Almansor: Eine Tragödie - 3

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_Ein junger Fiedler._ Gesprungen ist mir wieder eine Saite.
_Der Alte._ Ja, ja, im Kopfe springt dir sicher keine; 610
Die Saiten des Gehirns strengst du nicht an,
Und plagst mich immer mit den dümmsten Fragen.
_Der junge Fiedler_ (schmeichelnd). Nur eins noch sag mir,
dein Verstand ist ja
So fein, wie eines Fiedelbogens Härchen;
Und du bist ja der Klügste von uns allen, 615
Du stehst ja zwischen uns, so wie dein Brummbaß
Großmächtig stehet zwischen unsern Geigen --
Doch du bist auch so brummig wie dein Brummbaß --
O sag' mir doch: warum denn Don Gonzalvo
So hastig und so ängstlich auf uns einsprang, 620
Als wir den hübschen Maurentanz, den Zambrah,
Aufspielen wollten, und warum statt dessen
Hieß er den spanischen Fandango spielen?
_Der Alte_ (mit selbstgefällig pfiffiger Miene). He! he! das
weiß ich wohl, doch sag' ich's nicht;
Denn so was spielt schon in die Politik. 625
(Sie gehn vorüber.)
(Man hört im Schlosse Don Enriques Stimme.)
_Don Enrique._ Ich hab' genug an =einem= Fackelträger.
Mein Esel, der Diego, leuchtet mir;
(zärtlich)
Und vor mir schweben immer, freundlich leitend,
Zwei Liebessternlein, Donna Claras Augen!
Verworrene Stimmen. Die Türe wird geschlossen. _Don
Enrique_ und _Don Diego_ treten auf; letzterer in
Bedientenkleidung und eine Fackel tragend.
_Don Diego_ (stolz). Wir tauschen jetzt die Rollen, gnäd'ger
Herr, 630
Und Ihr seid jetzt der Diener und -- der Esel.
_Don Enrique_ (nimmt die Fackel). Ich tat nach Kräften, Sennor,
seid nicht launisch.
_Don Diego_ (mit Grandezza). Auf Ehre, Sennor, ganz ein andrer
schien't Ihr,
Als ich zuerst Bekanntschaft mit Euch machte,
Im Zuchthaus zu Puente del Sahurro. 635
_Don Enrique_ (beschwichtigend). Grollt nicht, ich bin Eu'r
treuer Zögling, Sennor.
_Don Diego._ Mein Zögling muß, mit beßren Schmeichelein,
Sich reicher Damen Gunst erwerben können.
Was soll denn der Vergleich mit schmächt'gen Sternlein?
Mit Sonnen muß man so ein Lieb vergleichen! 640
Lernt nur auswendig besser unsre Dichter,
Und schmiert mit Öl geschmeidig Eure Zung',
Die Euch wie eingerostet lag im Munde,
Als Ihr so stumm an Claras Seite saßet.
_Don Enrique_ (schmachtend). Ich sah entzückt auf ihr
schneeweißes Händchen! 645
_Don Diego_ (auflachend). Hätt' Euch das Blitzen ihrer
Demantringe
Das Aug' geblendet, und die Zung' gelähmt,
So ließ' ich gelten solch ein süß Verstummen.
(Ironisch langsam)
Entzücken soll Euch freilich Claras Hand,
Wenn sie der alte Herr gefüllt mit -- Gold. 650
Dann will ich mit Euch teilen Eu'r Entzücken,
Das klingend helle, goldene Entzücken!
Doch überlass' ich Euch allein die Freude
Am süßen Spiele ihrer weißen Finger,
An ihrer Muskeln sanftgeschwellter Weichheit, 655
Und an der Adern bläulichem Gewebe!
_Don Enrique_ (aufgeblasen). Kein Spott! Ich freie zwar des
Vaters Schätze,
Jedoch gesteh' ich: Claras Schönheit rührt mich.
_Don Diego._ Mistpfütze, hüte dich, daß man dich rühre!
Kein Ambraduft steigt auf durch solche Rührung. 660
Lieb' nicht nach innen, liebe nur nach außen!
Gefühle sind gar schlechte Liebeswerber;
Wort, Miene und Bewegung sind weit bess're.
Und dringen diese Werber noch nicht durch,
So helfen schön gefärbte Jünglingswangen, 665
Elastisch üpp'ge Waden aus Madrid,
Schnürleiber, hohe Polsterbrust und Kunstbauch,
Die Waffen aus dem Schneiderarsenal.
Und sind auch die zu stumpf, so helfen sicher
Die Mauerbrecher, --
(Sieht ihn kalt lächelnd an.)
Sennor, kennt Ihr noch 670
Die Dokumente, die ich ausgefertigt,
Mit alter Schrift und mit erlosch'ner Dinte,
Die vorsätzlich im Schloß verlornen Briefe,
Die Don Gonzalvo fand, und draus ersah --
(Lachend)
Ja, Sennor, mir, mir habt Ihr es zu danken, 675
Daß Ihr ein Prinz geworden; -- Seid jetzt folgsam;
Sprecht nur wie ich's Euch habe einstudiert;
Sprecht viel von Religion und von Moral;
Zeigt jene Wunden oft, die Euch im Zuchthaus
Der Büttel schlug, und nennt sie heil'ge Narben, 680
Die Ihr im Feldzug für die gute Sache
Erbeutet habt; sprecht viel von der Courage;
Vor allem aber kräuselt oft den Schnauzbart.
_Don Enrique._ Ich beuge mich vor Eurer Klugheit, Sennor.
Nur kann ich noch Eu'r Kunststück nicht begreifen, 685
Wie Ihr den Pfaffen ins Intresse zoget?
_Don Diego._ Die Pfaffen sind ja auch vom Handwerk, Sennor,
Und heil'ge Männer haben heil'ge Zwecke,
Und brauchen Gold für ihre Kirchenkelche,
Und brauchen Wein, um sie damit zu füllen. 690
Ihr merktet nicht daß ich die Volte schlug?
Ich gab Euch gute Karten, und da trumpft
Nun Euer Herz die Dame, und den König,
Den Alten, trumpft Ihr lustig mit dem Kreuz;
Und morgen ist das Spiel gewonnen, morgen, 695
Dann gratulier' ich Euch zu Eurer Hochzeit.
_Don Enrique_ (andächtig gen Himmel schauend). Ich danke dir,
du Vater in der Höh'!
_Don Diego._ Ja, freilich in der Höh', denn luftig schwebt er
Am hohen Galgen, zu San Salvador.
(Sie gehn ab.)
_Almansor_ tritt auf.
_Almansor._ Die buntgeputzten Fledermäus' und Eulen 700
Sind nun vorbei geflirrt. Recht widerlich
Drang mir ins Ohr ihr heiserharsches Schrillen,
Und atmen konnt' ich kaum in ihrer Näh'.
Zuleima, dich umschwärmt solch Nachtgevögel?
Dich, weiße Taub', umkreisen solche Raben? 705
Dich, schöne Ros', umkriechet solch Gewürm?
Hält denn ein Zauber dich umstrickt, Zuleima?
Ist denn das Bild des flehenden Almansors
In deiner Seele ganz und gar erloschen?
Kommt nie Erinn'rung an Almansors Liebe 710
Aus deinem Busen seufzend aufgestiegen?
Dort oben wallen tausend Liebesboten,
Und jedem gab ich tausend Liebesgrüße,
Und schmerzlich süß entfloß mein glühend Blut
Bei jedem Gruß, aus tausend Liebeswunden; 715
Und dennoch brachte keiner dieser Boten
Der Heißgeliebten meine heißen Grüße!
Schämt euch, untreue Boten, Sterne oben,
Die ihr so klug und pfiffig niederblinzelt,
Und euch als Menschenschicksal-Lenker brüstet! 720
Ihr konntet nicht bestellen meine Grüße --
Und blöde Tauben tragen, treu und sicher,
Den Liebesbrief des Hirten in der Wüste! --
Das Schloßgesinde ist zu Bett gegangen,
Bedächtig sind die Lichter ausgelöscht, 725
Und nur ein einz'ges noch strahlt dort durchs Fenster.
Ich kenn' dies Fenster noch; dort schläft Zuleima.
Dort stand ich manche schöne Sommernacht,
Und ließ die Laute klingen, bis die Liebste
Mit süßem Wort auf dem Balkon erschien. 730
(Er zieht eine Laute hervor.)
Hier ist die alte Laute. Klingend schwebt mir
Im Kopf' das alte Lied; und sehen möcht' ich,
Ob auch der alte Zauberklang noch wirkt.
(Er spielt und singt.)
Güldne Sternlein schauen nieder
Mit der Liebe Sehnsuchtwehe; 735
Bunte Blümlein nicken wieder,
Schauen schmachtend in die Höhe.
Zärtlich blickt der Mond herunter,
Spiegelt sich in Bächleins Fluten,
Und vor Liebe taucht er unter, 740
Kühlt im Wasser seine Gluten.
Wollustatmend, in der Schwüle,
Schnäbeln weiße Turteltäubchen;
Flimmernd, wie zum Liebesspiele,
Fliegt der Glühwurm nach dem Weibchen. 745
Lüftlein schauern wundersüße,
Ziehen feiernd durch die Bäume,
Werfen Kuß und Liebesgrüße
Nach den Schatten weicher Träume.
Blümlein hüpfet, Bächlein springet, 750
Sternlein kommt herabgeschossen,
Alles wacht und lacht und singet, --
Liebe hat ihr Reich erschlossen.
_Zuleimas_ (Stimme im Schloß). Ist es ein Traum, der
freundlich mich umgaukelt,
Und liebe Töne in mein Ohr zurückruft? 755
Ist es ein Unhold, der mich zu verlocken,
Des Freundes süße Stimme künstlich nachäfft?
Ist's gar der tote, irrende Almansor,
Der in der Nacht gespenstisch mich umschleicht?
_Almansor._ Es ist kein Traum, der täuschend dich umgaukelt, 760
Es ist kein Unhold, der dich will verlocken,
Auch ist's kein toter, irrender Almansor --
Es ist Almansor selbst, der Sohn Abdullahs.
Er ist zurückgekehrt, und trägt noch immer
Lebend'ge Liebe im lebend'gen Herzen. 765
_Zuleima_ tritt mit einem Lichte auf den Balkon.
_Zuleima._ Sei mir gegrüßt, Almansor ben Abdullah,
Sei mir gegrüßt im Reiche der Lebend'gen!
Denn längst kam uns die trübe Mär': tot sei
Almansor, -- und Zuleimas Augen wurden
Zwei unversiegbar stille Tränenquellen. 770
_Almansor._ O süße Lichter, holde Veilchenaugen,
So seid ihr mir noch immer treu geblieben,
Als meiner schon vergaß Zuleimas Seele!
_Zuleima._ Die Augen sind der Seele klare Fenster,
Und Tränen sind der Seele weißes Blut. 775
_Almansor._ Und floß auch Blut schon aus Almansors Seele,
Am Grab' der Mutter und am Grab' des Vaters,
So muß sie jetzt doch ganz und gar verbluten,
Hier an dem Grabe von Zuleimas Liebe.
_Zuleima._ O schlimme Worte und noch schlimm're Kunde! 780
Ihr bohrt euch schneidend ein in meine Brust,
Und auch Zuleimas Seele muß verbluten.
(Sie weint.)
_Almansor._ O weine nicht! Wie glühnde Naphthatropfen,
So fallen deine Tränen auf mein Herz.
Mein Wort soll dich jetzt nimmermehr verletzen! 785
Verehren will ich dich wie'n Heiligtum,
In dessen Näh' sogar des Blutes Rächer
Die scharfe Spitze abbricht von der Lanze;
In dessen Näh' die Taube und Gazelle
Gesichert sind vor schlimmen Jägerspfeilen; 790
In dessen Näh' selbst gier'ge Räubershände
Sich demutsvoll nur zum Gebet bewegen.
Zuleima, du bist meine heil'ge Kaaba,
Dich glaubte ich zu küssen, als zu Mekka
Mein glühnder Mund berührt den heil'gen Stein; -- 795
Du bist so süß, doch auch so kalt wie er!
_Zuleima._ Bin ich dein Heiligtum, so brich sie ab,
Die scharfe Lanzenspitze deiner Worte;
So laß im Köcher ruhn die argen Pfeile,
Die luftbefiedert in mein Herze treffen; 800
Und falte nicht wie zum Gebet die Hände,
Um desto sich'rer meine Ruh' zu rauben.
Genug schon schmerzt mich deine böse Kunde
Vom Tod Abdullahs und Fatymas; beide
Hab' ich wie eigne Eltern stets geliebt, 805
Und beide nannten mich auch gerne »Tochter!«
O sprich, wie starb Fatyma, unsre Mutter?
_Almansor._ Auf ihrem Ruhebette lag die Mutter,
Zur Linken kniete ich, und weinte still,
Zur Rechten stand Abdullah, starr und stumm, 810
Und mit der Friedenspalme schwebte sichtbar
Der Todesengel über Mutters Haupt.
Ich wollte sie entreißen diesem Engel,
Und ängstlich hielt ich fest der Mutter Hand.
Doch wie die Sanduhr leis und leiser rinnet, 815
So rann das Leben aus der Hand der Mutter;
Auf ihrem bleichen Antlitz zuckten wechselnd
Ein Lächeln und ein Schmerz, und wie ich leise
Mich hinbog über sie, da seufzte sie
Aus tiefer Brust: »Bring diesen Kuß Zuleimen!« 820
Bei diesem Namen stöhnte auf Abdullah,
Wie ein zu Tod getroff'nes wildes Tier.
Die Mutter sprach nicht mehr, die kalte Hand nur
Lag in der meinigen, wie ein Versprechen.
_Zuleima._ O Mutter, o Fatyma, du hast noch 825
Bis in den Tod geliebt dein armes Kind!
Abdullah aber hat mich noch gehaßt,
Als er hinabstieg in sein dunkles Haus.
_Almansor._ Nicht mit ins Grab nahm er den Haß. Obzwar,
Wenn nur durch Zufall ihm ins Ohr geklungen 830
Die Namen Aly und Zuleima, so
Erwacht' in seiner Brust der Sturm, wie Wolken
Umzog es seine Stirn', sein Auge blitzte,
Und seinem Mund' entquoll Verwünschungsfluch.
Doch einst nach solchem Sturme fiel der Vater 835
Ermattet und betäubt in tiefen Schlaf.
Ich stand bei ihm, auf sein Erwachen harrend.
Wie staunte ich! Als er die Wimper aufschlug,
Da lag in seinem Blick', statt Zornesglühen,
Nur klare Freundlichkeit und fromme Milde; 840
Statt seiner Wahnsinnsschmerzen wildes Zucken,
Umschwebte heit'res Lächeln seine Lippen;
Und statt den grausen Fluch hervorzufluchen,
Sprach er zu mir mit leiser, weicher Stimme:
»Die Mutter will's nun mal, ich kann's nicht ändern, 845
Drum geh nur hin, mein Sohn, durchschiff' das Meer,
Geh nach Hispanien zurück, geh hin
Nach Alys Schloß, und suche dort Zuleima,
Und sage ihr« --
Da kam ein Todesengel,
Und schnitt mit scharfem Schwerte rasch entzwei 850
Abdullahs Leben und Abdullahs Rede.
(Pause.)
Ich habe ihn ins Grab gelegt, doch nicht,
Nach Moslembrauch, das Antlitz gegen Mekka;
Gegen Granada hab' ich, wie er's einst
Befahl, sein totes Angesicht gerichtet. 855
So liegt er mit den stieren, offnen Augen,
Und sieht mir immer nach.
(Sich allmählich umdrehend.)
Du toter Vater,
Du sahst mich wandern durch den Sand der Wüste,
Und sahst mich schiffen nach der Küste Spaniens,
Und sahst mich eilen nach dem Schlosse Alys, 860
Und siehst mich hier, --
hier steh' ich vor Zuleima,
Sag nun, Abdullahs Geist, was soll ich sprechen?
Eine in einem schwarzen Mantel verhüllte _Gestalt_
tritt auf.
_Die Gestalt._ O sprich zu ihr: Zuleima, steig herunter
Aus deines Marmorschlosses güldnen Kammern,
Und schwing dich auf Almansors edles Roß. 865
Im Lande, wo des Palmbaums Schatten kühlen,
Wo süßer Weihrauch quillt aus heil'gem Boden,
Und Hirten singend ihre Lämmer weiden;
Dort steht ein Zelt von blendend weißer Leinwand,
Und die Gazelle mit den klugen Augen, 870
Und die Kamele mit den langen Hälsen,
Und schwarze Mädchen mit den Blumenkränzen,
Stehn an des Zeltes buntgeschmücktem Eingang,
Und harren ihrer Herrin -- o Zuleima,
Dorthin, dorthin entfliehe mit Almansor. 875
* * * * *

Garten vor Alys Schloß, blühend und von der
Morgensonne beleuchtet. _Zuleima_ liegt betend vor
einem Christusbilde. Sie steht langsam auf.
_Zuleima._ Und doch liegt noch die Sorg' auf dieser Brust!
Mein Herze zittert noch. Ist es vor Freude,
Daß er noch lebt, den ich als tot beweint?
Nein, nicht vor Freude, die verträgt sich nicht
Mit meinem heil'gen Eid, mit dem Versprechen, 880
Das ich dem frommen Abt des Klosters gab.
Almansor ist zurückgekommen! Wenn
Mein Vater das erfährt -- wird nicht sein Zorn
Den Sohn des Todfeinds treffen? Noch erlosch nicht
Sein Groll, noch liegen lauernd in der Brust ihm 885
Viel schlimme Geister, die mit Wut entsteigen,
Wenn nur sein Ohr Abdullahs Namen hört.
Was hat Abdullah ihm getan? Mein Vater
Ist sonst so mild! Ich hab' ihn oft behorcht;
Des Nachts durchwandelt er des Schlosses Gänge, 890
Mit bloßem Schwert, und ruft: »Abdullah, komm,
Wir wollen fechten, Blut will Blut« -- Almansor!
Dich darf er nimmer schau'n, entflieh! entflieh!
Der Väter Feindschaft bringt den Kindern Tod.
Mit meinem Schleier will ich dich umhüllen, 895
Daß meines Vaters Blick dich nimmer treffe.
Ich seh' dich in Gefahr, und es erwachen
All die Gefühle, die mich einst bewegten,
Als wir noch Braut und Bräut'gam kindisch spielten,
Als du den morschen Apfelbaum erklettert, 900
Als ich dich weinend, und mit bangen Bitten,
Herunterlockte von der schlimmen Höh'.
(Sinnend.)
»Tot ist Almansor«, sagten böse Leute,
Und böser Kunde glaubte böses Herz,
Und Braut des fremden Mannes ward Zuleima! 905
Ich will dich lieben, wie man liebt den Bruder, --
Sei mir ein Bruder, lieblicher Almansor!
(Sie sieht zur Erde, und seufzt: »Almansor!«)
_Almansor_ ist unterdessen hinter Zuleima erschienen,
naht sich derselben unbemerkt, legt beide Hände auf
ihre Schulter, und lächelnd seufzt er im selben Tone:
»Zuleima!«
_Zuleima_ (dreht sich erschrocken um, und betrachtet ihn
lange). Du hast dich viel verändert, mein Almansor.
Du siehst fast aus wie'n starker Mann, doch hast du
Die wilden Knabensitten nicht vergessen, 910
Und störst mich wieder, ebenso wie sonst,
Wenn ich mit meinen Blumen heimlich spreche.
_Almansor_ (heiter lächelnd). Sag' mir, mein Liebchen, welche
Blume ist es,
Die jetzt »Almansor« heißt? Ein trüber Name,
Der nur für Trauerblumen passen könnt'! 915
_Zuleima._ Sag' mir zuvor, du wilder, finstrer Buhle,
Wer war der schwarze Sprecher diese Nacht?
_Almansor._ Es war ein alter Freund, du kennst ihn gut.
Der alte Hassan war's, der vielbesorgt,
Wie'n treues Tier, gefolget meiner Spur. 920
Leg' ab, mein süßes Lieb, die finstre Miene,
Den schwarzen Flor, der deinen Blick umdüstert.
Wie'n Schmetterling die Raupenhülle abstreift
Und leuchtend bunt entfaltet seine Flügel,
So hat die Erde abgestreift das Dunkel, 925
Womit die Nacht ihr schönes Haupt umschleiert.
Die Sonne senkt sich küssend auf sie nieder;
Im grünen Wald erwacht ein süßes Singen;
Der Springborn rauscht und stäubet Diamanten;
Die hübschen Blümlein weinen Wonnetränen; -- 930
Das Licht des Tages ist ein Zauberstab,
Der all die Blumen und die Lieder weckte,
Der selbst Almansors Seele konnt' entnachten.
_Zuleima._ Trau' nicht den Blumen, die hierher dir winken,
Trau' nicht den Liedern, die hierher dich locken, 935
Sie winken und sie locken in den Tod.
_Almansor._ Ich weiche nicht, und weich' auch nicht dem Tod.
Mir ist so wohl, so heimlich wohl allhier!
Sie steigen auf, die goldnen Knabenträume!
Hier ist der Garten, wo ich gerne spielte, 940
Hier blühn die Blumen, die mir freundlich nickten,
Hier singt der Zeisig, der mich morgens grüßt', --
Doch sprich, mein Lieb, ich sehe nicht die Myrte,
Wo sie einst stand, da steht jetzt die Zypresse?
_Zuleima._ Die Myrte starb, und auf das Grab der Myrte 945
Hat man gepflanzt die traurige Zypresse.
_Almansor._ Noch steht die Laube von Jasmin und Geißblatt,
Wo wir die hübschen Märchen uns erzählten,
Von Mödschnuns Wahnsinn und von Leilas Sehnsucht,
Von beider Liebe und von beider Tod. 950
Hier steht auch noch der liebe Feigenbaum,
Mit dessen Frucht du meine Märchen lohntest;
Hier stehn auch noch die Trauben und Melonen,
Die uns erquickten, wenn wir lang geschwatzt --
Doch sprich, mein Lieb, ich seh' nicht den Granatbaum, 955
Worauf einst saß und sang die Nachtigall,
Ihr Liebesweh der roten Rose klagend.
_Zuleima._ Die rote Rose ward vom Sturm entblättert,
Die Nachtigall samt ihrem Liede starb,
Und böse Äxte haben abgehau'n 960
Den edeln Stamm des blühenden Granatbaums.
_Almansor._ Hier ist mir wohl! Auf diesem lieben Boden
Klebt fest mein Fuß, wie heimlich angekettet;
Ich bin gebannt in diesen lieben Kreisen,
Die du um mich gezogen, schöne Fee; 965
Vertraute Balsamdüfte mich umhauchen,
Die Blumen sprechen und die Bäume singen,
Bekannte Bilder hüpfen aus den Büschen --
(Er erblickt das Christusbild, befremdet.)
Doch sprich, mein Lieb, dort steht ein fremdes Bild,
Das schaut mich an so mild, und doch so traurig, 970
Und eine bittre Träne läßt es fallen
In meinen schönen, goldnen Freudenkelch.
_Zuleima._ Und kennst du nicht dies heil'ge Bild, Almansor?
Hast du es nie geschaut in sel'gen Träumen?
Trafst du es wachend nie auf deinen Wegen? 975
Besinn' dich wohl, du mein verlor'ner Bruder!
_Almansor._ Wohl traf ich schon auf meinem Weg dies Bildnis,
Am Tage meiner Rückkehr in Hispanien.
Links an der Straße, die nach Xeres führt,
Steht prangend eine herrliche Moschee, 980
Doch wo der Türmer einst vom Turme rief:
»Es gibt nur einen Gott, und Mahomet
Ist sein Prophet!« da klung jetzund herab
Ein dröhnend dumpfes, schweres Glockenläuten.
Schon an der Pforte goß sich mir entgegen 985
Ein dunkler Strom gewalt'ger Orgeltöne,
Die hoch aufrauschten und wie schwarzer Sud
Im glühnden Zauberkessel qualmig quollen.
Und wie mit langen Armen, zogen mich
Die Riesentöne in das Haus hinein, 990
Und wanden sich um meine Brust, wie Schlangen,
Und zwängten ein die Brust, und stachen mich,
Als läge auf mir das Gebirge Kaff,
Und Simurghs Schnabel picke mir ins Herz.
Und in dem Hause scholl, wie'n Totenlied, 995
Das heisre Singen wunderlicher Männer,
Mit strengen Mienen und mit kahlen Häuptern,
Umwallt von blum'gen Kleidern, und der feine
Gesang der weiß- und rotgeröckten Knaben,
Die oft dazwischen klingelten mit Schellen 1000
Und blanke Weihrauchfässer dampfend schwangen.
Und tausend Lichter gossen ihren Schimmer
Auf all das Goldgefunkel und Geglitzer,
Und überall, wohin mein Auge sah,
Aus jeder Nische nickte mir entgegen 1005
Dasselbe Bild, das ich hier wiedersehe.
Doch überall sah, schmerzenbleich und traurig,
Des Mannes Antlitz, den dies Bildnis darstellt.
Hier schlug man ihn mit harten Geißelhieben,
Dort sank er nieder unter Kreuzeslast, 1010
Hier spie man ihm verachtungsvoll ins Antlitz,
Dort krönte man mit Dornen seine Schläfe,
Hier schlug man ihn ans Kreuz, mit scharfem Speer
Durchstieß man seine Seite, -- Blut, Blut, Blut
Entquoll jedwedem Bild. Ich schaute gar 1015
Ein traurig Weib, die hielt auf ihrem Schoß',
Des Martermannes abgezehrten Leichnam,
Ganz gelb und nackt, von schwarzem Blut umronnen --
Da hört' ich eine gellend scharfe Stimme:
»Dies ist sein Blut,« und wie ich hinsah, schaut' ich 1020
(schaudernd)
Den Mann, der eben einen Becher austrank.
(Pause.)
_Zuleima._ Ins Haus der Liebe trat dein Fuß, Almansor,
Doch Blindheit lag auf deinen Augenwimpern.
Vermissen mochtest du den heitern Schimmer,
Der leicht durchgaukelt alte Heidentempel, 1025
Und jene Werkeltagsbequemlichkeit,
Die in des Moslems dumpfer Betstub' kauert.
Ein ernst'res, bess'res Haus hat sich die Liebe
Zur Wohnung ausgesucht auf dieser Erde.
In diesem Hause werden Kinder mündig, 1030
Und Münd'ge werden da zu Kindern wieder;
In diesem Hause werden Arme reich,
Und Reiche werden selig in der Armut;
In diesem Hause wird der Frohe traurig,
Und aufgeheitert wird da der Betrübte. 1035
Denn selber als ein traurig, armes Kind
Erschien die Liebe einst auf dieser Erde.
Ihr Lager war des Stalles enge Krippe,
Und gelbes Stroh war ihres Hauptes Kissen;
Und flüchten mußte sie wie'n scheues Reh, 1040
Von Dummheit und Gelehrsamkeit verfolgt.
Für Geld verkauft, verraten ward die Liebe,
Sie ward verhöhnt, gegeißelt und gekreuzigt; --
Doch von der Liebe sieben Todesseufzern
Zersprangen jene sieben Eisenschlösser, 1045
Die Satan vorgehängt der Himmelspforte,
Und wie der Liebe sieben Wunden klafften,
Erschlossen sich aufs neu' die sieben Himmel,
Und zogen ein die Sünder und die Frommen.
Die Liebe war's, die du geschaut als Leiche 1050
Im Mutterschoße jenes traur'gen Weibes.
O, glaube mir, an jenem kalten Leichnam
Kann sich erwärmen eine ganze Menschheit;
Aus jenem Blute sprossen schön're Blumen,
Als aus Alradschids stolzen Gartenbeeten, 1055
Und aus den Augen jenes traur'gen Weibes
Fließt wunderbar ein süß'res Rosenöl,
Als alle Rosen Schiras liefern könnten.
Auch du hast teil, Almansor ben Abdullah,
An jenem ew'gen Leib und ew'gen Blute, 1060
Auch du kannst setzen dich zu Tisch mit Engeln,
Und Gottesbrot und Gotteswein genießen,
Auch du darfst wohnen in der Sel'gen Halle,
Und, gegen Satans starke Höllenmacht,
Schützt dich mit ew'gem Gastrecht Jesu Christ, 1065
Wenn du genossen hast sein »Brot und Wein«.
_Almansor._ Du sprachest aus, Zuleima, jenes Wort,
Das Welten schafft und Welten hält zusammen;
Du sprachest aus das große Wörtlein »Liebe!«
Und tausend Engel singen's jauchzend nach, 1070
Und in den Himmeln klingt es schallend wieder;
Du sprachst es aus, und Wolken wölben sich
Dort oben hoch, wie eines Domes Kuppel,
Die Ulmen rauschen auf wie Orgeltöne,
Die Vöglein zwitschern fromme Andachtlieder, 1075
Der Boden dampft von wallend süßem Weihrauch,
Der Blumenrasen hebt sich als Altar, --
Nur eine Kirch' der Liebe ist die Erde.
_Zuleima._ Die Erde ist ein großes Golgatha,
Wo zwar die Liebe siegt, doch auch verblutet. 1080
_Almansor._ O, flechte nicht zum Totenkranz die Myrte,
Und hüll' die Liebe nicht in Trauerflöre.
Der Liebe Priesterin bist du, Zuleima,
Die Liebe wohnt in deines Busens Zelle,
Aus deiner Äuglein klaren Fenstern schaut sie, 1085
Ihr Odem weht aus deinem süßen Munde --
Auf euch, ihr sammetweichen Purpurkissen,
Auf euch, ihr holden Lippen, thront die Liebe,
Auf euch möcht sich Almansors Seele betten, --
Ei, hörst du nicht Fatymas letzte Worte: 1090
»Bring diesen Kuß Zuleimen, meiner Tochter.« --
(Sie sehen sich lange wehmütig an. Sie küssen sich
feierlich.)
_Zuleima._ Fatymas Totenkuß hab' ich empfangen,
Nimm hin dagegen Christi Lebenskuß!
_Almansor._ Es war der Liebe Odem, den ich trank
Aus einem Becher mit Rubinenrande; 1095
Es war ein Freudenborn, woraus ich trank
Ein Öl, das heiß durch meine Adern rinnet,
Und mir das Herz erquicket und verbrennt.
(Umschlingt sie.)
Ich lass' nicht ab von dir, von dir, Zuleima!
Und ständen offen Allahs goldne Hallen, 1100
Und Huris winkten mir mit schwarzen Augen,
Ich ließ' nicht ab von dir, ich blieb' bei dir,
Umschlänge fester deinen süßen Leib, --
Dein Himmel nur, Zuleimas Himmel nur
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