Almansor: Eine Tragödie - 4

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Sei auch Almansors Himmel, und dein Gott 1105
Sei auch Almansors Gott, Zuleimas Kreuz
Sei auch Almansors Hort, dein Christus sei
Almansors Heiland auch, und beten will ich
In jener Kirche, wo Zuleima betet.
Beseligt schwimm' ich wie in Liebeswellen, 1110
Von weichen Harfenlauten süß umklungen; --
Die Bäume tanzen wunderlichen Reigen; --
Die Englein schütten neckend Sonnenstrahlen
Und bunten Blütenstaub auf mich herab; --
Erschlossen ist des Himmels stille Pracht; -- 1115
Hellgoldne Schwingen tragen mich hinauf, --
Zur Seligkeit hinauf! --
(In der Ferne hört man Glockengeläute und
Kirchengesang.)
_Zuleima_ (sich erschrocken von ihm wendend). Jesus Maria!
_Almansor._ Welch dunkler Laut zerreißt den goldnen Schleier,
Womit mich sel'ge Träume leicht umwoben?
Erblassen seh' ich plötzlich dich, mein Lieb, 1120
Mein Röslein wandelt sich in eine Lilie, --
Sag' an, mein Lieb, hast du den Tod geschaut,
Der unsichtbar erscheinet, uns zu trennen?
_Zuleima._ Der Tod, der trennet nicht, der Tod vereinigt,
Das Leben ist's, was uns gewaltsam trennt. 1125
Hörst du, Almansor, was die Glocken murmeln?
Sie murmeln dumpf:
(verhüllt sich)
»Zuleima wird vermählt heut
Mit einem Mann, der nicht Almansor heißt.«
(Pause.)
_Almansor._ So hast du mir ins Herz hineingezischt
Dein schlimmstes Gift, du Schlangenkönigin! 1130
Von diesem Gifthauch welken rings die Blumen,
Des Springborns Wasser wandelt sich in Blut,
Und tot fällt aus der Luft herab der Vogel.
So hast du mich hineingesungen, Falsche,
In jene Folterkammer, die du Kirch' nennst, 1135
Und kreuzigst mich an deines Gottes Kreuz,
Und ziehst geschäftig an den Glockensträngen,
Und spielst die Orgel, um zu übertäuben
Mein lautes Reu- und Angstgebet zu Allah!
So hast du mich gelockt, du schlimme Fee, 1140
In deinen Muschelwagen mit den Täubchen,
Hast mich hinaufgelockt bis in die Wolken,
Um jählings mich von dort herabzuschleudern.
Ich höre fallend noch dein Spottgelächter,
Ich sehe fallend, wie dein Zauberwagen 1145
Zu einem Sarge wird, mit Feuerrädern,
Wie deine Tauben sich in Drachen wandeln,
Wie du sie lenkst am schwarzen Schlangenzügel, --
Und grausen Fluch hinunterbrüllend, stürz' ich
Hinab, hinab, bis in den Schlund der Hölle, 1150
Und Teufel selbst erschrecken und erbleichen
Bei meinem Wahnsinnfluch und Wahnsinnanblick.
Fort! fort von hier! Ich weiß noch einen Fluch,
Spräch' ich ihn aus, müßt' Eblis selbst erblassen,
Die Sonne müßt' erschrocken rückwärts eilen, 1155
Die Toten kröchen zitternd aus den Gräbern,
Und Mensch und Tier und Bäume würden Stein.
(Stürzt fort.)
_Zuleima_, die bis jetzt verhüllt und unbeweglich
stand, wirft sich nieder vor dem Christusbilde. Ein
Kirchenlied singend ziehen Mönche, mit Kirchenfahnen
und Heiligenbildern, in Prozession vorüber.
* * * * *

(=Waldgegend.=)
_Der Chor._ Es ist ein schönes Land, das schöne Spanien,
Ein großer Garten, wo da prangen Blumen,
Goldäpfel, Myrten: -- aber schöner noch 1160
Prangten mit stolzem Glanz die Maurenstädte,
Das edle Maurentum, das Tarik einst,
Mit starker Hand, auf span'schen Boden pflanzte.
Durch manch Ereignis war schon früh gediehn
Das junge Reich; es wuchs und blühte auf 1165
In Herrlichkeit, und überstrahlte fast
Des alten Mutterlands ehrwürd'ge Pracht.
Denn als der letzte Omayad entrann
Dem Gastmahl, wo der arge Abasside
Der Omayaden blut'ge Leichenhaufen 1170
Zu Speisetischen höhnend aufgeschichtet;
Als Abderrham nach Spanien sich gerettet,
Und wackre Mauren treu sich angeschlossen
Dem letzten Zweig des alten Herrscherstamms, --
Da trennte feindlich sich der span'sche Moslem 1175
Vom Glaubensbruder in dem Morgenlande;
Zerrissen ward der Faden, der von Spanien,
Weit übers Meer, bis nach Damaskus reichte,
Und dort geknüpft war am Kalifenthron';
Und in den Prachtgebäuden Cordovas 1180
Da wehte jetzt ein rein'rer Lebensgeist,
Als in des Orients dumpfigen Haremen.
Wo sonst nur grobe Schrift die Wand bedeckte,
Erhub sich jetzt, in freundlicher Verschlingung,
Der Tier- und Blumenbilder bunte Fülle; 1185
Wo sonst nur lärmte Tamburin und Zimbel,
Erhob sich jetzt, beim Klingen der Chitarre,
Der Wehmutsang, die schmelzende Romanze;
Wo sonst der finstre Herr, mit strengem Blick,
Die bange Sklavin trieb zum Liebesfron, 1190
Erhub das Weib jetzund sein Haupt als Herrin,
Und milderte mit zarter Hand die Roheit
Der alten Maurensitten und Gebräuche,
Und Schönes blühte, wo die Schönheit herrschte.
Kunst, Wissenschaft, Ruhmsucht und Frauendienst, 1195
Das waren jene Blumen, die da pflegte
Der Abderrhamen königliche Hand.
Gelehrte Männer kamen aus Byzanz,
Und brachten Rollen voll uralter Weisheit;
Viel neue Weisheit sproßte aus der alten; 1200
Und Scharen wißbegier'ger Schüler wallten
Aus allen Ländern her nach Cordova,
Um hier zu lernen, wie man Sterne mißt,
Und wie man löst die Rätsel dieses Lebens.
Cordova fiel, Granada stieg empor, 1205
Und ward der Sitz der Maurenherrlichkeit.
Noch klingt's in blühend stolzen Liedern von
Granadas Pracht, von ihren Ritterspielen,
Von Höflichkeit im Kampf, von Siegergroßmut,
Und von dem Herzenspochen holder Damen, 1210
Die streiten sahn die Ritter ihrer Farbe.
Doch war's ein ernst'rer Ritterkampf, worin
Sie selber fiel, die leuchtende Granada,
Und ritterliche Großmut war es nicht,
Als jüngst sein Wort, womit er Glaubensfreiheit 1215
Verbürget hatt', der Sieger listig brach,
Und den Besiegten nur die Wahl gelassen,
Entweder Christ zu werden, oder fort
Aus Spanien nach Afrika zu fliehn.
Da wurde Aly Christ. Er wollte nicht 1220
Zurück ins dunkle Land der Barbarei.
Ihn hielt gefesselt edle Sitte, Kunst
Und Wissenschaft, die in Hispanien blühte.
Ihn hielt gefesselt Sorge für Zuleima,
Die zarte Blume, die im Frauenkäfig 1225
Des strengen Morgenlands hinwelken sollte.
Ihn hielt gefesselt Vaterlandesliebe,
Die Liebe für das liebe, schöne Spanien.
Doch was am meisten ihn gefesselt hielt,
Das war ein großer Traum, ein schöner Traum, 1230
Anfänglich wüst und wild, Nordstürme heulten,
Und Waffen klirrten, und dazwischen rief's:
»Quiroga und Riego!« tolle Worte!
Und rote Bäche flossen, Glaubenskerker
Und Zwingherrnburgen stürzten ein in Glut 1235
Und Rauch, und endlich stieg aus Glut und Rauch
Empor das ew'ge Wort, das urgebor'ne,
In rosenroter Glorie selig strahlend.
(Geht ab.)
_Almansor_ wankt träumerisch einher.
_Almansor_ (kalt und verdrossen). In alten Märchen gibt es
gold'ne Schlösser,
Wo Harfen klingen, schöne Jungfraun tanzen, 1240
Und schmucke Diener blitzen, und Jasmin
Und Myrt' und Rosen ihren Duft verbreiten --
Und doch ein einziges Entzaub'rungswort
Macht all die Herrlichkeit im Nu zerstieben,
Und übrig bleibt nur alter Trümmerschutt, 1245
Und krächzend Nachtgevögel und Morast.
So hab' auch ich mit einem einz'gen Worte
Die ganze blühende Natur entzaubert.
Da liegt sie nun, leblos und kalt und fahl,
Wie eine aufgeputzte Königsleiche, 1250
Der man die Backenknochen rot gefärbt,
Und in die Hand ein Zepter hat gelegt.
Die Lippen aber schauen gelb und welk,
Weil man vergaß sie gleichfalls rot zu schminken,
Und Mäuse springen um die Königsnase, 1255
Und spotten frech des großen, goldnen Zepters --
Es ist das eig'ne Blut, das uns hinaufsteigt
Ins Aug', wodurch mit schönem, roten Schimmer
Bekleidet werden all die Rosenblätter,
Jungfrauenwänglein, Sommerabendwölkchen, 1260
Und gleiche Spielerei'n, die uns entzücken.
Ich hab' die rote Brille abgelegt --
Und sieh'! welch schlechtes Machwerk ist die Welt!
Die Vögel singen falsch; die Bäume ächzen
Wie alte Mütterchen; die Sonne wirft, 1265
Statt glühnder Strahlen, lauter kalte Schatten;
Schamlos, wie Metzen, lachen dort die Veilchen;
Und Tulpen, Nelken und Aurikeln haben
Die bunten Sonntagsröckchen ausgezogen,
Und tragen ihr geflicktes, graues Hauskleid. 1270
Ich selbst hab' mich verändert noch am meisten;
Kaum kann ein Mädchensinn sich so verändern!
Ich bin nur noch ein knöchrichtes Skelett;
Und was ich sprech', ist nur ein kalter Windstoß,
Der klappernd zieht durch meine trocknen Rippen. 1275
Das kluge Männlein, das im Kopf mir wohnte,
Ist ausgezogen, und in meinem Schädel
Spinnt eine Spinn' ihr friedliches Gewebe.
Auch wein' ich einwärts jetzt; denn als ich schlief,
Stahl man die Augen mir, und glühnde Kohlen 1280
Hat man gefugt in meine Augenhöhlen.
Du Engel oben, du, von dem die Amme
Mir einst erzählte, daß du jede Träne,
Die meinem Aug' entflösse, sorgsam zähltest,
Du hast jetzt Feierabend! Mühsam war 1285
Dein Tagewerk, du armer Tränenzähler, --
Hast du dich nie verzählt? und konntest du
Die großen Zahlen stets im Kopf' behalten?
Du bist wohl müd', und ich bin auch recht müd',
Und auch mein Herz ist müd' vom vielen Klopfen, 1290
Und ausruhn wollen wir.
(Er legt sich nieder, an einen Kastanienbaum gelehnt.)
Ich bin recht müd'
Und krank, und kranker noch als krank, denn ach!
Die allerschlimmste Krankheit ist das Leben;
Und heilen kann sie nur der Tod. Das ist
Die bitterste Arznei, doch auch die letzte, 1295
Und ist zu haben überall, und wohlfeil.
(Er zieht einen Dolch hervor.)
Du eiserne Arznei, du schaust so zweifelnd
Mich an. Willst du mir helfen?
_Hassan_ tritt auf und naht sich leise.
_Hassan._ Allah hilft!
_Almansor_ (ohne ihn zu bemerken, noch immer mit dem Dolche
sprechend). Du murmelst was von Allah und dergleichen.
Bedarf der Dolch noch eines spitz'gen Wortes, 1300
Um mir das Herz im Leibe zu verwunden?
_Hassan._ Was Allah tut, ist wohlgetan.
_Almansor_ (immer noch mit dem Dolche sprechend). Ha, ha, ha!
Moralisieren, scheint es, will der Dolch!
Ich rate, schweig', denn schweigend sprichst du mehr,
Als mancher Moralist mit seinem Wortschwall. 1305
_Hassan_ (seufzend). Almansor ben Abdullah, was beginnst du?
_Almansor_ (Hassan erblickend). Ha! ha! Du sprachst,
zweibeinig kluges Ding!
Trägst du nicht Hassans Bart und Hassans Augen?
Bist du gar Hassan selbst? Das ist recht schön.
Wir wollen Abschied nehmen. Lebe wohl! 1310
Gleich reis' ich ab!
(Zeigt ihm den Dolch.)
Sieh, diese schmale Brücke
Führt aus dem Land der Trauer in das Land
Der Freude. Drohend steht am Eingang zwar,
Mit blankem Schwert, ein kohlenschwarzer Riese, --
Der ist dem Feigen furchtbar, doch der Mut'ge 1315
Geht ungestört hinein ins Land der Freude.
Ja, dorten ist die wahre Freude, oder --
Was doch dasselbe ist -- die wahre Ruh'.
Dort summt ins Ohr kein überläst'ger Käfer,
Und keine Mücke kitzelt dort die Nase; 1320
Dort fällt kein grelles Licht ins blöde Aug';
Und nimmer quält dort Hitz', und Frost, und Hunger
Und Durst; und was das beste ist, dort schläft man
Den ganzen Tag, und obendrein die Nacht.
_Hassan._ Nein, Sohn Abdullahs, feige ist der Schwächling, 1325
Der keine Kraft hat mit dem Schmerz zu ringen,
Und ihm den Nacken zeigt, und zaghaft von
Des Lebens Kampfplatz flieht -- steh' auf, Almansor!
_Almansor_ (hebt eine Kastanie von der Erde). Durch wessen
Schuld liegt diese Frucht am Boden?
_Hassan._ Durch Wurm und Sturm; der Wurm zernagt die Fasern, 1330
Und leicht wirft dann der Sturm die Frucht herab.
_Almansor._ Soll nun der Mensch, die allerschwächste Frucht,
Nicht auch zu Boden fallen, wenn der Wurm,
(zeigt aufs Herz)
Der schlimmste Wurm die Lebenskraft zernagte,
Und der Verzweiflung wilder Sturm ihn rüttelt? 1335
_Hassan._ Steh' auf, steh' auf, Almansor! Nur der Wurm
Mag sich am Boden krümmen, doch der Aar
Fliegt stolz hinauf zum ew'gen Sonnenlichte.
_Almansor._ Reiß' du dem Aar die mächt'gen Flügel aus,
Und auch der Aar ist Wurm und kriecht am Boden. 1340
Des Mißmuts Schere hat mir längst zerschnitten
Die goldnen Flügel, die mich einst als Knabe
Gen Himmel trugen, hoch, gar hoch hinauf.
_Hassan._ O, zeig' mir einen Stein, der kalt und stumm ist,
Und sprich: das ist Almansor! Ich will's glauben. 1345
Doch du bist's nicht, du, der mit offnen Augen
Dort zaghaft liegst, und liegst, und glotzend zusiehst,
Wie man die Schmach auf deine Brüder wälzt,
Wie span'scher Übermut der Mauren beste
Und edelste Geschlechter frech verhöhnt, 1350
Wie man sie schlau beraubt, und händeringend
Und nackt und hilflos aus der Heimat peitscht --
Du bist Almansor nicht, sonst dränge dir
Ins Ohr der Greise und der Weiber Wimmern,
Das span'sche Hohngelächter und der Angstruf 1355
Der edlen Opfer auf dem glühnden Holzstoß.
_Almansor._ Glaub' mir, ich bin's. Ich seh' den span'schen
Hund!
Dort spuckt er meinem Bruder in den Bart,
Und tritt ihn noch mit Füßen obendrein.
Ich hör's: dort weint das arme Mütterchen; 1360
Sie aß am Freitag gerne Gänsebraten,
Drum bratet man sie selbst jetzt, Gott zu Ehren.
Am Pfahl daneben steht ein schönes Mädchen --
Die Flammen sind in sie verliebt, umschmeicheln,
Umlecken sie mit lüstern roten Zungen; 1365
Sie schreit und sträubt sich hold errötend gegen
Die allzuheißen Buhlen, und sie weint --
O schade! aus den schönen Augen fallen
Hellreine Perlen in die gier'ge Glut.
Jedoch was sollen diese Leute mir? 1370
Mein Herz ist ganz durchstochen wie ein Sieb,
Hat keinen Raum für neue Schmerzenstiche.
Der blut'ge Mann, der auf der Folter liegt,
Hat kein Gefühl für einer Biene Stachel.
Glaub' mir's, ich bin Almansor noch, und gastfrei 1375
Steht meine Brust noch offen fremden Schmerzen;
Doch, durch die engen Pförtlein Aug' und Ohr
Sind Riesenleiden in die Brust gestiegen,
Die Brust ist voll --
(Ängstlich leise.)
Gar ein'ge wunde Gäste
Sind, herbergsuchend, mir ins Hirn gestiegen. 1380
_Hassan._ Steh auf! steh auf! sonst sag' ich dir ein Wort,
Das dich aufgeißeln wird, und neue Glut
In deine Adern gießt --
(Sich zu ihm herabbeugend.)
Zuleima
Liegt heute nacht in eines Spaniers Armen.
_Almansor_ (aufspringend und sich krampfhaft windend). Die
Sonne ist mir auf den Kopf gefallen, 1385
Das Hirn ist eingebrochen, und die Gäste,
Die dort sich eingenistet, taumeln auf,
Umflirren mich, wie graue Fledermäuse,
Umsummen mich, umächzen mich, umnebeln
Mich mit dem Duft vergifteter Gedanken! 1390
(Hält sich den Kopf.)
O weh! o weh! die Alte faßt mich an,
Reißt mir das Haupt vom Rumpf, und schleudert es
In einen Hochzeitsaal, wo zärtlich bellend
Ein span'scher Hund mein süßes Liebchen küßt,
Und schnalzend küßt und herzt -- O weh! O hilf mir! 1395
(Wirft sich zu Hassans Füßen.)
O hilf dem blut'gen, abgerißnen Kopf,
Der keine Arme hat, den Hund zu würgen --
O leih mir deine Arme, Hassan! Hassan!
_Hassan._ Ja, meinen Arm will ich dir leihn, Almansor,
Und auch die starken Arme meiner Freunde. 1400
Wir wollen würgen jenen span'schen Hund,
Der dir entreißen will dein Eigentum.
Steh auf! du sollst Zuleima bald besitzen.
(Almansor steht auf.)
Als ich Eu'r gestrig Nachtgespräch belauscht,
Riet ich zu schneller Flucht, allein vergebens; 1405
Doch soll Almansor nicht verzweifeln, dacht' ich.
Ich habe meine Freunde hergeführt;
Sie harren meines Winkes, und wir stürmen
Nach Alys Schloß, wir ungeladne Gäste.
Du nimmst dir deine Braut, und bringst sie mit 1410
Nach unserm Schiff', das an der Küste liegt.
Zuleimas Liebe wird schon wiederkommen.
_Almansor._ Ha, ha, ha! Liebe! Liebe! Fades Wort,
Das einst, mit schläfrig halbgeschloss'nen Augen,
Ein Engel gähnend sprach. Er gähnte wieder, 1415
Und eine Welt voll Narren, alt und jung,
Hat gähnend nachgelallet: Liebe! Liebe!
Nein, nein! ich bin kein schmächt'ger Zephir mehr,
Der schmeichelnd fächelt eines Mädchens Wange;
Ich bin der Nordsturm, der ihr Haar zerzaust, 1420
Und rasend mit sich reißt die scheue Braut.
Ich bin kein süßes Weihrauchdüftchen mehr,
Das einer Jungfrau Nase zärtlich kitzelt;
Ich bin der Gifthauch, der sie dumpf betäubt,
Und schwelgend dringt in alle ihre Sinne. 1425
Ich bin das Lamm nicht mehr, das, fromm und mild,
Sich hinschmiegt zu den Füßen seiner Schäf'rin;
Ich bin der Tiger, der sie wild umkrallt,
Und wollustbrüllend ihren Leib zerfleischt.
Zuleimas Leib ist's, was ich jetzt verlange; 1430
Ich will ein glücklich Tier sein, ja, ein Tier;
Und in des Sinnenrausches Taumel will ich
Vergessen, daß es einen Himmel gibt.
(Ergreift hastig Hassans Hand.)
Ich bleibe bei dir, Hassan! ja, wir wollen
Auf wilder See ein lustig Reich begründen. 1435
Tribut soll uns der stolze Spanier zollen;
Wir plündern seine Küst' und seine Schiffe; --
Auf dem Verdecke kämpf' ich dir zur Seite; --
Mein Säbel spaltet stolze Spanierschädel --
Die Hunde über Bord! -- das Schiff ist unser! 1440
Ich aber eile jetzt, mich zu erquicken,
Nach der Kajüte, wo Zuleima wohnt,
Umfasse sie mit meinen blut'gen Armen,
Und küsse ab von ihrer weißen Brust
Die roten Flecken -- Ha! sie sträubt sich noch? 1445
Zu meinen Füßen, Sklavin, sollst du wimmern,
Ohnmächtig Ding, das meine Sinne kühlt
Nach wilder Kampfeshitze, -- Sklavin, Sklavin,
Gehorche mir, und fächle meine Glut!
(Beide eilen fort.)
* * * * *

Saal in Alys Schloß. Ritter und Frauen sitzen,
festlich geschmückt, an einer Speisetafel. _Aly_, _Don
Enrique_, _Zuleima_, ein _Abt_. _Musikanten._
Speisenauftragende Bediente.
_Ein Ritter_ (steht auf, mit einem gefüllten Becher in der
Hand). Ein schöner Name klingt in meiner Brust: 1450
Es lebe Isabella von Kastilien!
(Er trinkt.)
_Ein Teil der Gäste._ Hoch lebe Isabella von Kastilien!
(Bechergeklirr und Trompetentusch.)
_Der Abt._ Noch einen Namen nenn' ich euch: Ximenes,
Erzbischof von Toledo, lebe hoch!
(Er trinkt.)
_Ein Teil der Gäste._ Hoch lebe der Erzbischof von Toledo! 1455
(Bechergeklirr und Trompetentusch.)
_Ein anderer Ritter._ Laßt uns die besten Namen nicht
vergessen.
Stoßt an: Es lebe hoch das edle Brautpaar!
(Er trinkt.)
_Alle._ Hoch lebe Donna Clara und Enrique!
(Bechergeklirr und Trompetentusch. Zuleima und Enrique
verneigen sich.)
_Don Enrique._ Ich danke euch.
_Zweiter Ritter._ Doch Eure Braut ist stumm.
_Don Enrique._ Die holde Clara spricht zwar wenig heut, 1460
Doch heut bedarf's nur eines einz'gen Wortes,
Des Jaworts am Altar, und ich bin glücklich.
_Zuleima._ Die Brust ist mir so sehr beklommen, Sennor.
_Dritter Ritter._ Ein schlimmes Zeichen ist es, Don Enrique,
Daß Ihr das Salzfaß eben umgestoßen. 1465
_Vierter Ritter._ Ein schlimm'res Zeichen wär's, wenn Ihr den
Becher
Mitsamt dem Weine umgestoßen hättet.
_Dritter Ritter._ Don Carlos ist ein Säufer.
_Vierter Ritter._ Ja, gottlob!
Und kein trübselig Sonntagskind, wie Ihr,
Dem gleich das beste Mahl versalzen ist, 1470
Wenn jemand unverseh'ns das Salzfaß umwirft.
Ja, ja der Wein, das ist mein Element!
In seinen goldig hellen Liebesfluten
Will ich gesund die kranke Seele baden;
Und lachen muß ich immer, wenn ich denke, 1475
Wie Mekkas nüchterner Prophet --
Ja, Sennor,
Der Wein, der Wein, ja, ja, ich wollte sagen
Der Wein ist gut, --
_Aly._ Pedrillo! Hör' Pedrillo!
_Pedrillo._ Genäd'ger Herr?
_Aly._ Laß alle Possenreißer
Und alle Gaukler kommen, alle Springer, 1480
Und auch den Harfenspieler, das Gesindel
Aus Barcelona.
_Pedrillo._ Versteh' schon, gnäd'ger Herr!
(Geht ab.)
_Fünfter Ritter_ (im Gespräch mit einer Dame). Heuraten werd'
ich nimmermehr, Sennora.
_Die Dame._ Ihr scherzt, Ihr seid bei Laune, Don Antonio;
Ihr seid ein Damenfreund, und Freund der Liebe. 1485
_Fünfter Ritter._ Ich liebe wohl die Myrte, ich ergötze
Mein Auge an dem frischen Grün der Blätter,
Erquicke mir das Herz an ihrem Duft;
Doch hüt' ich mich, daß ich die Myrte koche,
Um als Gemüse sie zu speisen, -- bitter, 1490
Sennora, bitter schmeckt ein solch Gericht.
_Der Abt_ (im Gespräch mit seinem Nachbar). Das war ein
herrliches Autodafé!
So etwas labt das Herz des frommen Christen,
Und schreckt die starren Sünder auf den Bergen --
(zu Aly)
Wißt Ihr die Nachricht schon vom Sieg der Unsern, 1495
Und von der Heiden blut'ger Niederlage?
Sie haben sich zerstreut, unweit von hier
Durchstreifen sie die Gegend, --
_Aly_ (nach der Türe sehend). Gott sei Dank!
Ich hab' es schon gehört, ehrwürd'ger Herr, --
Doch soll uns jetzt das Gaukelspiel ergötzen -- 1500
_Der Harfenspieler_ (singt).
In dem Hofe des Alhambras
Stehn zwölf Löwensäul' von Marmor;
Auf den Löwen steht ein Becken
Von dem reinsten Alabaster.
In dem Becken schwimmen Rosen, 1505
Rosen von der schönsten Farbe;
Das ist Blut der besten Ritter,
Die geleuchtet in Granada.
_Aly._ Ein traurig Lied. Es ist zu melancholisch.
Gebt uns ein lustig Hochzeitlied, recht lustig! 1510
_Der Harfenspieler_ (singt).
Es war mal ein Ritter, trübselig und stumm,
Mit hohlen, schneeweißen Wangen;
Er schwankte und schlenderte schlotternd herum,
In dumpfen Träumen befangen.
Er war so hölzern, und täppisch, und links, 1515
Die Blümlein und Mägdlein, die kicherten rings,
Wenn er stolpernd vorbeigegangen.
Oft saß er im finstersten Winkel zu Haus;
Er hat sich vor Menschen verkrochen.
Da streckte er sehnend die Arme aus, 1520
Doch hat er kein Wörtlein gesprochen.
Kam aber die Mitternachtstunde heran,
Ein seltsames Singen und Klingen begann,
An die Türe da hört er es pochen.
Da kommt seine Liebste geschlichen herein, 1525
Im rauschenden Wellenschaumkleide.
Sie blüht und glüht, wie ein Röselein,
Ihr Schleier ist eitel Geschmeide.
Goldlocken umspielen die schlanke Gestalt,
Die Äugelein grüßen mit süßer Gewalt -- 1530
In die Arme sinken sich beide.
Der Ritter umschlingt sie mit Liebesmacht,
Der Hölzerne steht jetzt in Feuer;
Der Blasse errötet, der Träumer erwacht,
Der Blöde wird freier und freier. 1535
Sie aber, sie hat ihn gar schalkhaft geneckt,
Sie hat ihm ganz leise den Kopf bedeckt
Mit dem weißen, demantenen Schleier.
In einen kristallenen Wasserpalast
Ist plötzlich gezaubert der Ritter. 1540
Er staunt, und die Augen erblinden ihm fast,
Vor alle dem Glanz und Geflitter.
Doch hält ihn die Nixe umarmet gar traut,
Der Ritter ist Bräut'gam, die Nixe ist Braut,
Ihre Jungfrau'n spielen die Zither. 1545
Sie spielen und singen; es tanzen herein
Viel winzige Mädchen und Bübchen.
Der Ritter, der will sich zu Tode freu'n,
Und fester umschlingt er sein Liebchen --
(Pedrillo stürzt ängstlich herein.)
_Pedrillo._ O, Allah hilf! Jesus Maria Joseph! 1550
Wir sind verloren, denn sie kommen, kommen!
_Alle._ Wer kömmt?
_Pedrillo._ Die Unsern kommen!
_Alle._ Wie? die Unsern?
_Pedrillo._ Nein, nicht die Unsern. Die verfluchten Heiden,
Die schändlichen Rebellen von den Bergen,
Die sind herangeschlichen auf den Strümpfen -- 1555
Wir sind verloren, draußen sind sie, hört ihr?
(Man hört Waffengerassel. Verworrene Stimmen rufen:
Granada! Allah! Mahomet!)
_Einige Ritter._ Wohlan, sie mögen kommen!
_Andre Ritter._ Unsre Waffen!
(Die Damen geben Zeichen des Schreckens. Zuleima sinkt
ohnmächtig hin. Laute Bewegung im Saale.)
_Aly._ O seid nur außer Sorge, schöne Damen.
Der Maure ist galant, und selbst im Zorne
Wird er den Damen ritterlich begegnen. 1560
Wir Männer aber wollen tüchtig kämpfen --
_Alle Ritter_ (ihre Schwerter ziehend).
Wir kämpfen für den Leib und für die Ehre!
Waffengeklirr. Verworrene Stimmen. Die _Mauren_
brechen herein; an ihrer Spitze _Hassan_ und
_Almansor_. Letzterer bricht sich Bahn zur
ohnmächtigen _Zuleima_. Gefecht.
* * * * *

Waldgegend. Man hört in der Nähe Waffengerassel und
Kampfruf. _Pedrillo_ kommt ängstlich und händeringend
gelaufen.
_Pedrillo._ O weh! die hübsche Hochzeit ist verdorben!
O weh! die hübschen, seidnen Hochzeitkleider,
Die werden jetzt zerhauen und zerfetzt, 1565
Und blutig obendrein, und statt des Weines
Fließt Blut! Ich lief nicht fort aus Feigheit, nein,
Beim Kampfe wollt' ich niemand in dem Weg stehn.
Sie werden fertig ohne mich. Schon sind
Die Feinde aus dem Saal zurückgedrängt, -- 1570
Und sieh!
(Nach der Seite gewendet.)
Schon vor dem Schlosse kämpfen sie.
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