Beobachtungen über das Gefühl des Schönen und Erhabenen - 3

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von sehr zärtlicher Empfindung in Ansehung der mindesten Beleidigung,
und überaus fein, den geringsten Mangel der Aufmerksamkeit und Achtung
gegen sie zu bemerken. Kurz, sie enthalten in der menschlichen Natur
den Hauptgrund der Abstechung der schönen Eigenschaften mit den
edelen, und verfeinern selbst das männliche Geschlecht.
Man wird mir hoffentlich die Herzählung der männlichen Eigenschaften,
insofern sie jenen parallel sind, schenken und sich befriedigen, beide
nur in der Gegeneinanderhaltung zu betrachten. Das schöne Geschlecht
hat ebensowohl Verstand als das männliche, nur es ist ein _schöner
Verstand_, der unsrige soll ein _tiefer Verstand_ sein, welches ein
Ausdruck ist, der einerlei mit dem Erhabenen bedeutet.
Zur Schönheit aller Handlungen gehört vornehmlich, daß sie
Leichtigkeit an sich zeigen und ohne peinliche Bemühung
scheinen vollzogen zu werden; dagegen Bestrebungen und überwundene
Schwierigkeiten Bewunderung erregen und zum Erhabenen gehören. Tiefes
Nachsinnen und eine lange fortgesetzte Betrachtung sind edel, aber
schwer, und schicken sich nicht wohl für eine Person, bei der die
ungezwungenen Reize nichts anders als eine schöne Natur zeigen
sollen. Mühsames Lernen oder peinliches Grübeln, wenn es gleich
ein Frauenzimmer darin hoch bringen sollte, vertilgen die Vorzüge,
die ihrem Geschlechte eigentümlich sind, und können dieselbe wohl
um der Seltenheit willen zum Gegenstande einer kalten Bewunderung
machen, aber sie werden zugleich die Reize schwächen, wodurch sie ihre
große Gewalt über das andere Geschlecht ausüben. Ein Frauenzimmer,
das den Kopf voll Griechisch hat, wie die Frau _Dacier_, oder über
die Mechanik gründliche Streitigkeiten führt, wie die Marquisin von
_Chastelet_, mag nur immerhin noch einen Bart dazu haben; denn dieser
würde vielleicht die Miene des Tiefsinns noch kenntlicher ausdrücken,
um welchen sie sich bewerben. Der schöne Verstand wählt zu seinen
Gegenständen alles, was mit dem feineren Gefühl nahe verwandt ist,
und überläßt abstrakte Spekulationen oder Kenntnisse, die nützlich,
aber trocken sind, dem emsigen, gründlichen und tiefen Verstande. Das
Frauenzimmer wird demnach keine Geometrie lernen; es wird vom Satze
des zureichenden Grundes oder den Monaden nur so viel wissen, als da
nötig ist, um das Salz in den Spottgedichten zu vernehmen, welche
die seichten Grübler unseres Geschlechts durchzogen haben. Die
Schönen können den Cartesius seine Wirbel immer drehen lassen,
ohne sich darum zu bekümmern, wenn auch der artige _Fontenelle_
ihnen unter den Wandelsternen Gesellschaft leisten wollte, und die
Anziehung ihrer Reize verliert nichts von ihrer Gewalt, wenn sie gleich
nichts von allem dem wissen, was _Algarotti_ zu ihrem Besten von den
Anziehungskräften der groben Materien nach dem Newton aufzuzeichnen
bemüht gewesen. Sie werden in der Geschichte sich nicht den Kopf mit
Schlachten und in der Erdbeschreibung nicht mit Festungen anfüllen;
denn es schickt sich für sie ebensowenig, daß sie nach Schießpulver,
als für die Mannspersonen, daß sie nach Bisam riechen sollen.
Es scheint eine boshafte List der Mannspersonen zu sein, daß sie das
schöne Geschlecht zu diesem verkehrten Geschmacke haben verleiten
wollen. Denn wohl bewußt ihrer Schwäche in Ansehung der natürlichen
Reize desselben, und daß ein einziger schalkhafter Blick sie mehr
in Verwirrung setze als die schwerste Schulfrage, sehen sie sich,
sobald das Frauenzimmer in diesen Geschmack einschlägt, in einer
entschiedenen Überlegenheit und sind in dem Vorteile, den sie
sonst schwerlich haben würden, mit einer großmütigen Nachsicht
den Schwächen ihrer Eitelkeit aufzuhelfen. Der Inhalt der großen
Wissenschaft des Frauenzimmers ist vielmehr der Mensch und unter
den Menschen der Mann. Ihre Weltweisheit ist nicht Vernünfteln,
sondern Empfinden. Bei der Gelegenheit, die man ihnen geben will,
ihre schöne Natur auszubilden, muß man dieses Verhältnis jederzeit
vor Augen haben. Man wird ihr gesamtes moralisches Gefühl und nicht
ihr Gedächtnis zu erweitern suchen, und zwar nicht durch allgemeine
Regeln, sondern durch einiges Urteil über das Betragen, welches sie um
sich sehen. Die Beispiele, die man aus andern Zeiten entlehnt, um den
Einfluß einzusehen, den das schöne Geschlecht in die Weltgeschäfte
gehabt hat, die mancherlei Verhältnisse, darin es in andern
Zeitaltern oder in fremden Landen gegen das männliche gestanden,
der Charakter beider, sofern er sich hiedurch erläutern läßt,
und der veränderliche Geschmack der Vergnügungen machen ihre ganze
Geschichte und Geographie aus. Es ist schön, daß einem Frauenzimmer
der Anblick einer Karte, die entweder den ganzen Erdkreis oder die
vornehmsten Teile der Welt vorstellt, angenehm gemacht werde. Dieses
geschieht dadurch, daß man sie nur in der Absicht vorlegt, um
die unterschiedlichen Charaktere der Völker, die sie bewohnen, die
Verschiedenheiten ihres Geschmacks und sittlichen Gefühls, vornehmlich
in Ansehung der Wirkung, die diese auf die Geschlechterverhältnisse
haben, dabei zu schildern, mit einigen leichten Erläuterungen aus der
Verschiedenheit der Himmelsstriche, ihrer Freiheit oder Sklaverei. Es
ist wenig daran gelegen, ob sie die besonderen Abteilungen dieser
Länder, ihr Gewerbe, Macht und Beherrscher wissen oder nicht. Ebenso
werden sie von dem Weltgebäude nichts mehr zu kennen nötig haben,
als nötig ist, den Anblick des Himmels an einem schönen Abende
ihnen rührend zu machen, wenn sie einigermaßen begriffen haben,
daß noch mehr Welten und daselbst noch mehr schöne Geschöpfe
anzutreffen sind. Gefühl für Schildereien von Ausdruck und für die
Tonkunst, nicht insofern sie Kunst, sondern Empfindung äußert, alles
dieses verfeinert oder erhebt den Geschmack dieses Geschlechts und
hat jederzeit einige Verknüpfung mit sittlichen Regungen. Niemals
ein kalter und spekulativer Unterricht, jederzeit Empfindungen,
und zwar die so nahe wie möglich bei ihrem Geschlechtverhältnisse
bleiben. Diese Unterweisung ist darum so selten, weil sie Talente,
Erfahrenheit und ein Herz voll Gefühl erfordert, und jeder andern kann
das Frauenzimmer sehr wohl entbehren, wie es denn auch ohne diese sich
von selbst gemeiniglich sehr wohl ausbildet.
Die Tugend des Frauenzimmers ist eine _schöne Tugend_.(8) Die
des männlichen Geschlechts soll eine _edele Tugend_ sein. Sie
werden das Böse vermeiden, nicht weil es unrecht, sondern weil es
häßlich ist, und tugendhafte Handlungen bedeuten bei ihnen solche,
die sittlich schön sind. Nichts von Sollen, nichts von Müssen,
nichts von Schuldigkeit. Das Frauenzimmer ist aller Befehle und
alles mürrischen Zwanges unleidlich. Sie tun etwas nur darum,
weil es ihnen so beliebt, und die Kunst besteht darin, zu machen,
daß ihnen nur dasjenige beliebe, was gut ist. Ich glaube schwerlich,
daß das schöne Geschlecht der Grundsätze fähig sei, und ich hoffe
dadurch nicht zu beleidigen, denn diese sind auch äußerst selten
beim männlichen. Dafür aber hat die Vorsehung in ihren Busen gütige
und wohlwollende Empfindungen, ein feines Gefühl für Anständigkeit
und eine gefällige Seele gegeben. Man fordere ja nicht Aufopferungen
und großmütigen Selbstzwang. Ein Mann muß es seiner Frauen niemals
sagen, wenn er einen Teil seines Vermögens um einen Freund in Gefahr
setzt. Warum will er ihre muntere Gesprächigkeit fesseln, dadurch,
daß er ihr Gemüt mit einem wichtigen Geheimnisse belästigt, dessen
Aufbewahrung ihm allein obliegt? Selbst viele von ihren Schwachheiten
sind sozureden _schöne Fehler_. Beleidigung oder Unglück bewegen ihre
zarte Seele zur Wehmut. Der Mann muß niemals andre als großmütige
Tränen weinen. Die, so er in Schmerzen oder über Glücksumstände
vergießt, machen ihn verächtlich. Die _Eitelkeit_, die man dem
schönen Geschlechte so vielfältig vorrückt, wofern sie ja an
demselben ein Fehler ist, so ist sie nur ein schöner Fehler. Denn zu
geschweigen, daß die Mannspersonen, die dem Frauenzimmer so gerne
schmeicheln, übel daran sein würden, wenn dieses nicht geneigt
wäre, es wohl aufzunehmen, so beleben sie dadurch wirklich ihre
Reize. Diese Neigung ist ein Antrieb, Annehmlichkeiten und den guten
Anstand zu zeigen, ihren munteren Witz spielen zu lassen, imgleichen
durch die veränderlichen Erfindungen des Putzes zu schimmern und ihre
Schönheit zu erhöhen. Hierin ist nun so gar nichts Beleidigendes für
andere, sondern vielmehr, wenn es mit gutem Geschmacke gemacht wird,
so viel Artiges, daß es sehr ungezogen ist, dagegen mit mürrischem
Tadel loszuziehen. Ein Frauenzimmer, das hierin gar zu flatterhaft
und gaukelnd ist, heißt eine _Närrin_; welcher Ausdruck gleichwohl
keine so harte Bedeutung hat als mit veränderter Endsilbe beim Manne,
sogar daß, wenn man sich untereinander versteht, es wohl bisweilen
eine vertrauliche Schmeichelei anzeigen kann. Wenn die Eitelkeit
ein Fehler ist, der an einem Frauenzimmer sehr wohl Entschuldigung
verdient, so ist das _aufgeblasene Wesen_ an ihnen nicht allein, so
wie an Menschen überhaupt, tadelhaft, sondern verunstaltet gänzlich
ihren Geschlechtscharakter. Denn diese Eigenschaft ist überaus
dumm und häßlich und dem einnehmenden bescheidenen Reize gänzlich
entgegengesetzt. Alsdann ist eine solche Person in einer schlüpfrigen
Stellung. Sie wird sich gefallen lassen müssen, ohne alle Nachsicht
und scharf beurteilt zu werden; denn wer auf Hochachtung pocht, fordert
alles um sich zum Tadel auf. Eine jede Entdeckung, auch des mindesten
Fehlers, macht jedermann eine wahre Freude, und das Wort _Närrin_
verliert hier seine gemilderte Bedeutung. Man muß Eitelkeit und
Aufgeblasenheit jederzeit unterscheiden. Die erstere sucht Beifall und
ehrt gewissermaßen diejenige, um deren willen sie sich diese Bemühung
gibt, die zweite glaubt sich schon in dem völligen Besitze desselben,
und indem sie keinen zu erwerben bestrebt, so gewinnt sie auch keinen.
(8) Diese wurde oben, Seite 19, in einem strengen Urteil
adoptierte Tugend genannt; hier, da sie um des Geschlechtscharakters
willen eine günstige Rechtfertigung verdient, heißt sie überhaupt
eine schöne Tugend.
Wenn einige Ingredienzien von Eitelkeit ein Frauenzimmer in den Augen
des männlichen Geschlechts gar nicht verunzieren, so dienen sie
doch, je sichtbarer sie sind, um desto mehr, das schöne Geschlecht
untereinander zu veruneinigen. Sie beurteilen einander alsdann sehr
scharf, weil eine der anderen Reize zu verdunkeln scheint, und es sind
auch wirklich diejenigen, die noch starke Anmaßungen auf Eroberung
machen, selten Freundinnen voneinander im wahren Verstande.
Dem Schönen ist nichts so sehr entgegengesetzt als der Ekel, so wie
nichts tiefer unter das Erhabene sinkt als das Lächerliche. Daher
kann einem Manne kein Schimpf empfindlicher sein, als daß er ein
_Narr_, und einem Frauenzimmer, daß sie _ekelhaft_ genannt werde. Der
englische Zuschauer hält dafür: daß einem Manne kein Vorwurf könne
gemacht werden, der kränkender sei, als wenn er für einen Lügner,
und einem Frauenzimmer kein bitterer, als wenn sie für unkeusch
gehalten wird. Ich will dieses, insofern es nach der Strenge der Moral
beurteilt wird, in seinem Werte lassen. Allein hier ist die Frage
nicht, was an sich selbst den größten Tadel verdiene, sondern was
wirklich am allerhärtesten empfunden werde. Und da frage ich einen
jeden Leser, ob, wenn er sich in Gedanken auf diesen Fall setzt,
er nicht meiner Meinung beistimmen müsse. Die Jungfer Ninon Lenclos
machte nicht die mindesten Ansprüche auf die Ehre der Keuschheit,
und gleichwohl würde sie unerbittlich beleidigt worden sein, wenn
einer ihrer Liebhaber sich in seinem Urteile so weit sollte vergangen
haben; und man weiß das grausame Schicksal des Monaldeschi um eines
beleidigenden Ausdrucks willen von solcher Art bei einer Fürstin, die
eben keine Lukretia hat vorstellen wollen. Es ist unausstehlich, daß
man nicht einmal sollte Böses tun können, wenn man gleich wollte,
weil auch die Unterlassung desselben alsdann jederzeit nur eine sehr
zweideutige Tugend ist.
Um von diesem Ekelhaften sich so weit als möglich zu entfernen,
gehört die _Reinlichkeit_, die zwar einem jeden Menschen wohl ansteht,
bei dem schönen Geschlechte unter die Tugenden vom ersten Range
und kann schwerlich von demselben zu hoch getrieben werden, da sie
gleichwohl an einem Manne bisweilen zum Übermaße steigt und alsdann
läppisch wird.
Die _Schamhaftigkeit_ ist ein Geheimnis der Natur, sowohl einer Neigung
Schranken zu setzen, die sehr unbändig ist und, indem sie den Ruf der
Natur für sich hat, sich immer mit guten, sittlichen Eigenschaften zu
vertragen scheint, wenn sie gleich ausschweift. Sie ist demnach als ein
Supplement der Grundsätze höchst nötig; denn es gibt keinen Fall,
da die Neigung so leicht zum Sophisten wird, gefällige Grundsätze
zu erklügeln, als hier. Sie dient aber auch zugleich, um einen
geheimnisvollen Vorhang selbst vor die geziemendsten und nötigsten
Zwecke der Natur zu ziehen, damit die gar zu gemeine Bekanntschaft mit
denselben nicht Ekel oder zum mindesten Gleichgültigkeit veranlasse
in Ansehung der Endabsichten eines Triebes, worauf die feinsten und
lebhaftesten Neigungen der menschlichen Natur gepfropft sind. Diese
Eigenschaft ist dem schönen Geschlecht vorzüglich eigen und ihm sehr
anständig. Es ist auch eine plumpe und verächtliche Ungezogenheit,
durch die Art pöbelhafter Scherze, welche man _Zoten_ nennt, die
zärtliche Sittsamkeit desselben in Verlegenheit oder Unwillen zu
setzen. Weil indessen, man mag nun um das Geheimnis so weit herumgehen,
als man immer will, die Geschlechterneigung doch allen den übrigen
Reizen endlich zum Grunde liegt, und ein Frauenzimmer immer als ein
Frauenzimmer der angenehme Gegenstand einer wohlgesitteten Unterhaltung
ist, so möchte daraus vielleicht zu erklären sein, warum sonst artige
Mannspersonen sich bisweilen die Freiheit nehmen, durch den kleinen
Mutwillen ihrer Scherze einige feine Anspielungen durchscheinen zu
lassen, welche machen, daß man sie _lose_ oder _schalkhaft_ nennt,
und wo, indem sie weder durch ausspähende Blicke beleidigen, noch
die Achtung zu verletzen gedenken, sie glauben berechtigt zu sein,
die Person, die es mit unwilliger oder spröder Miene aufnimmt, eine
_Ehrbarkeitspedantin_ zu nennen. Ich führe dieses nur an, weil es
gemeiniglich als ein etwas kühner Zug vom schönen Umgange angesehen
wird, auch in der Tat von jeher viel Witz darauf ist verschwendet
worden; was aber das Urteil nach moralischer Strenge anlangt, so
gehört das nicht hieher, da ich in der Empfindung des Schönen nur die
Erscheinungen zu beobachten und zu erläutern habe.
Die edlen Eigenschaften dieses Geschlechts, welche jedoch, wie wir
schon angemerkt haben, niemals das Gefühl des Schönen unkenntlich
machen müssen, kündigen sich durch nichts deutlicher und sicherer
an als durch die _Bescheidenheit_ einer Art von edler Einfalt
und Naivetät bei großen Vorzügen. Aus derselben leuchtet eine
ruhige Wohlgewogenheit und Achtung gegen andere hervor, zugleich mit
einem gewissen _edlen Zutrauen_ auf sich selbst und einer billigen
Selbstschätzung verbunden, welche bei einer erhabenen Gemütsart
jederzeit anzutreffen ist. Indem diese feine Mischung zugleich durch
Reize einnimmt und durch Achtung rührt, so stellt sie alle übrigen
schimmernden Eigenschaften wider den Mutwillen des Tadels und der
Spottsucht in Sicherheit. Personen von dieser Gemütsart haben auch
ein Herz zur Freundschaft, welches an einem Frauenzimmer niemals kann
hoch genug geschätzt werden, weil es so gar selten ist und zugleich so
überaus reizend sein muß.
Da unsere Absicht ist, über Empfindungen zu urteilen, so kann es nicht
unangenehm sein, die Verschiedenheit des Eindrucks, den die Gestalt
und Gesichtszüge des schönen Geschlechts auf das männliche machen,
womöglich unter Begriffe zu bringen. Diese ganze Bezauberung ist
im Grunde über den Geschlechtertrieb verbreitet. Die Natur verfolgt
ihre große Absicht; und alle Feinigkeiten, die sich hinzugesellen,
sie mögen nun so weit davon abzustehen scheinen, wie sie wollen, sind
nur Verbrämungen und entlehnen ihren Reiz doch am Ende aus derselben
Quelle. Ein gesunder und _derber Geschmack_, der sich jederzeit sehr
nahe bei diesem Triebe hält, wird durch die Reize des Anstandes,
der Gesichtszüge, der Augen usw. usw. an einem Frauenzimmer wenig
angefochten, und indem er eigentlich nur aufs Geschlecht geht, so sieht
er mehrenteils die Delikatesse anderer als leere Tändelei an.
Wenn dieser Geschmack gleich nicht fein ist, so ist er deswegen doch
nicht zu verachten. Denn der größte Teil der Menschen befolgt
vermittelst desselben die große Ordnung der Natur auf eine sehr
einfältige und sichere Art.(9) Dadurch werden die meisten
Ehen bewirkt, und zwar von dem emsigsten Teile des menschlichen
Geschlechts; und indem der Mann den Kopf nicht von bezaubernden
Mienen, schmachtenden Augen, edlem Anstande usw. usw. voll hat, auch
nichts von allem diesem versteht, so wird er desto aufmerksamer
auf haushälterische Tugenden, Sparsamkeit usw. usw. und auf
das Eingebrachte. Was den etwas feineren Geschmack anlangt, um
dessentwillen es nötig sein möchte, einen Unterschied unter den
äußerlichen Reizen des Frauenzimmers zu machen, so ist derselbe
entweder auf das, was in der Gestalt und dem Ausdrucke des Gesichts
_moralisch_ ist, oder auf das _Unmoralische_ geheftet. Ein Frauenzimmer
wird in Ansehung der Annehmlichkeiten von der letzteren Art _hübsch_
genannt. Ein proportionierlicher Bau, regelmäßige Züge, Farben
von Auge und Gesicht, die zierlich abstechen, lauter Schönheiten,
die auch an einem Blumenstrauße gefallen und einen kalten Beifall
erwerben. Das Gesicht selber sagt nichts, ob es gleich hübsch ist,
und redet nicht zum Herzen. Was den Ausdruck der Züge, der Augen
und der Mienen anlangt, der moralisch ist, so geht er entweder auf
das Gefühl des Erhabenen oder des Schönen. Ein Frauenzimmer,
an welchem die Annehmlichkeiten, die ihrem Geschlecht geziemen,
vornehmlich den moralischen Ausdruck des Erhabenen hervorstechen
lassen, heißt _schön_ im eigentlichen Verstande, diejenige, deren
moralische Zeichnung, sofern sie in den Mienen oder Gesichtszügen
sich kennbar macht, die Eigenschaften des Schönen ankündigt,
ist _annehmlich_ und, wenn sie es in einem höheren Grade ist,
_reizend_. Die erstere läßt unter einer Miene von Gelassenheit
und einem edlen Anstande den Schimmer eines schönen Verstandes aus
bescheidenen Blicken hervorspielen, und indem sich in ihrem Gesicht
ein zärtlich Gefühl und wohlwollend Herz abmalt, so bemächtigt
sie sich sowohl der Neigung als der Hochachtung eines männlichen
Herzens. Die zweite zeigt Munterkeit und Witz in lachenden Augen,
etwas feinen Mutwillen, das Schäkerhafte der Scherze und schalkhafte
Sprödigkeit. Sie reizt, wenn die erstere rührt, und das Gefühl
der Liebe, dessen sie fähig ist und welche sie anderen einflößt,
ist flatterhaft, aber schön, dagegen die Empfindung der ersteren
zärtlich, mit Achtung verbunden und beständig ist. Ich mag mich
nicht in gar zu ausführliche Zergliederungen von dieser Art einlassen;
denn in solchen Fällen scheint der Verfasser jederzeit seine eigene
Neigung zu malen. Indessen berühre ich noch: daß der Geschmack, den
viele Damen an einer gesunden, aber blassen Farbe finden, sich hier
verstehen lasse. Denn diese begleitet gemeiniglich eine Gemütsart
von mehr innerem Gefühl und zärtlicher Empfindung, welches zur
Eigenschaft des Erhabenen gehört, dagegen die rote und blühende Farbe
weniger von der ersteren, allein mehr von der fröhlichen und muntern
Gemütsart ankündigt; es ist aber der Eitelkeit gemäßer, zu rühren
und zu fesseln, als zu reizen und anzulocken. Es können dagegen
Personen ohne alles moralische Gefühl und ohne einigen Ausdruck, der
auf Empfindungen deutete, sehr hübsch sein, allein sie werden weder
rühren noch reizen, es sei denn denjenigen _derben Geschmack_, von
dem wir Erwähnung getan haben, welcher sich bisweilen etwas verfeinert
und dann nach seiner Art auch wählt. Es ist schlimm, daß dergleichen
schöne Geschöpfe leichtlich in den Fehler der _Aufgeblasenheit_
verfallen durch das Bewußtsein der schönen Figur, die ihnen ihr
Spiegel zeigt, und aus einem Mangel feinerer Empfindungen; da sie dann
alles gegen sich kaltsinnig machen, den Schmeichler ausgenommen, der
auf Absichten ausgeht und Ränke schmiedet.
(9) Wie alle Dinge in der Welt auch ihre schlimme Seite haben,
so ist bei diesem Geschmacke nur zu bedauern, daß er leichter wie
ein anderer in Lüderlichkeit ausartet. Denn weil das Feuer, das
eine Person entzündet hat, eine jede andre wieder löschen kann,
so sind nicht genug Schwierigkeiten da, die eine unbändige Neigung
einschränken könnten.
Man kann nach diesen Begriffen vielleicht etwas von der so
verschiedenen Wirkung verstehen, die die Gestalt ebendesselben
Frauenzimmers auf den Geschmack der Männer tut. Dasjenige, was
in diesem Eindrucke sich zu nahe auf den Geschlechtertrieb bezieht
und mit dem besondern _wollüstigen_ Wahne, darin sich eines jeden
Empfindung einkleidet, einstimmig sein mag, berühre ich nicht, weil es
außer dem Bezirke des feinern Geschmackes ist; und es kann vielleicht
richtig sein, was der Herr v. Buffon vermutet, daß diejenige Gestalt,
die den ersten Eindruck macht, zu der Zeit, wenn dieser Trieb noch
neu ist und sich zu entwickeln anfängt, das Urbild bleibe, worauf
in der künftigen Zeit alle weiblichen Bildungen mehr oder weniger
einschlagen müssen, welche die phantastische Sehnsucht rege machen
können, dadurch eine ziemlich grobe Neigung unter den verschiedenen
Gegenständen eines Geschlechts zu wählen genötigt wird. Was den
etwas feineren Geschmack anlangt, so behaupte ich, daß diejenige
Art von Schönheit, welche wir die _hübsche Gestalt_ genannt haben,
von allen Männern ziemlich gleichförmig beurteilt werde und daß
darüber die Meinungen nicht so verschieden seien, wie man wohl
gemeiniglich dafür hält. Die _zirkassischen_ und _georgischen_
Mädchen sind von allen Europäern, die durch ihre Länder reisen,
jederzeit für überaus hübsch gehalten worden. Die _Türken_,
die _Araber_, die _Perser_ müssen wohl mit diesem Geschmacke sehr
einstimmig sein, weil sie sehr begierig sind, ihre Völkerschaft
durch so feines Blut zu verschönern, und man merkt auch an, daß
der persischen Rasse dieses wirklich gelungen ist. Die Kaufleute von
_Indostan_ ermangeln gleichfalls nicht, von einem boshaften Handel mit
so schönen Geschöpfen großen Vorteil zu ziehen, indem sie solche
den leckerhaften Reichen ihres Landes zuführen, und man sieht, daß,
so sehr auch der Eigensinn des Geschmacks in diesen verschiedenen
Weltgegenden abweichend sein mag, dennoch dasjenige, was einmal in
einer derselben als vorzüglich _hübsch_ erkannt wird, in allen
übrigen auch dafür gehalten werde. Wo aber sich in das Urteil über
die feine Gestalt dasjenige einmengt, was in den Zügen moralisch ist,
so ist der Geschmack bei verschiedenen Mannspersonen jederzeit sehr
verschieden, sowohl nachdem ihr sittliches Gefühl selbst unterschieden
ist, als auch nach der verschiedenen Bedeutung, die der Ausdruck des
Gesichts in eines jeden Wahne haben mag. Man findet, daß diejenigen
Bildungen, die beim ersten Anblicke nicht sonderliche Wirkung tun,
weil sie nicht auf eine entschiedene Art hübsch sind, gemeiniglich,
sobald sie bei näherer Bekanntschaft zu gefallen anfangen, auch weit
mehr einnehmen und sich beständig zu verschönern scheinen; dagegen
das hübsche Ansehen, was sich auf einmal ankündigt, in der Folge
mit größerem Kaltsinn wahrgenommen wird, welches vermutlich daher
kommt, daß moralische Reize, wo sie sichtbar werden, mehr fesseln,
imgleichen weil sie sich nur bei Gelegenheit sittlicher Empfindungen in
Wirksamkeit setzen und sich gleichsam entdecken lassen, jede Entdeckung
eines neuen Reizes aber immer noch mehr derselben vermuten läßt;
anstatt daß alle Annehmlichkeiten, die sich gar nicht verhehlen,
nachdem sie gleich anfangs ihre ganze Wirkung ausgeübt haben, in der
Folge nichts weiter tun können, als den verliebten Vorwitz abzukühlen
und ihn allmählich zur Gleichgültigkeit zu bringen.
Unter diesen Beobachtungen bietet sich ganz natürlich folgende
Anmerkung dar. Das ganz einfältige und grobe Gefühl in den
Geschlechterneigungen führt zwar sehr grade zum großen Zwecke der
Natur, und indem es ihre Forderungen erfüllt, ist es geschickt,
die Person selbst ohne Umschweife glücklich zu machen, allein um der
großen Allgemeinheit willen artet es leichtlich in Ausschweifung und
Lüderlichkeit aus. An der anderen Seite dient ein sehr verfeinigter
Geschmack zwar dazu, einer ungestümen Neigung die Wildheit zu benehmen
und, indem er solche nur auf sehr wenig Gegenstände einschränkt, sie
sittsam und anständig zu machen, allein sie verfehlt gemeiniglich die
große Endabsicht der Natur, und da sie mehr fordert oder erwartet,
als diese gemeiniglich leistet, so pflegt sie die Person von so
delikater Empfindung sehr selten glücklich zu machen. Die erstere
Gemütsart wird ungeschlacht, weil sie auf alle von einem Geschlechte
geht, die zweite grüblerisch, indem sie eigentlich auf keinen geht,
sondern nur mit einem Gegenstande beschäftigt ist, den die verliebte
Neigung sich in Gedanken schafft und mit allen edlen und schönen
Eigenschaften ausziert, welche die Natur selten in einem Menschen
vereinigt und noch seltner demjenigen zuführt, der sie schätzen kann
und der vielleicht eines solchen Besitzes würdig sein würde. Daher
entspringt der Aufschub und endlich die völlige Entsagung auf die
eheliche Verbindung, oder, welches vielleicht ebenso schlimm ist,
eine grämische Reue nach einer getroffenen Wahl, welche die großen
Erwartungen nicht erfüllt, die man sich gemacht hatte; denn nicht
selten findet der äsopische Hahn eine Perle, welchem ein gemeines
Gerstenkorn besser würde geziemt haben.
Wir können hiebei überhaupt bemerken, daß, so reizend auch die
Eindrücke des zärtlichen Gefühls sein mögen, man doch Ursache
habe in der Verfeinigung desselben behutsam zu sein, wofern wir uns
nicht durch übergroße Reizbarkeit nur viel Unmut und eine Quelle von
Übel erklügeln wollen. Ich möchte edleren Seelen wohl vorschlagen,
das Gefühl in Ansehung der Eigenschaften, die ihnen selbst zukommen,
oder der Handlungen, die sie selber tun, so sehr zu verfeineren, als
sie können, dagegen in Ansehung dessen, was sie genießen oder von
andern erwarten, den Geschmack in seiner Einfalt zu erhalten: wenn
ich nur einsähe, wie dieses zu leisten möglich sei. In dem Falle
aber, daß es anginge, würden sie andere glücklich machen und auch
selbst glücklich sein. Es ist niemals aus den Augen zu lassen: daß,
in welcher Art es auch sei, man keine sehr hohen Ansprüche auf die
Glückseligkeiten des Lebens und die Vollkommenheit der Menschen machen
müsse; denn derjenige, welcher jederzeit nur etwas Mittelmäßiges
erwartet, hat den Vorteil, daß der Erfolg selten seine Hoffnung
widerlegt, dagegen bisweilen ihn auch wohl unvermutete Vollkommenheiten
überraschen.
Allen diesen Reizen droht endlich das Alter, der große Verwüster der
Schönheit, und es müssen, wenn es nach der natürlichen Ordnung gehen
soll, allmählich die erhabenen und edlen Eigenschaften die Stelle der
schönen einnehmen, um eine Person, sowie sie nachläßt liebenswürdig
zu sein, immer einer größeren Achtung wert zu machen. Meiner Meinung
nach sollte in der schönen Einfalt, die durch ein verfeinertes
Gefühl an allem, was reizend und edel ist, erhoben worden, die
ganze Vollkommenheit des schönen Geschlechts in der Blüte der Jahre
bestehen. Allmählich, sowie die Ansprüche auf Reizungen nachlassen,
könnte das Lesen der Bücher und die Erweiterung der Einsicht
unvermerkt die erledigte Stelle der Grazien durch die Musen ersetzen,
und der Ehemann sollte der erste Lehrmeister sein. Gleichwohl, wenn
selbst die allem Frauenzimmer so schreckliche Epoche des Altwerdens
herankommt, so gehört es doch auch alsdann noch immer zum schönen
Geschlecht, und es verunziert sich selbst, wenn es in einer Art
von Verzweiflung, diesen Charakter länger zu erhalten, sich einer
mürrischen und grämischen Laune überläßt.
Eine bejahrte Person, welche mit einem sittsamen und freundlichen
Wesen der Gesellschaft beiwohnt, auf eine muntere und vernünftige
Art gesprächig ist, die Vergnügen der Jugend, darin sie selbst nicht
Anteil nimmt, mit Anstand begünstigt und, indem sie für alles sorgt,
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