder vernachlässigt und den ^Dubois^ vergessen. Sie war
so artig mir wenigstens glauben zu machen, daß ich sie interessire, und
ihr mein Wesen gefalle, und das glaubt man diesen Sirenen gerne. Mir ist
herzlich lieb daß ich nicht an Matthäis Platz bin denn es ist ein
verfluchter Posten das ganze Jahr ^par devoir^ wie Butter an der Sonne
zu stehn.
Grüs mir herzlich die Sch. und Pfenninger und Kaysern. Was von Fueslin
bey dir ist zu sehn verlangt mich sehnlich. Adieu. Schreib mir doch ein
Wörtchen auf Luzern früh oder spat find ich's da.


17.

Genf den 2. Nvbr. 1779.
Eh ich von hier weggehe noch einige Worte lieber Bruder eh wir uns
tiefer in die Gebirge verlieren in die wir unter Garantie des Herrn ^de
Saussure^ einen Versuch wagen, von hier aus gehts in die Savoiischen
Eisgebirge und ins Wallis.
Deine Offenbahrung hat mir viel Vergnügen gemacht. Ich habe sie recht
und vieles davon mehr als einmal gelesen. Schon da Tobler mir sagte du
habest darüber von Amtswegen gepredigt, gabs mir ein ganz neues
Interesse, denn ich konnte nun mehr begreifen, wie du mit diesem Buche
so lange beschäftigt, es ganz in dich hinüber empfunden hast und es in
einem so fremden ^Vehiculo^ ohne fremden, vielmehr eigentlich
heterogenen Zusaz wieder aus dir heraus quellen lassen konntest, denn
nach meiner Empfindung macht deine Ausmahlung keinen andern Eindruk als
die Original Skize macht, wenigstens einer Seele aus diesem Jahrhundert,
wo man die Ideen die du hineinlegst selbst von Kindheit an größtentheils
hinein zu legen pflegt. Die Arbeit selbst ist dir glücklich von statten
gangen, einige trefliche Züge der Auslegung und Erfindung sind drinne.
Ausgemahlt sind viele Stellen ganz treflich, besonders alle die der
innern Empfindung von Zärtlichkeit und Kraft, w. z. B. die Verheissung
des ewigen Lebens, das Weiden der Schaafe unter Palmen, das siegende
Gefühl der Engel, eh und indem sie die Schlacht anfangen. In einigen
Gestalten und Gleichnissen hast du dich auch gut gehalten, nur schwinden
deine Ungeheuer für mich zu schnell in allegorischen Dampf auf, doch ist
auch dies wenn ichs recht bedenke das klügste Theil das du ergreiffen
konntest. Es ist mir leid daß ich die zwölf folgenden Gesänge nicht
gleich habe. Bey dieser Gelegenheit lies ich mir den griechischen Text
wieder geben und sah auch ^Piscators^ Uebersezung an.
Nun noch ein herzlich Wort der Sehnsucht an dich, und der Hoffnung, sie
wird alle Tage stärker. Lass uns ia einander bleiben, einander mehr
werden, denn neue Freunde und Lieben mach ich mir nicht.
Mit Toblern weis ich nicht wies war. Er hat wohl Nähe und Vertrauen zu
mir. Aber leider fühl ich meine 30 Jahr und Weltwesen!! schon einige
Ferne von dem _werdenden_, sich entfaltenden, ich erkenns noch mit
Vergnügen, mein Geist ist ihm nah aber mein Herz ist fremd. Grose
Gedanken die dem Jüngling ganz fremd sind, füllen iezt meine Seele,
beschäftigen sie in einem neuen Reiche, und so komm ich nicht als nur
geborgt nieder ins Thal des Thaus und der Morgenbegattung lieblicher
Turteltauben. Er sagt dir vielleicht wies ihm mit mir war. Wohl ists uns
zusammen nicht worden.
Adieu guter. Meine Seele ist immer bey dir.
G.


18.

d. 14. Nov. 79.
Auf dem Gotthart bei den Capuzinern.
Eh wir absteigen dir einen guten Morgen l. Br.
Seit Genf haben wir das Thal Chamouny durchstrichen, sind von da ins
Wallis gefallen habens aufwärts ganz durchzogen und sind endlich über
die Furka hier angekommen. Mit dem preiswürdigsten Glücke durch die
erhabensten Gegenden. Nun l. Br. gehts nach dir zu. Den 19. od. 20. bin
ich bey dir, und so steht mir das liebste von der ganzen Reise noch vor.
Mache mir ein Bett zurechte daß ich allenfalls bey dir übernachte. Grüs
deine Frau und theile meine Freude.
G.


19.

Ich kann nicht weiter gehn ohne dir über eine Idee zu schreiben die mir
sehr am Herzen liegt. Du weißt wie wichtig in vielem Betracht diese
Reise dem Herzog gewesen ist, und wie gewiß eine neue Epoche seines und
unsers Lebens sich davon anfängt. Wenn wir nach Hause kommen, so lebt er
wieder in seinen Gärten und Gebüschen fort, dorthin an einen schönen
Plaz möcht ich ihm ein Monument dieser glücklich vollbrachten Reise
sezen, das ihm in guten Augenblicken eine fröhliche Erinnerung wäre. Es
sind auch Nebenabsichten dabey. Ueberall spielt man iezt mit Monumenten
und Urnen, deren leere Hälse und Bäuche ihm immer fatal gewesen sind. In
den kleinen Anlagen die er gemacht hat, steht noch gar nichts
dergleichen, dieses wär' das erste und wahrhafftig wahre, denn wir haben
unterwegs mancherley Anlaß gehabt, dem guten Glück einen Stein der
Dankbarkeit zu wiedmen, und das ^ex voto^ ist keine blose Phrase. Wir
haben bey uns einen Bildhauer, einen Mann von leichtem Begriff und
schneller Hand, der sich täglich durch das Studium der Natur und der
Antike bessert, dem es aber an Imagination fehlt, und der wenn man ihm
so was überläßt, wie andere seines gleichen in den neuen, leeren
^Decorations^ Gusto verfällt. Zu diesem Monument habe ich in meinem Kopf
allerley Gedanken und Bilder herum getrieben, und mir etwas, was ich
durch die Künstler die um mich sind, könnte zusammen posseln lassen
herbey gesucht, doch seh' ich zum Voraus, es wird eine Plakerei geben,
und am Ende doch was Schwaches und Halbes herauskommen. Immer, seitdem
mich der Gedanke beschäfftigt, habe ich gewünscht: du möchtest Füeßly
bereden können, daß er aus seinem ungeheuren Reichthum etwas zu diesem
guten Werke herüber gäbe! das ist der einzige Weeg, wenn alsdann unser
Bildhauer nicht ganz von Gott verlassen ist, daß wir etwas
auserordentliches und wills Gott vollkommenes kriegen können.
Mein erster Gedanke war so: Ich wollte dem Monument eine viereckigte
Form geben, etwas höher als breit, wie man in den alten Ueberbleibseln
dergleichen Steine mit einem eingekerbten Dach findet. Von drey Seiten
sollte iede eine einzelne bedeutende Figur, und die vierte eine
Innschrifft haben.
Zuförderst sollte das gute heilsame Glück stehen, durch das die
Schlachten gewonnen und die Schiffe regiert werden, günstigen Wind im
Naken, die launische Freundinn und Belohnerin kecker Unternehmungen mit
Steuerruder und Kranz; im Felde zur Rechten hatte ich mir den Genius,
den Antreiber, Wegmacher, Wegweiser, Fakelträger muthigen Schrittes
gedacht. In dem Felde zur Linken sollte ^Terminus^, der ruhige
Grenzbeschreiber, der bedächtige, mäsige Rathgeber stillstehend mit dem
Schlangenstabe einen Gränzstein bezeichnen -- Jener lebend rührig
vordringend, dieser ruhend sanft, in sich gekehrt, zwey Söhne einer
Mutter -- der ältere iener, der iüngere dieser. Das hinterste Feld hatte
die Innschrifft:
^FORTUNAE
DUCI REDUCI
NATISQUE
GENIO
ET
TERMINO
EX VOTO.^
Du siehst was ich für Ideen dadurch zusammenbinden wollte. Es sind keine
Geheimnisse noch tiefe Räthsel, aber sowohl auf dieser Reise als im
ganzen Leben sind wir diesen Gottheiten sehr zu Schuldnern geworden. Das
erstemal daß wir nach einer langen, nicht immer fröhlichen Zeit aus dem
Loche in die freye Welt kommen, zusammen den ersten bedeutenden Schritt
wagen, gleich mit dem schönsten Hauche des Glücks fortgetrieben zu
werden, in der späten Jahrszeit, alles mit günstiger Sonne und
Gestirnen. Den ganzen Weg den wir machen begleitet von einem guten
Geiste, der überall die Fackel vorträgt, hierhin ladet, dorthin treibt,
daß wenn ich zurücksehe wir, zu so manchem das unsere Reise ganz macht,
nicht durch unsere Wege und Wollen geleitet worden sind, und dann am
Ende, daß wir auch durch den schönen Glückssohn bedeutet wurden, wo wir
aufhören sollten, wo wir einen Gränzbogen beschreiben, und wieder
zurückkehren sollten, das wieder einen unglaublichen Einfluß auf unsere
Zurückgelassenen hat, und haben wird. Das alles zusammen giebt mir eine
Empfindung die ich nicht schöner zu ehren weis, als womit alle Zeiten
durch die Menschen Gott verehrt haben.
Im Beywesen und Verzierungen dacht' ich manches anzubringen was eine
Schweizerreise, deren bester Theil zu Fuß gemacht worden, bezeichnete.
Wanderstab mit Eisen beschlagen, und mit Gemshorn zum Knopf. Gott weiß
was weiter.
Meine Gedanken wollt ich einigen Künstlern mittheilen, sie hinüber,
herüber mit ihnen durchtreiben, und sehen ob ihnen einer vielleicht
einen bessern Körper gebe. Seitdem ich aber bey dir Fueßlis lezte Sachen
gesehen habe, kann ich dich nicht loslassen, du mußt versuchen ob du ihn
bewegen kannst eine Zeichnung dazu zu machen. Den Gedanken und Entzweck
weißt du, den sag ihm ganz rein und einfach, und da es ihm fatal seyn
muß, wenn ihm iemand was vorerfinden oder angeben will, so geb ich gern
meine Form des Ganzen, meine einzelnen Figuren, und die Innschrifft dazu
auf, wenn er sich des Dings annehmen will. Er wird gewiß die Idee
stärker, gröser, treffender und neuer ausdrücken. Du müßtest ihn bitten,
er mag nun bey meinem Vorschlag bleiben oder nicht, daß er eine
bestimmte Zeichnung von der Form des Ganzen mit den Masen gäbe; auch so
von den einzelnen Figuren, und sie auf eine Weise zeichnete daß sich
leicht ein Basrelief darnach arbeiten liese. Vielleicht sind ihm, der
alles mit Geist und Feuer durcheinander arbeitet, die einzeln stehenden
Figuren widrig, er bringe sie zusammen auf eins wenn er will, allenfalls
nehme er statt des Vierecks eine runde Form, doch das würde freilig
wieder bey der Ausführung in Stein mehrere Hindernisse geben. Noch muß
ich dir dabey sagen, daß wir einen auserordentlich schönen lichtgrauen
sanften Stein, der an den Marmor gränzt und keiner Witterung weicht, zu
dieser Arbeit haben. Du müßtest Fueßlien bitten, daß er selbst die Größe
vom ganzen Monument nach seinen Gedanken angäbe, daß man allenfalls, um
es etwas aus dem Auge zu rüken, auf einen Rasen gegen ein Felsstück
sezen könnte. Genug er denke sich das wie ers wolle so wird es gut sein,
und wir haben so viel und mancherley Stücke Steine vorräthig, daß wir
zum Zusammensezen des Ganzen nicht verlegen sein werden. Sieh, ob du
etwas über ihn vermagst, und ob du der frölichen Zeiten, die wir wieder
gelebt haben, immer gegenwärtiges Siegel dadurch auf unsere Wohnung
drucken kannst. Wenigstens hat er gewiß in seinem Leben manchen Strich
gemacht, der nicht so erkannt und ihm so gedankt worden ist, als wie das
so ich durch dich hoffe.
Welchen Preis er auch auf diese Arbeit sezen möge, ist völlig einerley.
Nun ist aber noch ein Hauptpunkt, nemlich die Geschwindigkeit. Ich
wünsche es diesen Winter fertig zu bringen, und auf das Frühjahr zum
ersten Willkomm mit den Blüthen und Blättern aufzustellen. Versuche
also, ich bitte dich, deine Wunderkräfte, um mir zu verschaffen was
nicht ein eitler Wunsch ist. Schaff daß er es macht, und schnell macht,
und kröne mir auch dieß Jahr und sein Glück mit diesem lezten Zeichen.
Nov. 1779.
Ob Fueßli später die gewünschte Zeichnung noch machte, ist mir
unbekannt, aber daß wenigstens im Frühjahr 1780 zu Lavaters großem
Leidwesen, auf wiederholte Bitten, noch keine Antwort darüber von F. da
war, ist gewiß.
Anm. d. H.


20.

Weimar den 7. Febr. 1780.
Ich muß dir von dem was bisher vorgefallen Nachricht geben. Angekommen
ist, ausser deinem letzten ^Transp.^ von dem du schreibst wo bei der
Corregge ist, alles ganz glüklich. Der Hamilton zulezt, und zugleich
dein Paquet mit der Abschrift der Offenbahrung. Ich muß sagen ie mehr
ich die ersten Capitel lese, ie mehr gefallen sie mir, auch finden sie
bei iedermann Beifall. Nicht so ist es mit der zweiten Hälfte des Buchs.
Ich glaube aber auch zu finden, worinn mich andere bestärken, daß die
andre Hälfte des Buchs bei weitem nicht den Werth wie die erste hat. Ihr
habt, wie ich höre, eure Stimmen über Herders Buch ^viritim^ gesammelt
und ihm zugeschikt. Ich habe sie noch nicht zu sehen gekriegt.
Deine Albrecht Dürers, Martin Schön und Lukas von Leiden, die du von
Toggenburg und von Heideggern hast, sind alle schon recht schön von
ihren alten Papieren los gelößt und warten nur darauf bis der lezte
^Transport^ deines eignen ankommt um wieder in recht schöner Ordnung
aufgetragen zu werden. Ich hoffe du sollst an dieser Sammlung, wenn sie
fertig ist ein Vergnügen haben. Ich werde dir ieden Meister besonders
halten und von denen wo ichs wissen kann den Werth der Blätter und
Abdrüke bestimmen. Bei der Albrecht Dürerischen Sammlung will ich so
viele Blätter als mir Stüke fehlen frei lassen und die Nummern drauf
schreiben, daß du sie wenn du sie künftighin überkommst nur einkleben
darfst. Von den Martin Schöns und Lukas von Leiden kenn ich keinen
kompletten Catalogus kann es also damit nicht eben so machen. Einige
Blätter, die dem Herzog in seiner Sammlung fehlen, werd ich dir
zurükbehalten, dafür wirst du aber die er doppelt besizt und die ich
sonst für dich auftreiben kann bei den deinigen mit eingeheftet finden.
Das getuschte Portrait von dir, das in der Offenbahrung lag hab' ich
sogleich als wenn dus vor mich hineingelegt hättest angenommen. Es ist
wenn man sich erst mit der Trokenheit und Bestimmtheit verglichen hat,
wie mich dünkt, ein sehr gutes Bild.
Ich bitte dich mir auf das baldeste ein kleines producibles
Avertissement zu schreiben deine französische Phisiognomik betreffend,
so wohl, welchen Weeg du einschlägst das Buch dem Publiko nüzlich zu
machen, als auch vorzüglich wie viel man dafür bezahlen soll und wenn
man das Buch erhalten wird, was ich dir alsdann auf diese bestimmte
Anzeige für Subscribenten verschaffen kann will ich gern thun, denn
gegenwärtig scheut sich iedermann, sich in ein Werk einzulassen das so
weit wie dein teutsches Werk führen und so theuer zu stehen kommen
könnte.
* * * * *
Wenn wir einander etwas zu Gefallen thun können wollen wir's thun und
andre ungeplagt lassen.
Semlers ganzen Brief an dich mögt ich sehen.
Ich habe vierzehn Tage eine Art von Catharfieber gehabt und muß noch
iezo mit meiner Arbeit ganz sachte zugehen. Vergiß doch ia nicht mir die
Lotte kopieren zu lassen. Schmieds Bibel wirst du haben.
Die Cenci und zwei Gluks warten auf einen Fuhrmann.
Grüse deine Frau und deine Kleinen, Bäben und Pfenningern. Schreib mir
manchmal was du machst daß wir beisammen bleiben.
G.
^NB.^
Einige meiner Freunde denen ich sagte du hättest dem Buche wollen
_Messiade Johannis_ zum Titel geben, haben ihn sehr schiklich gefunden,
sie sagen zwar auch mit mir dass der Seitenblik auf Klopstock einen
Augenblick anstose, es sey aber weil doch dieses Buch weit mehr als ein
anderes und in deiner Behandlung tausendmal mehr als Klopst. Gedicht den
Messias _vergöttre_, ein guter Gedanke dies Buch Messiade zu heissen,
und dadurch das Licht auf den Leuchter zu stecken. Thu was du meinst.
Ich habe oft für lauter Recht würklich unrecht.
G.


21.

Weimar den 6. Merz 1780.
Es ist nun lieber Bruder alles nach und nach angekommen und ich vermisse
nichts als den schönen Hieronymus des Herzogs von Füeslien gekauft. Hast
du ihn etwa aus dem Rahmen gethan und unter die andern Kupfer gelegt?
Unter deinen sind vier Abdrücke von diesem Stück, doch keiner der mir so
schön däucht als die Erinnerung von ienem. Deine lezten Albrecht Dürers
sind endlich auch angekommen, sind beim Buchbinder der sie los weicht
und es soll nicht lange mehr währen so sind sie in Ordnung, doch hätt'
ich geglaubt du wärst reicher als du nicht bist. Ich will dir deswegen
gleich ein Verzeichnis der fehlenden schiken damit du von deiner Seite,
wie ich von der meinigen arbeiten kannst, sie zusammen zu schaffen. Denn
ich verehre täglich mehr die mit Gold und Silber nicht zu bezahlende
Arbeit des Menschen, der, wenn man ihn recht im Innersten erkennen lernt
an Wahrheit Erhabenheit und selbst Grazie nur die ersten Italiener zu
seinesgleichen hat. Dieses wollen wir nicht laut sagen. Lukas von Leyden
ist auch ein allerliebster Künstler.
An dem Bild der Madonna in Egypten das du geschikt hast ist alles
vortreflich wo die Spur der ersten Hand noch sichtbar ist. Und wenn es
nicht so viel von Ausbesserern übermahlt wäre sollt es ein unschäzbar
Bild seyn. Laß mir doch lieber Bruder einen Riß von eurer Dörrmaschine
machen und einen kleinen Aufsaz darüber fertigen.
Für die Skize von Füesly dank ich dir recht herzlich.
Heideggern magst du im Namen des Herzogs danken. Was soll des Menschen
Zuthulichkeit? Ich glaube es ist das gescheutste man läßt ihm einmal ein
paar hübsche Landschaften von Krause ausführen und schickt's ihm
dagegen.
Ich habe selbst eine schöne Sammlung von geistigen Handrissen, besonders
in Landschaften, auf meiner Rükreise zusammengebracht, passe doch ein
wenig auf, dir geht ia so viel durch die Hände, wenn du so ein Blat
findest, woraus die erste schnellste unmittelbarste Aeusserung des
Künstlergeistes gedrukt ist, so laß es ia nicht entwischen wenn du's um
leidliches Geld haben kannst. Mir macht's ein besonders Vergnügen. Deine
Offenbahrung findet überall vielen, und den rechten Beifall, wegen des
übrigen sei unbesorgt; dein Buch muß sein und bleiben was es ist. Meine
Grillen gehören nicht hierher, denn wenn mir auffällt daß durch den Text
so wohl als durch deine Arbeit die rasche Gesinnung Petri worüber
Malchus ein Ohr verlohr durchgehet, so hat das bei tausend und tausenden
nichts zu bedeuten. Ich will auch nicht behaupten daß mein Gefühl das
reinste ist, ich kann mich aber nicht überwinden den Inhalt des Buchs
für evangelisch zu halten. Jezt da es andre lesen und mir sagen wie es
ihnen vorkommt, seh ich erst recht die trefliche Art wie du es behandelt
hast und dein poetisches Verdienst bei der Sache ein. Schreib mir doch
wer der Rammont in Colmar ist der an Petern noch was zu fordern hat. Ich
habe endlich das Geld gekriegt und auf der Frankfurter Messe wird unser
Banquier auch die Schuld an Salis berichtigen, obgleich das was er von
Thomas Feurern zu fordern hat, das nicht ich sonder Lindaus Erben zu
bezahlen haben, zurückbleibt.
Halte künftighin meine Briefe hübsch in Ordnung und laß sie lieber
heften wie ich mit den Deinigen auch thun werde, denn die Zeit vergeht,
und das wenige was uns übrig bleibt wollen wir durch Ordnung
Bestimmtheit und Gewißheit in sich selbst vermehren. Daß du so geplagt
bist mit kleinen Geschäften ist nun einmal Schicksal. In der Jugend
traut man sich zu daß man den Menschen Palläste bauen könne, und wenn's
um und an kömmt so hat man alle Hände voll zu thun um ihren Mist
beiseite bringen zu können. Es gehört immer viel Resignation zu diesem
ekeln Geschäft, indessen muß es auch sein.
Steiner ist nicht zu uns gekommen, sondern wie ich höre in Dresden. Ich
habe die zwei Carolin an Herdern bezahlt der sie ihm übermachen wird.
Grüse Bäben, ich schreib und schike ihr bald. Grüse Frau und Kinder, und
was Kayser dir giebt schicke mir bald.
Adieu
G.
Dein Br. vom 26. kommt noch vor Abgang dieses. Verdirb nichts an der
Apokalypse. Werke des Gedankens feilt und säubert man nie genug, aber
_so was_ verliert wenn du das weg nimmst was Auswuchs scheinen könnte.
Ich müßte zu weitläufig werden um etwas bestimmtes zu sagen, ich weis es
ia du verstehst mich. Es thut dein Werk den Menschen wohl und zeugt von
dir.
Daß du mit meinem Inri nichts gemeines hast versteht sich, ich dachte
nicht daß dus lesen würdest. Es sind so viel Stufen, Gruppen, Treppen
und Thürgen von deiner Giebelspize bis zu so einem Hauswinkelgen, die du
Gott sey Dank nie auch nur aus Neugierde heruntergehen kannst.
Adieu! Adieu!
Der Herzog hat sich die Haare abschneiden lassen, es ist eine ganz neue
Dekoration, ich will dir zum Spas die Silhouette schicken.
Des armen schlesischen Schaafs erbarme sich Gott und des Lügenpropheten
der Teufel.
G.


22.

Deine Briefe und Beylagen habe ich erhalten. Hier schicke ich dir einige
neue treffliche Bogen von Hamann. Ich weiß nicht ob dich die Sache
interessirt; auf alle Fälle wirds viel Vergnügen machen.
Deine Albrechts sind nunmehr schön geordnet, Bertuch hat sie aufgetragen
und numerirt. Auf der Leipziger Messe hat dir der Herzog noch einige
Kupfer von deinen fehlenden gekauft, worunter Marienbilder sind die dir
fast ganz abgehen.
Suche du übrigens durch das Treiben Jehu so viel du kannst von dieser
Sammlung zusammen zu bringen; wenn du sie auch schon hättest, so
schadets nichts, es ist vielleicht ein besserer Abdruck, und auf alle
Fälle kann man sie vertauschen. Denn das versichere ich dir, ie mehr man
sich damit abgiebt, und beym Handel auf Kopie und Original acht geben
muß, desto größere Ehrfurcht kriegt man für diesem Künstler. Er hat
nicht seines Gleichen.
Das Manuskript das beiliegt sind einzelne flüchtige Bemerkungen des
Statthalters von Dalberg. Schreib doch wenn du Muse hast, deine Gedanken
auf den Rand, und schick mirs wieder zurück. Ermuntere ihn und gieb ihm
einige Wincke, wo du es nöthig glaubst -- er ist sehr für die
Phisiognomick passionirt, kommt viel in der Welt herum, und kann, wie
mirs vorkommt, auch von seiner Seite dir einigermaßen nüzlich seyn. Er
wird das was er bey seinem Umgang mit der Welt zu bemerken glaubt, nach
und nach aufzeichnen.
Wenn ich an deiner Statt die lateinische Oration halten müßte, ich gäbe
mir nicht die Mühe die du dir giebst; ich machte den Entwurf dazu, lies
mir sie machen, und läs sie ab -- und hielts gar nicht geheim, denn am
Ende ists doch nur ein Talent, und ich sehe nicht ein wie man von mir
prätendiren könnte bey einer Feierlichkeit die pedantische Prätension
auszuhängen, und auf einem Instrument ^Solo^ zu spielen, das ich in
zwölf Jahren nicht in die Hand genommen hätte.
Von dem Herzog schick mir Abdrücke so viel du willst, das Kupfer ist nun
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