🕥 36-minute read
Aus der Jugendzeit; Historie von der schönen Lau - 3
Total number of words is 4637
Total number of unique words is 1711
40.0 of words are in the 2000 most common words
53.1 of words are in the 5000 most common words
58.5 of words are in the 8000 most common words
»Frau Ahne hat der Traum verdrossen!« -- nahm kleinlauten Abschied
und tauchte hinunter.
Es war nah bei Mittag, da rief der Pater Schaffner im Kloster dem
Bruder Kellermeister eifrig zu: »Ich merk', es ist im Gumpen letz! die
Arge will Euch Eure Faß wohl wieder einmal schwimmen lehren. Tut Eure
Läden eilig zu, vermachet alles wohl!«
Nun aber war des Klosters Koch, der Wirtin Sohn, ein lustiger Vogel,
welchen die Lau wohl leiden mochte. Der dachte ihren Jäst[4] mit einem
Schnak zu stillen, lief nach seiner Kammer, zog die Bettscher' aus der
Lagerstätte und steckte sie am Blautopf in den Rasen, wo das Wasser
auszutreten pflegte, und stellte sich mit Worten und Gebärden als
einen vielgetreuen Diener an, der mächtig Ängsten hätte, daß seine
Herrschaft aus dem Bette fallen und etwa Schaden nehmen möchte. Da sie
nun sah das Holz so recht mit Fleiß gesteckt und über das Bächlein
gespreizt, kam ihr in ihrem Zorn das Lachen an, und lachte überlaut,
daß man's im Klostergarten hörte.
[4] Zorn.
Als sie hierauf am Abend zu den Frauen kam, da wußten sie es schon vom
Koch und wünschten ihr mit tausend Freuden Glück. Die Wirtin sagte:
»Der Xaver ist von Kindesbeinen an gewesen als wie der Zuberklaus,
jetzt kommt uns seine Torheit zustatten.«
Nun aber ging ein Monat nach dem andern herum, es wollte sich zum
dritten- oder viertenmal nicht wieder schicken. Martini war vorbei,
noch wenig Wochen, und die Boten standen wieder vor der Tür. Da ward
es den guten Wirtsleuten selbst bang, ob heuer noch etwas zustande
käme, und alle hatten nur zu trösten an der Frau. Je größer deren
Angst, je weniger zu hoffen war.
Damit sie ihres Kummers eher vergesse, lud ihr Frau Betha einen
Lichtkarz ein, da nach dem Abendessen ein halb Dutzend muntre Dirnen
und Weiber aus der Verwandtschaft in einer abgelegenen Stube mit ihren
Kunkeln sich zusammensetzten. Die Lau kam alle Abend in Juttas altem
Rock und Kittel und ließ sich weit vom warmen Ofen weg in einem Winkel
auf den Boden nieder und hörte dem Geplauder zu, von Anfang als ein
stummer Gast, ward aber bald zutraulich und bekannt mit allen. Um
ihretwillen machte sich Frau Betha eines Abends ein Geschäft daraus,
ihr Weihnachtskripplein für die Enkel beizeiten herzurichten: die
Mutter Gottes mit dem Kind im Stall, bei ihr die drei Weisen aus
Morgenland, ein jeder mit seinem Kamel, darauf er hergereist kam und
seine Gaben brachte. Dies alles aufzuputzen und zu leimen, was etwa
lotter war, saß die Frau Wirtin an dem Tisch beim Licht mit ihrer
Brille, und die Wasserfrau mit höchlichem Ergötzen sah ihr zu, sowie
sie auch gerne vernahm, was ihr von heiligen Geschichten dabei gesagt
wurde, doch nicht, daß sie dieselben dem rechten Verstand nach
begriff oder zu Herzen nahm, wie gern auch die Wirtin es wollte.
[Illustration]
Frau Betha wußte ferner viel lehrreicher Fabeln und Denkreime, auch
spitzweise Fragen und Rätsel; die gab sie nacheinander auf zu raten,
weil sonderlich die Wasserfrau von Hause aus dergleichen liebte und
immer gar zufrieden schien, wenn sie es ein und das andre Mal traf
(das doch nicht allzu leicht geriet). Eines derselben gefiel ihr vor
allen, und was damit gemeint ist, nannte sie ohne Besinnen:
»Ich bin eine dürre Königin,
trag' auf dem Haupt eine zierliche Kron',
und die mir dienen mit treuem Sinn,
die haben großen Lohn.
»Meine Frauen müssen mich schön frisiern,
erzählen mir Märlein ohne Zahl,
sie lassen kein einzig Haar an mir,
doch siehst du mich nimmer kahl.
»Spazieren fahr' ich frank und frei,
das geht so rasch, das geht so fein;
nur komm' ich nicht vom Platz dabei --
sagt, Leute, was mag das sein?«
Darüber sagte sie, in etwas fröhlicher denn zuvor: »Wenn ich
dereinstens wiederum in meiner Heimat bin und kommt einmal ein
schwäbisch Landeskind, zumal aus eurer Stadt, auf einer Kriegsfahrt
oder sonst durch der Walachen Land an unsere Gestade, so ruf' er mich
bei Namen, dort wo der Strom am breitesten hineingeht in das Meer --
versteht, zehn Meilen einwärts in dieselbe See erstreckt sich meines
Mannes Reich, soweit das süße Wasser sie mit seiner Farbe färbt --,
dann will ich kommen und dem Fremdling zu Rat und Hilfe sein. Damit er
aber sicher sei, ob ich es bin und keine andere, die ihm schaden
möchte, so stelle er dies Rätsel. Niemand aus unserem Geschlechte
außer mir wird ihm darauf antworten, denn dortzuland sind solche
Rocken und Rädlein, als ihr in Schwaben führet, nicht gesehn, noch
kennen sie dort eure Sprache; darum mag dies die Losung sein.«
Auf einen andern Abend ward erzählt vom Doktor Veylland und Herrn
Konrad von Wirtemberg, dem alten Gaugrafen, in dessen Tagen es noch
keine Stadt mit Namen Stuttgart gab. Im Wiesental, da wo dieselbe sich
nachmals erhob, stund nur ein stattliches Schloß mit Wassergraben und
Zugbrücke, von Bruno, dem Domherrn von Speyer, Konradens Oheim,
erbaut, und nicht gar weit davon ein hohes steinernes Haus. In diesem
wohnte dazumal mit einem alten Diener ganz allein ein sonderlicher
Mann, der war in natürlicher Kunst und in Arzneikunst sehr gelehrt und
war mit seinem Herrn, dem Grafen, weit in der Welt herumgereist, in
heißen Ländern, von wo er manche Seltsamkeit an Tieren, vielerlei
Gewächsen und Meerwundern heraus nach Schwaben brachte. In seinem Öhrn
sah man der fremden Sachen eine Menge an den Wänden herum hangen: die
Haut vom Krokodil sowie Schlangen und fliegende Fische. Fast alle
Wochen kam der Graf einmal zu ihm; mit andern Leuten pflegte er wenig
Gemeinschaft. Man wollte behaupten, er mache Gold; gewiß ist, daß er
sich unsichtbar machen konnte, denn er verwahrte unter seinem Kram
einen Krackenfischzahn. Einst nämlich, als er auf dem Roten Meer das
Bleilot niederließ, die Tiefe zu erforschen, da zockt' es unterm
Wasser, daß das Tau fast riß. Es hatte sich ein Krackenfisch im Lot
verbissen und zween seiner Zähne darinne gelassen. Sie sind wie eine
Schustersahle spitz und glänzend schwarz. Der eine stak sehr fest, der
andre ließ sich leicht ausziehen. Da nun ein solcher Zahn, etwa in
Silber oder Gold gefaßt und bei sich getragen, besagte hohe Kraft
besitzt und zu den größten Gütern, so man für Geld nicht haben kann,
gehört, der Doktor aber dafür hielt, es zieme eine solche Gabe niemand
besser als einem weisen und wohldenkenden Gebieter, damit er überall,
in seinen eigenen und Feindes Landen, sein Ohr und Auge habe, so gab
er einen dieser Zähne seinem Grafen, wie er ja ohnedem wohl schuldig
war, mit Anzeigung von dessen Heimlichkeit, davon der Herr nichts
wußte. Von diesem Tage an erzeigte sich der Graf dem Doktor gnädiger
als allen seinen Edelleuten oder Räten und hielt ihn recht als seinen
lieben Freund, ließ ihm auch gern und sonder Neid das Lot zu eigen,
darin der andere Zahn war, doch unter dem Gelöbnis, sich dessen ohne
Not nicht zu bedienen, auch ihn vor seinem Ableben entweder ihm, dem
Grafen, erblich zu verlassen oder auf alle Weise der Welt zu
entrücken, wo nicht ihn gänzlich zu vertilgen. Der edle Graf starb
aber um zwei Jahre eher als der Veylland und hinterließ das Kleinod
seinen Söhnen nicht; man glaubt, aus Gottesfurcht und weisem
Vorbedacht hab' er's mit in das Grab genommen oder sonst verborgen.
Wie nun der Doktor auch am Sterben lag, so rief er seinen treuen
Diener Kurt zu ihm ans Bett und sagte: »Lieber Kurt! Es gehet diese
Nacht mit mir zu Ende, so will ich dir noch deine guten Dienste danken
und etliche Dinge befehlen. Dort bei den Büchern, in dem Fach zu
unterst in der Ecke, ist ein Beutel mit hundert Imperialen, den nimm
sogleich zu dir; du wirst auf Lebenszeit genug daran haben. Zum
zweiten, das alte geschriebene Buch in dem Kästlein daselbst verbrenne
jetzt vor meinen Augen hier in dem Kamin. Zum dritten findest du ein
Bleilot dort, das nimm, verbirg's bei deinen Sachen, und wenn du aus
dem Hause gehst in deine Heimat, gen Blaubeuren, laß es dein erstes
sein, daß du es in den Blautopf wirfst.« -- Hiermit war er darauf
bedacht, daß es, ohne Gottes besondere Fügung, in ewigen Zeiten nicht
in irgendeines Menschen Hände komme. Denn damals hatte sich die Lau
noch nie im Blautopf blicken lassen und hielt man selben überdies für
unergründlich.
Nachdem der gute Diener jenes alles teils auf der Stelle ausgerichtet,
teils versprochen, nahm er mit Tränen Abschied von dem Doktor, welcher
vor Tage noch das Zeitliche gesegnete.
Als nachher die Gerichtspersonen kamen und allen kleinen Quark
aussuchten und versiegelten, da hatte Kurt das Bleilot zwar beiseit'
gebracht, den Beutel aber nicht versteckt, denn er war keiner von den
Schlauesten, und mußte ihn da lassen, bekam auch nach der Hand nicht
einen Deut davon zu sehen, kaum daß die schnöden Erben ihm den
Jahreslohn auszahlten.
Solch Unglück ahnete ihm schon, als er, auch ohnedem betrübt genug,
mit seinem Bündelein in seiner Vaterstadt einzog. Jetzt dachte er an
nichts, als seines Herrn Befehl vor allen Dingen zu vollziehen. Weil
er seit dreiundzwanzig Jahren nimmer hier gewesen, so kannte er die
Leute nicht, die ihm begegneten, und da er gleichwohl einem und dem
andern Guten Abend sagte, gab's ihm niemand zurück. Die Leute schauten
sich, wenn er vorüberkam, verwundert an den Häusern um, wer doch da
gegrüßt haben möchte, denn keines erblickte den Mann. Dies kam, weil
ihm das Lot in seinem Bündel auf der linken Seite hing; ein andermal,
wenn er es rechts trug, war er von allen gesehen. Er aber sprach für
sich: »Zu meiner Zeit sind dia Blaubeuramar so grob ett gwä[5].«
[5] Nicht gewesen.
Vom Blautopf fand er seinen Vetter, den Seilermeister, mit dem Jungen
am Geschäft, indem er längs der Klostermauer, rückwärts gehend, Werg
aus seiner Schürze spann, und weiterhin der Knabe trillte die Schnur
mit dem Rad. -- »Gott grüaß di Vetter Seiler!« rief der Kurt und
klopft' ihm auf die Achsel. Der Meister guckt sich um, verblaßt, läßt
seine Arbeit aus den Händen fallen und lauft, was seine Beine mögen.
Da lachte der andere, sprechend: »Der denkt, mei' Seel, i wandele
geistweis! D'Leut hant g'wiß mi für tot hia g'sagt, anstatt mein'
Herra -- ei so schlag!«
Jetzt ging er zu dem Teich, knüpfte sein Bündel auf und zog das Lot
heraus. Da fiel ihm ein, er möchte doch auch wissen, ob es wahr sei,
daß der Gumpen keinen Grund noch Boden habe (er wär' gern auch ein
wenig so ein Spiriguckes wie sein Herr gewesen), und weil er vorhin in
des Seilers Korb drei große starke Schnürbund liegen sehn, so holte er
dieselben her und band das Lot an einen. Es lagen just auch
frischgebohrte Teichel[6], eine schwere Menge, in dem Wasser bis
gegen die Mitte des Topfs, darauf er sicher Posto fassen konnte, und
also ließ er das Gewicht hinunter, indem er immer ein Stück Schnur an
seinem ausgestreckten Arm abmaß, drei solcher Längen auf ein Klafter
rechnete und laut abzählte: »-- 1 Klafter, 2 Klafter, 3, 4, 5, 6, 7,
8, 9, 10«; -- da ging der erste Schnurbund aus und mußte er den
zweiten an das Ende knüpfen, maß wiederum ab und zählte bis auf 20. Da
war der andere Schnurbund gar. -- »Heidaguguk, ist dees a Tiafe!« --
und band den dritten an das Trumm, fuhr fort zu zählen: »21, 22, 23,
24 -- Höll-Element, mei' Arm will nimme! -- 25, 26, 27, 28, 29, 30 --
Jetzet guat Nacht, 's Meß hot a End! Do heißt's halt, mir nex, dir
nex, rappede kappede, so isch usganga!« -- Er schlang die Schnur,
bevor er aufzog, um das Holz, darauf er stand, ein wenig zu
verschnaufen, und urteilte bei sich: der Topf ist währle bodalaus.
[6] Wasserleitungsröhren.
[Illustration]
Indem der Spinnerinnen eine diesen Schwank erzählte, tat die Wirtin
einen schlauen Blick zur Lau hinüber, welche lächelte; denn freilich
wußte sie am besten, wie es gegangen war mit dieser Messerei; doch
sagten beide nichts. Dem Leser aber soll es unverhalten sein.
Die schöne Lau lag jenen Nachmittag auf dem Sand in der Tiefe, und,
ihr zu Füßen, eine Kammerjungfer, Aleila, welche ihr die liebste war,
beschnitte ihr in guter Ruh die Zehen mit einer goldenen Schere, wie
von Zeit zu Zeit geschah.
Da kam hernieder langsam aus der klaren Höh' ein schwarzes Ding, als
wie ein Kegel, des sich im Anfang beide sehr verwunderten, bis sie
erkannten, was es sei. Wie nun das Lot mit neunzig Schuh den Boden
rührte, da ergriff die scherzlustige Zofe die Schnur und zog gemach
mit beiden Händen, zog und zog, so lang', bis sie nicht mehr nachgab.
Alsdann nahm sie geschwind die Schere und schnitt das Lot hinweg,
erlangte einen dicken Zwiebel, der war erst gestern in den Topf
gefallen und war fast eines Kinderkopfes groß, und band ihn bei dem
grünen Schossen an die Schnur, damit der Mann erstaune, ein ander Lot
zu finden, als das er ausgeworfen. Derweile aber hatte die schöne Lau
den Krackenzahn im Blei mit Freuden und Verwunderung entdeckt. Sie
wußte seine Kraft gar wohl, und ob zwar für sich selbst die
Wasserweiber oder -männer nicht viel danach fragen, so gönnen sie den
Menschen doch so großen Vorteil nicht, zumalen sie das Meer und was
sich darin findet von Anbeginn als ihren Pacht und Lehn ansprechen.
Deswegen denn die schöne Lau mit dieser ungefähren Beute sich
dereinst, wenn sie zu Hause käme, beim alten Nix, ihrem Gemahl, Lobs
zu erholen hoffte. Doch wollte sie den Mann, der oben stund, nicht
lassen ohn' Entgelt, nahm also alles, was sie eben auf dem Leibe
hatte, nämlich die schöne Perlenschnur an ihrem Hals, schlang selbe um
den großen Zwiebel, gerade als er sich nunmehr erhob; und daran war
es nicht genug: sie hing zuteuerst auch die goldene Schere noch daran
und sah mit hellem Aug', wie das Gewicht hinaufgezogen ward. Die Zofe
aber, neubegierig, wie sich das Menschenkind dabei gebärde, stieg
hinter dem Lot in die Höhe und weidete sich zwo Spannen unterhalb dem
Spiegel an des Alten Schreck und Verwirrung. Zuletzt fuhr sie mit
ihren beiden aufgehobenen Händen ein maler viere in der Luft herum,
die weißen Finger als zu einem Fächer oder Wadel ausgespreizt. Es
waren aber schon zuvor auf des Vetters Seilers Geschrei viel Leute aus
der Stadt herausgekommen, die standen um den Blautopf her und sahn dem
Abenteuer zu, bis wo die grausigen Hände erschienen; da stob mit eins
die Menge voneinander und entrann.
Der alte Diener aber war von Stund an irrsch im Kopf ganzer sieben
Tage und sah der Lau ihre Geschenke gar nicht an, sondern saß da, bei
seinem Vetter, hinterm Ofen, und sprach des Tags wohl hundertmal ein
altes Sprüchlein vor sich hin, von welchem kein Gelehrter in ganz
Schwabenland Bescheid zu geben weiß, woher und wie oder wann erstmals
es unter die Leute gekommen. Denn von ihm selber hatte es der Alte
nicht; man gab es lang vor seiner Zeit, gleichwie noch heutigestags,
den Kindern scherzweis auf, wer es ganz hurtig nacheinander ohne Tadel
am öftesten hersagen könne; und lauten die Worte:
»'s leit a Klötzle Blei glei bei Blaubeura,
glei bei Blaubeura leit a Klötzle Blei.«
Die Wirtin nannt' es einen rechten Leirenbendel und sagte: »Wer hätte
auch den mindesten Verstand da drin gesucht, geschweige eine
Prophezeiung!«
Als endlich der Kurt mit dem siebenten Morgen seine gute Besinnung
wiederfand und ihm der Vetter die kostbaren Sachen darwies, so sein
rechtliches Eigentum wären, da schmunzelte er doch, tat sie in
sicheren Verschluß und ging mit des Seilers[7] zu Rat, was damit
anzufangen. Sie achteten alle fürs beste, er reise mit Perlen und
Schere gen Stuttgart, wo eben Graf Ludwig sein Hoflager hatte, und
biete sie demselben an zum Kauf. So tat er denn. Der hohe Herr war
auch nicht karg und gleich bereit, so seltene Zier nach Schätzung
eines Meisters für seine Frau zu nehmen; nur als er von dem Alten
hörte, wie er dazu gekommen, fuhr er auf und drehte sich voll Ärger
auf dem Absatz um, daß ihm der Wunderzahn verloren sei. Ihm war vordem
etwas von diesem kund geworden, und hatte er dem Doktor, bald nach
Herrn Konrads Hintritt, seines Vaters, sehr darum angelegen, doch
umsonst.
[7] Mit den Seilersleuten.
Dies war nun die Geschichte, davon die Spinnerinnen damals plauderten.
Doch ihnen war das Beste daran unbekannt. Eine Gevatterin, so auch mit
ihrer Kunkel unter ihnen saß, hätte noch gar gern gehört, ob wohl die
schöne Lau das Lot noch habe, auch was sie damit tue, und red'te so
von weitem darauf hin; da gab Frau Betha ihr nach ihrer Weise einen
kleinen Stich und sprach zur Lau: »Ja, gelt, jetzt macht Ihr Euch
bisweilen unsichtbar, geht herum in den Häusern und guckt den Weibern
in die Töpfe, was sie zu Mittag kochen? Eine schöne Sach' um so ein
Lot für fürwitzige Leute!«
Inmittelst fing der Dirnen eine an, halblaut das närrische Gesetzlein
herzusagen; die andern taten ein gleiches, und jede wollt' es besser
können, und keine brachte es zum dritten oder viertenmal glatt aus dem
Mund; dadurch gab es viel Lachen. Zum letzten mußte es die schöne Lau
probieren, die Jutte ließ ihr keine Ruh'. Sie wurde rot bis an die
Schläfe, doch hub sie an und klüglicherweise gar langsam:
»'s leit a Klötzle Blei glei bei Blaubeuren.«
Die Wirtin rief ihr zu, so sei es keine Kunst, es müsse gehen wie
geschmiert! Da nahm sie ihren Anlauf frisch hinweg, kam auch alsbald
vom Pfad ins Stoppelfeld, fuhr buntüberecks und wußte nimmer gicks
noch gacks. Jetzt, wie man denken kann, gab es Gelächter einer Stuben
voll, das hättet ihr nur hören sollen, und mitten draus hervor der
schönen Lau ihr Lachen, so hell wie ihre Zähne, die man alle sah!
Doch unversehens, mitten in dieser Fröhlichkeit und Lust, begab sich
ein mächtiges Schrecken.
Der Sohn vom Haus, der Wirt, -- er kam gerade mit dem Wagen heim von
Sonderbuch und fand die Knechte verschlafen im Stall -- sprang hastig
die Stiege herauf, rief seine Mutter vor die Tür und sagte, daß es
alle hören konnten: »Um Gottes willen, schickt die Lau nach Haus! Hört
Ihr denn nicht im Städtlein den Lärm? Der Blautopf leert sich aus, die
untere Gasse ist schon unter Wasser, und in dem Berg am Gumpen ist ein
Getös und Rollen, als wenn die Sündflut käme!« Indem er noch so
sprach, tat innen die Lau einen Schrei: »Das ist der König, mein
Gemahl, und ich bin nicht daheim!« -- Hiermit fiel sie von ihrem Stuhl
sinnlos zu Boden, daß die Stube zitterte. Der Sohn war wieder fort,
die Spinnerinnen liefen jammernd heim mit ihren Rocken, die andern
aber wußten nicht, was anzufangen mit der armen Lau, welche wie tot da
lag. Eins machte ihr die Kleider auf, ein anderes strich sie an, das
dritte riß die Fenster auf, und schafften doch alle miteinander
nichts.
Da streckte unverhofft der lustige Koch den Kopf zur Tür herein,
sprechend: »Ich hab' mir's eingebildet, sie wär' bei euch! Doch, wie
ich sehe, geht's nicht allzu lustig her. Macht, daß die Ente in das
Wasser kommt, so wird sie schwimmen!« -- »Du hast gut reden!« sprach
die Mutter mit Beben; »hat man sie auch im Keller und im Brunnen, kann
sie sich unten nicht den Hals abstürzen im Geklüft?« -- »Was Keller!«
rief der Sohn: »was Brunnen! das geht ja freilich nicht -- laßt mich
nur machen! Not kennt kein Gebot -- ich trag' sie in den Blautopf.«
Und damit nahm er, als ein starker Kerl, die Wasserfrau auf seine
Arme. »Komm, Jutta -- nicht heulen! -- geh mir voran mit der Latern'!«
-- »In Gottes Namen!« sagte die Wirtin; »doch nehmt den Weg hinten
herum durch die Gärten: es wimmelt die Straße mit Leuten und
Lichtern.« -- »Der Fisch hat sein Gewicht!« sprach er im Gehn, schritt
aber festen Tritts die Stiege hinunter, dann über den Hof und links
und rechts, zwischen Hecken und Zäunen hindurch.
Am Gumpen fanden sie das Wasser schon merklich gefallen, gewahrten
aber nicht, wie die drei Zofen, mit den Köpfen dicht unter dem
Spiegel, ängstig hin und wieder schwammen, nach ihrer Frau
ausschauend. Das Mädchen stellte die Laterne hin, der Koch entledigte
sich seiner Last, indem er sie behutsam mit dem Rücken an den
Kürbishügel lehnte. Da raunte ihm sein eigener Schalk ins Ohr: wenn du
sie küßtest, freute dich's dein Leben lang, und könntest du doch
sagen, du habest einmal eine Wasserfrau geküßt. -- Und eh' er es
recht dachte, war's geschehen. Da löschte ein Schluck Wasser aus dem
Topf das Licht urplötzlich aus, daß es stichdunkel war umher, und tat
es dann nicht anders, als wenn ein ganz halb Dutzend nasser Hände auf
ein paar kernige Backen fiel, und wo es sonst hintraf. Die Schwester
rief: »Was gibt es denn?« -- »Maulschellen heißt man's hier herum!«
sprach er; »ich hätte nicht gedacht, daß sie am Schwarzen Meer sottige
Ding' auch kenneten!« -- Dies sagend, stahl er sich eilends davon,
doch weil es vom Widerhall drüben am Kloster auf Mauern und Dächern
und Wänden mit Maulschellen brazzelte, stund er bestürzt, wußte nicht
recht wohin, denn er glaubte den Feind vorn und hinten. (Solch einer
Witzung brauchte es, damit er sich des Mundes nicht berühme, den er
geküßt, unwissend zwar, daß er es müssen tun der schönen Lau zum
Heil.)
[Illustration]
Inwährend diesem argen Lärm nun hörte man die Fürstin in ihrem
Ohnmachtschlaf so innig lachen, wie sie damals im Traum getan, wo sie
den Abt sah springen. Der Koch vernahm es noch von weitem, und ob er's
schon auf sich zog und mit Grund, erkannte er doch gern daraus, daß
es nicht weiter Not mehr habe mit der Frau.
Bald kam mit guter Zeitung auch die Jutte heim, die Kleider, den Rock
und das Leibchen im Arm, welche die schöne Lau zum letztenmal heut' am
Leibe gehabt. Von ihren Kammerjungfern, die sie am Topf in Beisein des
Mädchens empfingen, erfuhr sie gleich zu ihrem großen Trost, der König
sei noch nicht gekommen, doch mög' es nicht mehr lang anstehn, die
große Wasserstraße sei schon angefüllt. Dies nämlich war ein breiter
hoher Felsenweg, tief unterhalb der menschlichen Wohnstätten, schön
grad und eben mitten durch den Berg gezogen, zwo Meilen lang von da
bis an die Donau, wo des alten Nixen Schwester ihren Fürstensitz
hatte. Derselben waren viele Flüsse, Bäche, Quellen dieses Gaus
dienstbar; die schwellten, wenn das Aufgebot an sie erging, besagte
Straße in gar kurzer Zeit so hoch mit ihren Wassern, daß sie mit allem
Seegetier, Meerrossen und Wagen füglich befahren werden mochte,
welches bei festlicher Gelegenheit zuweilen als ein schönes
Schaugepräng' mit vielen Fackeln und Musik von Hörnern und Pauken
geschah.
Die Zofen eilten jetzo sehr mit ihrer Herrin in das Putzgemach, um sie
zu salben, zöpfen und köstlich anzuziehen; das sie auch gern zuließ
und selbst mithalf, denn sie in ihrem Innern fühlte, es sei nun
jegliches erfüllt zusamt dem Fünften, so der alte Nix und sie nicht
wissen durfte.
Drei Stunden wohl, nachdem der Wächter Mitternacht gerufen, es schlief
im Nonnenhof schon alles, erscholl die Kellerglocke zweimal mächtig,
zum Zeichen, daß es Eile habe, und hurtig waren auch die Frauen und
die Töchter auf dem Platz.
Die Lau begrüßte sie wie sonst vom Brunnen aus, nur war ihr Gesicht
von der Freude verschönt, und ihre Augen glänzten, wie man es nie an
ihr gesehen. Sie sprach: »Wißt, daß mein Ehgemahl um Mitternacht
gekommen ist. Die Schwieger hat es ihm voraus verkündigt ohnelängst,
daß sich in dieser Nacht mein gutes Glück vollenden soll, darauf er
ohne Säumen auszog, mit Geleit der Fürsten, seinem Ohm und meinem
Bruder Synd und vielen Herren. Am Morgen reisen wir. Der König ist mir
hold und gnädig, als hieß' ich von heute an erst sein Gespons. Sie
werden gleich vom Mahl aufstehn, sobald sie den Umtrunk gehalten. Ich
schlich auf meine Kammer und hierher, noch meine Gastfreunde zu grüßen
und zu herzen. Ich sage Dank, Frau Ahne, liebe Jutta, Euch Söhnerin
und Jüngste dir. Grüßet, die nicht zugegen sind, die Männer und die
Mägde. In jedem dritten Jahr wird euch Botschaft von mir; auch mag es
wohl geschehn, daß ich noch bälder komme selber, da bring' ich mit auf
diesen meinen Armen ein lebend Merkmal, daß die Lau bei euch gelacht.
Das wollen euch die Meinen allezeit gedenken, wie ich selbst. Für
jetzo, wisset, liebe Wirtin, ist mein Sinn, einen Segen zu stiften in
dieses Haus für viele seiner Gäste. Oft habe ich vernommen, wie Ihr
den armen wandernden Gesellen Gut's getan mit freier Zehrung und
Herberg'. Damit Ihr solchen fortan mögt noch eine weitere Handreichung
tun, so werdet Ihr zu diesem Ende finden beim Brunnen hier einen
steinernen Krug voll guter Silbergroschen: davon teilt ihnen nach
Gutdünken mit, und will ich das Gefäß, bevor der letzte Pfennig
ausgegeben, wieder füllen. Zudem will ich noch stiften auf alle
hundert Jahr fünf Glückstage (denn dies ist meine holde Zahl), mit
unterschiedlichen Geschenken, also, daß, wer von reisenden Gesellen
der erste über Eure Schwelle tritt am Tag, der mir das erste Lachen
brachte, der soll empfangen, aus Eurer oder Eurer Kinder Hand, von
fünferlei Stücken das Haupt. Ein jeder, so den Preis gewinnt, gelobe,
nicht Ort noch Zeit dieser Bescherung zu verraten. Ihr findet aber
solche Gaben jedesmal hier nächst dem Brunnen. Die Stiftung wisset,
mache ich für alle Zeit, solang' ein Glied von Eurem Stammen auf der
Wirtschaft ist.«
[Illustration]
Nach diesen Worten redete sie nochmals leise mit der Wirtin und sagte
zuletzt: »Vergesset nicht das Lot! Der kleine Schuster soll es
nimmermehr bekommen.« -- Da nahm sie nochmals Abschied und küßte ein
jedes. Die beiden Frauen und die Mädchen weinten sehr. Sie steckte
Jutten einen Fingerreif mit grünem Schmelzwerk an und sprach dabei:
»Ade, Jutta! Wir haben zusammen besondere Holdschaft gehabt, die müsse
fernerhin bestehen!« -- Nun tauchte sie hinunter, winkte und
verschwand.
In einer Nische hinter dem Brunnen fand sich richtig der Krug samt den
verheißnen Angebinden. Es war in der Mauer ein Loch mit eisernem
Türlein versehen, von dem man nie gewußt, wohin es führe; das stand
jetzt aufgeschlagen, und war daraus ersichtlich, daß die Sachen durch
dienstbare Hand auf diesem Weg seien hergebracht worden, deshalb auch
alles wohl trocken verblieb. Es lag dabei: ein Würfelbecher aus
Drachenhaut, mit goldenen Buckeln beschlagen, ein Dolch mit kostbar
eingelegtem Griff, ein elfenbeinen Weberschifflein, ein schönes Tuch
von fremder Weberei und mehr dergleichen. Aparte aber lag ein
Kochlöffel aus Rosenholz mit langem Stiel, von oben herab fein gemalt
und vergoldet, den war die Wirtin angewiesen, dem lustigen Koch zum
Andenken zu geben. Auch keins der andern war vergessen.
Frau Betha hielt bis an ihr Lebensende die Ordnung der guten Lau
heilig, und ihre Nachkommen nicht minder. Daß jene sich nachmals mit
ihrem Kind im Nonnenhof zum Besuch eingefunden, davon zwar steht
nichts in dem alten Buch, das diese Geschichten berichtet, doch mag
ich es wohl glauben.
* * * * *
Anmerkungen zur Transkription
Im folgenden sind die Änderungen am Originaltext aufgeführt.
Unter der Beschreibung der Änderung steht jeweils zuerst die
Textstelle im Original, dann die geänderte Textstelle.
Apostroph verschoben:
Wann' werd ich gestillt?
Wann werd' ich gestillt?
»knicksten« geändert zu »knicksen«:
sie nicken und knicksten und fliegen davon.
sie nicken und knicksen und fliegen davon.
Folgende Zeilen sind im Original eingerückt:
dazwischen hört man weiche Töne gehen
von sel'gen Feen, die im blauen Saal
zum Sphärenklang,
und fleißig mit Gesang,
silberne Spindeln hin und wieder drehen.
Überflüssiges Anführungszeichen gelöscht:
schwerlich gelten!« -- ließ sich indes nichts merken, und Jutte nahm
schwerlich gelten! -- ließ sich indes nichts merken, und Jutte nahm
»Blautops« geändert zu »Blautopfs«:
Blautops nieder, schlief gleich ein, und bald erschien ihr ein
Blautopfs nieder, schlief gleich ein, und bald erschien ihr ein
»das« geändert zu »daß«:
ich sehe, geht's nicht allzu lustig her. Macht, das die Ente in das
ich sehe, geht's nicht allzu lustig her. Macht, daß die Ente in das
Fehlendes Anführungszeichen ergänzt:
sich: »Zu meiner Zeit sind dia Blaubeuramar so grob ett gwä[5].
sich: »Zu meiner Zeit sind dia Blaubeuramar so grob ett gwä[5].«
Fehlendes Anführungszeichen ergänzt:
die Mutter mit Beben; hat man sie auch im Keller und im Brunnen, kann
die Mutter mit Beben; »hat man sie auch im Keller und im Brunnen, kann
und tauchte hinunter.
Es war nah bei Mittag, da rief der Pater Schaffner im Kloster dem
Bruder Kellermeister eifrig zu: »Ich merk', es ist im Gumpen letz! die
Arge will Euch Eure Faß wohl wieder einmal schwimmen lehren. Tut Eure
Läden eilig zu, vermachet alles wohl!«
Nun aber war des Klosters Koch, der Wirtin Sohn, ein lustiger Vogel,
welchen die Lau wohl leiden mochte. Der dachte ihren Jäst[4] mit einem
Schnak zu stillen, lief nach seiner Kammer, zog die Bettscher' aus der
Lagerstätte und steckte sie am Blautopf in den Rasen, wo das Wasser
auszutreten pflegte, und stellte sich mit Worten und Gebärden als
einen vielgetreuen Diener an, der mächtig Ängsten hätte, daß seine
Herrschaft aus dem Bette fallen und etwa Schaden nehmen möchte. Da sie
nun sah das Holz so recht mit Fleiß gesteckt und über das Bächlein
gespreizt, kam ihr in ihrem Zorn das Lachen an, und lachte überlaut,
daß man's im Klostergarten hörte.
[4] Zorn.
Als sie hierauf am Abend zu den Frauen kam, da wußten sie es schon vom
Koch und wünschten ihr mit tausend Freuden Glück. Die Wirtin sagte:
»Der Xaver ist von Kindesbeinen an gewesen als wie der Zuberklaus,
jetzt kommt uns seine Torheit zustatten.«
Nun aber ging ein Monat nach dem andern herum, es wollte sich zum
dritten- oder viertenmal nicht wieder schicken. Martini war vorbei,
noch wenig Wochen, und die Boten standen wieder vor der Tür. Da ward
es den guten Wirtsleuten selbst bang, ob heuer noch etwas zustande
käme, und alle hatten nur zu trösten an der Frau. Je größer deren
Angst, je weniger zu hoffen war.
Damit sie ihres Kummers eher vergesse, lud ihr Frau Betha einen
Lichtkarz ein, da nach dem Abendessen ein halb Dutzend muntre Dirnen
und Weiber aus der Verwandtschaft in einer abgelegenen Stube mit ihren
Kunkeln sich zusammensetzten. Die Lau kam alle Abend in Juttas altem
Rock und Kittel und ließ sich weit vom warmen Ofen weg in einem Winkel
auf den Boden nieder und hörte dem Geplauder zu, von Anfang als ein
stummer Gast, ward aber bald zutraulich und bekannt mit allen. Um
ihretwillen machte sich Frau Betha eines Abends ein Geschäft daraus,
ihr Weihnachtskripplein für die Enkel beizeiten herzurichten: die
Mutter Gottes mit dem Kind im Stall, bei ihr die drei Weisen aus
Morgenland, ein jeder mit seinem Kamel, darauf er hergereist kam und
seine Gaben brachte. Dies alles aufzuputzen und zu leimen, was etwa
lotter war, saß die Frau Wirtin an dem Tisch beim Licht mit ihrer
Brille, und die Wasserfrau mit höchlichem Ergötzen sah ihr zu, sowie
sie auch gerne vernahm, was ihr von heiligen Geschichten dabei gesagt
wurde, doch nicht, daß sie dieselben dem rechten Verstand nach
begriff oder zu Herzen nahm, wie gern auch die Wirtin es wollte.
[Illustration]
Frau Betha wußte ferner viel lehrreicher Fabeln und Denkreime, auch
spitzweise Fragen und Rätsel; die gab sie nacheinander auf zu raten,
weil sonderlich die Wasserfrau von Hause aus dergleichen liebte und
immer gar zufrieden schien, wenn sie es ein und das andre Mal traf
(das doch nicht allzu leicht geriet). Eines derselben gefiel ihr vor
allen, und was damit gemeint ist, nannte sie ohne Besinnen:
»Ich bin eine dürre Königin,
trag' auf dem Haupt eine zierliche Kron',
und die mir dienen mit treuem Sinn,
die haben großen Lohn.
»Meine Frauen müssen mich schön frisiern,
erzählen mir Märlein ohne Zahl,
sie lassen kein einzig Haar an mir,
doch siehst du mich nimmer kahl.
»Spazieren fahr' ich frank und frei,
das geht so rasch, das geht so fein;
nur komm' ich nicht vom Platz dabei --
sagt, Leute, was mag das sein?«
Darüber sagte sie, in etwas fröhlicher denn zuvor: »Wenn ich
dereinstens wiederum in meiner Heimat bin und kommt einmal ein
schwäbisch Landeskind, zumal aus eurer Stadt, auf einer Kriegsfahrt
oder sonst durch der Walachen Land an unsere Gestade, so ruf' er mich
bei Namen, dort wo der Strom am breitesten hineingeht in das Meer --
versteht, zehn Meilen einwärts in dieselbe See erstreckt sich meines
Mannes Reich, soweit das süße Wasser sie mit seiner Farbe färbt --,
dann will ich kommen und dem Fremdling zu Rat und Hilfe sein. Damit er
aber sicher sei, ob ich es bin und keine andere, die ihm schaden
möchte, so stelle er dies Rätsel. Niemand aus unserem Geschlechte
außer mir wird ihm darauf antworten, denn dortzuland sind solche
Rocken und Rädlein, als ihr in Schwaben führet, nicht gesehn, noch
kennen sie dort eure Sprache; darum mag dies die Losung sein.«
Auf einen andern Abend ward erzählt vom Doktor Veylland und Herrn
Konrad von Wirtemberg, dem alten Gaugrafen, in dessen Tagen es noch
keine Stadt mit Namen Stuttgart gab. Im Wiesental, da wo dieselbe sich
nachmals erhob, stund nur ein stattliches Schloß mit Wassergraben und
Zugbrücke, von Bruno, dem Domherrn von Speyer, Konradens Oheim,
erbaut, und nicht gar weit davon ein hohes steinernes Haus. In diesem
wohnte dazumal mit einem alten Diener ganz allein ein sonderlicher
Mann, der war in natürlicher Kunst und in Arzneikunst sehr gelehrt und
war mit seinem Herrn, dem Grafen, weit in der Welt herumgereist, in
heißen Ländern, von wo er manche Seltsamkeit an Tieren, vielerlei
Gewächsen und Meerwundern heraus nach Schwaben brachte. In seinem Öhrn
sah man der fremden Sachen eine Menge an den Wänden herum hangen: die
Haut vom Krokodil sowie Schlangen und fliegende Fische. Fast alle
Wochen kam der Graf einmal zu ihm; mit andern Leuten pflegte er wenig
Gemeinschaft. Man wollte behaupten, er mache Gold; gewiß ist, daß er
sich unsichtbar machen konnte, denn er verwahrte unter seinem Kram
einen Krackenfischzahn. Einst nämlich, als er auf dem Roten Meer das
Bleilot niederließ, die Tiefe zu erforschen, da zockt' es unterm
Wasser, daß das Tau fast riß. Es hatte sich ein Krackenfisch im Lot
verbissen und zween seiner Zähne darinne gelassen. Sie sind wie eine
Schustersahle spitz und glänzend schwarz. Der eine stak sehr fest, der
andre ließ sich leicht ausziehen. Da nun ein solcher Zahn, etwa in
Silber oder Gold gefaßt und bei sich getragen, besagte hohe Kraft
besitzt und zu den größten Gütern, so man für Geld nicht haben kann,
gehört, der Doktor aber dafür hielt, es zieme eine solche Gabe niemand
besser als einem weisen und wohldenkenden Gebieter, damit er überall,
in seinen eigenen und Feindes Landen, sein Ohr und Auge habe, so gab
er einen dieser Zähne seinem Grafen, wie er ja ohnedem wohl schuldig
war, mit Anzeigung von dessen Heimlichkeit, davon der Herr nichts
wußte. Von diesem Tage an erzeigte sich der Graf dem Doktor gnädiger
als allen seinen Edelleuten oder Räten und hielt ihn recht als seinen
lieben Freund, ließ ihm auch gern und sonder Neid das Lot zu eigen,
darin der andere Zahn war, doch unter dem Gelöbnis, sich dessen ohne
Not nicht zu bedienen, auch ihn vor seinem Ableben entweder ihm, dem
Grafen, erblich zu verlassen oder auf alle Weise der Welt zu
entrücken, wo nicht ihn gänzlich zu vertilgen. Der edle Graf starb
aber um zwei Jahre eher als der Veylland und hinterließ das Kleinod
seinen Söhnen nicht; man glaubt, aus Gottesfurcht und weisem
Vorbedacht hab' er's mit in das Grab genommen oder sonst verborgen.
Wie nun der Doktor auch am Sterben lag, so rief er seinen treuen
Diener Kurt zu ihm ans Bett und sagte: »Lieber Kurt! Es gehet diese
Nacht mit mir zu Ende, so will ich dir noch deine guten Dienste danken
und etliche Dinge befehlen. Dort bei den Büchern, in dem Fach zu
unterst in der Ecke, ist ein Beutel mit hundert Imperialen, den nimm
sogleich zu dir; du wirst auf Lebenszeit genug daran haben. Zum
zweiten, das alte geschriebene Buch in dem Kästlein daselbst verbrenne
jetzt vor meinen Augen hier in dem Kamin. Zum dritten findest du ein
Bleilot dort, das nimm, verbirg's bei deinen Sachen, und wenn du aus
dem Hause gehst in deine Heimat, gen Blaubeuren, laß es dein erstes
sein, daß du es in den Blautopf wirfst.« -- Hiermit war er darauf
bedacht, daß es, ohne Gottes besondere Fügung, in ewigen Zeiten nicht
in irgendeines Menschen Hände komme. Denn damals hatte sich die Lau
noch nie im Blautopf blicken lassen und hielt man selben überdies für
unergründlich.
Nachdem der gute Diener jenes alles teils auf der Stelle ausgerichtet,
teils versprochen, nahm er mit Tränen Abschied von dem Doktor, welcher
vor Tage noch das Zeitliche gesegnete.
Als nachher die Gerichtspersonen kamen und allen kleinen Quark
aussuchten und versiegelten, da hatte Kurt das Bleilot zwar beiseit'
gebracht, den Beutel aber nicht versteckt, denn er war keiner von den
Schlauesten, und mußte ihn da lassen, bekam auch nach der Hand nicht
einen Deut davon zu sehen, kaum daß die schnöden Erben ihm den
Jahreslohn auszahlten.
Solch Unglück ahnete ihm schon, als er, auch ohnedem betrübt genug,
mit seinem Bündelein in seiner Vaterstadt einzog. Jetzt dachte er an
nichts, als seines Herrn Befehl vor allen Dingen zu vollziehen. Weil
er seit dreiundzwanzig Jahren nimmer hier gewesen, so kannte er die
Leute nicht, die ihm begegneten, und da er gleichwohl einem und dem
andern Guten Abend sagte, gab's ihm niemand zurück. Die Leute schauten
sich, wenn er vorüberkam, verwundert an den Häusern um, wer doch da
gegrüßt haben möchte, denn keines erblickte den Mann. Dies kam, weil
ihm das Lot in seinem Bündel auf der linken Seite hing; ein andermal,
wenn er es rechts trug, war er von allen gesehen. Er aber sprach für
sich: »Zu meiner Zeit sind dia Blaubeuramar so grob ett gwä[5].«
[5] Nicht gewesen.
Vom Blautopf fand er seinen Vetter, den Seilermeister, mit dem Jungen
am Geschäft, indem er längs der Klostermauer, rückwärts gehend, Werg
aus seiner Schürze spann, und weiterhin der Knabe trillte die Schnur
mit dem Rad. -- »Gott grüaß di Vetter Seiler!« rief der Kurt und
klopft' ihm auf die Achsel. Der Meister guckt sich um, verblaßt, läßt
seine Arbeit aus den Händen fallen und lauft, was seine Beine mögen.
Da lachte der andere, sprechend: »Der denkt, mei' Seel, i wandele
geistweis! D'Leut hant g'wiß mi für tot hia g'sagt, anstatt mein'
Herra -- ei so schlag!«
Jetzt ging er zu dem Teich, knüpfte sein Bündel auf und zog das Lot
heraus. Da fiel ihm ein, er möchte doch auch wissen, ob es wahr sei,
daß der Gumpen keinen Grund noch Boden habe (er wär' gern auch ein
wenig so ein Spiriguckes wie sein Herr gewesen), und weil er vorhin in
des Seilers Korb drei große starke Schnürbund liegen sehn, so holte er
dieselben her und band das Lot an einen. Es lagen just auch
frischgebohrte Teichel[6], eine schwere Menge, in dem Wasser bis
gegen die Mitte des Topfs, darauf er sicher Posto fassen konnte, und
also ließ er das Gewicht hinunter, indem er immer ein Stück Schnur an
seinem ausgestreckten Arm abmaß, drei solcher Längen auf ein Klafter
rechnete und laut abzählte: »-- 1 Klafter, 2 Klafter, 3, 4, 5, 6, 7,
8, 9, 10«; -- da ging der erste Schnurbund aus und mußte er den
zweiten an das Ende knüpfen, maß wiederum ab und zählte bis auf 20. Da
war der andere Schnurbund gar. -- »Heidaguguk, ist dees a Tiafe!« --
und band den dritten an das Trumm, fuhr fort zu zählen: »21, 22, 23,
24 -- Höll-Element, mei' Arm will nimme! -- 25, 26, 27, 28, 29, 30 --
Jetzet guat Nacht, 's Meß hot a End! Do heißt's halt, mir nex, dir
nex, rappede kappede, so isch usganga!« -- Er schlang die Schnur,
bevor er aufzog, um das Holz, darauf er stand, ein wenig zu
verschnaufen, und urteilte bei sich: der Topf ist währle bodalaus.
[6] Wasserleitungsröhren.
[Illustration]
Indem der Spinnerinnen eine diesen Schwank erzählte, tat die Wirtin
einen schlauen Blick zur Lau hinüber, welche lächelte; denn freilich
wußte sie am besten, wie es gegangen war mit dieser Messerei; doch
sagten beide nichts. Dem Leser aber soll es unverhalten sein.
Die schöne Lau lag jenen Nachmittag auf dem Sand in der Tiefe, und,
ihr zu Füßen, eine Kammerjungfer, Aleila, welche ihr die liebste war,
beschnitte ihr in guter Ruh die Zehen mit einer goldenen Schere, wie
von Zeit zu Zeit geschah.
Da kam hernieder langsam aus der klaren Höh' ein schwarzes Ding, als
wie ein Kegel, des sich im Anfang beide sehr verwunderten, bis sie
erkannten, was es sei. Wie nun das Lot mit neunzig Schuh den Boden
rührte, da ergriff die scherzlustige Zofe die Schnur und zog gemach
mit beiden Händen, zog und zog, so lang', bis sie nicht mehr nachgab.
Alsdann nahm sie geschwind die Schere und schnitt das Lot hinweg,
erlangte einen dicken Zwiebel, der war erst gestern in den Topf
gefallen und war fast eines Kinderkopfes groß, und band ihn bei dem
grünen Schossen an die Schnur, damit der Mann erstaune, ein ander Lot
zu finden, als das er ausgeworfen. Derweile aber hatte die schöne Lau
den Krackenzahn im Blei mit Freuden und Verwunderung entdeckt. Sie
wußte seine Kraft gar wohl, und ob zwar für sich selbst die
Wasserweiber oder -männer nicht viel danach fragen, so gönnen sie den
Menschen doch so großen Vorteil nicht, zumalen sie das Meer und was
sich darin findet von Anbeginn als ihren Pacht und Lehn ansprechen.
Deswegen denn die schöne Lau mit dieser ungefähren Beute sich
dereinst, wenn sie zu Hause käme, beim alten Nix, ihrem Gemahl, Lobs
zu erholen hoffte. Doch wollte sie den Mann, der oben stund, nicht
lassen ohn' Entgelt, nahm also alles, was sie eben auf dem Leibe
hatte, nämlich die schöne Perlenschnur an ihrem Hals, schlang selbe um
den großen Zwiebel, gerade als er sich nunmehr erhob; und daran war
es nicht genug: sie hing zuteuerst auch die goldene Schere noch daran
und sah mit hellem Aug', wie das Gewicht hinaufgezogen ward. Die Zofe
aber, neubegierig, wie sich das Menschenkind dabei gebärde, stieg
hinter dem Lot in die Höhe und weidete sich zwo Spannen unterhalb dem
Spiegel an des Alten Schreck und Verwirrung. Zuletzt fuhr sie mit
ihren beiden aufgehobenen Händen ein maler viere in der Luft herum,
die weißen Finger als zu einem Fächer oder Wadel ausgespreizt. Es
waren aber schon zuvor auf des Vetters Seilers Geschrei viel Leute aus
der Stadt herausgekommen, die standen um den Blautopf her und sahn dem
Abenteuer zu, bis wo die grausigen Hände erschienen; da stob mit eins
die Menge voneinander und entrann.
Der alte Diener aber war von Stund an irrsch im Kopf ganzer sieben
Tage und sah der Lau ihre Geschenke gar nicht an, sondern saß da, bei
seinem Vetter, hinterm Ofen, und sprach des Tags wohl hundertmal ein
altes Sprüchlein vor sich hin, von welchem kein Gelehrter in ganz
Schwabenland Bescheid zu geben weiß, woher und wie oder wann erstmals
es unter die Leute gekommen. Denn von ihm selber hatte es der Alte
nicht; man gab es lang vor seiner Zeit, gleichwie noch heutigestags,
den Kindern scherzweis auf, wer es ganz hurtig nacheinander ohne Tadel
am öftesten hersagen könne; und lauten die Worte:
»'s leit a Klötzle Blei glei bei Blaubeura,
glei bei Blaubeura leit a Klötzle Blei.«
Die Wirtin nannt' es einen rechten Leirenbendel und sagte: »Wer hätte
auch den mindesten Verstand da drin gesucht, geschweige eine
Prophezeiung!«
Als endlich der Kurt mit dem siebenten Morgen seine gute Besinnung
wiederfand und ihm der Vetter die kostbaren Sachen darwies, so sein
rechtliches Eigentum wären, da schmunzelte er doch, tat sie in
sicheren Verschluß und ging mit des Seilers[7] zu Rat, was damit
anzufangen. Sie achteten alle fürs beste, er reise mit Perlen und
Schere gen Stuttgart, wo eben Graf Ludwig sein Hoflager hatte, und
biete sie demselben an zum Kauf. So tat er denn. Der hohe Herr war
auch nicht karg und gleich bereit, so seltene Zier nach Schätzung
eines Meisters für seine Frau zu nehmen; nur als er von dem Alten
hörte, wie er dazu gekommen, fuhr er auf und drehte sich voll Ärger
auf dem Absatz um, daß ihm der Wunderzahn verloren sei. Ihm war vordem
etwas von diesem kund geworden, und hatte er dem Doktor, bald nach
Herrn Konrads Hintritt, seines Vaters, sehr darum angelegen, doch
umsonst.
[7] Mit den Seilersleuten.
Dies war nun die Geschichte, davon die Spinnerinnen damals plauderten.
Doch ihnen war das Beste daran unbekannt. Eine Gevatterin, so auch mit
ihrer Kunkel unter ihnen saß, hätte noch gar gern gehört, ob wohl die
schöne Lau das Lot noch habe, auch was sie damit tue, und red'te so
von weitem darauf hin; da gab Frau Betha ihr nach ihrer Weise einen
kleinen Stich und sprach zur Lau: »Ja, gelt, jetzt macht Ihr Euch
bisweilen unsichtbar, geht herum in den Häusern und guckt den Weibern
in die Töpfe, was sie zu Mittag kochen? Eine schöne Sach' um so ein
Lot für fürwitzige Leute!«
Inmittelst fing der Dirnen eine an, halblaut das närrische Gesetzlein
herzusagen; die andern taten ein gleiches, und jede wollt' es besser
können, und keine brachte es zum dritten oder viertenmal glatt aus dem
Mund; dadurch gab es viel Lachen. Zum letzten mußte es die schöne Lau
probieren, die Jutte ließ ihr keine Ruh'. Sie wurde rot bis an die
Schläfe, doch hub sie an und klüglicherweise gar langsam:
»'s leit a Klötzle Blei glei bei Blaubeuren.«
Die Wirtin rief ihr zu, so sei es keine Kunst, es müsse gehen wie
geschmiert! Da nahm sie ihren Anlauf frisch hinweg, kam auch alsbald
vom Pfad ins Stoppelfeld, fuhr buntüberecks und wußte nimmer gicks
noch gacks. Jetzt, wie man denken kann, gab es Gelächter einer Stuben
voll, das hättet ihr nur hören sollen, und mitten draus hervor der
schönen Lau ihr Lachen, so hell wie ihre Zähne, die man alle sah!
Doch unversehens, mitten in dieser Fröhlichkeit und Lust, begab sich
ein mächtiges Schrecken.
Der Sohn vom Haus, der Wirt, -- er kam gerade mit dem Wagen heim von
Sonderbuch und fand die Knechte verschlafen im Stall -- sprang hastig
die Stiege herauf, rief seine Mutter vor die Tür und sagte, daß es
alle hören konnten: »Um Gottes willen, schickt die Lau nach Haus! Hört
Ihr denn nicht im Städtlein den Lärm? Der Blautopf leert sich aus, die
untere Gasse ist schon unter Wasser, und in dem Berg am Gumpen ist ein
Getös und Rollen, als wenn die Sündflut käme!« Indem er noch so
sprach, tat innen die Lau einen Schrei: »Das ist der König, mein
Gemahl, und ich bin nicht daheim!« -- Hiermit fiel sie von ihrem Stuhl
sinnlos zu Boden, daß die Stube zitterte. Der Sohn war wieder fort,
die Spinnerinnen liefen jammernd heim mit ihren Rocken, die andern
aber wußten nicht, was anzufangen mit der armen Lau, welche wie tot da
lag. Eins machte ihr die Kleider auf, ein anderes strich sie an, das
dritte riß die Fenster auf, und schafften doch alle miteinander
nichts.
Da streckte unverhofft der lustige Koch den Kopf zur Tür herein,
sprechend: »Ich hab' mir's eingebildet, sie wär' bei euch! Doch, wie
ich sehe, geht's nicht allzu lustig her. Macht, daß die Ente in das
Wasser kommt, so wird sie schwimmen!« -- »Du hast gut reden!« sprach
die Mutter mit Beben; »hat man sie auch im Keller und im Brunnen, kann
sie sich unten nicht den Hals abstürzen im Geklüft?« -- »Was Keller!«
rief der Sohn: »was Brunnen! das geht ja freilich nicht -- laßt mich
nur machen! Not kennt kein Gebot -- ich trag' sie in den Blautopf.«
Und damit nahm er, als ein starker Kerl, die Wasserfrau auf seine
Arme. »Komm, Jutta -- nicht heulen! -- geh mir voran mit der Latern'!«
-- »In Gottes Namen!« sagte die Wirtin; »doch nehmt den Weg hinten
herum durch die Gärten: es wimmelt die Straße mit Leuten und
Lichtern.« -- »Der Fisch hat sein Gewicht!« sprach er im Gehn, schritt
aber festen Tritts die Stiege hinunter, dann über den Hof und links
und rechts, zwischen Hecken und Zäunen hindurch.
Am Gumpen fanden sie das Wasser schon merklich gefallen, gewahrten
aber nicht, wie die drei Zofen, mit den Köpfen dicht unter dem
Spiegel, ängstig hin und wieder schwammen, nach ihrer Frau
ausschauend. Das Mädchen stellte die Laterne hin, der Koch entledigte
sich seiner Last, indem er sie behutsam mit dem Rücken an den
Kürbishügel lehnte. Da raunte ihm sein eigener Schalk ins Ohr: wenn du
sie küßtest, freute dich's dein Leben lang, und könntest du doch
sagen, du habest einmal eine Wasserfrau geküßt. -- Und eh' er es
recht dachte, war's geschehen. Da löschte ein Schluck Wasser aus dem
Topf das Licht urplötzlich aus, daß es stichdunkel war umher, und tat
es dann nicht anders, als wenn ein ganz halb Dutzend nasser Hände auf
ein paar kernige Backen fiel, und wo es sonst hintraf. Die Schwester
rief: »Was gibt es denn?« -- »Maulschellen heißt man's hier herum!«
sprach er; »ich hätte nicht gedacht, daß sie am Schwarzen Meer sottige
Ding' auch kenneten!« -- Dies sagend, stahl er sich eilends davon,
doch weil es vom Widerhall drüben am Kloster auf Mauern und Dächern
und Wänden mit Maulschellen brazzelte, stund er bestürzt, wußte nicht
recht wohin, denn er glaubte den Feind vorn und hinten. (Solch einer
Witzung brauchte es, damit er sich des Mundes nicht berühme, den er
geküßt, unwissend zwar, daß er es müssen tun der schönen Lau zum
Heil.)
[Illustration]
Inwährend diesem argen Lärm nun hörte man die Fürstin in ihrem
Ohnmachtschlaf so innig lachen, wie sie damals im Traum getan, wo sie
den Abt sah springen. Der Koch vernahm es noch von weitem, und ob er's
schon auf sich zog und mit Grund, erkannte er doch gern daraus, daß
es nicht weiter Not mehr habe mit der Frau.
Bald kam mit guter Zeitung auch die Jutte heim, die Kleider, den Rock
und das Leibchen im Arm, welche die schöne Lau zum letztenmal heut' am
Leibe gehabt. Von ihren Kammerjungfern, die sie am Topf in Beisein des
Mädchens empfingen, erfuhr sie gleich zu ihrem großen Trost, der König
sei noch nicht gekommen, doch mög' es nicht mehr lang anstehn, die
große Wasserstraße sei schon angefüllt. Dies nämlich war ein breiter
hoher Felsenweg, tief unterhalb der menschlichen Wohnstätten, schön
grad und eben mitten durch den Berg gezogen, zwo Meilen lang von da
bis an die Donau, wo des alten Nixen Schwester ihren Fürstensitz
hatte. Derselben waren viele Flüsse, Bäche, Quellen dieses Gaus
dienstbar; die schwellten, wenn das Aufgebot an sie erging, besagte
Straße in gar kurzer Zeit so hoch mit ihren Wassern, daß sie mit allem
Seegetier, Meerrossen und Wagen füglich befahren werden mochte,
welches bei festlicher Gelegenheit zuweilen als ein schönes
Schaugepräng' mit vielen Fackeln und Musik von Hörnern und Pauken
geschah.
Die Zofen eilten jetzo sehr mit ihrer Herrin in das Putzgemach, um sie
zu salben, zöpfen und köstlich anzuziehen; das sie auch gern zuließ
und selbst mithalf, denn sie in ihrem Innern fühlte, es sei nun
jegliches erfüllt zusamt dem Fünften, so der alte Nix und sie nicht
wissen durfte.
Drei Stunden wohl, nachdem der Wächter Mitternacht gerufen, es schlief
im Nonnenhof schon alles, erscholl die Kellerglocke zweimal mächtig,
zum Zeichen, daß es Eile habe, und hurtig waren auch die Frauen und
die Töchter auf dem Platz.
Die Lau begrüßte sie wie sonst vom Brunnen aus, nur war ihr Gesicht
von der Freude verschönt, und ihre Augen glänzten, wie man es nie an
ihr gesehen. Sie sprach: »Wißt, daß mein Ehgemahl um Mitternacht
gekommen ist. Die Schwieger hat es ihm voraus verkündigt ohnelängst,
daß sich in dieser Nacht mein gutes Glück vollenden soll, darauf er
ohne Säumen auszog, mit Geleit der Fürsten, seinem Ohm und meinem
Bruder Synd und vielen Herren. Am Morgen reisen wir. Der König ist mir
hold und gnädig, als hieß' ich von heute an erst sein Gespons. Sie
werden gleich vom Mahl aufstehn, sobald sie den Umtrunk gehalten. Ich
schlich auf meine Kammer und hierher, noch meine Gastfreunde zu grüßen
und zu herzen. Ich sage Dank, Frau Ahne, liebe Jutta, Euch Söhnerin
und Jüngste dir. Grüßet, die nicht zugegen sind, die Männer und die
Mägde. In jedem dritten Jahr wird euch Botschaft von mir; auch mag es
wohl geschehn, daß ich noch bälder komme selber, da bring' ich mit auf
diesen meinen Armen ein lebend Merkmal, daß die Lau bei euch gelacht.
Das wollen euch die Meinen allezeit gedenken, wie ich selbst. Für
jetzo, wisset, liebe Wirtin, ist mein Sinn, einen Segen zu stiften in
dieses Haus für viele seiner Gäste. Oft habe ich vernommen, wie Ihr
den armen wandernden Gesellen Gut's getan mit freier Zehrung und
Herberg'. Damit Ihr solchen fortan mögt noch eine weitere Handreichung
tun, so werdet Ihr zu diesem Ende finden beim Brunnen hier einen
steinernen Krug voll guter Silbergroschen: davon teilt ihnen nach
Gutdünken mit, und will ich das Gefäß, bevor der letzte Pfennig
ausgegeben, wieder füllen. Zudem will ich noch stiften auf alle
hundert Jahr fünf Glückstage (denn dies ist meine holde Zahl), mit
unterschiedlichen Geschenken, also, daß, wer von reisenden Gesellen
der erste über Eure Schwelle tritt am Tag, der mir das erste Lachen
brachte, der soll empfangen, aus Eurer oder Eurer Kinder Hand, von
fünferlei Stücken das Haupt. Ein jeder, so den Preis gewinnt, gelobe,
nicht Ort noch Zeit dieser Bescherung zu verraten. Ihr findet aber
solche Gaben jedesmal hier nächst dem Brunnen. Die Stiftung wisset,
mache ich für alle Zeit, solang' ein Glied von Eurem Stammen auf der
Wirtschaft ist.«
[Illustration]
Nach diesen Worten redete sie nochmals leise mit der Wirtin und sagte
zuletzt: »Vergesset nicht das Lot! Der kleine Schuster soll es
nimmermehr bekommen.« -- Da nahm sie nochmals Abschied und küßte ein
jedes. Die beiden Frauen und die Mädchen weinten sehr. Sie steckte
Jutten einen Fingerreif mit grünem Schmelzwerk an und sprach dabei:
»Ade, Jutta! Wir haben zusammen besondere Holdschaft gehabt, die müsse
fernerhin bestehen!« -- Nun tauchte sie hinunter, winkte und
verschwand.
In einer Nische hinter dem Brunnen fand sich richtig der Krug samt den
verheißnen Angebinden. Es war in der Mauer ein Loch mit eisernem
Türlein versehen, von dem man nie gewußt, wohin es führe; das stand
jetzt aufgeschlagen, und war daraus ersichtlich, daß die Sachen durch
dienstbare Hand auf diesem Weg seien hergebracht worden, deshalb auch
alles wohl trocken verblieb. Es lag dabei: ein Würfelbecher aus
Drachenhaut, mit goldenen Buckeln beschlagen, ein Dolch mit kostbar
eingelegtem Griff, ein elfenbeinen Weberschifflein, ein schönes Tuch
von fremder Weberei und mehr dergleichen. Aparte aber lag ein
Kochlöffel aus Rosenholz mit langem Stiel, von oben herab fein gemalt
und vergoldet, den war die Wirtin angewiesen, dem lustigen Koch zum
Andenken zu geben. Auch keins der andern war vergessen.
Frau Betha hielt bis an ihr Lebensende die Ordnung der guten Lau
heilig, und ihre Nachkommen nicht minder. Daß jene sich nachmals mit
ihrem Kind im Nonnenhof zum Besuch eingefunden, davon zwar steht
nichts in dem alten Buch, das diese Geschichten berichtet, doch mag
ich es wohl glauben.
* * * * *
Anmerkungen zur Transkription
Im folgenden sind die Änderungen am Originaltext aufgeführt.
Unter der Beschreibung der Änderung steht jeweils zuerst die
Textstelle im Original, dann die geänderte Textstelle.
Apostroph verschoben:
Wann' werd ich gestillt?
Wann werd' ich gestillt?
»knicksten« geändert zu »knicksen«:
sie nicken und knicksten und fliegen davon.
sie nicken und knicksen und fliegen davon.
Folgende Zeilen sind im Original eingerückt:
dazwischen hört man weiche Töne gehen
von sel'gen Feen, die im blauen Saal
zum Sphärenklang,
und fleißig mit Gesang,
silberne Spindeln hin und wieder drehen.
Überflüssiges Anführungszeichen gelöscht:
schwerlich gelten!« -- ließ sich indes nichts merken, und Jutte nahm
schwerlich gelten! -- ließ sich indes nichts merken, und Jutte nahm
»Blautops« geändert zu »Blautopfs«:
Blautops nieder, schlief gleich ein, und bald erschien ihr ein
Blautopfs nieder, schlief gleich ein, und bald erschien ihr ein
»das« geändert zu »daß«:
ich sehe, geht's nicht allzu lustig her. Macht, das die Ente in das
ich sehe, geht's nicht allzu lustig her. Macht, daß die Ente in das
Fehlendes Anführungszeichen ergänzt:
sich: »Zu meiner Zeit sind dia Blaubeuramar so grob ett gwä[5].
sich: »Zu meiner Zeit sind dia Blaubeuramar so grob ett gwä[5].«
Fehlendes Anführungszeichen ergänzt:
die Mutter mit Beben; hat man sie auch im Keller und im Brunnen, kann
die Mutter mit Beben; »hat man sie auch im Keller und im Brunnen, kann
You have read 1 text from German literature.