Briefe an Ludwig Tieck (1/4) - 10
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jetzt noch einmahl untersuchen, denn es betrifft nicht Kleinigkeiten.
Nebenbey besuch ich noch die hiesigen Spitäler, und sorge für einzelne
Bedürfniße, ich hoffe die Sache geht schnell zu Ende, dann werd ich
wieder nach Belgien oder nach den Ardennen gehn. Gott hat Großes für
uns gethan, der Mensch weiß aber immer Gottes Werk zu zerstückeln, mir
ahnt wenig Gutes davon daß Frankreich unbewacht bleibt, und dennoch
ist es vielleicht das geringste Uebel von Beiden, daß unser Herzblut
noch einmahl fließt, oder daß die Truppen in Frankreich sittenlos
und ruchlos werden. Ich bin innerlich überzeugt daß der Feldzug mit
nächstem Frühjahr wieder eröffnet wird. Wie sehr unsre Opfer von
Fleurus Wavre und Waterloo Hülfe und Unterstützung bedürfen, das darf
ich Ihnen wohl sagen, da Sie so treu und liebreich gesammelt haben,
rein ausgeplündert liegen sie da mit zerschmetterten Gliedern, in
schwerer Eiterung, bey erträglicher Kost und Reinlichkeit, jedoch auf
Strohsäcken, und in diesem oder jenem Lazareth, mehr oder minder gut
gepflegt und gestärkt. Laßen Sie mich es Ihnen mit glühendem Schmerz
sagen daß Viele hätten können gerettet werden wenn die Behandlung
weiser, die Pflege freygebiger war! -- Nur, wie ich mich überzeugt
habe Deutz, Düsseldorff, Aachen, und wie man mir gesagt Loewen, sind
die Orte, wo ein mütterlicher Geist der Pflege herrschte, und wo die
Menschen gerettet worden. Hier ist es leidlich, aber durchaus kein
Sinn für individuelle Noth, sondern nur ein eiffriges Aufspeichern,
welches bey den jetzigen Aussichten auf den nächsten Feldzug sein
Gutes haben kann. Ich selbst habe bey den vielen Bosheiten mit denen
ich kämpfe unendlich viel Süßes im Lindern und Helfen gefunden, und
bin getrost in Gott, der mir in dem schweren Stand gegen fühllose
Ruchlosigkeit helfen wird. Meine ganze Seele ist so tief getränkt vom
Kelch des Jammers, der über diese leidende, hinschmachtende hinfaulende
Jugend ausgegoßen ist, daß ich jetzt für nichts Anders Sinn habe, sonst
könnt ich Ihnen viel von unschätzbaren Ueberbleibseln aus der ältesten
teutschen Zeit sagen, welche ich hir bei Freyherrn von Mehring, bei
Fochem und Lievemberg angetroffen, insbesondre bey dem Ersten. Unser
Isidorus hat mir lange nicht geschrieben, ich ihm lange nicht, denn ich
gehöre nichts Erfreuendem mehr, bis mein Werk vollbracht ist. Sagen
Sie, edler Tieck den edeln Geberinnen meinen gerührtesten Dank, sie
müßen sich aber mit dem Werke noch gedulden, denn unmöglich kann ich
jetzt schon mich damit beschäftigen, da auch noch täglich Subskription
eingeht. Der Ertrag ist bis jetzt etwas über 1600 Thaler, von denen
zwey Drittheile verwandt sind. Seyn Sie fest überzeugt, daß ich
unmittelbar nach vollbrachter That das verheißene Werk seines edeln
Berufs würdig auszustatten hoffe, und dann nicht damit säumen werde.
Es ist von der Huld und Theilnahme unsrer edelsten und höchsten Frauen
begabt. Nun Gott mit Ihnen, der Sie _sein_ Dichter sind! Er
erfreue Sie, wie Sie mich erfreuten! Ihr Entzücken sey dem gleich, das
von Ihrem Genius ausgeht!
_Wilhelmine Chezy_.
II.
17. Dez. 1816 _Berlin_.
Es gehört einige Dreistigkeit zu, nach so langem Schweigen zum
erstenmahl wieder mit einer Bitte zu erscheinen, und doch sündige
ich auf das Bewußtseyn Ihrer Güte hin, und komme bittend, liebend
und glaubend, weil der Größe des Genius die des Gemüths nicht leicht
nachsteht, ich komme Ihnen, verehrter Tieck die Angelegenheit meines
Freundes Gubitz an das Herz zu legen, und Ihnen zugleich Nachricht von
der _nahen_ Erscheinung meines Werkes zu geben, und Sie vorläufig
mit dem Innhalt bekannt zu machen. Da ich von meinen bisherigen
Arbeiten abgeschnitten lebe, habe ich dies Werk ganz aus meiner
Stimmung in dieser Zeit hervorrufen müßen, um die wachsende Ungeduld
der Unterschreibenden zu befriedigen. Es enthält viele Gedichte, ein
kleines Lustspiel in Versen, und eine romantische Geschichte, welche
ich die _Mahnung unsrer Zeit_ nenne. Unter den Gedichten ist viel
Lyrisches, und manche Romanze, Legende und Volkssage, die der _drey
Schwäne_ nach Gottschalk ist eine der gelungensten. Einige Blätter,
überschrieben _aus meinem innern Leben_ habe ich aus Briefen von
1814 an einen Freund genommen und habe überhaupt das Ganze der Arbeiten
in Prosa aus der frischesten Zeit gegriffen. Ich hoffe das freundliche
Zutrauen der Theilnahme nicht getäuscht zu sehn. Das Manuskript wird
jetzt abgeschrieben, und geht dann sogleich an Engelmann in Heidelberg
ab, der den Druck schön und schnell, und die Versendung pünktlich
besorgen wird, das Lustspiel: _Rembrand’s Todt_ dichtete ich
1813, hab es bis jetzt ruhig liegen laßen, und kann es zum Glück in
Heidelberg aus einem Fach meines Büreaus nehmen und drucken laßen,
denn ich kann mich nicht entschließen, die Fülle meiner Papiere der
Post zu vertrauen, und dem Zufall des Fortschickens Preis zu geben,
und überdem sehn ich mich nach meinen grünen Bergen zurück. Hier ist
kein poetisches Leben, die südteutsche Gegend hat, wenn nicht immer in
den Menschen, doch in Quell Blume Epheu Trümmer und Bergen die Poesie,
hier fehlts an Menschen und an der Natur zugleich. Freylich ist mir das
Leben schaal geworden seit ich von Friedrich und Dorotheen getrennt
bin, wenn gleich auch dies noch nicht ganz das Rechte war, weil ich
selbst damahls erst hätte anders seyn müßen.
Meine Rechtsangelegenheit, von welcher Sie, Verehrter Freund! in
öffentlichen Blättern manches gelesen haben werden, scheint ihrem
seligen Ende zu nahen. Es scheint stark dahin gearbeitet zu werden,
daß sie zerrinne: ~as water is in water~. Was läßt sich dazu thun?
Ich habe in der ganzen Angelegenheit unaussprechlich gelitten, und die
Erfahrungen auf dieser Laufbahn hatten mich so abgelöst vom Leben daß
es einer solchen Anregung bedurfte als die der Ehre und Rechtlichkeit,
um noch dichten und so mein Wort lösen zu können. Es liegt etwas
Süßes in meinem heißen Sehnen nach Ruh. Bis zum Weinen schweben mir
meine grünen Berge vor Augen, und als ich nach Heidelberg schrieb, um
meine Abreise nach Berlin, und die mir zugefügten Abscheulichkeiten
zu melden, war meine ganze Klage das Eine Wort: ich werde dies Jahr
die Mandeln nicht blühen sehen! Wer weis, „wann ich sie wieder blühen
sehe!“ In Bouchers Treibhause haben sie nichts für mich! Ich weiß nicht
ob Sie schon von unserm Bauern _Johann Adam Müller_ erfahren,
der hier unerwartet angekommen, und neuen Krieg geweissagt? Ich kenne
den redlichen Mann, und mir ist noch unvergeßen, wie er am 14. Dez.
1814 nach Heidelberg kam uns Napoleons nahe Landung und den Krieg im
Frühjahr zu verkünden, welche der Geist ihm offenbart. Ich habe Müller
diesmahl einen Mittag und Abend bey mir gesehn, und eine kleine Auswahl
meiner liebsten Freunde und Freundinnen um ihn her vereinigt. Die
Rührung und Anerkennung des Kreises sind mir unvergeßlich, denn dieser
schlichte treuherzige Mann, so ganz Natur und Reinheit, so ruhig, so
still beseeligt im Bewußtseyn der göttlichen Einwirkung erinnert immer
an Schillers Ausspruch:
_Das findet in Einfalt ein kindlich Gemüth._
Dies Zeichen, daß sich Gott der Welt wiederum unmittelbar naht,
das seit neun Jahren sich schon in den Erscheinungen dieses Mannes
bewährt, der Zeitlebens nur rechtlich, fromm und einfach war, rührt
und beseeligt mich, und giebt allen meinen Gedanken ein neues Leben.
Ich habe immer nur die Kunst für göttliche Offenbarung und Eingebung
gehalten, und alles künstlerische Streben nur für den Drang die Nebel
zu zerstreuen, die das innere Auge umziehn. Welch ein Trost wenn die
göttliche Offenbarung in das Leben tritt, und es uns vergönnt ist, in
die Zukunft zu schauen, um unser Herz vorzubereiten, auf künftiges,
nahes, unerläßliches Weh. Die Mächtigen haben nicht für die Beruhigung
der Völker gearbeitet, keine Treu ist belohnt, kein Opfer anerkannt
worden, unser reinstes Herzblut ist vergebens gefloßen. Wie könnt’ es
denn so bleiben? Doch vielleicht sind Ihnen Müllers neue Weißagungen
noch nicht bekannt, ich gebe sie Ihnen treu aus seinem Munde:
Eh die Baumblüthe aufbricht beginnt der Krieg, er endigt noch im May.
Wiederum werden es die Preußen ausfechten. N. kommt fort, im Süden von
Frankreich bricht die Empörung aus, in Frankreich ist der Krieg, dort
findet Napoleon sein Grab in der dritten unermeßlich blutigen Schlacht.
Frankreich wird in drey Stück getheilt. Einen der wichtigsten Punkte
der Offenbarung will Müller nur dem König sagen, den er noch nicht
gesehn. Mein ganzes Gemüth wird tief von seiner Ruhe erschüttert, mit
welcher er ausspricht: _Das hab ich gesehen_. Meine Freundinnen
wendeten sich weg, und weinten, es sind fromme sehr in Einklang
ausgebildete Frauen und Mädchen. Der begeisterte Blick, und die milde
Gemüthlichkeit dieses Mannes werden selbst von herzlosen Spöttern
geachtet. Wenn ich mich selbst noch gegen einen festen Glauben an die
Wahrheit seiner Gesichte waffne, so mag ich doch nicht zweifeln. Daß
es ihm selbst heiliger Ernst ist, darüber ist kein Zweifel mehr, doch
halten ihn noch Viele für getäuscht. Die Zeit wird aufklären, ob Gott
uns wiederum, wie in der Vorzeit unmittelbarer Annäherung würdigt,
und dadurch die Seelen wecken und sich zuwenden will! Dieser heiße
Wunsch macht mich geneigter zum Glauben an die wahrhafft göttliche
Sendung dieses Mannes, als die Thatsachen selbst, die bereits dafür
zeugen. Ich habe mein Selbst der Zeit geweyhet, alles Eigne streb ich
zu vernichten, daß jeder Pulsschlag dem Ganzen angehöre, mich schmerzt
nur das Elend der Völker, mich kann nur das erfreuen, was ich noch
Gutes vermag, und mit heißen Thränen bitt ich oft den Herrn daß er die
Menschen an sich ziehe, damit ein Jeder sein Ich vernichte, und in
himmlischer Liebe wiedergeboren werde. Von dem Allen habe ich Ihren
Schrifften, vornähmlich der Genoveva sehr viel zu danken, und dem
Sternbald. Die ersten Stimmen klangen daraus in mein Herz, und der
Grundton, den sie geweckt klingt nun durchs Leben fort. Gute Nacht!
geben Sie mir ein freundliches Zeichen, ich sehne mich längst schon
danach.
Thiergarten No. 50.
_Helmine_.
III.
_Berlin_ d. 6. Merz 1817.
_Verehrter Freund!_
Es ist wohl nur Scherz, daß Sie in meinem Brief den Wunsch ausgedrückt
gefunden, Sie möchten Antheil an dem Gesellschafter nehmen? Oder es
ist ein Mißverständniß, denn ich habe Gubitz zu einem wohlthätigen
Zweck eine Novelle gegeben, die ich selbst liebte, und zum Theil
nach Calderon gearbeitet habe, nach ~el Conde Lucanor~; zu
_diesem_ Zweck glaubte ich Sie von Gubitz eingeladen, und legte
ein Vorwort ein. Was Zeitschrifts Artikel, welche es sey, betrifft,
so würde mir das nicht ein gleiches Interesse eingeflößt haben,
wenn gleich Gubitz in der Seinigen von Arnim, u. m. A. freundlich
unterstützt wird, und herzlich zu wünschen scheint ihr einen
bleibenden Werth zu geben. Nun zum Wichtigsten! Ich werde vor Anfang
May Berlin schwerlich verlaßen, weiß aber dann noch nicht bestimmt wo
ich seyn werde. Ich liebe hier die Natur nicht, die rauhe Luft ist mir
ungesund, das Leben wird Einem hier nicht leicht, wie im Süden, allein
ich möchte gern Pommern und Rügen und Schlesien einmahl bereisen, und
vor Allem der Heymath nicht mehr so fern wieder seyn, denn es ist doch
ein liebes Band an das Leben. Ich glaube also nicht daß ich, wenn ich
nach Heidelberg gehe, länger als bis künftigen Winter dort bleibe, und
in _Dresden_ suchen werde meine Kinder auszubilden. Wilhelm neigt
entschieden zur Malerey, Max entschieden zur Musik, beyde sind geborne
Dichter, das sind mir liebliche Sterne der Zukunft, vor Allen lieb ist
mir die innere ungetrübte Unschuld, die Glaubenskraft und Wahrheit der
Natur dieser Kinder. So darf ich denn hoffen Sie hier im April und im
August in Heidelberg zu sehen, wo ich vermuthlich seyn werde! --
Ich darf hoffen, daß mein Werk Ihnen eine wahrhaffte Freude machen
wird. Ich könnte es nun längst abgesendet haben, doch fürchte ich mich
es der Post zu vertrauen, da es noch nicht abgeschrieben, und ich
selten oder nie Koncepte mache. Auf jeden Fall kommt es dann rasch
in die Hände der Theilnehmenden. Müllers Leben ist so einfach und
gottgefällig, daß man ihn lieben muß, wenn man ihn kennt, sicher bedarf
ich seiner nicht zum _Glauben_, nur würde es mir lieb seyn, wenn
sich Gott wieder unmittelbarer als bisher durch wunderbare Zeichen der
Welt nähern wollte, wie wohl sonst geschah. Ihr Freund Schelver hat den
Müller auch lieb. Sollte das Schicksal Müller ein ~démenti~ geben,
so behielten wir ja den Frieden, nach dem die Welt seufzt, die Welt
sieht mir aber gar nicht friedlich aus! -- Loebens Hesperiden gedenk
ich selbst fortzusetzen, sie enthalten bis jetzt viel Schönes, ich
finde aber daß er seine Sache nicht geschickt angefangen. Die Fantasie
über die Zahlen ist nicht anziehend, das Theegespräch u. A. gefällt
mir nicht, er mußte aus einem schönen Vorrath vom Schönsten sogleich
geben, ich weiß auch gar nicht warum und wie er von seinen früheren
Gedanken abgekommen, das Buch mit mir herauszugeben, und ihm so unsre
Freunde alle zu gewinnen? Ich bin noch nicht so glücklich gewesen Ihre
neusten Werke zu lesen, freue mich ganz unaussprechlich darauf. In den
~Old Plays~ habe ich den ~Fortunat~ mit wahrem Vergnügen
gelesen, ist er Ihnen bekannt? In Heidelberg hoffe ich viel von den
zurückgekommenen Manuskripten. Wie mit Bleigewichten bin ich seit 2
verhängnißvollen Jahren dergestalt in das Praktische hineingezogen, daß
ich sogar aus mir selbst Novellen, Erzählungen und Romane schreiben
kann, ich konnt es ehedem nicht, jetzt aber bedarf ich wieder Natur
und Einsamkeit, und sehne mich herzlich danach, um eine Ueberfülle von
Bildern zur Ruh und Klarheit zu bringen, und sie der Welt zu geben.
Sie nur zu sehen, würde mich fast betrüben, denn was ich in Ihren
Schöpfungen liebe ist nicht der irdische Reiz der sie schmückt, sondern
der himmlische Quell, aus welchem dieser hervorgeht.
=Collier, John Payne[9].=
Geboren 1789, hat P. C. seine literarische Laufbahn als
Zeitungsschreiber, und zwar als Mitarbeiter der Londoner Morning
Chronicle, begonnen.
Im Jahre 1820 gab er einen „poetischen Decamerone“ heraus.
Als Literarhistoriker machte er sich zuerst dadurch bekannt, daß
er in den Jahren 1825-28 die von Dodsley früher gesammelten und
herausgegebenen „alten Dramen“ (~Old Plays~) neu edirte.
Es war ihm bei dieser Gelegenheit gelungen, eilf bisher noch
nicht bekannte, alte Stücke, zum Theil aus der Zeit Shakspeare’s
aufzufinden und zu publiziren.
Im Jahre 1831 gab er eine „Geschichte der dramatischen Poesie“
heraus, welche ihm die Gönnerschaft des Herzogs von Devonshire
und anderer mäcenatischen Lords verschaffte, deren reiche Bücher-
und Handschriften-Sammlungen ihm fortan zur Verfügung standen.
Hier (in der Bibliothek des Lord Ellesmere) fand er angeblich die
interessanten, handschriftlichen Erinnerungen an Shakspeare und
dessen Schauspieler-Gesellschaft, die er 1835 in dem Buche „Neue
Thatsachen Shakspeare’s Leben betreffend“ (~New facts regarding
the Life of Shakspeare~) verwerthete. Diesen „Thatsachen“ folgten
im Jahre 1836 „~New Particulars~“ (neue Einzelheiten) und im Jahre
1839 „~Further Particulars~“ (Weitere &c.) aus dem Leben des
großen dramatischen Dichters. Nachdem er 1842-44 mit Hilfe seiner
zwanzigjährigen Studien Shakspeare’s eine neue Ausgabe von dessen
Werken besorgt und herausgegeben hatte, wurde ihm vom Parlament
eine jährliche Pension von 100 Pfd. Sterl. bewilligt und ward er
zum Vicepräsidenten der Archäologischen Gesellschaft (~Society of
Antiquaries~) ernannt.
Bemerkenswerth ist auch noch eine von ihm im Jahre 1846
herausgegebene Sammlung von „Denkwürdigkeiten der vornehmsten
Schauspieler, die in Shakspeare’s Stücken mitgewirkt.“
Am meisten bekannt gemacht, wiewohl leider in einem unrühmlichen
Sinne, hat sich aber Payne Collier durch seine im Jahre 1852
erschienenen:
„~Notes and Emendations to the text of Shakspeare’s Plays, from
early manuscript corrections in a copy of the Folio, 1662, in the
possession of J. Payne Collier.~“
In diesem Buche werden über fünfzehnhundert wichtige Correkturen
des Shakspeare’schen Textes mitgetheilt, die der Herausgeber
in einem zufällig in seinen Besitz gekommenen Exemplare der
Folio-Ausgabe des Dichters von 1632 gefunden haben wollte, und zwar
war als dieser „_alte Korrektor_“ ein gewißer Thomas Perkins
bezeichnet, der zur Zeit Shakspeare’s bereits gelebt und seine
Verbesserungen zum Theil nach eigener besserer Kenntniß des Textes
und zum Theil nach Mittheilungen gemacht haben sollte, welche ihm
von Schauspielern der Shakspeare-Aera gemacht worden waren.
In England wurde von P. C. selbst eine neue Ausgabe Shakspeare’s
mit den Emendationen des alten Correktors veranstaltet, und in
Deutschland fanden sich gleichzeitig zwei Uebersetzer „des wichtigen
Ergänzungsbandes zu allen Uebersetzungen Sh’s“ in den Herren
_Julius Frese_ und _F. A. Leo_.
In England und in Deutschland wurden zwar sofort sehr gewichtige
Zweifel an der Echtheit und Einwendungen gegen die Richtigkeit der
gedachten Korrekturen erhoben: in England durch _Knight_,
_Singer_ und _Dyce_, und in Deutschland (1853) durch
_Nicolaus Delius_, den Herausgeber der vortrefflichen
deutschen Ausgabe von Shakspeare’s Werken in englischer Sprache.
Das Publikum ließ sich jedoch sechs bis sieben Jahre lang durch
die Autorität Colliers täuschen und kaufte seinen verballhornten
Shakspeare, bis endlich im Jahre 1859 die Kontroverse, die sich
in England und Deutschland erhoben hatte, durch eine gründliche
Untersuchung der berufensten Sachverständigen entschieden wurde,
an deren Spitze Sir Frederick Madden Oberaufseher der Manuscripte
des britischen Museums stand und denen sich die gelehrten Archivare
Englands, die Beamten des ~Master of the Rolls~, angeschlossen
hatten.
Diese Untersuchung an dem sogenannten ~Perkins-Folio~ selbst,
das inzwischen durch P. Collier für hohen Preis an den Herzog
von Devonshire verkauft worden war, hat ergeben, daß sämmtliche
Korrekturen in diesem alten Buche eine neuere Fabrication seien.
Man entdeckte, daß Jemand mit Bleistift sämmtliche Korrekturen
vorgezeichnet hatte, worauf sie dann mit Dinte in einer englischen
Fracturschrift des siebzehnten Jahrhunderts _übermalt_ worden.
Man ermittelte, daß die Bleistift-Vorzeichnungen von P. Colliers
Handschrift, daß an einzelnen Stellen die Korrekturen wieder
_ausgewaschen_ waren, und daß die Worte „~Thomas Perkins
his booke~,“ die auf dem Deckel des Buches stehen, in einer
ganz anderen, neueren Handschrift als die des 17. Jahrhunderts
geschrieben seien. Das Protokoll dieser Ermittelungen ist sowohl
von einem der Bibliothekare des Britischen Museums, Herrn
_Hamilton_, als von einem englischen Kritiker, _C. Mansfield
Ingelby_, in einem ausführlichen Werke „~A Complete View of
the Shakspeare-Controversy~“ publizirt worden.
Aus dem letztgedachten Werke ist zugleich ersichtlich, daß auch
die früheren Publicationen Payne-Colliers über Shakspeare zum
Theil gefälscht seien. Leider ist jedoch ein Theil der sogenannten
„Thatsachen aus Sh’s Leben,“ die P. C. ermittelt haben wollte, wie
z. B. seine wachsende Betheiligung bei den Theater-Unternehmungen
in London, bei dem Pagen-Unterricht am Hofe Jacob’s I. &c.
in alle neueren Lebensbeschreibungen des Dichters übergegangen,
und auch von deutschen Autoritäten sind sie noch in neuester Zeit
vielfach nacherzählt worden, so daß wir selbst in den besten
Biographieen des „Schwans vom Avon“ einen fast unentwirrbaren
Knäuel von Wahrheit und Dichtung vor uns haben.
Payne Collier’s Namen ist jedoch seitdem vollständig verschollen.
Er genießt zwar noch seine ihm vom Parlamente bewilligte Pension,
jedoch nirgends mehr die Achtung seiner Landsleute.
~24 Brompton Square
near London
Augst 21st. 1842.~
~_Sir_~
~I make no apology for addressing the following question to you.~
~Have you any information respecting any visit paid by Shakespeare
either to Italy or to any other part of the Continent?~
~It is stated in London that you possess some such information, and
as I am now engaged on an edition of Shakespeare’s Works, which will be
preceded by a new Life of the Poet, you will see at once how valuable
any fresh tidings would be to me.~
~If I understood your language half, or one quarter, as you have
proved that you understand mine, I should be better able to avail
myself of the valuable matter you have from time to time printed
regarding the biography and writings of our great dramatist.~
~I do not hesitate a moment in believing that should you have
obtained any such information, as that to which I have referred, you
will not object to communicate it to a person who has devoted his life
to understand a writer, whom it requires more than a life to comprehend
and appreciate. I am,~
~_Sir_,
with the greatest respect and most sincere
admiration your very obedient
Servant J. Payne Collier.~
~My friend Mr. H. C. Robinson desires me to present to you his best
compliments, and to add that he hopes to find you at Berlin, when he
visits Prussia next year.~
~_Adresse._
_Ludwig Tieck Esqre._
Berlin
By favour of his Excellency
the Chevalier Bunsen.~
=Collin, Matthäus von.=
Geb. zu Wien am 3. März 1779, gestorben daselbst am 23. November
1824. Er begann als Professor der Aesthetik, wie der Geschichte der
Philosophie, an der Universität Krakau, gelangte später an die
Wiener Hochschule, ward 1815 Lehrer des Herzogs von Reichstadt, und
redigirte erst die Wiener Literaturzeitung, von 1818 die Wiener
Jahrbücher der Literatur.
Seine dramatischen Dichtungen: der Tod Friedrichs des Streitbaren
-- Marius -- Bela’s Krieg mit dem Vater -- die feindlichen Söhne
-- Essex (eine Bearbeitung des alten Trauerspieles) -- und manche
andere sind längst vergessen. Sind es doch auch die seines
unstreitig höher stehenden Bruders _Heinrich_, dessen Mäon
-- Regulus u. a. wir noch vor fünfzig Jahren mit jugendlichem
Entzücken darstellen sahen! --
Nachstehende, an Tieck gerichtete Briefe zeigen den Menschen,
den Gelehrten, den Poeten, -- die Zeit -- und den Ort auf
unterrichtende Weise. In ihrer pedantischen selbstbewußten
Sicherheit schildern sie das alte Wien. Sie sind lehrreich für die
Literaturgeschichte. -- Wer doch auch Tieck’s Erwiederungen hätte!
I.
_Wien_, den 19ten May 1817.
_Verehrter Freund!_
Ich bin so frey Ihnen durch Herrn Büsching in Breßlau beyfolgende 4 B.
meiner dramatischen Dichtungen zu senden, und ersuche Sie dieselben
als ein Zeichen meiner Verehrung und Dankbarkeit betrachten zu wollen,
indem Sie, obgleich ich in ganz anderer Art arbeite, dennoch durch
Ihre Dichtungen seit früher Zeit mein Lehrer gewesen sind. Friedrich
den Streitbaren, den Sie im Manuscripte lasen, werden Sie hier sehr
verändert treffen, so auch Bela, den Sie aus der ersten Auflage
kennen. Ich hoffe, Sie befinden sich jetzt besser, als seit einiger
Zeit her, denn ich hörte, sie seyen fortwährend unpäßlich gewesen.
Ich bin jetzt nach Hof gekommen, und Erzieher des Prinzen von Parma
geworden, bin verheirathet, habe drey Kinder; kurz, Sie können sich
keinen vollständigeren Hausvater denken. Wie oft habe ich an jene
schöne Zeit zurück gedacht, wo ich das Glück hatte, Sie, den ich
bis dahin nur aus Entfernung verehrt hatte, persönlich kennen zu
lernen! mein guter Bruder ist uns seitdem vorausgegangen; Ihre nähere
Bekanntschaft war für ihn von den fruchtreichsten Folgen gewesen. Wie
sehr er Sie ehrte, habe ich in dessen Lebensbeschreibung, die dem
letzten Bande seiner Werke beygefügt ist, klar genug dargestellt. Ich
werde, so wie ich eine schickliche Gelegenheit finde, Ihnen, da ich
einige besondere Abdrücke der Biographie machen ließ, ein Exemplar
zuschicken, da ich hoffe, es werde Sie diese Biographie wegen so
mancher darinn entwickelten Eigenheiten Wiens und des hiesigen Lebens
interessiren. Wenn Sie sich noch an das, was ich zwar bezweifle,
erinnern sollten, was Sie mir über Fried. den Streitbaren und Bela
bemerkten, so werden Sie finden, daß ich, so viel es mir möglich war,
Ihre Bemerkungen benützte. Ich habe eigentlich die Absicht bey meinen,
vaterländischen Stoff enthaltenden dramatischen Arbeiten ein größeres
in sich zusammenhängendes Werk von 10 bis 12 Schauspielen zu bilden,
welche die Zeit Leopold des Glorreichen und Friedrich des Streitbaren
bis zur Herankunft Rudolfs von Habsburg umfassen sollen. Ich lasse
aber für jetzt diese Schauspiele außer der Ordnung drucken, weil ich
vorerst bemerkbar machen will, daß jedes ein für sich bestehendes in
sich abgeschloßnes Ganzes sey. Ich ersuche Sie recht sehr, Ihrer
Abneigung gegen Briefe-Schreiben ungeachtet, mir Ihre Bemerkungen ohne
Umschweife mitzutheilen, und mich auf dasjenige aufmerksam zu machen,
was ich nach Ihrer Meynung etwa versäumt oder verfehlt haben könnte.
Sie kennen mich hinlänglich, um zu glauben, daß ich dieß Ersuchen, in
ganz reiner Absicht an Sie stelle; nur bitte ich dieß eine gegenwärtig
zu halten, daß der eine Theil der Geschichte, den ich bearbeite, es
erfordert, der Leidenschaftlichkeit einzelner Charaktere nur geringen
Raum zu gönnen, und alles mehr im Gleichgewichte des Gefühls zu halten,
als z. B. Shakespeare gethan hat. Auch werden einige mit eingeflochtene
ritterliche Lustspiele, wenn das Ganze vollendet seyn wird, den
Charakter des Ganzen außer allen Zweifel stellen. Von dem, was bis
jetzt gedruckt ist, sind die Schauspiele im 3. Bande das erste oder
früheste: es wird aber auch der Herr Kaspar von Rastenberg mit dessen
traurigen Küchenbegebenheiten, die Sie im Manuscripte lasen, freylich
überarbeitet, in der Sammlung erscheinen.
Wenn Sie jetzt wieder nach Wien kämen, würden Sie es gar sehr, und
ich glaube nicht zu seinem Vortheile verändert finden. Diese letzten
Kriege haben den Volkscharacter gleichsam sich selbst entwandt, und
ihm ganz fremdartige Eigenheiten aufgeprägt. So strebt auch z. B.
das Leopoldstädter Theater jetzt nach Bildung, und kaum vermag das
entschiedene Talent einiger Komiker die alte Weise jener Bühne noch
einigermaßen dort festzuhalten. Die alte Treue, wenn sie auch hin und
wieder noch dieselbe ist, hat doch ein anderes Gesicht angenommen, und
schämt sich der ehemaligen Einfalt. Uebrigens ist jetzt bey uns die
Zeit eingetreten, wo auch der Bürger die Kunst Geld zu machen für die
edelste der Künste hält. Mit Poesie beschäftiget man sich mehr als
sonst; aber ich glaube gar nicht, daß dieß wie ein gutes Zeichen zu
betrachten sey, da der Oesterreicher weit mehr für ein poetisches Leben
als für Kunstbetrachtungen geschaffen ist; ich glaube dadurch meinen
Landesleuten und mir selbst keineswegs etwas nachtheiliges zu bezeugen,
sondern will nur sagen, daß dieses Haften an den Kunstproducten, dieß
Umkehren und Wenden und Bekritteln uns ganz fremd sey.
Ich habe jetzt den Fortunat mit sehr großem Vergnügen gelesen, und
insbesondere die große Kunst bewundert, mit der Sie einen dramatischen
Zusammenhang in diesen höchst schwierigen Stof zu bringen gewußt
haben. Ich glaube aber es wäre besser gewesen, drey Theile statt zwey
zu bilden, so daß der erste mit der Vermählung Fortunats aufhörte,
der dritte aber mit der Reise Andalosia’s anfinge. Wenn etwa im 4t.
Band das Donauweibchen kömmt, will ich mich im Voraus als einen
glücklichen Menschen betrachten, wenn ich mir die Stunden vorstelle,
wo ich dieß Stück lesen werde; denn ich kann an die Bruchstücke, die
sie uns vorlasen, nie ohne Begeisterung denken. Man hat jetzt Hoffnung
Nebenbey besuch ich noch die hiesigen Spitäler, und sorge für einzelne
Bedürfniße, ich hoffe die Sache geht schnell zu Ende, dann werd ich
wieder nach Belgien oder nach den Ardennen gehn. Gott hat Großes für
uns gethan, der Mensch weiß aber immer Gottes Werk zu zerstückeln, mir
ahnt wenig Gutes davon daß Frankreich unbewacht bleibt, und dennoch
ist es vielleicht das geringste Uebel von Beiden, daß unser Herzblut
noch einmahl fließt, oder daß die Truppen in Frankreich sittenlos
und ruchlos werden. Ich bin innerlich überzeugt daß der Feldzug mit
nächstem Frühjahr wieder eröffnet wird. Wie sehr unsre Opfer von
Fleurus Wavre und Waterloo Hülfe und Unterstützung bedürfen, das darf
ich Ihnen wohl sagen, da Sie so treu und liebreich gesammelt haben,
rein ausgeplündert liegen sie da mit zerschmetterten Gliedern, in
schwerer Eiterung, bey erträglicher Kost und Reinlichkeit, jedoch auf
Strohsäcken, und in diesem oder jenem Lazareth, mehr oder minder gut
gepflegt und gestärkt. Laßen Sie mich es Ihnen mit glühendem Schmerz
sagen daß Viele hätten können gerettet werden wenn die Behandlung
weiser, die Pflege freygebiger war! -- Nur, wie ich mich überzeugt
habe Deutz, Düsseldorff, Aachen, und wie man mir gesagt Loewen, sind
die Orte, wo ein mütterlicher Geist der Pflege herrschte, und wo die
Menschen gerettet worden. Hier ist es leidlich, aber durchaus kein
Sinn für individuelle Noth, sondern nur ein eiffriges Aufspeichern,
welches bey den jetzigen Aussichten auf den nächsten Feldzug sein
Gutes haben kann. Ich selbst habe bey den vielen Bosheiten mit denen
ich kämpfe unendlich viel Süßes im Lindern und Helfen gefunden, und
bin getrost in Gott, der mir in dem schweren Stand gegen fühllose
Ruchlosigkeit helfen wird. Meine ganze Seele ist so tief getränkt vom
Kelch des Jammers, der über diese leidende, hinschmachtende hinfaulende
Jugend ausgegoßen ist, daß ich jetzt für nichts Anders Sinn habe, sonst
könnt ich Ihnen viel von unschätzbaren Ueberbleibseln aus der ältesten
teutschen Zeit sagen, welche ich hir bei Freyherrn von Mehring, bei
Fochem und Lievemberg angetroffen, insbesondre bey dem Ersten. Unser
Isidorus hat mir lange nicht geschrieben, ich ihm lange nicht, denn ich
gehöre nichts Erfreuendem mehr, bis mein Werk vollbracht ist. Sagen
Sie, edler Tieck den edeln Geberinnen meinen gerührtesten Dank, sie
müßen sich aber mit dem Werke noch gedulden, denn unmöglich kann ich
jetzt schon mich damit beschäftigen, da auch noch täglich Subskription
eingeht. Der Ertrag ist bis jetzt etwas über 1600 Thaler, von denen
zwey Drittheile verwandt sind. Seyn Sie fest überzeugt, daß ich
unmittelbar nach vollbrachter That das verheißene Werk seines edeln
Berufs würdig auszustatten hoffe, und dann nicht damit säumen werde.
Es ist von der Huld und Theilnahme unsrer edelsten und höchsten Frauen
begabt. Nun Gott mit Ihnen, der Sie _sein_ Dichter sind! Er
erfreue Sie, wie Sie mich erfreuten! Ihr Entzücken sey dem gleich, das
von Ihrem Genius ausgeht!
_Wilhelmine Chezy_.
II.
17. Dez. 1816 _Berlin_.
Es gehört einige Dreistigkeit zu, nach so langem Schweigen zum
erstenmahl wieder mit einer Bitte zu erscheinen, und doch sündige
ich auf das Bewußtseyn Ihrer Güte hin, und komme bittend, liebend
und glaubend, weil der Größe des Genius die des Gemüths nicht leicht
nachsteht, ich komme Ihnen, verehrter Tieck die Angelegenheit meines
Freundes Gubitz an das Herz zu legen, und Ihnen zugleich Nachricht von
der _nahen_ Erscheinung meines Werkes zu geben, und Sie vorläufig
mit dem Innhalt bekannt zu machen. Da ich von meinen bisherigen
Arbeiten abgeschnitten lebe, habe ich dies Werk ganz aus meiner
Stimmung in dieser Zeit hervorrufen müßen, um die wachsende Ungeduld
der Unterschreibenden zu befriedigen. Es enthält viele Gedichte, ein
kleines Lustspiel in Versen, und eine romantische Geschichte, welche
ich die _Mahnung unsrer Zeit_ nenne. Unter den Gedichten ist viel
Lyrisches, und manche Romanze, Legende und Volkssage, die der _drey
Schwäne_ nach Gottschalk ist eine der gelungensten. Einige Blätter,
überschrieben _aus meinem innern Leben_ habe ich aus Briefen von
1814 an einen Freund genommen und habe überhaupt das Ganze der Arbeiten
in Prosa aus der frischesten Zeit gegriffen. Ich hoffe das freundliche
Zutrauen der Theilnahme nicht getäuscht zu sehn. Das Manuskript wird
jetzt abgeschrieben, und geht dann sogleich an Engelmann in Heidelberg
ab, der den Druck schön und schnell, und die Versendung pünktlich
besorgen wird, das Lustspiel: _Rembrand’s Todt_ dichtete ich
1813, hab es bis jetzt ruhig liegen laßen, und kann es zum Glück in
Heidelberg aus einem Fach meines Büreaus nehmen und drucken laßen,
denn ich kann mich nicht entschließen, die Fülle meiner Papiere der
Post zu vertrauen, und dem Zufall des Fortschickens Preis zu geben,
und überdem sehn ich mich nach meinen grünen Bergen zurück. Hier ist
kein poetisches Leben, die südteutsche Gegend hat, wenn nicht immer in
den Menschen, doch in Quell Blume Epheu Trümmer und Bergen die Poesie,
hier fehlts an Menschen und an der Natur zugleich. Freylich ist mir das
Leben schaal geworden seit ich von Friedrich und Dorotheen getrennt
bin, wenn gleich auch dies noch nicht ganz das Rechte war, weil ich
selbst damahls erst hätte anders seyn müßen.
Meine Rechtsangelegenheit, von welcher Sie, Verehrter Freund! in
öffentlichen Blättern manches gelesen haben werden, scheint ihrem
seligen Ende zu nahen. Es scheint stark dahin gearbeitet zu werden,
daß sie zerrinne: ~as water is in water~. Was läßt sich dazu thun?
Ich habe in der ganzen Angelegenheit unaussprechlich gelitten, und die
Erfahrungen auf dieser Laufbahn hatten mich so abgelöst vom Leben daß
es einer solchen Anregung bedurfte als die der Ehre und Rechtlichkeit,
um noch dichten und so mein Wort lösen zu können. Es liegt etwas
Süßes in meinem heißen Sehnen nach Ruh. Bis zum Weinen schweben mir
meine grünen Berge vor Augen, und als ich nach Heidelberg schrieb, um
meine Abreise nach Berlin, und die mir zugefügten Abscheulichkeiten
zu melden, war meine ganze Klage das Eine Wort: ich werde dies Jahr
die Mandeln nicht blühen sehen! Wer weis, „wann ich sie wieder blühen
sehe!“ In Bouchers Treibhause haben sie nichts für mich! Ich weiß nicht
ob Sie schon von unserm Bauern _Johann Adam Müller_ erfahren,
der hier unerwartet angekommen, und neuen Krieg geweissagt? Ich kenne
den redlichen Mann, und mir ist noch unvergeßen, wie er am 14. Dez.
1814 nach Heidelberg kam uns Napoleons nahe Landung und den Krieg im
Frühjahr zu verkünden, welche der Geist ihm offenbart. Ich habe Müller
diesmahl einen Mittag und Abend bey mir gesehn, und eine kleine Auswahl
meiner liebsten Freunde und Freundinnen um ihn her vereinigt. Die
Rührung und Anerkennung des Kreises sind mir unvergeßlich, denn dieser
schlichte treuherzige Mann, so ganz Natur und Reinheit, so ruhig, so
still beseeligt im Bewußtseyn der göttlichen Einwirkung erinnert immer
an Schillers Ausspruch:
_Das findet in Einfalt ein kindlich Gemüth._
Dies Zeichen, daß sich Gott der Welt wiederum unmittelbar naht,
das seit neun Jahren sich schon in den Erscheinungen dieses Mannes
bewährt, der Zeitlebens nur rechtlich, fromm und einfach war, rührt
und beseeligt mich, und giebt allen meinen Gedanken ein neues Leben.
Ich habe immer nur die Kunst für göttliche Offenbarung und Eingebung
gehalten, und alles künstlerische Streben nur für den Drang die Nebel
zu zerstreuen, die das innere Auge umziehn. Welch ein Trost wenn die
göttliche Offenbarung in das Leben tritt, und es uns vergönnt ist, in
die Zukunft zu schauen, um unser Herz vorzubereiten, auf künftiges,
nahes, unerläßliches Weh. Die Mächtigen haben nicht für die Beruhigung
der Völker gearbeitet, keine Treu ist belohnt, kein Opfer anerkannt
worden, unser reinstes Herzblut ist vergebens gefloßen. Wie könnt’ es
denn so bleiben? Doch vielleicht sind Ihnen Müllers neue Weißagungen
noch nicht bekannt, ich gebe sie Ihnen treu aus seinem Munde:
Eh die Baumblüthe aufbricht beginnt der Krieg, er endigt noch im May.
Wiederum werden es die Preußen ausfechten. N. kommt fort, im Süden von
Frankreich bricht die Empörung aus, in Frankreich ist der Krieg, dort
findet Napoleon sein Grab in der dritten unermeßlich blutigen Schlacht.
Frankreich wird in drey Stück getheilt. Einen der wichtigsten Punkte
der Offenbarung will Müller nur dem König sagen, den er noch nicht
gesehn. Mein ganzes Gemüth wird tief von seiner Ruhe erschüttert, mit
welcher er ausspricht: _Das hab ich gesehen_. Meine Freundinnen
wendeten sich weg, und weinten, es sind fromme sehr in Einklang
ausgebildete Frauen und Mädchen. Der begeisterte Blick, und die milde
Gemüthlichkeit dieses Mannes werden selbst von herzlosen Spöttern
geachtet. Wenn ich mich selbst noch gegen einen festen Glauben an die
Wahrheit seiner Gesichte waffne, so mag ich doch nicht zweifeln. Daß
es ihm selbst heiliger Ernst ist, darüber ist kein Zweifel mehr, doch
halten ihn noch Viele für getäuscht. Die Zeit wird aufklären, ob Gott
uns wiederum, wie in der Vorzeit unmittelbarer Annäherung würdigt,
und dadurch die Seelen wecken und sich zuwenden will! Dieser heiße
Wunsch macht mich geneigter zum Glauben an die wahrhafft göttliche
Sendung dieses Mannes, als die Thatsachen selbst, die bereits dafür
zeugen. Ich habe mein Selbst der Zeit geweyhet, alles Eigne streb ich
zu vernichten, daß jeder Pulsschlag dem Ganzen angehöre, mich schmerzt
nur das Elend der Völker, mich kann nur das erfreuen, was ich noch
Gutes vermag, und mit heißen Thränen bitt ich oft den Herrn daß er die
Menschen an sich ziehe, damit ein Jeder sein Ich vernichte, und in
himmlischer Liebe wiedergeboren werde. Von dem Allen habe ich Ihren
Schrifften, vornähmlich der Genoveva sehr viel zu danken, und dem
Sternbald. Die ersten Stimmen klangen daraus in mein Herz, und der
Grundton, den sie geweckt klingt nun durchs Leben fort. Gute Nacht!
geben Sie mir ein freundliches Zeichen, ich sehne mich längst schon
danach.
Thiergarten No. 50.
_Helmine_.
III.
_Berlin_ d. 6. Merz 1817.
_Verehrter Freund!_
Es ist wohl nur Scherz, daß Sie in meinem Brief den Wunsch ausgedrückt
gefunden, Sie möchten Antheil an dem Gesellschafter nehmen? Oder es
ist ein Mißverständniß, denn ich habe Gubitz zu einem wohlthätigen
Zweck eine Novelle gegeben, die ich selbst liebte, und zum Theil
nach Calderon gearbeitet habe, nach ~el Conde Lucanor~; zu
_diesem_ Zweck glaubte ich Sie von Gubitz eingeladen, und legte
ein Vorwort ein. Was Zeitschrifts Artikel, welche es sey, betrifft,
so würde mir das nicht ein gleiches Interesse eingeflößt haben,
wenn gleich Gubitz in der Seinigen von Arnim, u. m. A. freundlich
unterstützt wird, und herzlich zu wünschen scheint ihr einen
bleibenden Werth zu geben. Nun zum Wichtigsten! Ich werde vor Anfang
May Berlin schwerlich verlaßen, weiß aber dann noch nicht bestimmt wo
ich seyn werde. Ich liebe hier die Natur nicht, die rauhe Luft ist mir
ungesund, das Leben wird Einem hier nicht leicht, wie im Süden, allein
ich möchte gern Pommern und Rügen und Schlesien einmahl bereisen, und
vor Allem der Heymath nicht mehr so fern wieder seyn, denn es ist doch
ein liebes Band an das Leben. Ich glaube also nicht daß ich, wenn ich
nach Heidelberg gehe, länger als bis künftigen Winter dort bleibe, und
in _Dresden_ suchen werde meine Kinder auszubilden. Wilhelm neigt
entschieden zur Malerey, Max entschieden zur Musik, beyde sind geborne
Dichter, das sind mir liebliche Sterne der Zukunft, vor Allen lieb ist
mir die innere ungetrübte Unschuld, die Glaubenskraft und Wahrheit der
Natur dieser Kinder. So darf ich denn hoffen Sie hier im April und im
August in Heidelberg zu sehen, wo ich vermuthlich seyn werde! --
Ich darf hoffen, daß mein Werk Ihnen eine wahrhaffte Freude machen
wird. Ich könnte es nun längst abgesendet haben, doch fürchte ich mich
es der Post zu vertrauen, da es noch nicht abgeschrieben, und ich
selten oder nie Koncepte mache. Auf jeden Fall kommt es dann rasch
in die Hände der Theilnehmenden. Müllers Leben ist so einfach und
gottgefällig, daß man ihn lieben muß, wenn man ihn kennt, sicher bedarf
ich seiner nicht zum _Glauben_, nur würde es mir lieb seyn, wenn
sich Gott wieder unmittelbarer als bisher durch wunderbare Zeichen der
Welt nähern wollte, wie wohl sonst geschah. Ihr Freund Schelver hat den
Müller auch lieb. Sollte das Schicksal Müller ein ~démenti~ geben,
so behielten wir ja den Frieden, nach dem die Welt seufzt, die Welt
sieht mir aber gar nicht friedlich aus! -- Loebens Hesperiden gedenk
ich selbst fortzusetzen, sie enthalten bis jetzt viel Schönes, ich
finde aber daß er seine Sache nicht geschickt angefangen. Die Fantasie
über die Zahlen ist nicht anziehend, das Theegespräch u. A. gefällt
mir nicht, er mußte aus einem schönen Vorrath vom Schönsten sogleich
geben, ich weiß auch gar nicht warum und wie er von seinen früheren
Gedanken abgekommen, das Buch mit mir herauszugeben, und ihm so unsre
Freunde alle zu gewinnen? Ich bin noch nicht so glücklich gewesen Ihre
neusten Werke zu lesen, freue mich ganz unaussprechlich darauf. In den
~Old Plays~ habe ich den ~Fortunat~ mit wahrem Vergnügen
gelesen, ist er Ihnen bekannt? In Heidelberg hoffe ich viel von den
zurückgekommenen Manuskripten. Wie mit Bleigewichten bin ich seit 2
verhängnißvollen Jahren dergestalt in das Praktische hineingezogen, daß
ich sogar aus mir selbst Novellen, Erzählungen und Romane schreiben
kann, ich konnt es ehedem nicht, jetzt aber bedarf ich wieder Natur
und Einsamkeit, und sehne mich herzlich danach, um eine Ueberfülle von
Bildern zur Ruh und Klarheit zu bringen, und sie der Welt zu geben.
Sie nur zu sehen, würde mich fast betrüben, denn was ich in Ihren
Schöpfungen liebe ist nicht der irdische Reiz der sie schmückt, sondern
der himmlische Quell, aus welchem dieser hervorgeht.
=Collier, John Payne[9].=
Geboren 1789, hat P. C. seine literarische Laufbahn als
Zeitungsschreiber, und zwar als Mitarbeiter der Londoner Morning
Chronicle, begonnen.
Im Jahre 1820 gab er einen „poetischen Decamerone“ heraus.
Als Literarhistoriker machte er sich zuerst dadurch bekannt, daß
er in den Jahren 1825-28 die von Dodsley früher gesammelten und
herausgegebenen „alten Dramen“ (~Old Plays~) neu edirte.
Es war ihm bei dieser Gelegenheit gelungen, eilf bisher noch
nicht bekannte, alte Stücke, zum Theil aus der Zeit Shakspeare’s
aufzufinden und zu publiziren.
Im Jahre 1831 gab er eine „Geschichte der dramatischen Poesie“
heraus, welche ihm die Gönnerschaft des Herzogs von Devonshire
und anderer mäcenatischen Lords verschaffte, deren reiche Bücher-
und Handschriften-Sammlungen ihm fortan zur Verfügung standen.
Hier (in der Bibliothek des Lord Ellesmere) fand er angeblich die
interessanten, handschriftlichen Erinnerungen an Shakspeare und
dessen Schauspieler-Gesellschaft, die er 1835 in dem Buche „Neue
Thatsachen Shakspeare’s Leben betreffend“ (~New facts regarding
the Life of Shakspeare~) verwerthete. Diesen „Thatsachen“ folgten
im Jahre 1836 „~New Particulars~“ (neue Einzelheiten) und im Jahre
1839 „~Further Particulars~“ (Weitere &c.) aus dem Leben des
großen dramatischen Dichters. Nachdem er 1842-44 mit Hilfe seiner
zwanzigjährigen Studien Shakspeare’s eine neue Ausgabe von dessen
Werken besorgt und herausgegeben hatte, wurde ihm vom Parlament
eine jährliche Pension von 100 Pfd. Sterl. bewilligt und ward er
zum Vicepräsidenten der Archäologischen Gesellschaft (~Society of
Antiquaries~) ernannt.
Bemerkenswerth ist auch noch eine von ihm im Jahre 1846
herausgegebene Sammlung von „Denkwürdigkeiten der vornehmsten
Schauspieler, die in Shakspeare’s Stücken mitgewirkt.“
Am meisten bekannt gemacht, wiewohl leider in einem unrühmlichen
Sinne, hat sich aber Payne Collier durch seine im Jahre 1852
erschienenen:
„~Notes and Emendations to the text of Shakspeare’s Plays, from
early manuscript corrections in a copy of the Folio, 1662, in the
possession of J. Payne Collier.~“
In diesem Buche werden über fünfzehnhundert wichtige Correkturen
des Shakspeare’schen Textes mitgetheilt, die der Herausgeber
in einem zufällig in seinen Besitz gekommenen Exemplare der
Folio-Ausgabe des Dichters von 1632 gefunden haben wollte, und zwar
war als dieser „_alte Korrektor_“ ein gewißer Thomas Perkins
bezeichnet, der zur Zeit Shakspeare’s bereits gelebt und seine
Verbesserungen zum Theil nach eigener besserer Kenntniß des Textes
und zum Theil nach Mittheilungen gemacht haben sollte, welche ihm
von Schauspielern der Shakspeare-Aera gemacht worden waren.
In England wurde von P. C. selbst eine neue Ausgabe Shakspeare’s
mit den Emendationen des alten Correktors veranstaltet, und in
Deutschland fanden sich gleichzeitig zwei Uebersetzer „des wichtigen
Ergänzungsbandes zu allen Uebersetzungen Sh’s“ in den Herren
_Julius Frese_ und _F. A. Leo_.
In England und in Deutschland wurden zwar sofort sehr gewichtige
Zweifel an der Echtheit und Einwendungen gegen die Richtigkeit der
gedachten Korrekturen erhoben: in England durch _Knight_,
_Singer_ und _Dyce_, und in Deutschland (1853) durch
_Nicolaus Delius_, den Herausgeber der vortrefflichen
deutschen Ausgabe von Shakspeare’s Werken in englischer Sprache.
Das Publikum ließ sich jedoch sechs bis sieben Jahre lang durch
die Autorität Colliers täuschen und kaufte seinen verballhornten
Shakspeare, bis endlich im Jahre 1859 die Kontroverse, die sich
in England und Deutschland erhoben hatte, durch eine gründliche
Untersuchung der berufensten Sachverständigen entschieden wurde,
an deren Spitze Sir Frederick Madden Oberaufseher der Manuscripte
des britischen Museums stand und denen sich die gelehrten Archivare
Englands, die Beamten des ~Master of the Rolls~, angeschlossen
hatten.
Diese Untersuchung an dem sogenannten ~Perkins-Folio~ selbst,
das inzwischen durch P. Collier für hohen Preis an den Herzog
von Devonshire verkauft worden war, hat ergeben, daß sämmtliche
Korrekturen in diesem alten Buche eine neuere Fabrication seien.
Man entdeckte, daß Jemand mit Bleistift sämmtliche Korrekturen
vorgezeichnet hatte, worauf sie dann mit Dinte in einer englischen
Fracturschrift des siebzehnten Jahrhunderts _übermalt_ worden.
Man ermittelte, daß die Bleistift-Vorzeichnungen von P. Colliers
Handschrift, daß an einzelnen Stellen die Korrekturen wieder
_ausgewaschen_ waren, und daß die Worte „~Thomas Perkins
his booke~,“ die auf dem Deckel des Buches stehen, in einer
ganz anderen, neueren Handschrift als die des 17. Jahrhunderts
geschrieben seien. Das Protokoll dieser Ermittelungen ist sowohl
von einem der Bibliothekare des Britischen Museums, Herrn
_Hamilton_, als von einem englischen Kritiker, _C. Mansfield
Ingelby_, in einem ausführlichen Werke „~A Complete View of
the Shakspeare-Controversy~“ publizirt worden.
Aus dem letztgedachten Werke ist zugleich ersichtlich, daß auch
die früheren Publicationen Payne-Colliers über Shakspeare zum
Theil gefälscht seien. Leider ist jedoch ein Theil der sogenannten
„Thatsachen aus Sh’s Leben,“ die P. C. ermittelt haben wollte, wie
z. B. seine wachsende Betheiligung bei den Theater-Unternehmungen
in London, bei dem Pagen-Unterricht am Hofe Jacob’s I. &c.
in alle neueren Lebensbeschreibungen des Dichters übergegangen,
und auch von deutschen Autoritäten sind sie noch in neuester Zeit
vielfach nacherzählt worden, so daß wir selbst in den besten
Biographieen des „Schwans vom Avon“ einen fast unentwirrbaren
Knäuel von Wahrheit und Dichtung vor uns haben.
Payne Collier’s Namen ist jedoch seitdem vollständig verschollen.
Er genießt zwar noch seine ihm vom Parlamente bewilligte Pension,
jedoch nirgends mehr die Achtung seiner Landsleute.
~24 Brompton Square
near London
Augst 21st. 1842.~
~_Sir_~
~I make no apology for addressing the following question to you.~
~Have you any information respecting any visit paid by Shakespeare
either to Italy or to any other part of the Continent?~
~It is stated in London that you possess some such information, and
as I am now engaged on an edition of Shakespeare’s Works, which will be
preceded by a new Life of the Poet, you will see at once how valuable
any fresh tidings would be to me.~
~If I understood your language half, or one quarter, as you have
proved that you understand mine, I should be better able to avail
myself of the valuable matter you have from time to time printed
regarding the biography and writings of our great dramatist.~
~I do not hesitate a moment in believing that should you have
obtained any such information, as that to which I have referred, you
will not object to communicate it to a person who has devoted his life
to understand a writer, whom it requires more than a life to comprehend
and appreciate. I am,~
~_Sir_,
with the greatest respect and most sincere
admiration your very obedient
Servant J. Payne Collier.~
~My friend Mr. H. C. Robinson desires me to present to you his best
compliments, and to add that he hopes to find you at Berlin, when he
visits Prussia next year.~
~_Adresse._
_Ludwig Tieck Esqre._
Berlin
By favour of his Excellency
the Chevalier Bunsen.~
=Collin, Matthäus von.=
Geb. zu Wien am 3. März 1779, gestorben daselbst am 23. November
1824. Er begann als Professor der Aesthetik, wie der Geschichte der
Philosophie, an der Universität Krakau, gelangte später an die
Wiener Hochschule, ward 1815 Lehrer des Herzogs von Reichstadt, und
redigirte erst die Wiener Literaturzeitung, von 1818 die Wiener
Jahrbücher der Literatur.
Seine dramatischen Dichtungen: der Tod Friedrichs des Streitbaren
-- Marius -- Bela’s Krieg mit dem Vater -- die feindlichen Söhne
-- Essex (eine Bearbeitung des alten Trauerspieles) -- und manche
andere sind längst vergessen. Sind es doch auch die seines
unstreitig höher stehenden Bruders _Heinrich_, dessen Mäon
-- Regulus u. a. wir noch vor fünfzig Jahren mit jugendlichem
Entzücken darstellen sahen! --
Nachstehende, an Tieck gerichtete Briefe zeigen den Menschen,
den Gelehrten, den Poeten, -- die Zeit -- und den Ort auf
unterrichtende Weise. In ihrer pedantischen selbstbewußten
Sicherheit schildern sie das alte Wien. Sie sind lehrreich für die
Literaturgeschichte. -- Wer doch auch Tieck’s Erwiederungen hätte!
I.
_Wien_, den 19ten May 1817.
_Verehrter Freund!_
Ich bin so frey Ihnen durch Herrn Büsching in Breßlau beyfolgende 4 B.
meiner dramatischen Dichtungen zu senden, und ersuche Sie dieselben
als ein Zeichen meiner Verehrung und Dankbarkeit betrachten zu wollen,
indem Sie, obgleich ich in ganz anderer Art arbeite, dennoch durch
Ihre Dichtungen seit früher Zeit mein Lehrer gewesen sind. Friedrich
den Streitbaren, den Sie im Manuscripte lasen, werden Sie hier sehr
verändert treffen, so auch Bela, den Sie aus der ersten Auflage
kennen. Ich hoffe, Sie befinden sich jetzt besser, als seit einiger
Zeit her, denn ich hörte, sie seyen fortwährend unpäßlich gewesen.
Ich bin jetzt nach Hof gekommen, und Erzieher des Prinzen von Parma
geworden, bin verheirathet, habe drey Kinder; kurz, Sie können sich
keinen vollständigeren Hausvater denken. Wie oft habe ich an jene
schöne Zeit zurück gedacht, wo ich das Glück hatte, Sie, den ich
bis dahin nur aus Entfernung verehrt hatte, persönlich kennen zu
lernen! mein guter Bruder ist uns seitdem vorausgegangen; Ihre nähere
Bekanntschaft war für ihn von den fruchtreichsten Folgen gewesen. Wie
sehr er Sie ehrte, habe ich in dessen Lebensbeschreibung, die dem
letzten Bande seiner Werke beygefügt ist, klar genug dargestellt. Ich
werde, so wie ich eine schickliche Gelegenheit finde, Ihnen, da ich
einige besondere Abdrücke der Biographie machen ließ, ein Exemplar
zuschicken, da ich hoffe, es werde Sie diese Biographie wegen so
mancher darinn entwickelten Eigenheiten Wiens und des hiesigen Lebens
interessiren. Wenn Sie sich noch an das, was ich zwar bezweifle,
erinnern sollten, was Sie mir über Fried. den Streitbaren und Bela
bemerkten, so werden Sie finden, daß ich, so viel es mir möglich war,
Ihre Bemerkungen benützte. Ich habe eigentlich die Absicht bey meinen,
vaterländischen Stoff enthaltenden dramatischen Arbeiten ein größeres
in sich zusammenhängendes Werk von 10 bis 12 Schauspielen zu bilden,
welche die Zeit Leopold des Glorreichen und Friedrich des Streitbaren
bis zur Herankunft Rudolfs von Habsburg umfassen sollen. Ich lasse
aber für jetzt diese Schauspiele außer der Ordnung drucken, weil ich
vorerst bemerkbar machen will, daß jedes ein für sich bestehendes in
sich abgeschloßnes Ganzes sey. Ich ersuche Sie recht sehr, Ihrer
Abneigung gegen Briefe-Schreiben ungeachtet, mir Ihre Bemerkungen ohne
Umschweife mitzutheilen, und mich auf dasjenige aufmerksam zu machen,
was ich nach Ihrer Meynung etwa versäumt oder verfehlt haben könnte.
Sie kennen mich hinlänglich, um zu glauben, daß ich dieß Ersuchen, in
ganz reiner Absicht an Sie stelle; nur bitte ich dieß eine gegenwärtig
zu halten, daß der eine Theil der Geschichte, den ich bearbeite, es
erfordert, der Leidenschaftlichkeit einzelner Charaktere nur geringen
Raum zu gönnen, und alles mehr im Gleichgewichte des Gefühls zu halten,
als z. B. Shakespeare gethan hat. Auch werden einige mit eingeflochtene
ritterliche Lustspiele, wenn das Ganze vollendet seyn wird, den
Charakter des Ganzen außer allen Zweifel stellen. Von dem, was bis
jetzt gedruckt ist, sind die Schauspiele im 3. Bande das erste oder
früheste: es wird aber auch der Herr Kaspar von Rastenberg mit dessen
traurigen Küchenbegebenheiten, die Sie im Manuscripte lasen, freylich
überarbeitet, in der Sammlung erscheinen.
Wenn Sie jetzt wieder nach Wien kämen, würden Sie es gar sehr, und
ich glaube nicht zu seinem Vortheile verändert finden. Diese letzten
Kriege haben den Volkscharacter gleichsam sich selbst entwandt, und
ihm ganz fremdartige Eigenheiten aufgeprägt. So strebt auch z. B.
das Leopoldstädter Theater jetzt nach Bildung, und kaum vermag das
entschiedene Talent einiger Komiker die alte Weise jener Bühne noch
einigermaßen dort festzuhalten. Die alte Treue, wenn sie auch hin und
wieder noch dieselbe ist, hat doch ein anderes Gesicht angenommen, und
schämt sich der ehemaligen Einfalt. Uebrigens ist jetzt bey uns die
Zeit eingetreten, wo auch der Bürger die Kunst Geld zu machen für die
edelste der Künste hält. Mit Poesie beschäftiget man sich mehr als
sonst; aber ich glaube gar nicht, daß dieß wie ein gutes Zeichen zu
betrachten sey, da der Oesterreicher weit mehr für ein poetisches Leben
als für Kunstbetrachtungen geschaffen ist; ich glaube dadurch meinen
Landesleuten und mir selbst keineswegs etwas nachtheiliges zu bezeugen,
sondern will nur sagen, daß dieses Haften an den Kunstproducten, dieß
Umkehren und Wenden und Bekritteln uns ganz fremd sey.
Ich habe jetzt den Fortunat mit sehr großem Vergnügen gelesen, und
insbesondere die große Kunst bewundert, mit der Sie einen dramatischen
Zusammenhang in diesen höchst schwierigen Stof zu bringen gewußt
haben. Ich glaube aber es wäre besser gewesen, drey Theile statt zwey
zu bilden, so daß der erste mit der Vermählung Fortunats aufhörte,
der dritte aber mit der Reise Andalosia’s anfinge. Wenn etwa im 4t.
Band das Donauweibchen kömmt, will ich mich im Voraus als einen
glücklichen Menschen betrachten, wenn ich mir die Stunden vorstelle,
wo ich dieß Stück lesen werde; denn ich kann an die Bruchstücke, die
sie uns vorlasen, nie ohne Begeisterung denken. Man hat jetzt Hoffnung
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