Almansor: Eine Tragödie - 5

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Sieh dort! O weh! Der säbelt lustig drein!
Mir wär's nicht lieb, wenn solch ein krummes Ding
Mir flink und zierlich durchs Gesicht spazierte.
Dem dorten ist die Nase abgehau'n, 1575
Und unserm armen, dicken Ritter Sancho
Hat man den fetten Schmerbauch aufgeschlitzt.
Doch sieh! wer ist der rote Ritter? Seltsam!
Er trägt den span'schen Mantel und gehört
Zur maurischen Partei -- O Allah! Jesus! 1580
(Weint.)
Ach, unsre arme, freundliche Zuleima!
Dem roten Ritter liegt sie auf der Schulter,
Er hält sie fest mit seinem linken Arm,
Und mit der rechten Hand schwingt er den Säbel,
Und haut, wie'n Rasender -- er ist verwundet -- 1585
Er sinkt -- Nein! nein! er wankte nur -- Er steht,
Er kämpft -- er flieht --
O weh! wo soll ich hin,
Auch hier muß ich den Leuten aus dem Weg gehn.
(Eilt fort.)
_Almansor_ wankt ermattet vorüber. Er trägt auf dem
Arm die ohnmächtige _Zuleima_, schleppt sein Schwert
nach sich, und lallt: »Zuleima! Mahomet!« Kämpfende
_Mauren_ und _Spanier_ treten auf. Die _Mauren_ werden
weiter gedrängt. _Hassan_ und _Aly_ kommen fechtend.
Wildes Gefecht zwischen beiden. _Hassan_ wird
verwundet. _Don Enrique_, _Diego_ und _spanische
Ritter_ treten auf.
_Hassan_ (niedersinkend). Ha! ha! die Christenschlange hat
gestochen!
Und just ins Herz hinein -- O schläfst du, Allah? 1590
Nein, Allah ist gerecht, und was er tut,
Ist wohlgetan -- Vergißt du meiner? -- Nein,
Nur Menschen sind vergeßlicher Natur --
Vergessen ihren Gott, und ihren Freund,
Und ihres Freundes besten Knecht -- Sag', Aly, 1595
Kennst du den Hassan noch, den Knecht Abdullahs?
Abdullah --
_Aly_ (in Zorn ausbrechend). Abdullah ist der Name jenes
Verräterischen Buben, jenes feigen,
Blutdürst'gen Bösewichts, der meinen Sohn,
Den teuern Sohn Almansor, mir gemordet! 1600
Abdullah heißt Almansors Meuchelmörder --
_Hassan_ (sterbend). Abdullah ist kein Bösewicht, kein Bube,
Abdullah ist Almansors Mörder nicht!
Almansor lebt -- lebt -- lebt -- ist hier -- es ist
Der rote Ritter, der Zuleima raubt', -- 1605
Dort, dort --
_Aly._ Mein Sohn Almansor lebt? es ist
Der rote Ritter, der Zuleima raubt'?
_Hassan._ Ja, ja! fest hält er was er einmal hat --
Du lügst, Abdullah war kein Meuchelmörder,
Und war kein Bösewicht, und war kein Christ -- 1610
Laß mich in Ruh' -- Es kommen schon die Mädchen,
Mit schwarzen Augen, schöne Huris kommen --
(Selig lächelnd.)
Die jungen Mädchen und der alte Hassan!
(Er stirbt.)
_Aly._ O Gott, ich danke dir! Mein Sohn, er lebt!
O Gott, das ist ein Zeichen deiner Gnade! 1615
Mein Sohn, er lebt! Kommt, Freunde, laßt uns jetzt
Verfolgen seine Spur. Er ist uns nah,
Und hat als Beute schon davongetragen
Die holde Braut, die ich ihm einst erkor.
(Alle gehen ab, bis auf Don Enrique und Don Diego, die
sich lange schweigend ansehn.)
_Don Enrique_ (weinerlich). Und nun? Nun, Don Diego?
_Don Diego_ (ihm nachäffend). Und nun, Don 1620
Enrique del Puente del Sahurro?
_Don Enrique._ Was wollen wir jetzt tun?
_Don Diego._ Wir? wir? Nein, Sennor,
Wir beide sind geschiedne Leute jetzt.
Ihr habt kein Glück. Das kostet mir zweihundert
Dukaten. Geld ist fort. Die Müh' verloren. 1625
(Ärgerlich lachend.)
Ich plage mich von Jugend auf, mit Kniffen
Und Pfiffen, denke mir die Haare grau;
Auf krummen Pfaden schleiche ich im Wald,
Daß mir der Dornbusch Rock und Fleisch zerreißt;
Durch steile Felsen wind' ich mich, und springe 1630
Von Spitz' zu Spitz', daß wenn ich niederfiele,
Die Raben meinen Kopf als ein Ragout
Verspeisen würden -- dennoch bleib' ich arm!
Ich bleibe arm, wie eine Kirchmaus arm!
Derweil mein Schulkam'rad, der blöde Dummkopf, 1635
Der immer, recht schnurgrade und behaglich,
Auf seiner breiten Landstraß' schlendert,
Noch immer seinen Ochsengang fortschlendert,
Und ein geehrter, dicker, reicher Mann ist.
Nein, ich bin's müde, Sennor; lebet wohl! 1640
(Geht ab.)
_Don Enrique_ (steht lange sinnend). Ob Don Gonzalvo mir
nichts borgen wird?
(Geht ab.)
* * * * *

Felsengegend. _Almansor_, matt und blutend, und die
ohnmächtige _Zuleima_ tragend, erklimmt den höchsten
Felsen.
_Almansor._ O, hilf mir, Allah, bin so müd und matt,
Hab' mir zurückgeholt mein weißes Reh,
Just als des Jägers Hand es schlachten wollte.
(Er setzt sich auf des Felsens Spitze und hält Zuleima
auf dem Schoße.)
Ich bin der arme Mödschnun, und ich sitze 1645
Auf meinem Felsen, spiel' mit meinem Reh;
Denn in ein Reh verwandelte sich Leila,
Und sah mich an mit freundlich klaren Augen.
Jetzt sind die Äuglein zu, mein Rehlein schläft.
Still! still! Du Zeisig, zwitschre nicht so schmetternd. 1650
Du Käfer, summe leiser. Liebes Lüftlein,
Durchraschle nicht so laut die Blätter, -- Stille!
Ein Wiegenlied will ich dir singen. Stille!
(Er wiegt Zuleima im Schoße und singt.)
Die Sonne wirft ihr Nachtkleid um,
Gar rosenrot und schön; 1655
Die Vöglein werden still und stumm,
Sie woll'n zu Bette gehn.
Schlafe mein Rehlein auch du!
Mein Rehlein schläft, recht hübsch; doch gar zu lang.
Die schmachtend süßen, liebeklaren Äuglein 1660
Sind zugeschlossen jetzt, fest zugeschlossen, --
Und bleiben zu? Ist denn mein Rehlein tot?
(In Tränen ausbrechend.)
Tot! Tot! mein weiches, weißes Rehlein tot!
Die süßen Sternlein ausgelöscht und tot!
Mein totes Rehlein! sanft will ich dich betten 1665
Auf Rosen, Lilien, Veilchen, Hyazinthen.
Aus goldnem Mondschein web' ich eine Decke,
Und deck' dich zu. Ein Trauerlied soll dir
Rotkehlchen singen, und es sollen zwölf
Goldkäfer ernsthaft Schildwacht stehn des Tags 1670
An deinem kleinen Blumenbettchen, zwölf
Glühwürmchen sollen flimmernd dort des Nachts,
Wie stille Totenkerzen, leuchten; aber
Ich selber will dort weinen Tag und Nacht.
(Zuleima erwacht aus ihrer Ohnmacht.)
Was seh' ich? Heimlich regen sich 1675
Die zarten Glieder, und der seid'ne Vorhang
Der süßen Augen rollt sich langsam auf!
Das ist kein Rehlein, das ist Leila nicht,
Das ist Zuleima, Alys schöne Tochter --
(Zuleima öffnet die Augen.)
Der Himmel schließt sich auf, das Himmelreich! 1680
_Zuleima._ Bin ich im Himmel schon?
_Almansor._ Aus starrem Tod
Bist du erwacht.
_Zuleima._ Ich weiß es wohl, daß ich
Gestorben bin, und jetzt im Himmel bin.
(Sieht sich überall um.)
Wie schön ist's hier, wie leicht und rein die Luft,
Und alles trägt ein rosenfarbig Kleid. 1685
_Almansor._ Ja, ja, wir sind im Himmel, süßes Lieb,
Siehst du die Blumen, die dort unten spielen,
Die Schmetterlinge, die dazwischen flattern,
Und, neckend, bunten Diamantenstaub
Den armen Blümlein in die Augen werfen? 1690
Hörst du dort unten, wie das Bächlein rauscht,
Wie bläuliche Libellen es umsummen,
Und grüngelockte Wassermädchen, plätschernd,
In rötlich goldne Wellen untertauchen?
Siehst du die weißen Nebelbilder wallen? 1695
Es ist der Sel'gen Schar, die, ewig jung,
Im ew'gen Frühlingsgarten sich ergehn.
_Zuleima._ Wenn das der Sel'gen Wohnung ist, Almansor,
So sage mir, wie bist du hergekommen?
Denn unser frommer Abt hat mir versichert: 1700
Daß nur wer Christ ist selig werden kann.
_Almansor._ O zweifle nicht an meiner Seligkeit!
Ich halte dich, mein Lieb, in meinen Armen,
Und selig, dreimal selig ist Almansor.
_Zuleima._ So log der fromme Mann, er sagte auch, 1705
Den edeln Don Enrique müßt' ich lieben.
Ich hab's getan, so gut es ging. Almansor
Wollt' ich vergessen. O, das ging nicht gut.
Ich hab' es auch geklagt der Mutter Gottes.
Die hat gelächelt, freundlich, gnädig, huldreich, 1710
Und hat mich eingehüllt in ihren Schleier,
Und hergetragen in die lichte Höh'.
Musik erklang auf meinem Weg'; es bliesen
Die Englein auf Waldhörnern und Schalmein,
Und sangen süße Lieder; -- süße Lust! 1715
Ich bin im Himmel, und das beste ist,
Almansor ist bei mir, und in dem Himmel
Bedarf es der Verstellungskünste nicht,
Und frei darf ich gestehn: Ich liebe dich,
Ich liebe dich, ich liebe dich, Almansor! 1720
(Das scheidende Abendrot verklärt die beiden
Gestalten.)
_Almansor._ Ich wußte längst, du liebest mich noch immer,
Mehr als dich selbst. Die Nachtigall hat mir's
Vertraut, die Rose hat's mir zugehaucht,
Ein Lüftlein hat es mir ins Ohr gefächelt,
Und jede Nacht hab' ich es klar gelesen 1725
Im blauen Buche mit den goldnen Lettern.
_Zuleima._ Nein! nein! der fromme Mann hat nicht gelogen,
Es ist so schön im schönen Himmelreich!
Umschließe mich mit deinen lieben Armen,
Und wiege mich auf deinem weichen Schoß, 1730
Und laß Jahrtausende mich Wonnetrunk'ne
In diesem Himmel in dem Himmel liegen!
_Almansor._ Wir sind im Himmel, und die Engel singen,
Und rauschen drein mit ihren seidnen Flügeln, --
Hier wohnet Gott im Grübchen dieser Wangen, -- 1735
(Waffengeklirr in der Ferne. Almansor erschrickt.)
Dort unten aber wohnet Eblis, furchtbar
Dringt seine Stimm' hinauf, bis in den Himmel,
Und streckt er nach mir aus die Eisenhand.
_Zuleima_ (erschrocken). Was schrickst du plötzlich auf? was
zitterst du?
_Almansor._ Nenn's Eblis, nenn' es Satan, nenn' es Menschen, 1740
Die tückisch arge Macht, die wild hinaufsteigt,
In meinen Himmel selbst --
_Zuleima._ So laß uns fliehn,
Hinab ins Blumental, wo Blümlein spielen,
Die Schmetterlinge flattern, Bächlein rauscht,
Libellen summen, Nachtigallen trillern, 1745
Und stille, sel'ge Nebelbilder wallen --
Trag' mich hinab, ich bleib' an deiner Brust.
(Sie schmiegt sich an ihn.)
_Almansor_ (springt auf und hält Zuleima im Arm). Hinab!
hinab! die Blumen winken ängstlich,
Die Nachtigall ruft mich mit bangem Ton,
Der Sel'gen Schatten strecken nach mir aus 1750
Die Nebelarme, riesig lang, ziehn mich
Hinab, hinab --
Fliehende _Mauren_ eilen vorüber.
Die Jäger nahen schon,
Mein Reh zu schlachten! dorten klirrt der Tod,
Hier unten blüht entgegen mir das Leben,
Und meinen Himmel halt' ich in den Armen. 1755
(Er stürzt sich mit Zuleima den Felsen hinab.)
Spanische _Ritter_, die den _Mauren_ nacheilen, sehen
beide herabstürzen, und treten entsetzt zurück. Man
hört _Alys_ Stimme. »Sucht ihn, sucht ihn, er muß uns
nahe sein!« Aly tritt auf.
_Mehrere Ritter._ Entsetzlich!
_Aly._ Habt ihr ihn und sie gefunden?
_Ein Ritter_ (hinter den Felsen zeigend). Gefunden wohl, der
Wütende hat sich
Herabgestürzt mit seiner teuern Last.
(Pause.)
_Aly._ Jetzt, Jesu Christ, bedarf ich deines Wortes,
Und deines Gnadentrost's und deines Beispiels. 1760
Der Allmacht Willen kann ich nicht begreifen,
Doch Ahnung sagt mir: ausgereutet wird
Die Lilie und die Myrte auf dem Weg,
Worüber Gottes goldner Siegeswagen
Hinrollen soll in stolzer Majestät. 1765


* * * * *


Anmerkungen zur Transkription:
Schreibweise und Interpunktion des Originaltextes wurden übernommen,
lediglich offensichtlich fehlende Punkte wurden gelegentlich ergänzt.
Im folgenden sind die Änderungen am Originaltext aufgeführt. Unter
der Beschreibung der Änderung steht jeweils zuerst die Textstelle im
Original, dann die geänderte Textstelle.
Fehlenden Punkt ergänzt:
_Hassan_ (steht langsam auf und spricht mit strengem Tone)
_Hassan_ (steht langsam auf und spricht mit strengem Tone).
Fehlenden Punkt ergänzt:
und Heiligenbildern, in Prozession vorüber
und Heiligenbildern, in Prozession vorüber.
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