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Briefe an Ludwig Tieck (1/4) - 14

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  mir wagen zu können, so bitte ich Sie dringend, legen Sie ein kräftiges
  Fürwort für mich ein, damit mir die Gelegenheit gegeben werde, auf
  der Berliner Bühne einige Proben meines Talentes zu liefern, und an
  der Concurrenz um eine dort freigewordene ehrenvolle Stelle Theil zu
  nehmen. Meine Verbindlichkeiten in Hanover kann ich zu jeder Stunde
  lösen. Ich werde in 12 Tagen wieder in Berlin sein, und ein gewichtiges
  Wort von Ihnen zu meinen Gunsten ausgesprochen ist es, wovon ich eine
  gastliche Aufnahme bey Herrn von Küstner erwarten darf.
  Ich hoffe Sie im besten Wohlsein zu finden, doch wenn die sogenannte
  schöne Jahreszeit auch dort so rauh und unfreundlich ist, wie hier in
  dem sonst so lieblichen Baden, so wird der Genuß der freien Luft leider
  nicht sehr wohlthätig auf Ihre theure Gesundheit wirken können. Meinen
  ehrerbietigen Respect bitte ich der Frau Gräfin von Finkenstein zu
  vermelden, und nenne mich mit nie ersterbender Dankbarkeit und Verehrung
   Ew. Hochwohlgeboren
   innigst ergebener
   _Carl Devrient_.
  
   II.
   _Hannover_, d. 3t. April 45.
   _Hochgeehrter Herr Geheimrath!_
  Absichtlich habe ich es unterlassen Sie mit der Mittheilung meiner
  unerfreulichen Unterhandlungen mit dem Herrn Geheimrath v. Küstner
  über mein Gastspiel zu behelligen, doch nun, da dasselbe endlich
  zu Stande gekommen ist, nehme ich meine Zuflucht wieder zu Ihnen
  verehrter Gönner, und bitte Sie um Ihren gütigen Rath und Beistand.
  Die Aussichten auf einen glänzenden Erfolg meiner Darstellungen
  sind nur sehr schwach, weil die Zahl der mir bewilligten Rollen auf
  sechs beschränkt ist, und ich nicht Gelegenheit haben werde, meine
  Fähigkeiten im ganzen Umfang meines Wirkungskreises zu zeigen. Mein
  erstes Auftreten in „die Wahnsinnige“ und „der Diplomat“ hat nur den
  Zweck mich in zwey ganz verschiedenen Gattungen bey dem Publikum
  vortheilhaft einzuführen, doch wird gleich darauf als ernstere Prüfung
  der Hamlet folgen, und hierin habe ich von Ihrem strengen Urtheil alles
  zu fürchten und zu hoffen. Die beiden nächsten Rollen in „das Glas
  Wasser“ und „der Sohn der Wildniß“ sind wegen der Bequemlichkeit, mit
  welcher sie auf das Repertoir zu bringen waren, gewählt, sowie ich
  mich denn nicht rühmen kann, daß meinetwegen länger ruhende Stücke
  nachstudirt wurden. Eine Väterrolle muß ich aber in jedem Falle
  spielen, entweder den Wallenstein oder König Lear, wenn mein Vossischer
  Text mit der Kaufmannschen Uebersetzung zu vereinbaren ist. Vielleicht
  rathen Sie Herr Geheimrath auch zu dem Faust, vorausgesetzt daß ich
  dann schon wagen kann, eine blos schwierige aber nicht dankbare Rolle
  zu spielen. Die Weigerung des Herrn Hendrichs mich während meiner
  Abwesenheit hier als Gast zu ersetzen, ist auch der Grund, weshalb mein
  Urlaub nur sehr beschränkt ausgefallen ist, und dennoch werde ich auch
  dort diesen Herren sehr vermissen, weil ohne ihn weder „Donna Diana,“
  worin ich den Perin spiele, noch Kaiser „Friedrich und sein Sohn,“
  worin ich eine mir sehr zusagende Väterrolle hätte, aufgeführt werden
  kann.
  Am 10t. werde ich mir sogleich die Ehre geben Ihnen meinen Besuch zu
  machen, und will nur wünschen daß Ihre Gesundheit Ihnen verstatten wird
  meinen Vorstellungen beizuwohnen.
  Erhalten Sie mir nur Ihre wohlwollenden Gesinnungen und seien Sie
  meines unvergänglichen Dankes gewiß.
  Mit inniger Verehrung und Hochachtung bin ich
   Ew. Hochwohlgeboren
   aufrichtig ergebener
   _Carl Devrient_.
  
  
   =Eschenburg, Joh. Joachim.=
  
   Geboren den 1. Dec. 1743 zu Hamburg, gest. den 29. Febr. 1820
   zu Braunschweig, als Geheimer Justizrath. Das hier mitgetheilte
   Briefchen enthält eigentlich gar nichts für den oberflächlichen
   Leser -- und dennoch in wenigen Zeilen so viel für Jeden, der des
   _Greises_ milde Klagen über Altersschwäche und Lebensmattigkeit
   in Verbindung zu bringen weiß mit des herrlichen _Mannes_
   thatkräftiger Vergangenheit. Eschenburg, Lessings, wie aller
   „Größen“ seiner Zeit Bundesgenosse und Freund, hat nicht allein
   Großes gefördert durch Werke als da sind: Beispielsammlung zur
   Theorie und Litteratur der schönen Wissenschaften, 8 B. (1788-95)
   -- Lehrbuch der Wissenschaftskunde (in dritter Aufl. 1809) --
   Entwurf einer Theorie und Litteratur der schönen Wissenschaften
   (1836) -- Handbuch der klassischen Litteratur (in achter
   Aufl. 1837) -- auch ohne solche Denkmäler, die er sich selbst
   aufgerichtet, wäre der Mann unsterblich durch seine gewissenhafte,
   klar-verständliche, eben so gelehrte als fleißige Verdeutschung
   _Shakespeares_. Daß Niemand mit moderner Geringschätzung auf die
   theilweise veraltete Form blicke, in welcher uns Eschenburg das
   Verständniß für den Genius Englands, der ganzen Welt, eröffnete.
   Er hat den Grund gelegt, auf dem alle seine Nachfolger weiter
   gebaut. Schlegel wie Tieck haben das nie geleugnet. Wer Eschenburgs
   Shakespeare, das Riesenwerk eines einzigen deutschen Mannes, nicht
   mit Ehrfurcht betrachtet, der ist ein Barbar!
  
  _Braunschweig_, d. 24t, Aug. 1812.
  Je lieber man jetzt in der Vergangenheit als in der Gegenwart lebt;
  desto erfreulicher war mir Ihr neuliches Schreiben und die darin
  enthaltene Versicherung von der Fortdauer Ihrer Freundschaft. An
  den schlechten Zügen meiner Buchstaben, die ich mit der zitternden
  linken Hand mehr male als schreibe, sehen Sie, daß ich auch in dieser
  Rücksicht Ursache habe, die Vergangenheit der Gegenwart vorzuziehen.
  Sehr leid aber thut es mir, daß ich von den verlangten Büchern kein
  einziges besitze. In England selbst habe ich manche derselben ehedem
  vergeblich aufzutreiben versucht. Ich besitze nur 3 Quartbände von
  ~Capell’s School for Sh.~ deren dritter Band lauter Auszüge aus
  alten, und meistens auch aus den von Ihnen verlangten Schriften,
  enthält. Diese sind zum Theil weitläufiger als die von den Auslegern
  mitgetheilten Fragmente. Von den Folioausgaben des Sh. besitze ich bloß
  eine spätere ohne Titel von 1664 oder 1685. Sie sehen also, daß ich
  ärmer bin als Sie mich glauben. Mit herzlicher Ergebenheit
   Der Ihrige
   _Eschenburg_.
  
  
   =Förster, Karl.=
   =Förster, Luise, geb. Förster.=
   =Förster, Friedr.=
  
   _Karl_ Förster, geb. den 31. April 1784 zu Naumburg, gestorben
   den 18. Dec. 1841 zu Dresden, wo er seit 1807 Professor am
   Kadettenhause gewesen. Als Uebersetzer des Petrarca, Tasso,
   Dante gerühmt, hat er auch einen „Abriß der allgemeinen
   Litteraturgeschichte“ geliefert, 4 B. (1827-30.) -- Poesieen
   enthält das Buch: Raphael, ein Cyclus von Gedichten. Ueber des
   Dichters wie über des Menschen Werth sprechen am Schönsten die hier
   mitgetheilten Briefe der Gattin:
   _Luise_ Förster, geb. Förster, welche sie nach des edlen Mannes
   Tode an Ludw. Tieck richtete, der das Ehepaar herzlich liebte
   und achtete. Er auch hat die von der Wittwe herausgegebenen
   „_Gedichte_“ Karls, 2 B. (1842) mit einem Vorworte begleitet. Vier
   Jahre später erschienen, von Luisen verfaßt: Biographische und
   litterarische Skizzen aus der Zeit Karl Försters.
   Luise ist die Schwester von
   _Friedrich_ Förster, geb. am 24. Sept. 1792, des tüchtigen Mannes,
   der das Schwerdt wie die Feder zu führen verstand, der weder im
   Kriege noch im Frieden hinter’m Berge hielt, der manch’ kühnes
   Wort sprach, ohne die anhänglichste Treue für den Thron in Zweifel
   zu stellen, und dem deshalb der berliner Witz den Beinamen „der
   Hofdemagoge“ beilegte. Preußischer Offizier kehrte er 1815 mit
   dem Ehrenzeichen der Tapferkeit geschmückt aus Frankreich heim,
   und zeigte sich als Lehrer, Historiker, Publicist, Redakteur und
   Dichter nach allen Richtungen, in den verschiedensten Gebieten.
   Oftmals hat er für momentane Zeit- oder Gelegenheitsstimmungen
   auf bewundernswerthe Weise den Ton getroffen, und Lieder von
   ausnehmender Schönheit geliefert, in Ernst und Scherz. Wie
   lange galt sein „_Demagogisch_: Es wollt’ einmal im Königreich
   &c.“ für eine Schöpfung Goethe’s, und als solche für eine der
   genialsten! -- Er ist lange jung geblieben, auch mit ergrauendem
   Haare, und nachstehender burschikos-gemüthlicher Brief des
   Fünfundzwanzigjährigen liegt dem Wesen des hohen Sechszigers noch
   gar nicht fern.
  
   I.
   V. J., d. 20st. Juni 1831.
   _Innigst verehrter Herr Hofrath_,
  Seit drei Tagen sitze ich unter den Heften meiner Zöglinge, deren
  Arbeiten mir zur Correctur vorliegen; Sie verzeihen mir daher gewiß,
  wenn ich, was ich gestern und heute mündlich thun wollte, aber leider
  nicht konnte, jetzt mit zwei Worten schriftlich thue.
  Ich war am Sonnabend in _Retzsch’s_ Hause, fand ihn aber nicht und
  erfuhr, daß er seit längerer Zeit schon seinen Weinberg bewohnt und
  nur Donnerstag in die Stadt kommt. Wünschen Sie es nun, so gehe ich
  künftigen Donnerstag oder Freitag, wo er auch noch hier seyn wird, zu
  ihm.
  Athme ich morgen freier, so hole ich mir selbst Ihre Antwort.
  Mit immer treuer Verehrung und Liebe
   ganz der Ihrige
   _Förster_.
  
   II.
   _Dresden_, d. 28t. Juli 1842.
   _Hochverehrter theuerster Freund, Ihnen den treuesten liebevollsten
   Gruß!_
  Eine kleine Mittheilung, aus Ihrem Ziebinger Leben, wo Eine von Ihrer
  Milde Beschützte, Ihnen mit den Worten entgegen trat: „Verzeihen Sie
  daß ich noch lebe,“ rührte mich durch die innige Weise, wie Sie es
  erzählten, damals tief; jetzt möchte ich jene Bitte für mich und meine
  Wünsche wiederholen. Also -- verehrter Freund: verzeihen Sie daß ich
  noch lebe und, flehend und vertrauensvoll zu Ihnen den thränenschweren
  Blick aufrichte und, Sie auf das allerinnigste bitte, Ihr treues Wort,
  welches Sie so liebevoll und bestimmt gegeben, ist es irgend möglich
  (und was wäre Ihrer Güte und hohen Gesinnung nicht möglich?) auf das
  Schleunigste zu lösen. Brockhaus läßt ohne die versprochene Einleitung
  den Druck nicht beginnen. Die Welt sieht eben so sehnsuchtvoll den
  einführenden Worten des ruhmbekränzten Meister _Ludwig Tieck_
  als den Dichtungen des unvergeßlich in seinem Leben, wie in seinen
  Schriften so ausgezeichneten Hingeschiedenen entgegen. -- Die
  Subscribenten endlich sind des Harrens so müde, daß sie nach und nach
  sterben. Drei derselben, deren Namen auf den Listen stehen: Graf
  Einsiedel, G. Schwarz, Gräfin Dennewitz Bülow, sind wirklich indessen
  aus dem Leben geschieden.
  Lassen Sie, viel Verehrter, alles dieses und meine Bedrängnisse, die
  Sie ja kennen, zu Herzen sich gehen und senden Sie mir in nächsten
  Tagen die verheißene Einleitung. Kenne ich doch Ihre edle hohe
  Gesinnung, und weiß daß Sie es mit Freuden thun werden; da Ihnen
  ja das Andenken an den Mann, -- der Sie immerdar treu und warm und
  _redlich_ geliebt, der Sie, wie vielleicht Wenige, ganz in Ihrem
  reichen Werthe kannte und erkannte, -- auch theuer und heilig ist. --
  Ihre Worte werden dem Verklärten den wohlverdienten Ehrenkranz reichen,
  den er wohl noch im Leben zu empfangen berechtigt war.
  Wäre es Ihnen vielleicht bequemer die Einleitung ohne biographische
  Notizen zu geben, so ließe eine kurze biographische Skizze sich wohl
  leicht beigeben, womit Sie nicht gemüht sein sollten. Wäre es Ihnen
  wünschenswerth bei der zu schreibenden Einleitung wiederum einen kurzen
  Blick in einige von Försters Poesien zu thun, so wären die Gedichte
  über Rafael wohl geeignet dazu, und Sie könnten sie leicht von Försters
  Freund, dem Regierungsrath Streckfuß in Berlin erhalten.
  Nur um Sie nicht durch längeres Lesen zu belästigen, theile ich
  Ihnen nichts von Dresden mit, als was Sie wissen: daß Alle mit großer
  Sehnsucht Ihrer Rückkunft entgegen sehen.
  Der theuren verehrten Gräfin sagen Sie freundlich mein und meiner
  Kinder ehrerbietigsten Grüße. Letztere rufen mit mir im Voraus Ihnen
  tausend Segensworte zu für das Liebesdenkmal, welches Sie unserm
  Verklärten bringen werden! --
  In unwandelbarer treuer Anhänglichkeit und Verehrung
   Ihre ergebene
   _Luise Förster_ geb. _Förster_.
  
   III.
   _Dresden_, d. 17t. Decb. 1842.
  Als Sie, mein theurer hoher Freund, von uns schieden, folgten Ihnen
  meine treulichsten Wünsche, meine besten Dankes- und Segensworte für
  Ihr unwandelbares Wohlwollen, womit Sie viele schöne Jahre hindurch uns
  beglückt, und das Gefühl einer innigen wehmuthvollen Sehnsucht, welches
  jeder Verwaisung folgt, hat mich seitdem nie verlassen, denn daß ich
  seit Ihrer Abreise mich einer wahrhaft geistigen Verwaisung hingegeben
  fühle, glauben Sie mir gewiß. Da, als der größte Erdenschmerz meinen
  einst so hellen Lebensweg für immer umnachtete, fand ich in Ihrer Nähe
  Kräftigung für meine Seele, fühlte mich gefestigt den Forderungen,
  die das Leben noch von mir heischt, mit heitrer Energie zu begegnen,
  ja selbst der alte frohe Muth versuchte wohl zuweilen die gebrochenen
  Schwingen wieder zu regen, jetzt scheinen sie auf immer gelähmt;
  mögen auch Viele hier über Ihre Uebersiedelung trauern, tiefer und
  schmerzlicher, als ich, kann Niemand den Verlust dieser Trennung
  empfinden. --
  Wie oft habe ich in diesen Tagen Ihnen die Hand gereicht, und Ihnen im
  Geist den vollsten heißesten Herzensdank zugerufen, für das ehrende
  Denkmal der Treue, wodurch Sie meinen hingeschiedenen Freund fortleben
  lassen, ja gleichsam ein Auferstehungsfest ihm bereitet haben. Sie
  haben den letzten Erdenwunsch des edelsten Geistes erfüllt und ich
  sehe die Aufgabe, an der mein Leben und mein Lieben hing, durch Sie
  gelöst, und von welchem Dankgefühl ich durchdrungen, -- wo soll ich ein
  Wort finden, nur anzudeuten, was ich Ihnen sagen möchte! Die Segnungen
  meiner Kinder mögen beredter zu Ihnen sprechen als mein stummer Dank.
  -- Der Druck der von Ihnen bevorworteten Gedichte, ist in diesen Tagen
  beendet, wovon Sie Freund Brockhaus schon unterrichtet hat. Das Werk
  ist in aller Weise würdig ausgestattet, und wird des herzlichsten
  Willkommens in der litterarischen Welt gewiß nicht entbehren; während
  der Correcturen sind die Herrlichkeiten dieser Dichtungen von neuem
  mir recht klar geworden; und es ist mir ein wohlthuender Gedanke, daß
  Sie beim Wiederlesen der gesammten Gedichte mit Freude und Theilnahme
  weilen werden. Ueber Anderes des litt. Nachlasses meines heißgeliebten
  Freundes hoffe ich später Ihren freundlichen Weisungen nachzukommen.
  Von dem Dresdner Leben weiß ich Ihnen nichts mitzutheilen, da ich
  bis auf Wenige, die ich zuweilen sehe, abgeschieden von der äußern
  Welt lebe: aber von der Ihnen so theuren Freundin, deren Eigenthum
  eine reiche innre Welt ist -- von der ich sagen möchte: sie ist ein
  verkörperter Seelenhauch, Ihre liebste der Elfen, -- es ist wohl
  überflüssig den Namen „Fr. _v. Lüttichau_“ erst zu nennen, --
  diese traute Freundinn grüßt Sie in inniger herzlicher Liebe, und fügt
  in Ihrer unnachahmlichen Schalkheit hinzu, der briefscheue Freund möge
  Ihr nur „eine Quittung über die jüngst ihm gesendeten Briefe zukommen
  lassen.“
  So genügsam würde ich nun freilich nicht sein; wie wollte ich jauchzen,
  wenn einige Worte von Ihrer Hand mir sagten: meine Gesundheit hat
  sich gefestigt, und mit alten Gesinnungen gedenke ich Derer, die mich
  treu im Herzen trage. Gewiß werden Sie das liebe schöne Dresden nicht
  vergessen, noch weniger Derer, die darin voll Sehnsucht, Liebe und
  Verehrung Ihrer treulich gedenken. Der lieben hochgeehrten Gräfin,
  bringen Sie wohl freundlichst meine ehrerbietigsten Grüße.
  Leben Sie wohl zu tausendmalen! Jede Freude und jedes Heil sei mit
  Ihnen. In treuer unwandelbarer Verehrung Ihnen immer ergeben.
   _Luise Förster_ geb. _Förster_.
  
   IV. (_Unvollständig_.)
   _Dresden_, d. Mai 1843.
   _Theuerster, verehrter Freund_,
  Ihre Huld gestatte mir, zu Ihrem nahen Festtage Ihnen schon heute,
  „_Heil! Glück auf!_“ zuzurufen, und gewiß nehmen Sie mit aller
  Freundlichkeit die herzinnigsten Wünsche getreuster Anhänglichkeit
  dahin. -- Wenn vordem in seiner Lenz und Blüthenpracht der Mai wiederum
  die Erde grüßte, und ich mit meinem liebsten Förster hinaus wandelte
  in die frische verjüngte Welt, da meinten wir immer, die Erde habe
  sich zur Feier Ihres Lebensfesttages so leuchtend geschmückt, und
  jede Blume, die unser Auge entzückte, ward im Voraus in den Kranz
  geschlungen, der _Sie_ erfreuen sollte. Zwanzig Jahre hindurch
  feierten wir mit _Ihnen_ den Tag an welchem Sie geboren, als das
  schönste Fest des Jahres, und in unvergeßnem Erinnern stehen jene Tage
  hell vor meiner Seele, und klingen wie süße Lieder aus einer Zauberwelt
  in mein verödet Dasein. Denn meine Hand faßt nach keiner Blüthe mehr,
  die Blumen sind entfärbt und die Kränze zerflattert. Aber unverloren
  und unversehrt bleibt mir der eine Frühling: die Erinnerung an gute,
  schöne Stunden! Wie viele solche erwählte Stunden wir Ihnen dankten,
  wird durch die Tagebücher meines hingeschiedenen Freundes mir immer
  klarer und lebendiger, und wie theuer Sie seinem Herzen waren, davon
  geben jene Blätter das treuste Zeugniß.
  Seit dem Frühlinge beschäftige ich mich wieder mit Auszügen aus diesen
  Tagebüchern, welche einen überraschenden Reichthum von Anschaungen
  aller Art bieten. Nach Ihrem weisen Rathe und freundlichen Wunsche
  werde ich diesen Fragmenten, welche jedoch eines Zusammenhanges nicht
  entbehren, die wissenschaftlichen prosaischen Arbeiten ein- und
  beifügen; wie oft ich bei dieser Arbeit, Ihren hellen Blick, Ihren
  feinen geläuterten Geschmack, die Sicherheit, die Andern freundlich den
  rechten Weg zeigt, vermisse, glauben Sie mir gewiß.
  Läßt der Himmel diese Arbeit mich noch vollenden, so werden Sie in
  derselben sich vielfach erwähnt finden; immer in jener Verehrung
  und Anerkennung, in welcher F. Ihnen ergeben war; auch sind alle
  diese Mittheilungen von solchem Interesse, daß sie eine gemeinsame,
  allgemeine Theilnahme nicht entbehren werden, auch ist ihr Inhalt
  der Art, daß mir kein Zweifel über die Aufnahme und Ihre Zustimmung
  kommen kann. Um aber in aller Weise beruhigt zu sein, bitte ich
  Sie über nachfolgendes mir durch einige Worte zu sagen, ob dessen
  Veröffentlichung Ihnen recht.
   ~Aus dem Tagebuch Juli 1825.~
  Frohes Wiedersehen mit Tieck, der gesund und heiter von seiner Reise
  zurückgekehrt -- -- -- -- -- -- Der vor Kurzem in Rom erfolgte Tod des
  Maler Müller veranlaßte den Freund zu einer Mittheilung deren Inhalt
  auch einer künftigen Zeit aufbewahrt bleibe. -- Zwei verschiedene
  Werke, über ein und denselben Gegenstand: die _heilige Genovefa_
  sind von beiden Dichtern im Druck erschienen; im J. 1799 die großartige
  Dichtung _Tiecks_; die Müllersche, welche ein rühmlich Zeugniß
  eines nicht geringen Talents giebt und theilweise viel Treffliches
  enthält -- war schon 1778 entstanden, wurde aber erst später bekannt.
  -- Die thörigte Behauptung, Tieck habe sein Werk nach jenem geschaffen,
  fand Glauben, ja ja es giebt noch Kurzsichtige genug, welche von dem
  Gegentheil schwer zu überzeugen sind, heute wurde darüber mir folgender
  Aufschluß. Tieck äußerte sich sehr anerkennend über Müller. „Müller“
  sprach er: „war ein Mensch von großem Genie; die frische Natur, die
  lyrische Leichtigkeit seiner Poesie, die echte Genialität in seinen
  Leistungen, haben mich immer entzückt, und es ist zu beklagen das dies
  schöne Talent sich nicht dem Studium der Dichtkunst ausschließlich
  zugewendet. Im Leben war er ein wunderlicher Kauz und nicht leicht mit
  ihm zu verkehren; seinen _Golo_ und _Genovefa_, welche so
  viel Schönes bieten, gab er mir einst in der Handschrift zur Durchsicht
  mit dem Wunsche, einen Buchhändler dafür zu finden, was ihm bis jetzt
  nicht möglich geworden; aber auch mir gelang es nicht. -- Die schöne
  rührende Legende, die mich immer so innig angezogen, wurde später
  von mir bearbeitet, ohne dabei das Mindeste des Müllerschen Werks zu
  benutzen; nur das Motto wiederholte ich, und das als Reminiscenz,
  welches mir zu einem Liede Veranlassung gab. Der gute Müller aber
  entblödete sich nicht, mich eines Eingriffs in sein Eigenthum zu
  beschuldigen. Um nun jenen thörigten Gerüchten Einhalt zu thun, gab ich
  selbst die Müllersche ...“ (_Hier bricht der Auszug aus dem F.’schen
  Tagebuche ab, weil das letzte Blatt dieses Briefes, wahrscheinlich
  durch Schuld des Buchbinders, abhanden gekommen._)
  
   V.
   _Dresden_ im Lenzmond 1844.
   _Theuerster hochverehrter Freund_,
  Das kleine Werk, welches vor beinahe Jahresfrist -- an Ihrem letzten
  Geburtstage, ich Ihnen zu senden hoffte, da schon damals die ersten
  Bogen unter der Presse waren, ist erst jetzt vollendet abgedruckt,
  und so trage ich nicht die Schuld der Säumniß. Sie aber werden gewiß
  mit derselben Freude die Arbeit des verklärten, von Ihnen so treu
  geliebten Freundes dahin nehmen; sie ist ja auf einem Boden erwachsen,
  der Ihr unantastbarer Grundbesitz war und bleibt, denn: was im Reiche
  des Schönen Leben findet und Gedeihen, ist _Ihr_ Eigenthum.
  Auch werden Sie mir nicht zürnen, daß ich diese Dichtungen Ihnen
  zugeeignet, Sie wissen ja daß dieses geringste Zeichen meiner Verehrung
  aus der tiefgehendsten Achtung, aus der allinnigsten Anhänglichkeit
  hervorgegangen, und Ihre wandellos wohlwollende Gesinnung, deren
  ich mich so viele unvergeßne Jahre hindurch erfreute -- und welche
  ich immerdar zu meinen schönsten Lebensgütern zählte, giebt mir die
  Gewißheit, daß Sie diese Zueignung in alter Milde und Güte dahin nehmen.
  Bei dem Ordnen und den Correcturen dieser Uebersetzungen, sind die
  hohen Schönheiten Torquato Tasso’s mir recht licht aufgegangen.
  Die üppigste Gedankenfülle bewegt sich in der süßesten Sprache, in
  den reizvollsten Bildern, der reinste Hauch der Poesie weht in den
  tiefempfundenen Liebesklagen, Liebeshoffnungen und Liebesschmerzen
  und voll unnachahmlicher Anmuth sind all die zarten Wendungen eines
  heiter kindlichen Witzes, und wahrhaft rührend der großartige Humor,
  der noch durch Thränen lächelt. Tasso steht als lyrischer Dichter gewiß
  sehr hoch, und ihn in seiner ureignen Schönheit der deutschen Sprache
  zu zuführen, war gewiß Förster vor Allen berufen. Daß ich dieser
  Uebersetzung eine Abhandlung F. über _Tasso_ als lyrischen Dichter
  beifügte, werden Sie gewiß angemessen finden; es ist dieser Aufsatz
  eine tief durchdachte Arbeit.
  Die Biographie Försters habe ich vorigen Herbst vollendet, und dabei
  die Freude gehabt, Ihr liebes Bild und manche reiche unvergeßne Stunde
  in frischem Glanze vergegenwärtigt zu sehen, da seine Tageshefte
  so manches mit Ihnen Durchgesprochene aufgezeichnet haben. Es hat
  überhaupt diese Arbeit mir einen reichen Quell des Trostes geboten;
  mein ganzes geistiges Sein in dieses reine Leben, in diesen reichen
  schönen Geist zu versenken, gab dem wunden Herzen den besten Trost. Ob,
  wenn und wie ich diese Arbeit der Oeffentlichkeit zuführe weiß ich noch
  nicht; der Muth, die Kraft zu den lästigen geschäftlichen Schritten
  einer Herausgabe fordern von einer Frau eine große Selbstverläugnung.
  Außer Ihren so freundlichen Aeußerungen über diese Arbeit, und der
  liebreichen Ermunterung zu deren Fortsetzung, könnte wohl auch außer
  der Billigung einiger Freunde das eigne Gefühl mich zur Herausgabe
  ermuthigen, denn mit tiefstem heiligsten Ernst habe ich die Aufgabe
  vollbracht.
  Fragt Ihre Theilnahme nach meinem Leben -- es ist sehr still,
  sehr zurückgezogen, aber in dieser selbst gewählten werthen
  Zurückgezogenheit, vermisse ich doch zuweilen die Masse geistiger
  Elemente, die vielgestaltig mich umgeben, deren Segen ich fast
  bewußtlos dahin genommen, die jetzt mir zeigen, wie doch mein ganzes
  Sein mit diesen Elementen verwachsen. So ist denn mein Leben, eines der
  Erinnerung und gehört in der Gegenwart nur noch den Pflichten an.
  Der theuren verehrten Gräfin bringen Sie meine herzinnigsten Grüße, die
  meiner Kinder gehören Ihnen Beide.
  Sie würden mir eine große, große Beruhigung geben, wenn Sie nur in zwei
  Schriftworten mir sagten, daß Sie in der Zuneigung des Tasso, keine
  Unbescheidenheit meinerseits sehen. In wandellos treuer Anhänglichkeit
   Ihre
   _Luise Förster_.
  Sollte -- indem Sie das Blättchen lesen -- die treue Friederike mit dem
  Theebret vorüber streifen, so empfängt sie durch Ihre Güte diesen: Gruß!
  
   VI.
   _Berlin_, d. 26t. Febr. 1817.
   _Werthester Freund_
  Was man für Freunde zu besorgen hat, soll man nie einem andern
  übergeben -- ja das wußt ich wohl, aber that nicht darnach. Nun frag
  ich heute in der Maurerschen Buchhandlung nach, ob Ihnen das gewünschte
  Verzeichniß zugeschickt worden sei -- und zu meinem Leidwesen war es
  vergessen. Ich eile Ihnen nun das meine zu schicken; zum Glück daß auf
  den ersten Seiten sich nichts erhebliches findet, um so eher werden Sie
  mich entschuldigen. -- -- --
  Noch bessern Trost hab ich eben noch von dem Versteigerer eingeholt --
  die Biestersche Auction ist noch auf 14 Tage verschoben und so behalten
  Sie Zeit sich denn nach Herzenslust auszuwählen, nur vergessen Sie die
  Bemerkung nicht, daß mit „_dem Anhang_“ der Anfang gemacht wird. --
  Von den von Ihnen gewünschten Büchern ist nur wenig eingegangen, mich
  freut nur sehr, daß ich den Heywood noch habe auftreiben können, da
  Ihnen daran so viel gelegen schien. Von allen andern hab ich nur die
  „dreierlei Wirkungen“ erhalten und zwar nach der Versicherung meines
  Geheimen Oberhof-Hauptregulateur, aus der „einfachen Ursache“ daß Sie
  zu geringen Preiß angesetzt hatten.
  Nun endlich will ich Ihnen auch Rede stehen wegen des Taschenbuches,
  dessen Ausbleiben aber mehr oder vielmehr allein dem Buchhändler
  und dem Kupferstecher zur Schuld zu rechnen ist. Es erscheint für
  das Jahr 1818 freilich aber schon zu guter Zeit in diesem Jahre; es
  ist in Leipzig gedruckt und die Bogen, die ich davon gesehen, sind
  schön und sauber und ohne Druckfehler; ich hoffe, daß es auch als ein
  spätgebornes Kind noch immer eine freundliche Aufnahme finden wird. Für
  die Kriegsbücher des Frontinus hat sich mein Buchhändler noch nicht
  entschieden, würden Sie mir aber die Handschrift zuschicken, so würde
  ich ihn wohl dazu bewegen oder ein andrer würde sich finden. --
  Nun möcht ich Ihnen wohl auch noch einiges über mein Leben und Streben
  überhaupt mittheilen, wenn ich irgend hoffen darf, daß Sie einen armen,
  fahrenden Schüler anhören.
  Obwohl ich 25 Jahre zähle, so bin ich doch ein zu Zeiten sehr unruhiger
  Kopf, einen festen Halt in wissenschaftl. Hinsicht hab ich, als
  Lehrer der Geschichte und Erdkunde an der hiesigen Artillerie-Schule
  (Freund, ich lese jetzt die Geschichte des 30jährigen Krieges, habe
  das ~theatrum Europaeum~ vor -- neunzehn Folio-Bände! und noch viele
  andre alte Chroniken) daran läßt sich von der Dichtung immer einiges
  anknüpfen; und mag die Poesie auch schön und lieblich sein, wo sie an
  Wiesenbächen und Quellen sich zur Schäferin und ihren Lämmern gesellt,
  ich mag sie lieber da begrüßen, wo sie im Harnisch daherfährt und den
  Völkern einen lebendigen Odem in die Nasen bläßt; und so erscheint sie
  mir in der Geschichte. --
  Aber da bin ich zugleich auch von einer andern Seite gefaßt worden;
  aufgeregt durch die neuste Zeit und durch die Hoffnungen, die mich
  eingeführt haben in diese -- nahm ich thätigen und lebhaften Antheil
  an allem was Volk und Vaterland angeht, mit einem Wort ich bin ein
  heftiger Politicus, kann keinen Tag leben ohne Zeitung zu lesen und
  höre Jahn’s Vorlesungen über deutsches Volksthum und hasse die Juden.
  Da ich freien Eintritt in das Theater habe, so bin ich da sehr oft
  zu finden, ärgre mich freilich mehr, als ich mich freue; wenn ich
  mich aber dort einmal freue, so geht es mir auch recht durch Blut und
  Leben; -- wenn Scheakspeare -- Göthe, Calderon -- Mozart sich vernehmen
  lassen, so daß sie sich uns wirklich offenbaren, da fühlt sich wohl
  einmal auch eine Menschenseele gestärkt. -- Dies ist also der eine Halt
  meines Lebens, den andern möcht ich nicht gern verschweigen und dennoch
  
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