🕥 32-minute read

Briefe an Ludwig Tieck (4/4) - 06

Total number of words is 4138
Total number of unique words is 1592
38.8 of words are in the 2000 most common words
50.3 of words are in the 5000 most common words
57.1 of words are in the 8000 most common words
Each bar represents the percentage of words per 1000 most common words.
  Alles ekelt mir darin an.
  Die Frau und Clärchen grüßen alle -- und wenn Gott will hoffen wir
  gewiß Euch künftigen Sommer in Dresden zu sehen.
   Dein
   _Steffens_.
  
  XV.
   _Berlin_, d. 6t. Octbr. 27.
   _Lieber Tieck!_
  Nachdem ich Dir solange nicht geschrieben habe, nehme ich die
  Gelegenheit wahr, indem ich Dir einen jungen Mann empfehle, dessen
  Bekanntschaft Dir ohne allen Zweifel sehr angenehm seyn wird. Es ist
  Hr. Ampère aus Paris, der eine sehr genaue Bekanntschaft unserer ganzen
  Literatur besizt, und sich ihr mit großer Neigung, ja mit Leidenschaft
  widmet. Er wird, wie ich denke, Dir schon bekannt seyn.
  Ueber dasjenige, was uns -- hoffentlich doch nur scheinbar -- in der
  letzten Zeit getrennt hat -- schreibe ich Dir jetzt nicht. Daß eine
  solche Aeußerung die erste war, die von Deiner Seite über mich laut
  ward, mir nicht angenehm seyn konnte, doch, besonders was meine Ansicht
  der Religion betrifft, ein seltsames, mir völlig unbegreifliches
  Mißverständniß von Deiner Seite stattfand, und daß, besonders in
  Breslau, Dummheit und moderne Verfolgungssucht, als Deine Kritik
  erschien, triumphirend über mich herfiel -- ist leider nur zu gewiß.
  Indessen gehören Dinge der Art, wie man sie auch betrachten mag
  -- zu den vorübergehenden Erscheinungen des Lebens und dürfen das
  Unveränderliche, was allein einen Werth hat, Freundschaft und Vertrauen
  nicht berühren. Daß ich Tadel verdiente, weiß ich sehr wohl -- Genug
  davon.
  Ich behalte Dich und die Deinigen unveränderlich lieb, wenn ich auch,
  wenn diese Seite berührt wird, manchmahl, nach meiner, eben nicht
  lobenswerthen Art, in einer Art von Wuth gerathe und das albernste Zeug
  mit bewunderungswürdiger Beredsamkeit schwazte.
  Grüß alle -- vor Allem Dorothea, die sich meiner so freundlich erinnert
  hat.
   Dein
   _Steffens_.
  
  XVI.
   _Berlin_, d. 10t. Apr. 1833.
   _Lieber Tieck!_
  Ich grüße Dich durch den Ueberbringer dieses Briefs, den Herrn Cand.
  Kreis aus Strasburg, der erste bedeutende Zuhörer, der sich hier innig
  an mich anschloß. Ich trenne mich mit Schmerzen von ihm und er wird,
  ich darf es mit Zuversicht erwarten, auch Dir lieb werden.
  Es war meine Absicht in diesen Osterferien nach Dresden mit Frau und
  Kind zu reisen. Aber leider muß ich es jetzt bis Pfingsten aussetzen.
  Dann aber komme ich gewiß, wenn gleich nur auf wenige Tage -- vor Allem
  freue ich mich dann Dich, lieber alter Freund zu sehen. -- Du glaubst
  -- ich wäre Dir feindlich gesinnt -- glaube es nicht. -- Ich habe mich
  nie von einem Freund getrennt, der es einmahl im wahren Sinne war. Ich
  kann es nicht, wenn ich auch wollte und die Mißverständnisse, die mir
  bis jetzt noch unbegreiflich, uns getrennt haben, werden, ich weiß es
  gewiß, verschwinden, wenn wir uns sehen. Grüß Gräfin Henriette, Deine
  Frau und Töchter. Ich hoffte immer, wenn auch nicht Euch alle, was
  freilich das Schönste wäre, so doch Dorothea hier zu sehen.
   Dein
   _Steffens_.
  
  XVII.
   _Berlin_, den 3. Julii 33.
   _Lieber Tieck!_
  Auf Deinen freundlichen Brief, der mir viele Freude gemacht hat, muß
  ich Dich doch, wenn auch nur mit einige Zeilen antworten. Das Fest
  war mir höchst angenehm und ich habe mir allerdings aus Gründen,
  die Du gewiß nicht verkennen wirst, angebothen Deine Gesundheit
  auszubringen. Da die Versammlung sehr zahlreich und ausgezeichnet war
  und eine größere Anzahl durch den beschränkten Raum ausgeschlossen,
  sich gemeldet hatte, so hast Du hier in Deiner Geburtsstadt eine laut
  ausgesprochene Anerkennung erhalten, die Dir nicht unangenehm seyn kann
  und da es darauf ankam _diese_ zu veranlassen; so kann es Dir
  gleichgültig seyn, wenn _wir_ uns ein wenig prostituirten.
  Du wünscht den Inhalt meiner kleinen Rede zu erfahren. Was ich
  _wollte_ war folgendes: Ich wünschte auf den großen und
  ausgebreiteten Wirkungskreis eines bedeutenden Dichterlebens aufmerksam
  zu machen. So wollte ich die Belebung der Mährchenwelt erwähnen, und
  wie, aus einen wahren Naturgrund, durch diese, die Mythenwelt in einem
  jeden Gemüth wieder hervorrücke, nicht blos als ein abgetrocknetes
  Exemplar der geschichtsforschenden Herbarien, vielmehr lebendig und
  productiv, wie sie die hohle Lüge der Erziehung, wenn auch nicht ganz
  überwand, doch verdrängte -- wie sie die alte Mythenwelt verständlich
  machte, der Geschichte der deutschen Poesie Bedeutung gab, einen neuen
  Zweig der Gelehrsamkeit, kaum dürftig angefangen, in allen Richtungen
  belebte und ausbreitete, in die Forschungen der frühern Geschichte
  der Deutschen eingriff und so, was durch Dich angeregt war, eine
  ausgedehnte geschichtliche Bedeutung gab. Die Menge der Schauspieler
  und Schauspielerinnen, die zugegen waren, was mir freilich in einer
  Rücksicht erfreulich war, verhinderte mich auf eine entschiedene Weise
  zu erwähnen, wie Dein Lehnsessel das einzige übriggebliebene Theater
  in Deutschland wäre, welches bereichert durch Goethe -- Calderon --
  Shakspeare -- Holberg -- an die schöne verschwundene Zeit erinnerte.
  Ich nannte ihm aber nur Deine Kritik und Deinen Shakspeare und nun
  noch Manches -- Wie Deine Novellen, was uns ängstigt und quält und in
  Verzerrungen mancherley Art krankhaft ausartet in der heitern Mitte
  der Dichtung ausgleichen wie Dein Prosa -- aus dem Metrum erzeugt --
  den klaren Rythmus durchscheinen läßt, der reine Erguß, das „~apte
  dicere~“ das einfachste und klarste, als das höchste festhält und
  alle Manier verbannend, wohl erzeugend wirkt auf jeden Empfänglichen,
  aber nie nachgeahmt werden kann, wie Deine Person, mächtig, wie Deine
  Schriften, durch die Gastfreiheit und den freundlichen Zutritt, die
  Du der Jugend verstattest, in weiten Kreisen thätig war, wie keiner
  in Deiner Nähe traht, der nicht durch Dich erregt, befruchtet, Dich
  wieder verließ, wie viele Deiner Ideen, wissentlich und ohne Wissen,
  gut oder schlecht, immer merkwürdig und reich, wenn auch nie das was
  gewesen wären, wenn Du sie ausgesprochen hättest -- seit so vielen
  Jahren, in so vielen Schriften -- in weiten Kreisen ausgebreitet sind,
  und selbst in den geselligen eingedrungen auf den Ton der geistigen
  Unterhaltung einen bedeutenden Einfluß gehabt haben. Ich habe dieses
  Alles gesagt -- und mehr -- aber meine Rede taugte nicht. Ich muß
  freilich frey sprechen, wenn ich erträglich sprechen soll. -- Aber der
  Gegenstand muß mich ganz durchdringen -- in bestimmten Umrissen, in
  sicherer Gestaltung mir vorschweben. So aber war Allerlei vorangegangen
  -- Du hast das Zeug von den eingesalzenen Heering gelesen -- denn es
  ist gedruckt und als nun die Bühnenhelden und Grazien diesseits und
  jenseits der Spree die Romanze und ihre hingehauchte Begleitung mit
  plumpen Zungen zertrampelten, trat ich völlig zerstreut auf -- und
  sagte zwar Alles, aber nicht so, daß das früher Gedachte ein neues
  Leben erhielt, wie ich es sonst wohl vermag, vielmehr mit großer
  Anstrengung, als eine dunkle Erinnerung. --[6]
  Nur noch dieses. Was ich jetzt that würde ich, zu jeder _frühern_
  Zeit grade _so_ und unter günstigern Umständen, _viel besser_
  gethan haben. Ich bin -- was man so nennt -- _böse_ gewesen --
  weil ich unzufrieden war, weil Du mich _entschieden_ mißverstanden
  hast und weil Dein _erstes_ öffentliches Wort über mich -- eben
  dieses Mißverstandene laut werden ließ und die ganze Heerde der
  Gemeinheit nun sich mit Dir verbunden glaubte. -- Ich sprach das, wie
  ich pflege, heftig und wenn Du willst, übertrieben aus. -- Aber nicht
  bloß solche Sachen, die für heute und morgen sind, gelten mir nichts,
  auch was man Literatur nennt, und wir leider wohl auch so nennen müssen
  -- gilt mir in Innersten nichts -- wo die Geschichte, der Geist, die
  unsterbliche Persönlichkeit allein das Recht haben zu reden. Hast Du,
  weil ich einmahl die Sprache einer Gemeinde führte, ein andermal ein
  Confession schrieb, weil mir die Religion -- eben _Religion_ ist
  -- _alles_ -- oder _nichts_, geglaubt daß diese nach allen
  Richtungen reinigende, keine ausschließende Persönlichkeit in mir nach
  einer dummen Ecke hingeschleppt sey, und da so zusammengepreßt, daß ihr
  der Geist aus der Brust entschlüpfte -- so kann ich das nur bedauern,
  aber es kann nichts ändern in meiner Ansicht von Deiner Person, denn
  eben, daß ich das Unveränderliche in Dir erkannte hat mich an Dich
  gefesselt.
  Es ist glaube ich gut -- daß dieses ausgesprochen ist -- ehe wir uns
  sehen. Es hat mich innig gerührt, daß Du den scheinbaren Zwiespalt so
  ernsthaft genommen hast -- Dein Zorn war doch Liebe und ich muß Dir
  doch wichtiger seyn, als Deine öffentliche Aeußerungen errathen lassen.
  -- Verständigen werden wir uns gewiß und mit Gottes Hülfe sehen wir uns
  im Herbst.
  Grüß Deine Frau, Dorothea und Agnes und die Gräfin Henriette von mir
  und meine Frau und Tochter.
   Dein treuer
   _Steffens_.
  
  XVIII.
   _Berlin_, d. 16. Octbr. 33.
  Es ist grob, lieber T.! daß ich einen ganzen Monath in Deinem
  Hause zugebracht, dort so vieles Gute genossen, eine mir auf immer
  unvergeßliche Zeit, die ich tagtäglich rühmend und preisend gegen alle
  Welt hervorhebe und in der ich noch lebe und schwelge -- und noch
  keinen Brief schrieb, was ich Allen sage, dem nicht mittheile, der es
  zuerst erfahren sollte.
  Und doch scheint es mir fast natürlich -- Denn in diesen vierzehn Tagen
  war ich noch immer in Dresden, vermochte es nicht mich hier heimisch zu
  fühlen -- und betrachtete mich fortdauernd als Deinen Gast.
  Jetzt zerren Senats- und Facultätssitzung, Rectorats-Wechsel und
  Mahnbriefe von Max so mächtig an mich, daß wohl inne werden muß, wie
  ich wirklich in Berlin lebe. Am ärgsten ist das Harren auf Zuhörer, die
  sich freilich noch nicht melden können, das unangenehme Gefühl -- es
  quälte mich immer -- seine innerste Lage alle Halbejahr von Neuem in
  Frage gestellt zu sehen.
  So bin ich nun wirklich zu Hause gekommen, habe in der That aufgehört
  Dein Gast zu seyn und eile Dir zu sagen, wie lieb und theuer die Zeit
  mir war, die ich nach so langer Zeit in Deiner Nähe zubrachte. -- Es
  ist Dir, lieber Fr.! gelungen, in einer Stadt, die am wenigsten dazu
  geeignet schien, einen Kreis zu bilden, der lebendiger, umfassender,
  wie er seyn soll, beweglicher, als irgend ein anderer ist. Hier ist
  nichts dergleichen. Das stille Gespräch in Deiner einsamen Stube, ist
  ein wirksames Privatissimum und gewiß lehrreicher, als die Kette der
  Vorträge. Es ist nicht die Religion allein, die jene gefährliche,
  ausschließende Richtung erzeugt, die wir gemeinschaftlich bekämpfen.
  -- Hier in Berlin sehe ich es nur zu deutlich, wie eine jede
  Wissenschaft einen fanatischen Kern trägt, einen Wurm, der sie selbst
  verzehrt, indem sie die wahre Wissenschaft, die alle versteht und ehrt
  und fördert, ausschließt. Eine wirklich geistreiche Geselligkeit --
  man scheut sich selbst diese Benennung der höchsten irdischen Güter
  zu brauchen -- so abgenuzt ist auch sie -- würde mehr als Alles die
  engherzige, geistlose, vereinzelnde Einseitigkeit, die neben der leeren
  Universalität einherschreitet, verdrängen. -- Ich habe Dieses recht
  lebhaft in Deinem Hause gefühlt, wo ich doch einmahl, wie in heiterer
  Luft, recht frisch aufathmen konnte.
  Wird Deine Novelle bald fertig -- des Dichters Sterben meine ich -- Ich
  sehne mich unbeschreiblich nach diesem Genuß -- Sie verspricht so viel,
  sie ist so durchaus im tiefsten Sinne wahr.
  Ich bitte Dich mir Alle Deine Hausgenossen recht herzlich zu grüßen
  -- die Comtesse Henriette, die mich so freundlich aufnahm und deren
  Gesellschaft und stille, verständige Theilnahme, wir recht schmerzlich
  in den letzten Tagen vermißen, -- Deine Frau -- Dorothea -- Agnes
  (Heinrich biethet ihr den brüderlichen Kuß). --
  Ich kann Dir nicht sagen, wie die Erinnerung an mein Leben in Dresden,
  mein Zusammenseyn mit Dir, die kleinen vom Wetter begünstigten Touren,
  mich in der Erinnerung erfrischen.
  Baudissin ist mir vorzüglich lieb geworden. Ich bitte ihn recht
  herzlich zu grüßen -- dann den braven, lieben Dahl. --
   Dein
   treuer
   _Steffens_.
  Es würde mich sehr glücklich machen, wenn ich Dorothea als Gast
  empfangen könnte; aber ich sehe wohl ein, daß es eine Geburth der
  überspannten Phantasie ist, die nicht in die wirkliche Welt paßt. Noch
  mehr ich kann die Hoffnung nicht aufgeben, _Dich_ hier zu sehen.
  Alle Welt spricht davon, die Zeitungen haben es angekündigt. Ich dächte
  Du kämest. Herrlich wäre es, obgleich ich wohl einsehe, daß ich Aermster
  wenig davon haben würde.
  
  XIX.
   _Berlin_, d. 11t. Octbr. 36
   _Lieber Tieck!_
  Meine Frau hat ohne Zweifel alles abgehandelt, was der Gegenstand eines
  Briefes seyn kann, so daß mir nichts übrig bleibt, als Euch Allen für
  die freundliche Aufnahme und für die schönen Tage zu danken, die wir
  unter Euch verlebten. Sie waren uns doppelt angenehm, da wir so Manches
  anders und besser fanden, als wir erwarten dürften. -- Die Gräfin und
  Dich nach so großen Gefahren wohl und gesund, ja beide so angenehm
  heiter, wie das herrliche Wetter und die schöne Gegend.
  Die arme Malchen quält sich leider; aber wir hoffen, daß Sie jetzt
  erleichtert ist und sich, wenn diese Zeilen ankommen, wohl sogar erholt
  hat von der Operation.
  Unsere Reise war recht schön. -- Hier habe ich den Reichthum der
  Kunstausstellung und einiges Vortreffliche bewundert. -- Deine Büste
  hier ist ohne allen Vergleich besser als die von David, und Alle
  erkennen sie als ein Meisterstück Deines Bruders. Das ist aber nicht
  der Fall mit dem Gemählde, es scheint uns mislungen und ich wüßte
  nichts zu loben, als v. Sternbergs Aehnlichkeit. Zwar scheinen alle mehr
  oder weniger ähnlich, aber nicht auf eine angenehme Weise. -- Wäre
  doch das große Bild hier. Gewiß es würde Bewunderer haben.
  Grüß Alle.
   Dein treuer
   _Steffens_.
  
  XX.
   _Berlin_, d. 11. Decbr. 36.
   _Lieber Tieck!_
  Abermals wage ich es, Dir einen Landsmann zu empfehlen. -- Diesesmal
  ein recht tüchtiger junger Mann, Hr. Bügge, Rector der gelehrten Schule
  in Trondhjem (Drontheim), der in seinem Vaterlande in großem Ansehen
  lebt und auch hier sehr geschäzt wird. Die norwegische Regierung hat
  ihm hierher und überhaupt nach Deutschland gesandt, damit er sich mit
  der Einrichtung der Schulen bekannt mache und es ist kein Zweifel, daß
  er in Norwegen die Einrichtung der gelehrten Schulen leiten wird. Es
  ist ein gescheuter und recht hellsehender Mann und seine Bekanntschaft
  wird Dir, wie ich glaube, lieb seyn.
  Mit Dir, wie ich höre, geht es gut, obgleich Du noch immer einige
  Unbequemlichkeiten als Folgen Deines Sturzes empfindest und Deine arme
  Frau hat sich nun in ihrem Zustande ergeben. Herzlich grüße ich Euch,
  Ihr Lieben Alle.
   Dein
   _Steffens_.
  
  
   =Stieglitz, Heinrich.=
   Geb. 1803 zu Arolsen im Waldeckschen, gestorben am 24. Aug. 1849 zu
   Venedig.
   Bilder des Orients, 4 Bde. (1831-33.) -- Stimmen der Zeit in
   Liedern (1834.) -- das Dionysosfest, Tragödie (1836.) -- Montenegro
   und die Montenegriner, Reiseskizzen (1841.) -- Istrien und
   Dalmatien (1845.) -- Erinnerungen aus Rom (1848.) -- Eine kleine
   von Venedig in die bewegte Welt geschleuderte Schrift, worin der
   deutsche Dichter sein Vaterland verleugnet, und sich als rother
   italienischer Republikaner ausruft, möchten wir gern vergessen; ihr
   folgte bald sein räthselhafter Tod.
   Wer hätte geahnet, als Heinrich und Charlotte Stieglitz am
   Schiffsbauerdamm in Berlin, ein hübsches junges Paar, hauseten; als
   Marmier (auf längere Zeit in Berlin anwesend) sie und ihre Wohnung
   mit zwei Turteltauben auf zierlichem Nest verglich, und sie als
   beneidenswerthe Gatten, ihre Ehe als ein seltenes hochpoetisches
   Glück pries, wovon er den Parisern Wunderdinge zu erzählen
   denke!.... Wer hätte geahnet, daß Beide _so_ enden würden?
  
  I.
   _Berlin_, 13. Mai 29.
   (Schloßfreiheit No. 1.)
  Es mag Ihnen seltsam erscheinen, hochgeehrtester Herr Hofrath,
  beim Rückblick auf ein halbes Jahrhundert des lebendigsten und
  mächtigsten Wirkens, mit einem Male von drei zum Theil nur durch
  frühe unzulängliche Versuche, zum Theil noch gar nicht bekannten
  jungen Männern, sich aufgefodert zu sehen zur Theilnahme an einer
  literarischen Unternehmung. So oft ich aber auch mich gefragt habe,
  ob ich wohl wagen dürfe Ew. Wohlgeboren im eignen und der Freunde
  Namen anzugehn um einen Beitrag zu unserem für 1830 unternommenen
  Musen-Almanach, so war immer die innere Antwort, daß ich mir es doch
  nimmermehr verzeihen könnte, die Anfrage unterlassen zu haben; und
  ich fühle, selbst ein gescheiterter Versuch würde künftig weniger
  schmerzen als das Unterlassen, wobei doch stets der innre Vorwurf des
  „Vielleicht?“ geblieben wäre.
  Zu wohl weiß ich, daß auf Sie, den unbestechlichen Richter, den im
  vertrautesten Umgange mit dem höchsten Genius lebenden Dichter, Namen
  nicht als Ueberredungsmittel wirken; sonst könnte ich Ihnen die der
  geehrtesten hier lebenden ältern Dichter nennen, deren jeder einen
  Beitrag zu unsrer Unternehmung gegeben. Daß es aber nicht äußere
  Bedürftigkeit ist -- denn nicht an Masse fehlt es uns -- sondern ein
  unabweisbarer innerer Drang, der mich zu Ihnen führte, und daß ich
  versprechen darf, spätestens nach neun bis zehn Monaten den ersten
  Theil eines größeren Werkes, woran ich seit nunmehr fünf Jahren mit
  ganzer Hingebung und Freudigkeit arbeite, in Ihre Hände zu legen, das
  erhöhet meine Zuversicht, wozu dann auch das freudige Bewußtseyn von
  der Tüchtigkeit in Kraft und Streben der beiden schon seit längerer
  Zeit mir innig befreundeten und zum gegenwärtigen Zweck mit mir
  verbundnen jungen Männer, Moritz Veit und Carl Werder, ermuthigend
  hinzutritt.
  Und so will ich denn mit Ueberwindung aller Besorgniß, nur den einen
  Gesichtspunkt im Auge, daß ein so hoch geehrter Name uns nicht fehlen
  möchte, mit der inständigen Bitte mich an Sie wenden, hochgeehrtester
  Herr Hofrath, uns nicht ungern Ihren Beitrag gewähren zu wollen;
  jedes, auch das kleinste Gedicht, ein Klang, ein Epigramm, von Ihnen
  ausgehend, ist willkommen als ein schöner Schmuck des Ganzen.
  Und so scheide ich denn in der frohen Hoffnung nicht vergebens mich an
  Ew. Wohlgeboren gewendet zu haben, und mit der Bitte, einer geneigten
  Antwort wo möglich bis zum Ende des Junius entgegen sehn zu dürfen,
  als Ew. Wohlgeboren mit vorzüglicher Hochachtung verharrender
   ganz ergebenster
   _Heinrich Stieglitz_.
  
  II.
   _Berlin_, am zweiten December 1833.
  Sie leben, hochverehrter Mann, jetzt so ganz in und mit uns (und
  vornehmlich machen Ihre Novellen, welche in dem Kreise, der sich um
  uns gebildet von der ersten bis zur letzten an uns vorübergehn, um
  ein dauerndes reiches Eigenthum zu bleiben, einen so schönen Theil
  unsrer Winterabende aus), daß ich nicht unterlassen kann beifolgendes
  Buch mit einem schriftlichen Gruße zu begleiten, ganz abgesehen von
  dem Erfolg. Eine große Freude ist übrigens mir und einem wackeren,
  Sie durchaus kennenden und erkennenden[7] Freunde, ~Dr.~ Theodor
  Mundt, geworden, und wird uns täglich mehr, nehmlich die Lust des
  Sieges beßrer Ueberzeugung über manchen hier lebenden der Kunstjünger
  einer neuen philosophischen Schule, die sich nicht entblödete, Sie,
  Trefflicher, früher von dem einseitigsten Standpunkte aus anzufeinden,
  und mit denen, wie hoch ich auch den nunmehr entschlafnen Meister
  um seines tiefen und großartigen Geistes Willen in der Sphäre des
  Gedankens ehre, ich in der Kunstansicht mich überhaupt nur selten habe
  befreunden können. Auch mit meinem trefflichen Oheim in St. Petersburg,
  einem Manne seltener Natur und von einer Geistes- und Herzensfrische,
  wie sie wohl nur Wenige in solch enormen Verhältnissen des täglichen
  Erwerbs sich erhalten haben, bildet nach unserm dießjährigen
  Sommeraufenthalt eben jetzt das nähere Erkennen Ihrer Werke einen Theil
  des lebhaften Brief- und Gedankenwechsels.
  Doch wohin gerath’ ich? -- Ich wollt’ Ihnen ja nur mein jüngstes Kind
  darbieten mit dem oft gebrauchten aber gewiß niemals inniger empfundnen
  „nimm es hin!“ --
  Und so denn mit dem Gruß wahrhaftester Ergebenheit und dem Wunsche, daß
  Sie uns, der Nation, recht lange noch mögen erhalten werden, empfiehlt
  sich einer Ihrer innigsten Verehrer
   _H. Stieglitz_.
  
  
   =Stjernström, Eduard.=
   Das ist offenbar der schwedische Schauspieler, den Herr von
   Beskow in seiner Briefe einem erwähnt. Leider haben wir nicht
   auskundschaften können, wie Tieck den hier kundgegebenen Plan
   aufgenommen, und was er dem jungen Manne für eine Antwort ertheilt
   haben mag? Möglicherweise gar keine! Und vielleicht hat die
   deutsche Bühne dadurch einen Verlust erlitten!
   Wenn der verstorbene Jerrmann mit eisernem Willen und Fleiße
   durchsetzte, auf dem ~théatre français~ in einigen Talma’schen
   Rollen geduldet zu werden; -- wenn eine schöne Magyarin binnen
   etlicher Jahre aus der „ūngarischen“ Schauspielerin sich in eine
   deutsche umzubilden vermochte; -- wenn Bogumil Dawison, der als ein
   „gebrochenes Deutsch“ redender Pole aus Lemberg nach Berlin kam,
   in verhältnißmäßig kurzer Zeit zu einem der ersten Schauspieler
   unserer Bühne, und was hier noch schwerer ins Gewicht fällt, zu
   einem der besten _Redner_ in unserer Sprache sich erhob -- --
   -- dann seh’ ich doch wirklich nicht ein, weshalb der gute Herr
   Stjernström nicht hätte prosperiren können? -- Weil er unrichtig in
   deutscher Sprache _schreibt_ etwa? -- Ach, lieber Himmel, wer
   wird das einem Schweden übel nehmen? Es hat vortreffliche Künstler
   gegeben (und wer weiß ob es ihrer nicht noch giebt?), die ihre
   _eigene_ Sprache nicht sicherer schrieben, als Stjernström die
   _fremde_, und die deshalb doch auf den Brettern ganz tüchtig
   waren.
  
   _Stockholm_, den 26. Oktober 1841.
   _Hochwohlgebohrner Herr Hofraht!_
  Drei Jahre sind dahin geeilt, seit ich die Ehre und das Glück hatte,
  Ew. Hochwohlgebohrnen Bekantschaft in Dresden zu machen, in meinen
  Dankbarem Herzen die schönend Abende bewahrend, die mir durch Ihre Güte
  und Ihre liebevolle Gastfreiheit zu Theil wurden.
  Ich wage jezt Hochwohl. Herr Hofraht eine höchst eigene -- vielleicht
  voreilige Frage, die nur der Kunstrichter _dem_ verzeihen kan,
  der sich so gerne die Dramatischen Kunst ganz hingeben möchte. -- Ich
  habe schon lange die Deutsche Sprache mit Vorliebe unter der Leitung
  einer Beschützerin, der Frau Oberstin von _Ehrenström_, einer
  Deutschen und eine unserer gebildeter Frauen einer Freundin Tegnér,
  Beskow, Brinkman m. m. studirt, und habe auf unserer Königlichen Bühne
  mehrere Rollen in jener Sprache gespielt: Graf _Hahn_ der jüngere
  in „_Der Braut_,“ den Direktor in „den _Probenrollen_,“ und
  bin auch in verschiedenen klassischen Scenen als „_Don Carlos_,“
  „_Mortimer_“ aufgetreten, und haben mehrere Deutsche mir gesagt
  meine Aussprache sei rein und ich könnte als Schwede im Ausland
  einige Gastrollen versuchen. Nun wünschte ich im nächsten Sommer
  wieder eine Reise auf den Contenent zu machen, um die grosen Künstler
  Deutschlands zu studieren und wo möglich in einigen meiner besten
  Rollen dort auftreten zu können. Da müßte ich junge Fremdling aber
  auf Ew. Hochwohlgebohren Schutz und Güte rechnen, müßte mich der
  Ueberzeugung schmeicheln können, von Ihnen _geleitet_ den Muht zu
  fassen, als „Carlos,“ „Mortimer,“ „Max in Wallenstein,“ „Ferdenand in
  Kabal und Liebe,“ „Alfred im Zöglinge“ und als der „junge Graf in den
  beiden Klingsberg“ aufzutreten. Wohl fühle ich meine Schwäche, aber
  die Seltenheit einen Sohn des Nordens in Deutsche Sprache spielen zu
  sehen, würde vielleicht mir des Publikums Nachsicht schenken, das ja
  weiß, daß wir noch weit hinter den Germanen stehen, weil uns leider
  ein Kunstrichter wie Ludwig Tieck fehlt. -- Im Juli monaht bekomme
  ich meinen Urlaub, und wünschte gehorsamst zu wissen, wo ich Ew.
  Hochwohl. entweder in Berlin oder in Dresden treffen dürfte, im Fall
  Sie mich nicht zu vermessen ansehen und meinen Vorschlag mißbilligen,
  den nur unter Ihrer Gütigen protection kan und will ich es wagen diese
  Gastreise vorzunehmen -- aber wen _Sie_ die Sache nicht für ganz
  unmöglich halten dann eile ich Ihrem Vaterland entgegen und erbitte mir
  als Gnade einige Zeilen Ihrer werthen Hand, geleitet durch den Raht
  eines Kenners, der den Alleinstehenden jungen Künstler nicht verlassen
  will.
  Ich habe in unserer Schwedischen Zeitungen vor einigen Monate gelesen
  daß Sie Ew. Hochwohlgebohrner einen großen verluhst gehabt durch Ihres
  Fräulein Tochters unerwarteten Tode; ich beklage es von ganzem Herzen!
  Das muß für ein Gefühlvolles Herz schwer seyn, die lieben Anverwanten
  zu verlieren. Ich kann leider über diese Empfindung nicht Beuhrtheilen,
  den meine Verwanten starben so früh, daß ich wohl sagen kan, ich habe
  sie nie gekannt, und ich stehe nun ganz allein in der Welt.
  Der Herr Baron von Brinkman wie auch der Herr Hofmarschall von Beskow
  befinden beide wohl. Die Briefe die Ew. Hochwohlgeboren mir für
  beide Litteratören anvertrauten, waren sehr willkommen. Auf meiner
  Benefice-Vorstellung im vorigen Winter gab ich Scenen aus „König
  Birger“ von B. v. Beskow, die zum erstenmahle hier erschienen und mit
  lauten Beifall entgegen genommen wurden.
  Indem ich nochmals in Unterthänigkeit Ew. Hochwohlgebohrnen zu
  ersuchen wage mit einer Antwort zu begünstigen und verharre mit
  ausgezeichneten Hochachtung und tiefer Ergebung
   Ew. Hochwohlgebohren
   gehorsamste Diener
   _Edouard Stjernström_,
   Schauspieler der Königl. Theater
   in Stockholm.
  ~P. S.~ Meine Adresse ist: Klara Bergsgränden No. 37. -- ~2re
  trappor upp~.
  
  
   =Strachwitz, Moriz, Graf.=
   Geb. zu Peterwitz bei Frankenstein in Schlesien 1822, gestorben im
   Jahre 1847.
   Lieder eines Erwachenden (1836.) -- Neue Gedichte (1848.).
   In der Blüthe der Jahre sterben, und mit poetischen Blüthen
   geschmückt, die übers Grab hinaus fortleben, frisch duften,
   erfreuen.... kann es ein schöneres Loos geben?
  
   _Breslau_, 28. Aug. 183 ?
   _Verehrter Herr,_
   _Hochverehrter Herr Hofrath!_
  Vor mehr als vier Jahren hatten einige kindische Romanzen eines
  fünfzehnjährigen Knaben das Glück, durch Friedrich von Sallet in Ihre
  Hände zu kommen. Sie waren überschrieben: _Wellenmährchen_ und
  nie in seinen übermüthigsten Momenten hatte der Verfasser geträumt,
  daß das schlottrige Heft voll schlottriger Reime durch den Namenszug
  Ludwig Tiek’s geadelt werden sollte. Sie waren so freundlich einige
  ermunternde Worte unter das Schlußgedicht zu schreiben. Ihre
  Unterschrift schon genügte, den Knaben ganz glückselig zu machen,
  er prahlte allenthalben damit und dünkte sich nicht weniger als ein
  Dichter, wenn er sagen konnte, das hat Ludwig Tieck gelesen. Der Knabe
  hat einen ernsteren Flug gewagt und tritt kühn vor den aus der Ferne
  verehrten Meister mit der Bitte, ein schwaches Bändchen voll kecker
  Reime ebenso freundlich hinzunehmen, als damals den noch kindischeren
  Versuch. Noch heute ist es sein höchster Stolz, einst von Ludwig Tieck
  gelobt worden zu sein, wenn er es auch nicht verdiente. Es sind hier
  Verse so gut und so schlecht, als manches Andere; lesen Sie dieselben
  wenigstens und dies wird hinreichen, vollkommen zu beglücken
   Ew. Wohlgeboren
   warmen Verehrer
   _Moritz Graf Strachwitz_.
  
  
   =Strauß, David.=
   Geb. am 27. Januar 1808 zu Ludwigsburg im Königr. Würtemberg.
   Das Leben Jesu, 2 Bde. (1835.) -- Die christliche Glaubenslehre,
   2 Bde. (1840-41.) -- Streitschriften, 3 Hefte (1837.) --
   Charakteristiken und Kritiken (1839.) -- Julian der Abtrünnige
   (1847.) -- Schubarts Leben, 2 Bde. (1849.) -- Christian Maerklin
   (1851.) -- Leben und Schriften des Dichters und Philol. Nikodemus
   Frischlein (1856.) -- Ulrich von Hutten, 2 Thle. (1858.) &c.
  
You have read 1 text from German literature.